LVwG-550008/9/WG/BRe
Linz, 13.03.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Wolfgang Weigl über die Beschwerde des x, x, x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 20. November 2013, Agrar96-7-2013, betreffend eine Ermahnung wegen Übertretung des Pflanzenschutzmittelgesetzes 2011, (Beschuldigter: x), nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 3. März 2014,
zu Recht e r k a n n t:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG als unbegründet abgewiesen. Aus Anlass der Beschwerde wird die Ermahnung vom 20. November 2013 behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 VStG eingestellt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis (im Folgenden: die belangte Behörde) erließ mit Bescheid vom 20. November 2013, GZ. Agrar96-7-2013 gegen x (im Folgenden: der Beschuldigte) eine Ermahnung wegen Übertretung des § 15 Abs. 1 Ziffer 1 lit. A erster Fall iVm. § 3 Abs. 1 Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 iVm Artikel 28 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 vom 21. Oktober 2009. Im Spruch dieser Ermahnung wird folgende Tat als erwiesen angenommen: „Bei einer Pflanzenschutzmittelkontrolle am 6. August 2013 in Ihrem Betrieb x, x, x wurden 1mal 15 Liter des Pflanzenschutzmittels „Turbo-CCC720SL“ mit der deutschen Parallelimportnummer 004115-00/001 in einem Lagerraum, gemeinsam mit anderen – verkehrsfähigen – Pflanzenschutzmittel für den Verkauf oder die sonstige Abgabe an andere gelagerte bzw. vorrätig gehalten, vorgefunden. Die Anmeldung und Abverkaufsfrist des Pflanzenschutzmittels „Turbo-CCC720SL“ mit der deutschen Parallelimportnummer 004115-00/001 wurde mit 31. Dezember 2012 beendet. Damit haben Sie dieses Pflanzenschutzmittel am 6. August 2013 durch Lagern in Verkehr gebracht, ohne dass dieses für die Inverkehrbringung in Österreich zugelassen war.“ Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, da nach den glaubhaften Angaben des Beschuldigten eine getrennte Lagerung und Kennzeichnung der für den landwirtschaftlichen Betrieb bestimmten Pflanzenschutzmittel umgehend bereits während der Kontrolle erfolgte und auch nicht vorgesehen gewesen sei, das gegenständliche Pflanzenschutzmittel in Verkehr zu bringen, könne von einem geringfügigen Verschulden und von unbedeutenden Folgen der Übertretung ausgegangen werden. Es sei daher eine Ermahnung auszusprechen.
2. Dagegen richtet sich die Berufung des Bundesamtes für Ernährungssicherheit vom 3. Dezember 2013. Darin wird der Antrag gestellt, der UVS möge der Berufung Folge geben und den angefochtenen Bescheid vom 20. November 2013 dahin gehend abändern, dass dem Beschuldigten die Gebühren des BAS in der Höhe von 867,73 Euro vorgeschrieben werden und sowie in jedem Fall eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen.
3. Der Beschuldigte wies im Beschwerdeverfahren darauf hin, dass er das genannte Pflanzenschutzmittel für den Eigenbedarf verwendet habe und kein Inverkehrbringen vorliege. Er beantragte die Behebung der Ermahnung. Das Bundesamt hielt dem entgegen, mangels Nachweislichkeit könne der Ausnahmetatbestand für den Eigenbedarf nicht akzeptiert werden.
4. Das Landesverwaltungsgericht hat in der öffentlichen Verhandlung am 3. März 2014 Beweis erhoben. In der mündlichen Verhandlung wurden die Verfahrensakte einschließlich aller darin befindliche Beweismittel einvernehmlich verlesen. x wurde als Beschuldigter einvernommen. Die Meldungslegenden Kontrollorgane x und x wurden als Zeuginnen einvernommen. Abschließend verzichteten die Verfahrensparteien auf eine weitere Beweisaufnahme, worauf hin der Verhandlungsleiter den Schluss der Beweisaufnahme verfügte.
5. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:
6. Der Beschuldigte ist Landwirt und Inhaber des Kommissionslagers der Einkaufsgemeinschaft x. Die Einkaufsgemeinschaft x kauft im Frühjahr gemeinsam via x Pflanzenschutzmittel ein; die Pflanzenschutzmittel werden nach Lieferung sofort verteilt. Für die Verteilung ist der Beschuldigte verantwortlich. Jeder Landwirt bestellt einzeln, jeder Landwirt bekommt eigens eine Rechnung von x ausgestellt. Das Kommissionslager mit Pflanzenschutzmitteln der Firma x wird betrieben, um unterjährig Pflanzenschutzmittel zur Verfügung zu haben, sollten welche ausgehen. Die Ausgabe von Pflanzenschutzmitteln erfolgt nach Rücksprache bzw. Terminvereinbarung mit dem Beschuldigten. Der Beschuldigte stellt die Lieferscheine aus, Rechnungslegung über die ausgegebenen Pflanzenschutzmittel erfolgt direkt durch x. Im Kommissionslager sind ausschließlich Pflanzenschutzmittel der Firma x, von anderen Firmen werden keine Pflanzenschutzmittel bezogen. Pflanzenschutzmittel aus dem Kommissionslager werden an alle Landwirte, die über die Firma x Pflanzenschutzmittel einkaufen wollen, ausgegeben (nicht exklusiv für Mitglieder der Einkaufsgemeinschaft x). Im Herbst werden die nicht verkauften Pflanzenschutzmittel von der Firma x abgeholt. (Niederschrift Betriebskontrolle vom 6. August 2013).
7. Am 6. August 2013 führten Bedienstete des Bundesamtes für Ernährungssicherheit (DI x und DI x) im Betrieb des Beschuldigten, x, x eine Kontrolle durch. Die Pflanzenschutzmittel für den Eigenbedarf des Beschuldigten lagerten gemischt mit dem Inverkehr gebrachten Pflanzenschutzmittel. Zu Beginn der Amtshandlung war für die Bediensteten des Bundesamtes nicht augenscheinlich, welche Pflanzenschutzmittel im Besitz Herrn x waren und welche Pflanzenschutzmittel dem Kommissionslager zu zuordnen waren. Der Beschuldigte erklärte mündlich, welche Pflanzenschutzmittel in seinem Besitz waren (Niederschrift Betriebskontrolle vom 6. August 2013).
8. Die Bediensteten des Bundesamtes fanden unter anderem das verfahrensgegenständliche Pflanzenschutzmittel „Turbo-CCC720SL“ vor. Der vorgefundene Kanister des Pflanzenschutzmittels Turbo-CCC720SL war für den Eigenbedarf des Beschuldigten gedacht. Von dem erwähnten Kanister fehlten 5 Liter, die auf den Feldern des Beschuldigten ausgebracht worden waren. Der Rest des Pflanzenschutzmittels TurboCC-720SL ist noch vorhanden und wird vom Beschuldigten im Frühjahr 2014 wieder benötigt (Aussage des Beschuldigten, Tonbandprotokoll Seite 3).
9. Die Anmeldung und Abverkaufsfrist des Pflanzenschutzmittels „Turbo-CCC720SL“ wurde mit 31. Dezember 2012 beendet. Die Bediensteten des Bundesamtes für Ernährungssicherheit verfügten die vorläufige Beschlagnahme des vorgefundenen Kanisters 1x15 Liter des Pflanzenschutzmittels „Turbo-CCC720SL“. Das x brachte darauf hin mit Eingabe vom 19. August 2013 eine Anzeige gemäß § 3 Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 bei der belangten Behörde ein. In dieser Anzeige wird ausgeführt: „Für das x besteht daher der begründete Verdacht, dass Herr x als Verantwortlicher und damit zur Vertretung nach Außen befugtes Organ des Betriebes x, x, x, seiner Verpflichtung zur Einhaltung des Pflanzenschutzmittelgesetzes 2011 nicht entsprochen hat, da er am 6. August 2013 ein nicht gemäß § 3 Abs. 1 Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 zugelassenes Pflanzenschutzmittel, nämlich 1x 15 Liter „Turbo-CCC720SL“ mit der deutschen Parallelimportnummer 004115-00/001, durch Lagern bzw. Vorrätig halten zum Verkauf oder der sonstigen Abgabe an andere, Inverkehr gebracht hat.“ Das Bundesamt wies auf die Gebühren gemäß Kontrollgebührentarif 2013 hin und beantragte die Vorschreibung von Gebühren in der Höhe von 867,73 Euro.
10. Die belangte Behörde erließ in weiterer Folge den Bescheid über die Beschlagnahme des Pflanzenschutzmittels „Turbo-CCC720SL“ vom 22. August 2013.
11. Dagegen erhob der Beschuldigte Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich. Der UVS gab der Berufung mit Erkenntnis vom 22. Oktober 2013, GZ. VwSen-590355/4/Py/Hu, Folge. Der Bescheid wurde ersatzlos behoben und das Verfahren eingestellt. Begründend führte der UVS insbesondere aus: „Aufgrund der glaubwürdigen Angaben des Bw handelte es sich bei dem gegenständlichen Produkt um einen in seinem landwirtschaftlichen Betrieb verwendetes Mittel, das nicht für den Verkauf bzw. zur Abgabe an Dritte vorgesehen ist und eine Aufbrauchsfrist bis 30. Juni 2014 aufweist. Die Voraussetzungen für die vorläufige Beschlagnahme sind daher entfallen, da dem Pflanzenschutzmittelgesetz kein Anhaltspunkt entnommen werden kann, dass durch eine Beschlagnahme – abgesehen von einer allfälligen Strafbarkeit – trotz Sanierung ein Entzug des Verfügungsrechtes gerechtfertigt wäre.“
12. Im Anschluss daran erließ die belangte Behörde die nunmehr bekämpfte Ermahnung, gegen die sich die vorliegende Berufung richtet.
13. Beweiswürdigung:
14. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den angeführten Aktenbestandteilen und Beweismitteln. Strittig war die Frage, ob das Produkt Turbo CCC720SL für den Eigenbedarf gedacht war. Die Bediensteten des Bundesamtes führten die Kontrolle zweifelsohne entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen durch. Es kam aber offensichtlich zwischen ihnen und dem Beschuldigten zu einem Missverständnis. Die Bediensteten des Bundesamtes verstanden den Beschuldigten offenbar so, dass er das Produkt Turbo-CCC720SL nicht als für den Eigenbedarf deklariert habe (vergleiche Zeugenaussage x, Tonbandprotokoll Seite 5 und Zeugenaussage x, Tonbandprotokoll Seite 7). Der Beschuldigte hielt dem entgegen, dass er das vorgefundene Pflanzenschutzmittel TurboCCC720SL auf den eigenen Feldern einsetzt (vergleiche Tonbandprotokoll Seite 3). Er hielt fest, dass das linke Regal, in dem sich das Produkt TurboCC720SL befand, für seine Produkte reserviert war (Tonbandprotokoll Seite 3). Die anlässlich der Betriebskontrolle mit dem Beschuldigten aufgenommene Niederschrift enthält keine für den Beschuldigten nachteiligen Angaben, zumal darin festgehalten wird, dass „Pflanzenschutzmittel für den Eigenbedarf von Herrn x“ gelagert wurden. Im zitierten Erkenntnis des UVS vom 22. Oktober 2013 wird darauf hingewiesen, dass es sich laut den glaubwürdigen Angaben des Bw um ein in seinem landwirtschaftlichen Betrieb verwendetes Mittel handelt. In der nunmehr bekämpften Ermahnung wird ausdrücklich eingeräumt, dass nicht vorgesehen war, das gegenständliche Pflanzenschutzmittel in Verkehr zu bringen. Zusammengefasst steht bei freier Würdigung der vorliegenden Beweise damit fest, dass das vorgefundene Pflanzenschutzmittel TurboCC720SL für den Eigenbedarf des Beschuldigten gedacht war.
15. Rechtliche Beurteilung:
16. Die Berufung gilt als Beschwerde iSd Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG, über die das LVwG zu entscheiden hat. Das x weist zutreffend auf die zu § 6 Abs. 6 Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz (GESG) ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. November 2011, Zl. 2010/07/0001 hin. In Folge des ausdrücklichen Gesetzestextes besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Ermahnung und vorzuschreibenden Gebühren. In Folge der Berufung des x ist die bekämpfte Ermahnung nicht in Rechtskraft erwachsen und war diese vom Landesverwaltungsgericht im Grunde nach zu überprüfen, da der Beschuldigte deren Behebung beantragt.
17. § 3 Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 lautet unter der Überschrift „Voraussetzungen für das Inverkehrbringen“:
(1) Pflanzenschutzmittel und Zusatzstoffe dürfen nur dann zum Zwecke des Verkaufs oder der sonstigen Abgabe an andere gelagert oder vorrätig gehalten oder auf sonstige Weise in Verkehr gebracht oder beworben werden, wenn den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes einschließlich der darauf beruhenden Verordnungen und den Rechtsvorschriften der Europäischen Union entsprochen wird.
(2) Pflanzenschutzmittel,
1. auf die nachweislich die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 2 Buchstaben c und d der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 zutreffen oder
2. die nachweislich zur Entsorgung oder Rückgabe an den Abgeber gelagert werden,
sind unverzüglich so zu kennzeichnen, dass eindeutig der vorgesehene Bestimmungszweck daraus hervorgeht. Die Nachweise sind durch Dokumentation der maßgeblichen Unterlagen, insbesondere hinsichtlich der Herkunft und der Bestimmung der Pflanzenschutzmittel, zu erbringen.
(3) Abnehmer sind berechtigt, Pflanzenschutzmittel, die nicht mehr in Verkehr gebracht werden dürfen, dem Abgeber zurückzugeben. Der Abgeber ist zu deren kostenlosen Rücknahme einschließlich ihrer Verpackungen verpflichtet, sofern die Rückgabe in den Originalverpackungen ohne Beigabe anderer Stoffe oder Zubereitungen erfolgt und der Abnehmer dem Abgeber über dessen Verlangen seine Identität nachgewiesen hat.
18. Die Verwendung für den Eigenbedarf stellt kein Inverkehrbringen im Sinn des § 3 Abs. 1 Pflanzenschutzmittelgesetz 2011 dar. Für den Eigenbedarf eines Landwirtes ist das Oö. Bodenschutzgesetz maßgeblich. Der Beschuldigte hat die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
19. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
20. Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil keine Rechtsprechung des VwGH zum Einsatz eines Pflanzenschutzmittels für den Eigenbedarf vorliegt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Wolfgang Weigl
Beachte:
Die Revision wurde zurückgewiesen.
VwGH vom 24. November 2016, Zl.: Ro 2014/07/0070-4