LVwG-150092/3/VG/Ga

Linz, 12.03.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Verena Gubesch über die Beschwerde 1. des Dr. A und 2. der E, beide vertreten durch W & Partner Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 30. März 2011, GZ: PPO-RM-Bau-1095-04, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben, den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I. Der Beschwerde wird stattgegeben. Der Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 30. März 2011, GZ: PPO-RM-Bau-1095-04, wird aufgehoben und die Angelegenheit wird zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG an den Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz zurückverwiesen.

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Eingabe vom 24. November 2008 beantragte die W GmbH (in der Folge: Bauwerberin) die Erteilung der Baubewilligung gemäß § 24 der Oö. BauO 1994 für den Neubau eines Wohngebäudes auf der Liegenschaft G-Straße (Grundstück Nr. 2, EZ 3, KG Linz). Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer der auf der anderen Seite der G-Straße befindlichen Liegenschaft G-Straße, Grundstück Nr. 1, EZ 3, KG Linz. Die Ostfassade des Neubaues liegt an der G-Straße. Die Liegenschaft der Beschwerdeführer befindet sich nicht genau gegenüber der Bauliegenschaft, sondern in nördlicher Richtung an der G-Straße versetzt, wobei die Südgrenze der Nachbarliegenschaft der Beschwerdeführer der Nordgrenze der Bauliegenschaft gegenüber liegt.

 

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 9. April 2009 wurde die beantragte Baubewilligung rechtskräftig erteilt.

 

2. Mit am 18. Juni 2010 beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz eingelangter Eingabe beantragte die Bauwerberin die Bewilligung von Abweichungen vom genehmigten Bauvorhaben gemäß § 39 Abs. 2  Oö. BauO 1994. Vorgesehen war unter anderem, dass die Gaupen im vierten Obergeschoß im fünften Obergeschoß „wiederholt“ werden sollten, die mittlere Gaupe entfalle und die Ausbildung der Gaupen in Stahlbeton statt in Leichtkonstruktion erfolge.

 

Mit Schreiben des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 15. Oktober 2010 wurde unter anderem den Beschwerdeführern zum geplanten Planwechsel Parteiengehör gewährt.

 

Mit Schreiben vom 12. November 2010 sprachen sich die Beschwerdeführer gegen die Planwechselbewilligung aus, weil die Abänderung der Dachgaupen nicht dem Bebauungsplan entspreche. Insbesondere würden die verbindlichen Richtlinien für den Dachraum- und Dachgeschoßausbau nicht eingehalten. Die Mindestabstände zum aufgehenden Mauerwerk von 1 m würden sowohl südseitig als auch nordseitig zum Nachbarobjekt G-Straße 5 nicht eingehalten. Weiters werde durch die Dachgaupen entgegen dem Bebauungsplan mehr als 50 % der Länge des Gebäudes verbaut. Durch den „turmartigen Aufbau“ im nordöstlichen Eckbereich werde die Gesimshöhe von 13 m durchgehend in gerader Linie um 6,5 m auf 19,5 m erhöht. Diese Erhöhung durch den völlig aus den Proportionen fallenden „Eckturm“ mindere den Licht- und Sonneneinfall auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer, die nur durch die Breite der G-straße von rund 6 m vom Bauobjekt getrennt sei.

 

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 7. Dezember 2010 wurde die beantragte Planwechselbewilligung erteilt.

 

3. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Berufung, die mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Linz vom 30. März 2011 als unbegründet abgewiesen wurde.

 

Begründend führte die Berufungsbehörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführer seien Miteigentümer eines Grundstückes, das, getrennt durch die öffentliche Verkehrsfläche, dem Bauplatz schräg gegenüberliege. Sie hätten daher ein subjektives Recht darauf, dass die zulässige Gebäudehöhe an der straßenseitigen (ostseitigen) Fassade des Bauvorhabens eingehalten werde. Der Bebauungsplan lege eine Hauptgesimshöhe von 13,4 m als Höchstgrenze fest. Diese Festlegung gelte für die Straßenseite. Ergänzt werde diese Bestimmung im Bebauungsplan durch die verbindliche Festlegung für den Dachraum- und Dachgeschoßausbau (verbindliche Richtlinie). Unter Hauptgesimshöhe sei das den oberen Abschluss der Fassade bildende Gesims zu verstehen. Bilde das Hauptgesims den oberen Abschluss der Gebäudefassade, so müsse die Hauptgesimshöhe als Höhe der Fassade verstanden werden. Diese Höhe müsse an der Fassade selbst gemessen werden. Unter Fassade sei die Ansicht, insbesondere die Vorderansicht eines Gebäudes zu verstehen.

 

Die Bedenken der Beschwerdeführer seien zwar zu teilen, ergebe sich doch aus dem Einreichplan (Ansicht Ost), dass der Übergang der vertikalen straßenseitigen Fassade in die Dachschräge (also die Oberkante der Fassade) in einer Höhe von +13,85 m über der 0,00-Ebene liege, woraus sich bei einem ausgewiesenen Gehsteigniveau von -0,28 m an diesem Punkt eine Fassadenhöhe von 14,13 m errechne. Allerdings lasse sich im Vergleich zu dem mit Bescheid vom 9. April 2009 genehmigten Zustand keine Vergrößerung der Hauptgesimshöhe feststellen, liege doch in dem diesem Bescheid zugrunde liegenden Bauplan (Schnitt) der dort als „Traufenkante“ bezeichnete obere Abschluss der Fassade sogar bei +14,00 m, was bei dem dort ausgewiesenen Gehsteigniveau von ‑0,20 m bis -0,30 m eine genehmigte Hauptgesimshöhe von maximal 14,30 m ergebe. Eine allein subjektive Rechte der Nachbarn berührende Erweiterung der Hauptgesimshöhe im Vergleich zum genehmigten Zustand sei somit nicht Gegenstand des Planabweichungsbewilligungsverfahrens, weshalb diesem Einwand die Rechtskraft des Baubewilligungsbescheides vom 9. April 2009 entgegenstehe.

 

Die Beschwerdeführer hätten sich jedoch auch durch den ihrer Liegenschaft gegenüberliegenden „turmartigen Aufbau“ im nordöstlichen Bereich des Baugrundstückes in ihrem Recht auf Einhaltung der zulässigen Gebäudehöhe verletzt erachtet. Diese raumbildende Einheit, die im vierten Obergeschoß einen Schlafraum und im fünften Obergeschoß ein Studio umschließe, werde durch ein Flachdach abgedeckt und weise eine Breite von 4,10 m auf. Die Behörde erster Instanz habe diesen Bauteil als Gaupe bezeichnet. Im fachlichen Sprachbereich sei eine Dachgaupe stets ein Dachaufbau für ein stehendes Dachfenster. Stehende, also senkrechte Fenster, die vom Dach umgeben seien, lägen hier vor. Der Umstand, dass an der Nordseite die Dachfläche nicht bis zur Traufe durchgezogen sei, hindere die Annahme einer Gaupenform nicht, zumal dieser Aspekt keine Nachbarrechte berühre. Gegen eine in Nachbarrechte eingreifende Überdimensionierung schaffe der Bebauungsplan Abhilfe. Dessen Voraussetzungen seien hier erfüllt. Die Summe der Breiten der beiden straßenseitig situierten Dachgaupen betrage 8,86 m, also weniger als die Hälfte der straßenseitigen Fassadenlänge von 18,02 m. Der Abstand der nördlichen Gaupe zu den fiktiv fortgesetzten Seitenkanten des aufgehenden Mauerwerks betrage im Norden 1,06 m. Der Umstand, dass der Gaupe im Norden im vierten Obergeschoß eine Loggia und im fünften Obergeschoss eine Terrasse (Balkon) vorgelagert seien, ändere an der Zulässigkeit der Gaupe nach dem Bebauungsplan nichts, zumal diese Bauteile (die sich übrigens an der Nordseite in sämtlichen Obergeschoßen fänden) außerhalb des die Gaupe definierenden raumbildenden Baukörpers gelegen seien und daher nicht zur Gaupe zählten. Eine Festlegung, wonach mit Loggien bzw. Balkonen bei der hier normierten geschlossenen Bauweise ein Mindestabstand zu den Nachbargrundgrenzen einzuhalten sei, sei nicht gegeben. Normativ gehe es im Bebauungsplan nur um die Relation der Breite der Aufbauten zur Breite des aufgehenden Mauerwerks und um die erforderlichen Seitenabstände. Da somit der strittige Baukörper einerseits als Dachgaupe anzusehen sei, sodass seine Oberkante nach den Festlegungen des Bebauungsplans über der zulässigen Hauptgesimshöhe liegen könne, und andererseits die normativen Anordnungen des Bebauungsplans über die Lage und Größe von Dachgaupen nicht verletzt würden, erweise sich der Einwand der Beschwerdeführer betreffend die Gebäudehöhe als unbegründet.

 

4. Gegend diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 15. April 2011 Vorstellung, welcher mit Bescheid der Oö. Landesregierung vom 22. Dezember 2011 keine Folge gegeben wurde. Begründend führte die Oö. Landesregierung im Wesentlichen aus, die Berufungsbehörde habe zu den Darlegungen betreffend die Einhaltung des Bebauungsplanes im Zusammenhang mit den Dachgaupen und der Gebäudehöhe ausführlich Stellung genommen, worauf verwiesen werde. Aus dem Einreichplan gehe hervor, dass sich die im Berufungsbescheid angeführten Maße der Gaupen auf deren Außenbreite bezögen. Allein dieser Bauplan sei maßgeblich. Im hg. Erkenntnis vom 6. Juli 2010, Zl. 2008/05/0019, sei eine Dachgaupe, die gegenüber der Dachtraufe nicht zurückversetzt gewesen sei, als mit den auch hier gegenständlichen bebauungsplanmäßigen Vorgaben im Einklang stehend betrachtet worden. Eine Vergrößerung der Hauptgesimshöhe sei nicht Gegenstand des Planwechselbewilligungsverfahrens. Eine Aufhebung der rechtskräftigen Baubewilligung vom 9. April 2009 wäre nur aus einem (hier nicht vorliegenden) Grund des § 68 Abs. 4 AVG zulässig.

 

5. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den VwGH. Mit Erkenntnis vom 10. Dezember 2013, Zl. 2012/05/0030, hob der VwGH den angefochtenen Bescheid der Oö. Landesregierung vom 22. Dezember 2011 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

 

Die VwGH Entscheidung ist am 19. Dezember 2013 beim Amt der Oö. Landesregierung eingelangt. Aufgrund der am 1. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 trat die Oö. Landesregierung die gegenständliche Rechtssache mit Schreiben vom 8. Jänner 2014 an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Weiterführung ab.

 

II.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht. Der unter I. dargestellte Sachverhalt und Verfahrensablauf ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und insbesondere aus dem bezughabenden Erkenntnis des VwGH vom 10. Dezember 2013, Zl. 2012/05/0030.

 

III.

 

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG geht die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei den Aufsichtsbehörden anhängigen Verfahren über Vorstellungen auf die (mit 1. Jänner 2014 neu geschaffenen) Verwaltungsgerichte über. Aufgrund der ex tunc Wirkung der aufhebenden Entscheidung des VwGH gemäß § 42 Abs. 3 VwGG war die gegenständliche Vorstellung zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt bei der Oö. Landesregierung (neuerlich) anhängig. Es war daher zulässig, diese Vorstellung dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur weiteren Behandlung abzutreten. Die verfahrensgegenständliche Vorstellung aus dem Jahr 2011 war somit vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich als Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG iVm dem VwGVG zu werten.

 

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

IV.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

1. Die Beschwerdeführer haben ‑ wie unter I. dargestellt ‑ erfolgreich Beschwerde an den VwGH erhoben. Der VwGH konstatierte soweit hier wesentlich, dass im vorliegenden Fall ein Nachbarrecht der Beschwerdeführer hinsichtlich der Einhaltung der Gebäudehöhe an der Straßenfront des Baugrundstückes bestehe, wobei dieses Nachbarrecht auch das Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über die Ausnutzbarkeit des Dachbereiches durch Dachaufbauten umfasse.

 

Der Bebauungsplan lege für die Straßenfront (und ebenso für die Nordfront) des Baugrundstückes eine Hauptgesimshöhe von 13,4 m fest. Unter Hauptgesims sei das den oberen Abschluss der Gebäudefassade bildende Gesims zu verstehen. Die Hauptgesimshöhe müsse demnach als Höhe der Fassade verstanden werden (vgl. VwGH 2.9.1998, Zl. 97/05/0133).

 

Die Auffassung der Oö. Landesregierung, dass eine Vergrößerung der Hauptgesimshöhe nicht Gegenstand des Planwechselverfahrens sei, sei unzutreffend: Die hier gegenständliche Straßenfassade (Ostfassade) des Bauwerkes gehe ohne jegliche Unterbrechung vom Gehsteigniveau bis zu einem in der ursprünglichen Baubewilligung im nördlichen Bereich mit +16,25 m kotierten Niveau hinauf, durch die nunmehrige Planänderung werde ein Niveau von (allerdings nur im südlichen Bereich kotierten) +19,50 m erreicht.

 

Die Oö. Landesregierung gehe offenbar davon aus, dass die Hauptgesimshöhe bei den südlich und nördlich gelegenen Bauteilen, die gegenüber der Hauptgesimshöhe im sonstigen Bereich erhöht seien, nicht zum Tragen komme, weil es sich dabei um Gaupen handle. Der Hinweis der Oö. Landesregierung auf das Erkenntnis des VwGH vom 6. Juli 2010, Zl. 2008/05/0019, in dem eine Dachgaupe, die gegenüber der Dachtraufe nicht zurückversetzt gewesen sei, als mit den auch hier gegenständlichen bebauungsplanmäßigen Vorgaben im Eingang stehend betrachtet worden sei, sei verfehlt. Das genannte Erkenntnis vom 6. Juli 2010 könne schon deshalb nicht im Zusammenhang mit der Hauptgesimshöhe herangezogen werden, weil ihm ein Bebauungsplan zugrunde gelegen sei, bei dem die Gebäudehöhe nicht durch die Hauptgesimshöhe, sondern durch die Anzahl von Geschoßen bestimmt gewesen sei. Im vorliegenden Fall komme es aber nicht auf die Geschoßanzahl an, sondern auf die Fassade, also auf die vom Boden aufgehende Außenwand. Diese müsse jedenfalls in Höhe der zulässigen Hauptgesimshöhe einen baulichen Abschluss finden. Dies sei hier in jenen Bereichen, die die Oö. Landesregierung als „Gaupen“ bezeichne, nicht gegeben, wobei diese Bereiche durch die Planwechselbewilligung noch erhöht würden.

 

Abgesehen davon könne eine Verletzung von subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten der Beschwerdeführer aber nur dann eintreten, wenn in jenem Bereich, der oberhalb der zulässigen Hauptgesimshöhe liege, unzulässige Dachaufbauten errichtet würden. Mit anderen Worten, eine Rechtsverletzung des Nachbarn durch die einheitliche Gestaltung der Fassade ohne baulichen Abschluss in der Hauptgesimshöhe allein liege noch nicht vor, solange - unter der Annahme eines solchen (fiktiven) Abschlusses - der darüberliegende Bereich sich als zulässig gestaltet erweise.

 

Die Beschwerdeführer hätten geltend gemacht, dass durch die Dachgaupen weitere Wohnräume, und zwar zwei komplett ausgestaltete Vollgeschoße, geschaffen würden. Dies könne nicht Sinn und Zweck der Errichtung einer Dachgaupe sein. Damit seien die Beschwerdeführer im Recht. Dies begründete der VwGH wörtlich wie folgt:

 

„Eine Dachgaupe ist ein Dachaufbau für ein stehendes Dachfenster (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 6. Juli 2010). Eine Dachgaupe in diesem Sinne liegt nicht mehr vor, wenn weitere Funktionen durch diesen Bauteil als diejenige, ein stehendes Fenster zu tragen, vorhanden sind, wie etwa die Erschließung einer Terrasse (vgl. das zur Bauordnung für Wien ergangenen hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2008, Zl. 2006/05/0282).

 

Eine solche Erschließung erfolgt hier allerdings, soll doch die nördlich des nördlichen Bauteiles gelegene Terrasse durch diesen mit einer Tür erschlossen werden.

 

Eine Dachgaupe liegt weiters nicht mehr vor, wenn durch den Bauteil nicht nur ein stehendes Fenster geschaffen wird, sondern ein vollwertiger Teil eines Wohnraumes (vgl. auch dazu das zitierte hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2008). Auch dies ist hier gegeben, soll doch, wie sich etwa aus dem Schnitt C-C ergibt, nahezu die gesamte Decke des Raumes im fünften Obergeschoß im ‚Gaupenbereich‘ zu liegen kommen. Darüber hinaus sitzt das stehende Fenster im fünften Obergeschoß nicht auf der (fiktiven) zulässigen Dachschräge auf, sondern auf einem vor diese Dachschräge vorragenden Fußbodenteil.“

 

Abschließend stellte der VwGH klar, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens lediglich der in Beschwerde gezogene Bescheid sei, dem ein Planwechselbewilligungsverfahren zu Grunde liege. Durch diesen Bescheid seien die Beschwerdeführer jedenfalls nicht in einem subjektiv-öffentlichen Recht betreffend Aufhebung der ursprünglichen Baubewilligung verletzt worden.

 

2. Im Ergebnis bedeutet die Entscheidung des VwGH, dass mit der im Instanzenzug ergangenen Planwechselbewilligung Dachausbauten im fünften Obergeschoß bewilligt wurden, die aber ‑ weil es sich dabei um keine Gaupen handelt ‑ oberhalb der laut dem Bebauungsplan zulässigen Hauptgesimshöhe (Fassade bzw. vom Boden aufgehende Außenwand) von 13,4 m auf der hier relevanten Straßenfassade (Ostfassade) des Bauwerks unzulässig sind.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht davon aus, dass auch im gegenständlichen (Übergangs-)Fall unter sinngemäßer Anwendung des § 63 Abs. 1 VwGG eine Bindungswirkung des Landesverwaltungsgerichts an die Rechtsanschauung des VwGH besteht. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht weiters davon aus, dass die bisherige Rechtsprechung zur Vorgängerbestimmung des § 63 Abs. 1 VwGG auch auf das neue System der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit übertragbar ist. Demnach besteht eine Bindungswirkung des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich (sowie der Berufungsbehörde) für die zu treffende Ersatzentscheidung dann nicht, wenn sich im Entscheidungszeitpunkt die maßgebliche Sach- und/oder Rechtslage geändert hat (vgl. VwGH 20.7.2004, Zl. 2003/05/0137, mwN).

 

Im gegenständlichen Fall ist zudem die Judikatur des VwGH zu beachten, wonach dem Bauwerber vor Versagung einer Baubewilligung nahezulegen ist, sein Projekt derart zu ändern, dass es den baurechtlichen Bestimmungen entspricht, sofern dadurch das Wesen des Bauvorhabens nicht verändert wird (vgl. VwGH 4.9.2001, Zl. 2001/05/0154; 22.2.2005, Zl. 2003/06/0011, jeweils mwN; siehe auch Hauer, Der Nachbar im Baurecht6, 151ff). Diese Rechtsprechung ist nach dem Größenschluss wohl auch für den Fall einer allfälligen Versagung einer beantragten Abweichung vom genehmigten Bauvorhaben gemäß § 39 Abs. 2 Oö. BauO 1994 relevant.

 

Die Entscheidung des VwGH zieht somit nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich ein neuerliches Ermittlungsverfahren (unter Beachtung der im neuen Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Rechtslage) nach sich. Abhängig vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens ist die Abweichung vom genehmigten Bauvorhaben betreffend die Dachausbauten im fünften Obergeschoß zu genehmigen oder zu versagen.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht ferner davon aus, dass die Bestimmungen des § 28 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 VwGVG analog auf einen Fall wie den vorliegenden anzuwenden sind.

 

Für eine Anwendung des § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG bleibt daher zu prüfen, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass eine Behebung des angefochtenen Bescheides und eine Zurückverweisung an die Behörde zur neuerlichen Entscheidung zulässig ist, wenn die Behörde danach ihr neuerliches Ermittlungsverfahren voraussichtlich mindestens zum gleichen Datum abschließen kann wie es das Verwaltungsgericht könnte. Bezüglich des Kriteriums der Kosten ist eine Zurückverweisung zulässig, wenn dadurch höchstens etwas höhere Kosten entstünden, als wenn das Verwaltungsgericht sein Ermittlungsverfahren durchführt (vgl. zur wortgleichen Bestimmung in Art. 130 Abs. 4 Z 2 B-VG Leeb, Das Verfahrensrecht der [allgemeinen] Verwaltungsgerichte unter besonderer Berücksichtigung ihrer Kognitionsbefugnis, in Janko/Leeb [Hrsg], Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 99f; ebenso Fischer, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte I. Instanz [VwGVG], in Österreichische Juristenkommission [Hrsg], Justizstaat Chance oder Risiko, 316f).

 

Im gegenständlichen Fall ist für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht ersichtlich, dass die eigene Sachverhaltsermittlung eine Kostenersparnis in welche Richtung auch immer (konkrete Amtshandlung/Gesamtverfahren) bewirken könnte. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Behörde ihr Ermittlungsverfahren erst zu einem späteren Zeitpunkt abschließen wird können als das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ein von ihm geführtes abschließen könnte.

 

Zudem erscheint aus rechtsstaatlichen Erwägungen heraus eine allfällige erstmalige Versagung einer beantragten Abweichung vom bewilligten Bauvorhaben durch das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich und die damit einhergehende Quasi-Verkürzung des Instanzenzugs verfassungsgerichtlich bedenklich. Dies vor allem deshalb, weil es sich im gegenständlichen Fall um einen Übergangsfall nach Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG handelt und die ursprünglich zuständige Oö. Landesregierung den angefochtenen Bescheid des Stadtsenates aufgrund der vorliegenden VwGH Entscheidung jedenfalls hätte aufheben müssen.

 

Eine Gesamtbetrachtung sämtlicher Umstände des vorliegenden Einzelfalles ergibt somit, dass die neuerliche Prüfung und Entscheidung durch die Berufungsbehörde zu präferieren ist.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

V.

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil noch keine Rechtsprechung des VwGH zu den hier aufgeworfenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit Übergangsfällen nach Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG existiert.


 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Verena Gubesch

Beachte:

Vorstehender Beschluss wurde aufgehoben.

VwGH vom 27.08.2014, Zl.: Ro 2014/05/0062-4