LVwG-050014/2/Gf/Rt LVwG-050015/2/Gf/Rt LVwG-050016/2/Gf/Rt LVwG-050017/2/Gf/Rt LVwG-050018/2/Gf/Rt

Linz, 24.02.2014

 

 

 

                                                                                                                                                                                                                                                                                                    

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LVwG-050018/2/Gf/Rt                                              Linz, 24. Februar 2014         

                                                                                                                                                 

 

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Alfred Grof über die Beschwerden 1.) der Mag. S, 2.) der Mag. W und 3.) der Mag. Z, alle vertreten durch RA Dr. B, sowie 4.) des Dr. H und 5.) des Dr. P, beide vertreten durch RA Mag. L, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 9. Mai 2012, Zl. SanRB01-2010, wegen der Erteilung einer Konzession zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke in O (Mitbeteiligte Partei: Mag. S)

 

zu Recht  e r k a n n t:

 

I. Die Beschwerden werden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.

 


 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

 

 

I.

 

1. Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 9. Mai 2012, Zl. SanRB01-2010, wurde der Mitbeteiligten Partei auf Grund ihres am 15. September 2010 gestellten Antrages gemäß den §§ 48 ff des Apothekengesetzes, RGBl.Nr. 5/1907 (in der nunmehr maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 80/2013, im Folgenden: ApG), die Konzession zum Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke mit dem Standort „Katastralgemeinden O und H in der Gemeinde O“ und der voraussichtlichen Betriebsstätte „Straße, O“ erteilt und ihr gleichzeitig nach § 11 ApG die Entrichtung einer Taxe für die Konzessionserteilung in Höhe von 1.017,75 Euro, einer Bundesverwaltungsabgabe in Höhe von 327,00 Euro sowie von Gebühren in einer Höhe von insgesamt 158,20 Euro vorgeschrieben.

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorhandensein von Ärzten in der Standortgemeinde aktenkundig sei und sich aus dem Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer vom 12. Jänner 2012, Zl. III-5/2-31/12, ergebe, dass das Versorgungspotential der bereits bestehenden Apotheken der Beschwerdeführer infolge der beantragten Neuerrichtung jeweils nicht unter 5.500 Personen zu liegen käme und die Entfernung zwischen diesen Apotheken jeweils mehr als 500 Meter betrage.

 

1.2. Gegen diesen ihnen jeweils am 14. Mai 2012 zugestellten Bescheid richten sich die vorliegenden, am 29. Mai 2012 – und damit (weil der 28. Mai 2012 ein Feiertag [Pfingstmontag] war) i.S.d. § 33 Abs. 2 AVG rechtzeitig – zur Post gegebenen und nunmehr als Beschwerden i.S.d. Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG zu wertenden Rechtsbehelfe.

 

Darin bringt die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass sie zeitlich früher, nämlich bereits am 19. August 2010, einen Antrag auf Konzessionserteilung zur Errichtung einer neuen Apotheke in P gestellt habe und sich dieser und der Antrag der Mitbeteiligten Partei von den Bedarfsvoraussetzungen her besehen deshalb wechselseitig ausschließen würden, weil dadurch das Versorgungspotential der im Falle einer Genehmigungserteilung von der Erstbeschwerdeführerin zu errichtenden Apotheke unter 5.500 Personen sinken würde. Auf diesen Umstand sei jedoch im Gutachten der Apothekerkammer überhaupt nicht Bedacht genommen worden, weshalb ihr im gegenständlichen Verfahren auch zu Unrecht keine Parteistellung zuerkannt worden sei.

Die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin wenden ein, dass auf Basis des Gutachtens der Apothekerkammer, insbesondere zufolge der diesem zu Grunde gelegten Berechnungsmethoden (Polygonziehung, Einwohnergleichwerte, etc.), in keiner Weise nachvollziehbar sei, dass ihnen auch im Falle der Neuerrichtung einer Apotheke in O weiterhin ein über 5.500 Personen liegendes Versorgungspotential verbleiben sollte, sondern dieses künftig jeweils erheblich weniger betragen würde.

 

Der Viert- und der Fünftbeschwerdeführer weisen jeweils darauf hin, dass die belangte Behörde die bezüglich gleichzeitig gestellter, sich inhaltlich jedoch ausschließender Konzessionsansuchen bestehende ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht beachtet habe. Denn danach würden die Antragsteller eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft bilden, weshalb im vorliegenden Fall das Gutachten der Apothekerkammer jedenfalls auch die von der Erstbeschwerdeführerin zeitlich früher beantragte Apotheke in P in die Ermittlung der den bestehenden öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken verbleibenden Kundenpotentiale hätte einbeziehen müssen.

 

Aus diesen Gründen wird jeweils beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.      

 

1.3. Mit Beschluss des Oö. Verwaltungssenates (nunmehr: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich) vom 31. Juli 2012, Zl. VwSen-590307/35/Gf/Rt u.a., wurden die Beschwerdeverfahren zum Apothekenkonzessionsansuchen der Erstbeschwerdeführerin in P und zum Apothekenkonzessionsansuchen der Mitbeteiligten Partei in O zu einer Verwaltungsverfahrensgemeinschaft verbunden und dieses Verfahren gemäß § 38 AVG ausgesetzt.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise mit Erkenntnis vom 28. Jänner 2008, Zl. 2003/10/0206, ausgesprochen habe, dass konkurrenzierende Ansuchen, bei denen es im Hinblick auf die Bedarfslage ausgeschlossen ist, das allen Bewerbern die Bewilligung erteilt werden kann, eine Verfahrensgemeinschaft bilden; dies gelte für konkurrenzierende Antragsteller um eine Neuapotheke ein und desselben Standortes ebenso wie für Antragsteller, deren potentieller Kundenkreis sich derart überschneidet, dass im Falle der Konzessionserteilung an den einen Antragsteller ein Bedarf an einer weiteren Apotheke deshalb nicht mehr besteht, weil dadurch das Kundenpotential des zum Zug gekommenen Antragstellers unter 5.500 Personen (bzw.  – falls diese Apotheke von vornherein weniger als 5.500 Personen hat – auch nur um 1 Person) absinken würde.  Da eine solche Konstellation bei den gegenständlichen Ansuchen um die Erteilung einer Konzession zur Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke in P einerseits und in O andererseits vorliege, seien diese von der belangten Behörde getrennt geführten Verfahren sohin zu einer Verwaltungsverfahrensgemeinschaft zu verbinden gewesen.

 

Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2012, Zln. VwSen-590223/145/Gf/Rt u.a., habe der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich an den Gerichtshof der Europäischen Union einen Antrag auf Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV zur Klärung der Vereinbarkeit der Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG mit Art. 49 AEUV, Art. 16 EGRC und Art. 47 EGRC gestellt.

 

Da die Antworten des EuGH nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates für die Entscheidung der gegenständlich anhängigen Rechtssache von entscheidungserheblicher Bedeutung seien, sei daher das h. Verfahren gemäß den §§ 38 und 38a AVG bis zur Beendigung des Vorabentscheidungsverfahrens durch den EuGH auszusetzen gewesen.

 

2. Maßgebliche Rechtslage

 

a) Gesetzliche Regelung:

 

2.1. In systematischer Hinsicht unterscheidet das ApG zunächst im Wesentli-chen vier verschiedene Typen öffentlicher, d.h. für den allgemeinen Verkehr bestimmter (vgl. § 1 ApG) Apotheken, nämlich:

 

‒ Konzessionierte Apotheken, d.s. solche, deren Betrieb nur auf Grund einer vorangehenden behördlichen Bewilligung zulässig ist (vgl. §§ 9 ff ApG);

 

‒ Realapotheken, die verkäuflich sind (in dieser Form aber nicht mehr neu begründet werden können) und zu deren Betrieb lediglich eine behördliche Genehmigung hinsichtlich der persönlichen Eignung ihres Besitzers erforderlich ist (vgl. §§ 21 ff ApG);

 

‒ von Ärzten und Tierärzten geführte Apotheken (sog. "Hausapotheken"; vgl. §§ 28 ff ApG); sowie

 

‒ von Krankenanstalten geführte Apotheken (sog. "Anstaltsapotheken"; vgl. §§ 35 ff ApG).

 

2.2.1. Für den Regelfall der begehrten Erteilung einer Bewilligung zum Betrieb einer "Konzessionierten Apotheke" i.S.d. §§ 9 ff ApG sieht die Bestimmung des § 10 ApG (seit ihrer Novellierung durch BGBl.Nr. 362/1990 mit Wirkung ab 30. Juni 1990) als sachliche Voraussetzungen folgende Kriterien vor:

 

„§ 10. (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn

 

1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und

 

2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

 

(2) Ein Bedarf besteht nicht, wenn

 

1. sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und weniger als zwei Vertragsstellen nach § 342 Abs. 1 ASVG (volle Planstellen) von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, oder

 

2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder

 

3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5.500 betragen wird.

 

(3) Ein Bedarf gemäß Abs. 2 Z 1 besteht auch dann nicht, wenn sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke

 

1. eine ärztliche Hausapotheke und

 

2. eine Vertragsgruppenpraxis befindet, die versorgungswirksam höchstens eineinhalb besetzten Vertragsstellen nach Abs. 2 Z 1 entspricht und in der Gemeinde keine weitere Vertragsstelle nach § 342 Abs. 1 ASVG von einem Arzt für Allgemeinmedizin besetzt ist.

 

(3a) In einem Zeitraum, während dessen ein Gesamtvertrag gemäß § 341 ASVG nicht besteht, besteht ein Bedarf gemäß Abs. 2 Z 1 dann nicht, wenn in der Gemeinde der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke weniger als zwei Ärzte für Allgemeinmedizin zum Zeitpunkt der Antragstellung ihren ständigen Berufssitz haben und sich dort eine ärztliche Hausapotheke befindet.

 

(3b) Bei der Prüfung gemäß Abs. 2 Z 1 sind bloß vorübergehende Vertragsstellen, die einmalig und auf höchstens 3 Jahre befristet sind, nicht zu berücksichtigen.

 

(4) Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z 3 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.

 

(5) Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne des Abs. 4 weniger als 5.500, so sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen.

 

(6) Die Entfernung gemäß Abs. 2 Z 2 darf ausnahmsweise unterschritten werden, wenn es besondere örtliche Verhältnisse im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dringend gebieten.

 

(7) Zur Frage des Bedarfes an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke ist ein Gutachten der österreichischen Apothekerkammer einzuholen. Soweit gemäß § 29 Abs. 3 und 4 Ärzte betroffen sind, ist auch ein Gutachten der Österreichischen Ärztekammer einzuholen.

 

(8) Als bestehende Apotheken im Sinne des Abs. 2 Z 2 und 3 gelten auch alle nach der Kundmachung BGBl. I Nr. 53/1998 rechtskräftig erteilten Konzessionen zur Er-richtung einer öffentlichen Apotheke."

 

2.2.2. Unter den in diesem Zusammenhang maßgeblichen Verfahrensbestimmungen (vgl. die §§ 44 ff ApG) kommt vornehmlich der Anordnung des § 47 Abs. 2 ApG (sog. "Sperrfristregelung") besondere Bedeutung zu:

 

"§ 47. (1) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat den Antrag ohne weiteres Verfahren abzuweisen, wenn aus dem Konzessionsantrag und den angeschlossenen Belegen hervorgeht, dass den im § 46 bezeichneten Erfordernissen nicht entsprochen wurde.

 

(2) Ein Konzessionsantrag eines Bewerbers ist von der Bezirksverwaltungsbehörde auch dann ohne weiteres Verfahren abzuweisen, wenn ein früherer Antrag eines anderen Bewerbers um die Errichtung einer neuen Apotheke an demselben Standort wegen des Fehlens der im § 10 bezeichneten sachlichen Voraussetzungen abgewiesen worden ist, von dem Datum der Zustellung des letzten in der Angelegenheit ergangenen Bescheides an gerechnet nicht mehr als zwei Jahre vergangen sind und eine wesentliche Veränderung in den für die frühere Entscheidung maßgebenden lokalen Verhältnissen nicht eingetreten ist. Ohne weiteres Verfahren abzuweisen ist ein Antrag für den Standort einer gemäß § 3 Abs. 7 geschlossenen Apotheke vor Ablauf von zwei Jahren nach Zurücklegung der Konzession. Ebenso ist zu verfahren, wenn in der Gemeinde des angesuchten Standortes die Bewilligung zur Errichtung einer Filialapotheke vor weniger als fünf Jahren erteilt wurde."

 

2.3. In der Praxis erlangt unter den in § 10 Abs. 1 und 2 ApG normierten und jeweils einen eigenständigen Ausschließungsgrund bildenden Genehmigungsvoraussetzungen das Kriterium des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG, wonach dann kein Bedarf an der Neuerrichtung einer konzessionierten Apotheke besteht, wenn dadurch das Versorgungspotential einer bereits bestehenden Apotheke auf unter 5.500 Personen absinken würde, regelmäßig essentielle Bedeutung.

 

2.3.1. Zur näheren Determinierung des in dieser Bestimmung verwendeten, eine Prognoseentscheidung indizierenden unbestimmten Gesetzesbegriffes der "weiterhin zu versorgenden Personen" legt zunächst § 10 Abs. 4 ApG ergänzend fest, dass darunter in erster Linie die in einem Umkreis von vier Straßenkilometern um die bestehende Apotheke lebenden ständigen Einwohner zu verstehen sind, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse weiterhin von dieser zu versorgen sein werden.

 

2.3.2. Wenn auf diese Weise das Versorgungspotential von 5.500 Personen (noch) nicht erreicht wird, sind darüber hinaus in einem weiteren Verfahrens-schritt auch jene Personen zu ermitteln, die in diesem Gebiet – ohne ständige Einwohner zu sein – ihren Heilmittelbedarf auf Grund einer Beschäftigung, einer Inanspruchnahme von Einrichtungen und/oder einer Inanspruchnahme des Verkehrs decken (sog. "Einfluter").

 

2.3.3. Sollte schließlich selbst im Wege einer derartigen Ergänzung das Kriteri-um der 5.500 weiterhin zu versorgenden Personen nicht erfüllt werden können, dann steht damit aus der Sicht des Gesetzgebers allerdings gleichzeitig fest, dass kein Bedarf an einer neuen Apotheke gegeben und der dementsprechende Konzessionsantrag abzuweisen ist. Denn anders als in § 10 Abs. 6 ApG (bezüglich des Mindestabstandes von 500 Metern) ist eine analog flexible Regelung bezüglich der kritischen Grenze des der bestehenden Apotheke verbleibenden Versorgungspotentials gesetzlich nicht vorgesehen, sodass die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG eine strikte Grenze der Bedarfsprüfung bildet.

 

b) Höchstgerichtliche Judikatur

 

3. In den vergangenen zwei Jahrzehnten ihrer bisherigen Geltung wurden diese unbestimmten Gesetzesbegriffe im Wege der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts – v.a. des VwGH (die ihrerseits [auch] auf den richtungsweisenden Entscheidungen des VfGH vom 2. März 1998, G 37/97 u.a. [= VfSlg 15103/1998]; vom 14. Oktober 2005, G 13/05 u.a. [= VfSlg 17682/2005]; vom 26. Juni 2008, G 12/08 [= VfSlg 18513/2008]; und vom 10. Dezember 2009, G 224/09 [= VfSlg 18948/2009] fußt) – laufend erweitert, beispielsweise (mit besonderem Blick auf den Ausgangsfall, d.h. unter Außerachtlassung von Fragestellungen im Zusammenhang mit ["externen"] Konkurrenzsituationen von konzessionierten Apotheken einerseits zu Hausapotheken, Realapotheken und/oder Anstaltsapotheken andererseits) etwa dahin, dass

 

‒ mehrere Konkurrenten, die jeweils die Voraussetzungen für eine Konzessionserteilung erfüllen, eine (weitere Interessenten gleichzeitig bis zum endgültigen Abschluss dieses Verfahrens präkludierende) Verfahrensgemeinschaft bilden (vgl. z.B. VwGH vom 21. Mai 2012, Zl. 2009/10/0078), wobei zwischen diesen – bei sonstiger Eignung und Gleichwertigkeit – letztlich ausschließlich das Kriterium der zeitlichen Priorität der jeweiligen Antragstellung entscheidet (vgl. z.B. VwGH vom 14. Juli 2011, Zl. 2006/10/0016); 

 

‒ bezüglich der ständigen Einwohner deren räumliche Nahebeziehung zu einer Apotheke primär anhand der Straßenentfernungen und der Erreichbarkeit (nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern) mit privaten Kraftfahrzeugen festzustellen ist (vgl. z.B. VwGH vom 20. November 2000, Zl. 2000/10/0108, und vom 26. März 2007, Zl. 2005/10/0123), wobei in diesem Zusammenhang nur ganzjährig für den mehrspurigen Kraftfahrzeugverkehr befahrbare Straßen heranzuziehen sind (vgl. z.B. VwGH vom 3. Juli 2000, Zl. 98/10/0161) und jeweils die kürzeste Wegstrecke (allenfalls in Bezug zur Straßenmitte) zu Grunde zu legen ist (vgl. z.B. VwGH vom 9. August 2006, Zl. 2003/10/0222); bei Entfernungen von wenigen hundert Metern kann allerdings demgegenüber dem Aspekt der leichteren fußwegigen Erreichbarkeit größeres Gewicht als jener mittels eines privaten Kraftfahrzeuges zukommen (vgl. z.B. VwGH vom 26. März 2007, Zl. 2005/10/0123), während andererseits bestimme Umstände – wie die Gefährlichkeit eines Weges, erhebliche Höhenunterschiede, eine Einbahnregelung, etc. – auch zu einer gegenteiligen Beurteilung führen können (vgl. z.B. VwGH vom 21. Mai 2008, Zl. 2006/10/0254); im Einzelfall ist sogar eine Aufteilung der in einem bestimmten Straßenzug oder der in einem einzelnen Haus lebenden Bevölkerung nach mehreren Apotheken geboten (vgl. z.B. VwGH vom 15. Februar 1999, Zl. 98/10/0090); eine rein mathematisch-aliquote Zuordnung (sog. "Divisionsmethode") ist als ultima-ratio-Lösung erst dann zulässig, wenn eine Aufteilung nach den Kriterien der örtlichen Nähe und Erreichbarkeit nicht möglich, zugleich aber offensichtlich ist, dass ein bestimmtes Kundenpotential zweifelsfrei von mehreren Apotheken aus versorgt wird (vgl. z.B. VwGH vom 13. November 2000, Zl. 99/10/0246);

 

‒ eine dementsprechende Separation der Wohnbevölkerung stets dann zu erfolgen hat, wenn und soweit diese im Überschneidungsbereich der 4-km-Umkreise von zwei oder mehreren bestehenden bzw. neu zu errichtenden Apotheken lebt (vgl. z.B. VwGH vom 26. April 1999, Zl. 98/10/0426); 

 

‒ im Zusammenhang mit der Bedachtnahme auf Einfluter, d.h. bloß z.B. auf Grund einer Beschäftigung, einer Inanspruchnahme von Einrichtungen (wie etwa von Krankenanstalten, Ämtern, Heimen, Schulen, Bahnhöfen oder größeren Betrieben) oder einer Inanspruchnahme des Verkehrs (wie z.B. des öffentlichen Eisenbahn- oder Busverkehrs) zweitweise im Versorgungsgebiet aufhältige Personen, die gemäß § 10 Abs. 5 ApG jeweils nach der Lage des Einzelfalles zu berücksichtigen sind, Erfahrungswerte oder allgemeine empirische Untersuchungsergebnisse her-angezogen werden können (vgl. z.B. VwGH vom 21. Oktober 2009, Zl. 2008/10/0173); hierbei sind zukünftige Entwicklungen insoweit zu berücksichtigen, als ihre Auswirkungen mit Sicherheit vorherzusehen bzw. in naher Zukunft konkret absehbar und zu erwarten sind (vgl. z.B. VwGH vom 18. April 1994, Zl. 92/10/0477);

 

‒ die Verringerung des künftigen Versorgungspotentials der bestehenden Apotheke auch nur um 1 Kunden zur Versagung der Konzession führt, wenn dieses bereits vor der Einbringung des Neuantrages unter 5.500 Personen lag (vgl. z.B. VwGH vom 29. November 2011, Zl. 2005/10/0218);

 

‒  während der sog. "Sperrfrist" von zwei Jahren gemäß § 47 Abs. 2 ApG grund-sätzlich kein weiterer Antrag auf Neuerteilung einer Konzession mehr eingebracht werden kann, es sei denn, dass eine wesentliche Veränderung in den für die frühere Entscheidung maßgebenden lokalen Verhältnissen eingetreten ist; ob dieses letztere Kriterium im konkreten Fall – insbesondere im Hinblick auf das der bestehenden Apotheke verbleibende Kundenpotential – erfüllt ist, ist von jener Behörde, die über den Konzessionsantrag zu entscheiden hat, jeweils anhand der im Zeit-punkt ihrer Entscheidung vorherrschenden Faktenlage zu beurteilen (vgl. z.B. VwGH vom 24. Februar 2011, Zl. 2010/10/0167).

 

c) Zwischenergebnis

 

4. Konkret führt diese aus einer Verbindung zwischen auf Grund weitgehend unbestimmter Begriffe offener Determinierung des Gesetzes und mangelnder Systematik der (notwendig einzelfallbezogenen) Judikatur gekennzeichnete Rechtslage – wie dies insbesondere auch mit Blick auf den Ausgangsfall deutlich wird – in aller Regel dazu, dass

 

* ein Konzessionserteilungsverfahren schon auf Grund der Notwendigkeit der akribischen zahlenmäßigen Separation der Wohnbevölkerung nach mehreren konkurrierenden Apothekenbetreibern in Verbindung mit sich permanent ändernden faktischen Verhältnissen, der Neigung der Verfahrensparteien zur Erhebung von prozessverzögernden Einwendungen, dem Fehlen eines verfahrensrechtlichen Neuerungsverbotes und dem Abstellen auf den Zeitpunkt der Entscheidung regelmäßig eine unangemessen lange Dauer in Anspruch nimmt – was im Hinblick auf Art. 47 EGRC i.V.m. Art. 6 Abs. 1 EMRK als bedenklich erscheint;

 

* weitere Interessenten ihrerseits jedenfalls bis zur rechtskräftigen Erledigung eines schon anhängigen Verfahrens an einer eigenständigen Antragstellung in Bezug auf das betreffende Versorgungsgebiet gehindert sind, sodass das Kriterium der zeitlichen Priorität, insbesondere auch in Verbindung mit der Sperrfristregelung des § 47 Abs. 2 ApG, einen potentiellen Interessenten gleichsam zur Stellung von Anträgen "bloß auf Verdacht hin" zwingt, um sich auf diese Weise die zeitliche Erstrangigkeit zu sichern; dadurch können allerdings Interessenten, denen weder die bestehende lokale Verteilung der konzessionierten Apotheken noch der Umstand bekannt ist, bei welchen Behörden entsprechende Konzessionserteilungsverfahren bereits anhängig sind, sohin vornehmlich Angehörige anderer Mitgliedstaaten, möglicherweise unsachlich, d.h. durch nicht dem Unionsrecht – insbesondere dem Art. 49 AEUV – entsprechende Zielsetzungen benachteiligt werden;

 

* die Ermittlung der Zuordnung vor dem Hintergrund des Kriteriums der (selbst unter Heranziehung von § 10 Abs. 4 und 5 ApG – im Vergleich zur 500-Meter-Grenze [vgl. § 10 Abs. 6 ApG] – im Ergebnis absolut) starren 5.500-Personen-Grenze des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG in der Praxis vor allem deshalb nicht nur für die Behörden extrem aufwändig, sondern auch für die beteiligten (Alt- und Neu-)Apotheker völlig undurchschaubar ist, weil diesbezüglich einerseits auf den Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist, andererseits aber keine zweckentsprechenden verfahrensrechtlichen Möglichkeiten (wie Neuerungsverbot, verbindliche Erklärung eines "Schlusses der Verhandlung"; prozessualer Vergleich etc.) bestehen (sodass sich die Erhebung von kontradiktorischen Einwendungen durch die Verfahrensparteien sowie dadurch jeweils bedingte Gutachtensergänzungen [überspitzt formuliert] nahezu ad infinitum fortsetzen);

 

* die maßgebliche Rechtslage für den Durchschnittsbürger, insbesondere aber auch für einen durchschnittlichen – allenfalls zudem einem anderen Mitgliedstaat angehörigen – Interessenten an einer Konzessionserteilung nur mit einem überproportionalen Aufwand rekonstruierbar ist, der einem rechtsstaatlichen Standard an die Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit generell-abstrakter Normen – wie dieser von Art. 16 EGRC offenbar vorausgesetzt wird – nicht entsprechen dürfte.

 

d) Unionsrecht und Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH)

 

5.1. Nach Art. 49 AEUV sind Beschränkungen der freien Niederlassung – worunter auch die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten nach den Bestimmungen des Aufnahmestaates für seine eigenen Angehörigen fällt – von Staatsangehörigen im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates grundsätzlich verboten bzw. anders gewendet: im hier maßgeblichen Zusammenhang nur insoweit zulässig, als solche Beschränkungen durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sowie geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten und dabei gleichzeitig nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (vgl. z.B. EuGH vom 10. März 2009, C-169/07 [Hartlauer], RN 44).

 

5.2. Mit Blick auf die im gegenständlichen Fall anhängigen Ausgangsfälle hat der EuGH davon ausgehend bereits in seinem Urteil vom 1. Juni 2010, C-570/07 und C 571/07, betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen zur Rechtslage nach dem spanischen Apothekenrecht festgestellt, dass

 

‒ unter den vom AEUV geschützten Gütern und Interessen das Leben und die Gesundheit von Menschen den höchsten Rang einnimmt, es allerdings Sache der einzelnen Mitgliedstaaten ist, das Niveau, auf dem dieser Schutz eingeräumt werden soll, jeweils selbst zu bestimmen, wobei ihnen in diesem Zusammenhang ein Wertungsspielraum zukommt (RN 44);

 

‒ das Unionsrecht, insbesondere Art. 168 Abs. 7 AEUV i.V.m. der Richtlinie 2005/36, zwar die Befugnis der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung der Organisation sozialer Dienste grundsätzlich unberührt lässt, diese jedoch hierbei die Grundfreiheiten insoweit beachten müssen, als ungerechtfertigte Beschränkungen derselben unzulässig sind (RN 43);

 

‒ sich die Übergangsvorschrift des Art. 45 Abs. 5 der Richtlinie 2005/36 ihrem Inhalt nach nicht auf die Frage der territorialen Verteilung von Apotheken bezieht, sodass dieser Aspekt in vollem Umfang den allgemein aus dem AEUV resultierenden Geboten und Beschränkungen unterliegt (RN 46 bis 51);

 

‒ Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit, wie diese im spanischen Recht vorgesehen sind (Konzessionssystem, Begrenzung auf 1 Dienstleister pro 2.800 Einwohner und Mindestentfernung von 250 Metern), durch das Ziel einer sicheren und qualitativ hochwertigen Heilmittelversorgung grundsätzlich gerechtfertigt sind (RN 63 bis 66);

 

‒ dass angesichts des konstatierten Wertungsspielraumes (RN 44) das spanische Konzessionssystem auch nicht a priori ungeeignet ist, dieses Ziel zu erreichen (RN 68 f);

 

‒ dass es der Judikatur des EuGH entspricht, dass Gesundheitseinrichtungen Gegenstand von Planungen derart sein können, dass neue Leistungserbringer an die Erteilung einer vorangehenden Erlaubnis gebunden werden, sofern sich ein derartiges System zur Lückenschließung bzw. Regulierung dahin, eine Konzentration in Ballungsgebieten ebenso wie eine Unterversorgung ländlicher Regionen zu vermeiden, als unerlässlich erweist (RN 70 bis 76), und dass sich davon ausgehend das spanische System als zur Zielerreichung grundsätzlich geeignet darstellt (RN 78 und 84), insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass mindestens einmal jährlich ein Verfahren zur Erteilung von Neukonzessionen durchgeführt wird (RN 91) und hierbei bisher konzessionslose Apotheker den Vorrang genießen (RN 92 f);

 

‒ dass hinsichtlich der Frage, ob durch dieses System die Zielerreichung nicht bloß punktuell, sondern auch kohärent und systematisch gewährleistet ist, darauf hinzuweisen ist, dass die spanische Regelung auch entsprechende Anpassungsmaßnahmen vorsieht, um die Auswirkungen der 2.800-Einwohner- und der 250-Meter-Grundregel jeweils entsprechend abzumildern (RN 98 bis 101);

 

‒ dass ein bloßes "Mindestzahlensystem" zwar weniger einschneidend wäre, es allerdings noch innerhalb des Wertungsspielraumes des jeweiligen Mitgliedsstaates liege, sich für oder gegen ein solches System zu entscheiden (RN 105 ff); 

 

‒ dass allerdings Art. 49 AEUV einer nationalen Regelung entgegensteht, die sich faktisch dahin auswirkt, dass die Errichtung einer hinreichenden Anzahl von Apotheken zur Garantie eines angemessenen pharmazeutischen Dienstes nicht gewährleistet ist (RN 114); sowie

 

‒ dass darin, dass durch die Normierung persönlicher Zugangsvoraussetzungen solche Apotheker, die ihre Tätigkeit bisher im Gebiet des Mitgliedsstaates ausgeübt haben, de facto begünstigt werden, eine Diskriminierung von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten liegt, die auch nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, dass Apotheker stets sofort einsetzbar sein müssen (RN 119 bis 125).

 

Darüber hinaus hat der EuGH in diesem Urteil in verfahrensrechtlicher Hinsicht insbesondere betont, dass

 

ein Antrag auf Vorabentscheidung auch dann zulässig ist, wenn zwar ausschließlich Angehörige des Mitgliedsstaates als Prozessparteien des Ausgangsverfahrens fungieren, sodass damit de facto kein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt, davon abgesehen aber die erbetene Auslegung des Unionsrechts in einem Zusammenhang mit der Realität bzw. dem Gegenstand des Ausgangsrechts-streits steht (also nicht rein hypothetischer Natur ist) – wie dies z.B. zutrifft, wenn die Rechtmäßigkeit der nationalen Regelung von der Auslegung des Art. 49 AEUV durch den EuGH abhängt –, und die Antwort des EuGH dem nationalen Gericht entweder deshalb von Nutzen ist, weil einem Inländer kraft nationalem Recht dieselbe Position wie dem Angehörigen eines anderen Mitgliedsstaates kraft Unionsrechts zukommt oder weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch die Mitglieder anderer Mitgliedsstaaten ein Interesse an der Erlangung der entsprechenden nationalen Bewilligung (konkret: zum Betrieb einer Apotheke) haben (RN 34 bis 41).

 

 

II.

 

1. Davon ausgehend hat der Oö. Verwaltungssenat (nunmehr: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich) am 24. Juli 2012, Zlen. VwSen-590223/145/Gf/Rt u.a., gemäß Art. 267 AEUV einen Antrag auf Vorabentscheidung an den EuGH gestellt und diesen u.a. wie folgt begründet:

 

„1. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des EuGH sowie angesichts des Umstandes, dass es keineswegs ausgeschlossen erscheint, dass auch Angehörige anderer Mitgliedstaaten ein Interesse an der Erteilung einer Neukonzession haben könnten – vorausgesetzt, die nationale Rechtslage und faktische Bedarfssituation wäre für diese jeweils durchschaubar –, erhebt sich damit in den beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich anhängigen Ausgangsfällen die Frage, ob die dem österreichischen Apothekengesetz zu Grunde liegende Systematik generell bzw. hinsichtlich ihrer konkreten Ausgestaltung mit den Grundsätzen des Unionsrechts vereinbar ist.

 

1.1. Bedenken ergeben sich in diesem Zusammenhang, wie bereits zuvor angesprochen (s.o., III.), zunächst dahin, ob der Umstand, dass eine Konkretisierung des im Zuge der Entscheidung über einen Antrag auf Neuerteilung einer Konzession in erster Linie essentiellen Kriteriums des Bedarfes nicht im Gesetz (nämlich dem § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG – allenfalls i.V.m. § 10 Abs. 4 und 5 ApG) selbst erfolgt, sondern einer höchst kasuistischen und zudem ex ante nur schwer vorhersehbaren höchstgerichtlichen Rechtsprechung überlassen wird, sowohl mit den demokratisch-rechtsstaatlichen Anforderungen, wie sie dem Art. 16 EGRC offensichtlich zu Grunde liegen, als auch mit dem unionsrechtlichen Transparenzgebot des Art. 49 AEUV (vgl. dazu z.B. EuGH vom 9. September 2010, C-64/08 [Engelmann], RN 49) vereinbar ist.

 

1.2. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, erhebt sich davon ausgehend dennoch die Frage, ob die für diese Bedarfsprüfung in § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG konkret festgelegte starre Grenze von 5.500 Personen, hinsichtlich der (im Gegensatz zum Kriterium der 500-Meter-Grenze des § 10 Abs. 2 Z. 2 ApG) keine Möglichkeit des Abweichens von der Grundregel gesetzlich vorgesehen ist, in der Praxis auch tatsächlich eine kohärente Zielerreichung i.S.d. RN 98 bis 101 des EuGH-Urteils vom 1. Juni 2010, C-570/07, gewährleistet.

 

1.3. Schließlich bleibt nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich zu klären, ob dann, wenn die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG zwar dem Grunde nach mit Art. 49 AEUV vereinbar wäre, angesichts der aus dieser Regelung infolge der Judikatur der nationalen Höchstgerichte resultierenden weiteren Detailkriterien – wie zeitliche Priorität der Antrag-stellung; Präklusion späterer Interessenten durch das laufende Verfahren; zweijährige Sperrfrist bei Antragsabweisung; Kriterien zur Ermittlung der "ständigen Einwohner" einerseits und der "Einfluter" andererseits sowie zur Separation des Kundenpotentials bei Überschneidung des 4-km-Umkreises von zwei oder mehr Apotheken; etc. – in der Praxis regelmäßig noch eine vorhersehbare und berechenbare Vollziehung dieser Bestimmung innerhalb angemessener Frist (Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 EGRC) möglich und damit auch deren konkrete Eignung im Hinblick auf die Notwendigkeit der Kohärenz der Zielerreichung gegeben oder de facto nicht vielmehr ein angemessener pharmazeutischer Dienst nicht gewährleistet ist oder eine Diskriminierung zwischen Inländern und Angehöriger anderer Mitgliedstaaten vorliegt (vgl. EuGH vom 1. Juni 2010, C-570/07, RN 98 bis 101 sowie 114 bis 125).

 

2. Weil diese Problemfelder bislang – soweit ersichtlich – inhaltlich noch nicht geklärt wurden und prozessuale Hindernisse (insbesondere im Hinblick auf die RN 34 bis 41 des EuGH-Urteils vom 1. Juni 2010, C 570/07) aus h. Sicht nicht entgegen stehen dürften (zur grundsätzlichen innerstaatlichen Anerkennung des Verbotes der Diskriminierung im Zuge der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht vgl. jüngst auch VfGH vom 6. Oktober 2011, G 41/10, m.w.N.), erlaubt sich daher der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, im Wege seines nach der Geschäftsverteilung hierfür zuständigen Mitgliedes dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

 

2.1. Steht das Legalitätsgebot des Art. 16 EGRC und/oder das Transparenzgebot des Art. 49 AEUV einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 3 Apothekengesetz, die das Kriterium des Bedarfes an der Neuerrichtung einer öffentlichen Apotheke nicht zumindest in den essentiellen Grundzügen schon im Gesetz selbst regelt, sondern die Konkretisierung maßgeblicher Teile ihres Inhalts der innerstaatlichen Judikatur überlässt, entgegen, weil dadurch nicht ausgeschlossen werden kann, dass bestimmten inländischen Interessenten sowie diesen insgesamt gegenüber den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten ein maßgeblicher Wettbewerbsvorteil entsteht?

 

2.2. Für den Fall, dass diese erste Frage zu verneinen ist: Steht Art. 49 AEUV einer nationalen Regelung wie § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG, die für das essentielle Kriterium der Bedarfsprüfung eine starre Grenze von 5.500 Personen festlegt, hinsichtlich der im Gesetz keine Möglichkeit eines Abweichens von dieser Grundregel vorgesehen ist, entgegen, weil dadurch de facto eine kohärente Zielerreichung i.S.d. RN 98 bis 101 des EuGH-Urteils vom 1. Juni 2010, C-570/07, nicht (ohne Weiteres) gewährleistet erscheint?

 

2.3. Für den Fall, dass auch die zweite Frage zu verneinen ist: Steht Art. 49 AEUV und/oder Art. 47 EGRC einer Regelung wie § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG, aus der infolge der Judikatur der nationalen Höchstgerichte zur Frage der Bedarfsprüfung weitere Detailkriterien – wie zeitliche Priorität der Antragstellung; Sperrwirkung des laufenden Verfahrens für spätere Interessenten; zweijährige Sperrfrist bei Antragsabweisung; Kriterien zur Ermittlung der "ständigen Einwohner" einerseits und der "Einfluter" andererseits sowie zur Separation des Kundenpotentials bei Überschneidung des 4-km-Umkreises von zwei oder mehr Apotheken; etc. – resultieren, entgegen, weil dadurch eine vorhersehbare und berechenbare Vollziehung dieser Bestimmung innerhalb angemessener Frist nicht als Regelfall ermöglicht wird und deshalb (vgl. EuGH vom 1. Juni 2010, C 570/07, RN 98 bis 101 sowie 114 bis 125) deren konkrete Eignung im Hinblick auf die Notwendigkeit der Kohärenz der Zielerreichung als nicht gegeben und/oder ein angemessener pharmazeutischer Dienst als de facto nicht gewährleistet und/oder eine tendenzielle Diskriminierung von inländischen Interessenten untereinander oder zwischen diesen und anderen Mitgliedstaaten angehörenden Interessenten konstatiert werden kann?“

 

2. Mit Urteil vom 13. Februar 2013, C 367/12, hat der EuGH entschieden, dass

 

Art. 49 AEUV, insbesondere das Gebot der Kohärenz bei der Verfolgung des angestrebten Ziels, ..... dahin auszulegen [ist], dass er einer mitgliedstaatlichen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die als essentielles Kriterium bei der Prüfung des Bedarfs an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke eine starre Grenze von ‚weiterhin zu versorgenden Personen‘ festlegt, entgegensteht, weil die zuständigen nationalen Behörden keine Möglichkeit haben, von dieser Grenze abzuweichen, um örtliche Besonderheiten zu berücksichtigen.

 

Begründend hat der Gerichtshof dazu u.a. ausgeführt, dass

 

– er deshalb, weil sich die Vorlagefragen des LVwG nur auf die Niederlassungsfreiheit beziehen und Art. 16 EGRC insoweit auf Art. 49 AEUV verweist, § 10 ApG nur an Art. 49 AEUV (und hier nicht auch an Art. 16 EGRC) zu messen hat (RN 23);

 

– ein System der vorangehenden behördlichen Genehmigung der Zulassung neuer Leistungserbringer im Gesundheitswesen dann mit Art. 49 AEUV vereinbar ist, wenn a) dadurch Lücken im Zugang zu solchen Leistungen geschlossen und Doppelversorgungsstrukturen vermieden werden, b) dadurch die Gesundheitsversorgung den Bedürfnissen der Bevölkerung angepasst ist, c) diese Versorgung das gesamte Hoheitsgebiet abdeckt und d) auch geographisch isolierte oder sonst benachteiligte Regionen mit einbezogen sind (RN 24);

 

– die in § 10 ApG normierten Kriterien zur Ermittlung, ob es an einem Bedarf für einen zusätzlichen Leistungserbringer fehlt – nämlich: die Zahl der bereits bestehenden Apotheken, die Entfernungen zwischen diesen und der neu zu errichtenden Apotheke sowie die von den bestehenden Apotheken weiterhin zu versorgenden ständigen Einwohner oder Personen, die einen bestimmten Bezug zu diesem Gebiet aufweisen –, hinreichend objektiv sind (RN 29 bis 32); denn sie können von Interessierten im Vorhinein ermittelt werden (RN 34) und sind auch nicht als diskriminierend anzusehen (RN 35 ff), da das Vorliegen eines Bedarfes grundsätzlich vermutet wird und daher nicht vom Bewerber nachgewiesen werden muss (RN 36);

 

– es grundsätzlich Sache des nationalen Gerichts ist, zu beurteilen, ob die nationale Regelung geeignet ist, das mit dem System der Zugangsbeschränkung verfolgte Ziel auch tatsächlich in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (RN 40), wobei darauf Bedacht zu nehmen ist, dass bei Voraussetzungen wie „Bevölkerungsdichte“ und „Mindestentfernung“ in dünn besiedelten Regionen unter Umständen bestimmten Personen ein angemessener Zugang zu pharmazeutischen Diensten vorenthalten werden könnte (RN 41 u. 42);

 

– § 10 ApG jedoch einerseits Personen nicht angemessen berücksichtigt, die nicht im Versorgungsgebiet einer bereits bestehenden Apotheke wohnen, sondern bloß durch ihre Beschäftigung oder Benützung eines Verkehrsmittels in dieses Gebiet „einfluten“ (RN 45), denn unter diesen Personen können sich auch solche mit einer eingeschränkten Mobilität befinden, die aber gerade dringend und häufig Arzneimittel benötigen (RN 46); gleichzeitig würde aber durch die im Interesse solcher Personen gelegene Neuerrichtung einer Apotheke die Zahl der von der bereits bestehenden Apotheke aus zu versorgenden Personen zwangsläufig – allenfalls sogar unter 5.500 – sinken; damit kommt es bei der Bedarfsprüfung im Ergebnis aber nicht auf die Möglichkeit des Zugangs zu Apothekendienstleistungen, sondern in Wirklichkeit darauf an, ob die Zahl der verbleibenden Einfluter dazu ausreicht, um für die bestehende Apotheke den durch die Neuerrichtung resultierenden Abgang auszugleichen (RN 47 bis 49);

 

– die Anwendung des in § 10 ApG normierten Kriteriums der „weiterhin zu versorgenden Personen“ sohin nicht zu gewährleisten vermag, dass auch für jene Menschen, die in abgelegenen oder ländlichen Regionen wohnen, ein gleicher und angemessener Zugang zu Apothekendienstleistungen sichergestellt ist (RN 50);

 

Art. 49 AEUV daher einer Regelung wie § 10 ApG, die als essentielles Kriterium für die Bedarfsprüfung eine starre Grenze von weiterhin zu versorgenden Personen festlegt, entgegensteht, weil die Behörden unter Bindung an eine derartige Rechtsgrundlage örtliche Besonderheiten nicht adäquat berücksichtigen können (RN 51).

 

3. Wie von einem Gericht im fortgesetzten Verfahren vorzugehen ist, wenn der EuGH auf dessen Vorlageantrag hin eine nationale Rechtsvorschrift als unionsrechtswidrig erklärt hat, ist (zumindest bislang) gesetzlich nicht normiert.

 

3.1. Auf Basis dieser Regelungslücke hat der VfGH in einer ähnlich gelagerten Konstellation wie der hier vorliegenden in seiner Entscheidung vom 6. Oktober 2011, G 41,42/10 u.a. (die von ihm in der Folge durch das Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, G 61/10 u.a., bestätigt wurde), die Meinung vertreten, dass sich

 

„die Annahme des Verfassungsgerichtshofes, dass hinsichtlich der Bedarfsprüfung für Ambulatorien aufgrund der in Prüfung gezogenen Bestimmung des KAKuG bis zum In-Kraft-Treten der Neuregelung am 19. August 2010 eine Rechtslage vorlag, die dazu führte, dass inländische Bewilligungssachverhalte in unsachlicher Weise schlechter behandelt werden als in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallende Sachverhalte, ..... angesichts der begrenzten zeitlichen Geltungsdauer dieser Rechtslage im Ergebnis als nicht zutreffend“

 

erwiesen hat. Zwar hätten

 

„Urteile des EuGH, die aussprechen, dass unmittelbar anwendbares Unionsrecht einer innerstaatlichen Norm entgegensteht, ..... die Wirkung, dass die betreffenden Teile der nationalen Rechtsordnung wegen Verstoßes gegen unionsrechtliche Bestimmungen künftig unangewendet zu bleiben haben, sodass eine nach innerstaatlichen Maßstäben an sich verfassungskonforme Rechtslage im Gefolge des Urteils des EuGH nur mehr auf Sachverhalte, die nicht vom Vorrang des Unionsrechtes betroffen sind, weiterhin anzuwenden ist. Ein solches Urteil des EuGH kann daher mit seiner Erlassung in diesem Restanwendungsbereich im Ergebnis eine sogenannte 'Inländerdiskriminierung' bewirken. ..... Ein Urteil des EuGH kann also auf jedwedem Rechtsgebiet eine ..... beachtliche Anzahl von rein inlandsbezogenen Folgefällen provozieren, die im Falle der erfolgreichen Geltendmachung einer nunmehr eingetretenen Verfassungswidrigkeit der Norm dazu führen können, dass aufgrund der Anlassfallwirkung eines das Gesetz aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG Bewilligungen ohne die Berücksichtigung von im öffentlichen Interesse bestehenden Schranken des Gesetzes erlangt werden können, die bei Fortbestehen der früheren Rechtslage nicht hätten erteilt werden dürfen.“

 

Allerdings könne

 

„dieser Effekt ..... den öffentlichen Interessen zuwiderlaufen, wenn – wie hier – der in der Norm vorgesehene Erlaubnisvorbehalt zur Errichtung von Krankenanstalten an sich unionsrechtlich zulässig ist, aber nur in seiner konkreten Ausgestaltung als unionsrechtswidrig festgestellt wurde. In einem solchen Fall stehen dem Gesetzgeber nämlich im Allgemeinen mehrere Reaktionsmöglichkeiten unionsrechtskonformer Neuregelungen offen, einschließlich der Möglichkeit, den strittigen Erlaubnisvorbehalt – vorbehaltlich der unionsrechtlich erforderlichen Begleitmaßnahmen – beizubehalten. Eine geordnete Krankenanstaltenplanung dient der Aufrechterhaltung einer qualitativ hochwertigen, ausgewogenen und allgemein zugänglichen medizinischen Versorgung und der Vermeidung einer erheblichen Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit, wie der EuGH in der Entscheidung 'Hartlauer Handelsgesellschaft mbH' (10.3.2009, Rs. C-169/07, .....) erneut ausdrücklich anerkannt hat (.....), und damit dem wichtigen öffentlichen Interesse an einem funktionierenden Gesundheitswesen. In dieser Konstellation widerspricht ein zwischen der Verkündung des Urteils des EuGH und dem Zeitpunkt der Neuregelung durch den Gesetzgeber als Folge der Anlassfallwirkung einer Gesetzesaufhebung durch den Verfassungsgerichtshof entstehendes gesetzliches Vakuum dem jeweils der Norm zugrundeliegenden öffentlichen Interesse an einer geordneten Krankenanstaltenplanung, weil dadurch der Zugang zu Bewilligungen eröffnet werden kann, die weder nach alter Rechtslage noch nach einer (möglichen) unionsrechtskonformen neuen Rechtslage erteilt werden dürfen. Es besteht in einer Konstellation wie der hier vorliegenden daher ein erhebliches öffentliches Interesse an der grundsätzlichen Aufrechterhaltung des nationalen Regelungsregimes zumindest im überwiegend innerstaatlichen Restanwendungsbereich für jenen Zeitraum, der vom Gesetzgeber für eine (unionsrechtlich zulässige) Neuregelung benötigt wird. Dieses öffentliche Interesse vermag daher die aus (allein) unionsrechtlicher Ursache entstandene 'inländerdiskriminierende' Wirkung einer Norm vorübergehend, nämlich für die Dauer einer für die Neuregelung erforderlichen Übergangszeit, sachlich zu rechtfertigen. Was die Dauer eines solchen Zeitraums betrifft, so ist der in Art. 140 Abs. 5 B-VG zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke auch hier sinngemäß zu berücksichtigen. Im Interesse eines geordneten Gesetzgebungsprozesses ist daher – in einem Fall wie dem vorliegenden – die diskriminierende Wirkung einer Norm aus den genannten Gründen bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber vorübergehend für einen angemessenen Zeitraum hinzunehmen.“

 

Eine solcherart entstandene Inländerdiskriminierung würde sich daher während des angemessenen Übergangszeitraumes aus innerstaatlicher Sicht nicht als verfassungswidrig erweisen (vgl. auch VfGH vom 15. Dezember 2011, G 290/09).

 

3.2. Der VwGH hat sich dieser Rechtsansicht zunächst für Fallkonstellationen, in denen ein Gesetzesprüfungsverfahren beim VfGH anhängig war, angeschlossen (vgl. z.B. VwGH vom 20. März 2013, Zl. 2012/11/0046) und sie in der Folge (allerdings ohne nähere eigenständige Begründung, sondern unter bloßem Hinweis auf das vorzitierte VfGH-Erkenntnis vom 15. Dezember 2011, G 61/10) dahin verallgemeinert, dass die unionsrechtswidrigen Bestimmungen bei rein inlandsbezogenen Sachverhalten weiterhin anzuwenden sind (vgl. z.B. VwGH vom 23. Mai 2013, Zl. 2011/11/0029, und vom 24. Juli 2013, Zl. 2010/11/0195), nachdem dieser Gerichtshof schon zuvor unter Hinweis auf eine deutsche Literaturstelle gemeint hatte (vgl. VwGH vom 17. April 2008, Zl. 2008/15/0064), dass

 

 „die Verdrängung von nationalem Recht durch Gemeinschaftsrecht ..... bloß jenes Ausmaß umfassen [darf], das gerade noch hinreicht, um einen gemeinschaftsrechtskonformen Zustand herbeizuführen. Dabei sind die gemeinschaftsrechtlichen Erfordernisse in das nationale Gesetz ‚hineinzulesen‘ (vgl. Gosch, ....., DStR 2007, 1553 [1555], der in diesem Zusammenhang auch von der ‚geltungserhaltenden Reduktion nationaler Normen spricht).“

 

3.3. Ungeachtet der Frage, ob diese eher restriktive Sichtweise der nationalen Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bezüglich des Grundsatzes des Vorranges des Unionsrechts ihrerseits unionsrechtskonform erscheint, ist für das gegenständliche Verfahren zunächst darauf hinzuweisen, dass dieses – bei grundsätzlich identischer Problemlage – von jenen Fallkonstellationen, die den vorerwähnten Entscheidungen des VfGH und des VwGH zu Grunde lagen, hinsichtlich maßgeblicher Parameter divergiert:

 

·         Denn zum einen hat der EuGH – im Unterschied zu seinem (vom VfGH und vom VwGH jeweils zentral zur Begründung ihrer Ansicht herangezogenen) Urteil vom 10. März 2009, C-169/07 (Hartlauer) – hier unmissverständlich  klargestellt, dass das in § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG normierte Bedarfsprüfungskriterium der „weiterhin zu versorgenden Personen“ als solches (arg.: „Art. 49 AEUV ..... ist dahin auszulegen, dass er ..... entgegensteht“) und nicht bloß hinsichtlich spezifischer Aspekte – und sohin nicht nur unter bestimmen Vorbehalten – dem Art. 49 AEUV widerspricht, wobei sich die hierfür vom EuGH gegebene Begründung nicht primär auf das Anlassverfahren bezieht, sondern vorrangig für den Gesetzgeber im Zuge der Erlassung einer Neuregelung von Interesse ist;

 

·         In der Sache betrifft die vom EuGH konstatierte Unionsrechtswidrigkeit im gegenständlichen Fall zudem nicht bloß einen peripheren (vgl. dagegen VfGH vom 15. Dezember 2011, G 61/10, Pkt. I.2.5.: „nur in seiner konkreten Ausgestaltung als unionsrechtswidrig festgestellt“), sondern vielmehr geradezu den zentralen Aspekt des in § 10 ApG normierten Bedarfsprüfungsverfahrens, nämlich den Bestandsschutz für bereits bestehende Apotheken;

 

·         Schließlich ist im vorliegenden Fall in prozessualer Hinsicht auch kein Gesetzesprüfungsverfahren gemäß Art. 140 B‑VG anhängig (und wäre ein solcher, auf das Argument der Inländerdiskriminierung gegründeter Antrag im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes – vgl. wiederum VfGH vom 15. Dezember 2011, G 61/10 – überdies auch wenig erfolgversprechend), sodass auch – jedenfalls formal – keine bloß vorübergehende Unionsrechtswidrigkeit i.S.d. Art. 140 Abs. 5 und 7 B-VG vorliegt.

 

3.4. Ist aber vor dem Hintergrund, dass der EuGH die Unionsrechtswidrigkeit des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG, der eine zentrale Voraussetzung der Marktzulassung in Form einer Bedarfsprüfung normiert, vorbehaltslos – und damit auch mit unmittelbarer sowie sofortiger Wirkung – festgestellt hat, zu konstatieren, dass eine entsprechende gesetzliche Regelung im österreichischen Recht für Fallkonstellationen wie die hier vorliegende nicht besteht, so verbleibt im öffentlichen Interesse an einem geordneten Gesundheitswesen daher nur die Möglichkeit, die der Sache nach am ehesten adäquate verfahrensrechtliche Norm, nämlich Art. 140 B-VG, analog heranzuziehen.

 

3.4.1. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass öffentliche Interessen weder einseitig noch exklusiv bevorzugt werden, sondern – im Sinne einer möglichst effizienten Unionsrechtskonformität und eines möglichst effektiven Grundrechtsschutzes – auch auf die konträren Interessen der Konzessionswerber ausreichend Bedacht genommen wird; beispielsweise kann daher – anders als in den vom VfGH zu führenden Gesetzesprüfungsverfahren – die in Art. 140 Abs. 5 letzter Satz B‑VG mit 18 Monaten objektiv besehen tendenziell extensiv festgelegte Frist schon im Hinblick auf eine angemessene Verfahrensdauer i.S.d. Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 EGRC nicht verabsolutierend als ein jedenfalls „vorübergehend angemessener Zeitraum“ (vgl. VfGH vom 15. Dezember 2011, G 61/10, Pkt. I.2.7.3.) erscheinen. Denn im Hinblick auf die für Vollzugsorgane grundsätzlich maßgebliche Entscheidungsfrist von 6 Monaten (vgl. z.B. § 73 AVG; § 34 VwGVG; § 284 BAO) ist vielmehr vorläufig kein zwingender Grund ersichtlich, weshalb diese für den Gesetzgeber wesentlich länger sein sollte, zumal in gewissen Konstellationen eine Unionsrechtswidrigkeitserklärung durch den EuGH nicht ganz unabsehbar ist.

 

3.4.2. Vor diesem Hintergrund kommt im gegenständlichen Fall insbesondere dem Prinzip der Anlassfallwirkung maßgebliche Bedeutung zu:

 

Denn nach Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG ist ein vom VfGH als verfassungswidrig erkanntes Gesetz zwar auf alle vor dessen Aufhebung verwirklichten Tatbestände, nicht jedoch auch auf den Anlassfall weiterhin anzuwenden; durch diesen Grundsatz wird der Betreiber des Ausgangsverfahrens u.a. vor einer ineffizienten Prozessführung geschützt.

 

Auf den vorliegenden Fall analog übertragen bedeutet dies, dass die Feststellung der Unionsrechtswidrigkeit des Bedarfsprüfungskriteriums des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG hier jedenfalls unmittelbare Wirksamkeit entfaltet.

 

3.4.3. Lässt man sohin davon ausgehend die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG (und damit auch die darauf aufbauenden Absätze 4, 5 und 7 des § 10 ApG) auf Grund des Vorranges des Unionsrechts (hier: des Art. 49 AEUV) außer Acht, so ist einerseits zu konstatieren, dass die Mitbeteiligte Partei auf Grund der von der belangten Behörde getroffenen – und insoweit auch von den Beschwerdeführern unbestritten gebliebenen – Feststellungen die persönlichen Voraussetzungen des § 3 ApG und die sachliche Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 ApG (ständiger Berufssitz eines Arztes in der Gemeinde P) erfüllt sowie die Ausschlussgründe des § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG (und damit auch jene des § 10 Abs. 3, Abs. 3a und Abs. 3b ApG: ärztliche Hausapotheke) und des § 10 Abs. 2 Z. 2 ApG (Entfernung zur nächstgelegenen öffentlichen Apotheke weniger als 500 Meter) nicht vorliegen (vgl. S. 5 und 8 des angefochtenen Bescheides).

 

Insgesamt besehen kommt daher hier die gesetzliche Vermutung des ApG, dass an der Neuerrichtung einer Apotheke prinzipiell – und so auch durch die Mitbeteiligte Partei – ein entsprechender Bedarf besteht (so explizit der EuGH in seinem Urteil vom 13. Februar 2014, C 367/12, RN 28 u. 36), zum Tragen (und zwar ganz abgesehen davon, dass – worauf es im gegenständlichen Fall allerdings nicht mehr ankommt – den bereits bestehenden Apotheken der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin nach dem Gutachten der Apothekerkammer vom 12. Jänner 2012 ohnehin ein Kundenpotential von mehr als 5.500 Personen verbleiben wird [s.o.., I.1.1.]).

 

3.4.4. Davon ausgehend waren daher die vorliegenden Beschwerden gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.


 

 

III.

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG insofern grundsätzliche Bedeutung zukommt, da bislang eine entsprechende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis kann eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde bzw. Revision ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist jeweils eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr.  G r o f

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VfGH vom 05.06.2014, Zl.: E 154/2014-17

Beachte:

Die Revision wurde zurückgewiesen.

VwGH vom 17. Dezember 2014, Zl.: Ro 2014/10/0105-6