LVwG-700052/2/Gf/Rt
Linz, 09.07.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K !
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof über die Beschwerde der X, X, vertreten durch X, X, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 12. Mai 2014, Zl. Sich96-406-2013, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes
z u R e c h t e r k a n n t:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG i.V.m. § 38 VwGVG stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.
II. Die Beschwerdeführerin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde (§ 66 Abs. 1 VStG) noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Verwal-tungsgericht des Landes Oberösterreich (§ 52 Abs. 9 VwGVG) zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 12. Mai 2014, Zl. Sich96-406-2013, wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe in Höhe von 80 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 36 Stunden) verhängt, weil sie am 16. Mai 2013 in der Polizeiinspektion (PI) X lautstark herumgeschrien, gegenüber Exekutivorganen gestikuliert und eine Drohhaltung eingenommen habe. Dadurch habe sie eine Übertretung des § 81 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 55/2013 (im Folgenden: SPG), begangen, weshalb sie nach dieser Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.
Begründend wurde dazu nach Wiedergabe des Akteninhalts in rechtlicher Hinsicht ausgeführt, dass die ihr angelastete Tat auf Grund entsprechender Zeugenaussagen der erhebenden Exekutivorgane als zweifelsfrei erwiesen anzusehen und durch dieses Verhalten der Dienstbetrieb in der PI X empfindlich gestört worden sei.
Im Zuge der Strafbemessung seien ihre ungünstigen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (monatliche Nettopension in Höhe von 976,60 Euro; Sorgepflicht für einen Sohn) entsprechend berücksichtigt worden.
2. Gegen dieses ihr am 13. Mai 2014 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 10. Juni 2014 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Beschwerde.
Darin wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelwerberin weder aufgebracht noch aggressiv gewesen sei noch ein dominantes Betragen an den Tag gelegt habe. Außerdem sei die Beschwerdeführerin – ganz abgesehen davon, dass ihr ein plötzliches Aufspringen wegen ihrer lädierten Hüften unmöglich sei – weder alkoholisiert gewesen noch habe sie mit dem von ihr in die PI X mitgebrachten Türschloss eine Wurfbewegung gegen die beiden erhebenden Beamten ausgeführt; hierbei handle es sich jeweils um eine unzutreffende subjektive Einschätzung durch die beiden Polizisten. Weiters sei darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn die Rechtsmittelwerberin das ihr unterstellte Verhalten tatsächlich gesetzt hätte, dies deshalb zu keiner Störung des Dienstbetriebes geführt hätte, weil man allgemein nicht davon ausgehen kann, dass jeder Zeuge seine Wahrnehmungen stets in völlig gefasster Art und Weise zu Protokoll gibt.
Da es sich schließlich bei einem Polizeiwachzimmer nicht um einen öffentlichen Ort handle und im gegenständlichen Fall – wenn überhaupt – keine Ordnungsstörung, sondern bloß eine Anstandsverletzung im Sinne des Oö. Polizeistrafgesetzes vorgelegen hätte, wird sohin begehrt, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
II.
1. Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zu Zl. Sich96-406-2013; da sich bereits daraus der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.
2. Weil im SPG Abweichendes nicht angeordnet ist, hatte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich im vorliegenden Fall gemäß Art. 135 Abs. 1 B VG durch einen Einzelrichter zu entscheiden.
III.
In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erwogen:
1. Nach § 81 Abs. 1 SPG begeht derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 350 Euro zu bestrafen, der durch ein besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.
Gemäß § 82 Abs. 1 SPG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 350 Euro zu bestrafen, der sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzlichen Aufgaben wahrnimmt, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert.
2. Nach § 82 Abs. 2 SPG schließt eine Bestrafung gemäß § 82 Abs. 1 SPG eine Bestrafung wegen derselben Tat nach § 81 SPG aus. Von Gesetzes wegen ist damit das Delikt des § 82 Abs. 1 SPG (aggressives Verhalten gegenüber Aufsichtsorganen) explizit als lex specialis zu jenem des § 81 Abs. 1 SPG (Ordnungsstörung) konzipiert.
Dies hat zur Konsequenz, dass in jenen Fällen, in denen sich eine Ordnungsstörung gegen Sicherheitsorgane richtet, zunächst zu prüfen ist, ob der Tatbestand des § 82 Abs. 1SPG erfüllt ist; trifft dies zu, scheidet eine Heranziehung des § 81 Abs. 1 SPG nach der durch § 82 Abs. 2 SPG normierten Subsidiaritätsklausel von vornherein aus.
3. Im gegenständliche Fall hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ausgeführt (vgl. S. 8), dass der Rechtsmittelwerberin „der Tatbestand nach § 82 SPG nicht vorwerfbar [ist], zumal die hierfür erforderliche Abmahnung nicht erfolgt bzw. nicht dokumentiert ist.“
Dabei dürfte jedoch übersehen worden sein, dass die PI X bereits in ihrer Anzeige (Abschlussbericht) vom 16. Mai 2013, Zl. B5/12542/2013, festgestellt hat (vgl. S. 3), dass die Beschwerdeführerin von den beiden einschreitenden Polizisten „mehrmals aufgefordert [wurde], sie solle hier nicht schreien und die Beamten auch nicht in so lautem Ton beleidigen.“. Das Faktum dieser zweifelsfrei den Charakter einer Abmahnung i.S.d. § 82 Abs. 1 SPG aufweisenden Anordnung wurde in der Folge auch im Zuge der zeugenschaftlichen Einvernahme eines der beiden Polizeibeamten bestätigt (vgl. die Niederschrift der BH Vöcklabruck vom 19. Februar 2014, Zl. Sich96-406-2013, S. 2: „Sie wurde schon vorher mehrmals ermahnt, dass sie ihr Verhalten einstellen muss.“), wobei hinzuzufügen ist, dass es gemessen an der allgemeinen Lebenserfahrung auch realitätsfremd wäre, davon auszugehen, dass im Falle eines Randalierens in einer Polizeiinspektion keine Abmahnung des Störers erfolgt.
4. War damit aber objektiv besehen davon auszugehen, dass im gegenständlichen Fall sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 82 Abs. 1 vorlagen, durfte sohin keine Bestrafung der Rechtsmittelwerberin wegen einer Übertretung des § 81 Abs. 1 SPG erfolgen.
5. Der Beschwerde war daher gemäß § 50 VwGVG i.V.m. § 38 VwGVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren im Hinblick auf die zwischenzeitlich bereits eingetretene Verfolgungsverjährung (vgl. § 31 Abs. 1 VStG) nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.
6. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführerin weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde (§ 66 Abs. 1 VStG) noch ein Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich (§ 52 Abs. 9 VwGVG) vorzuschreiben.
IV.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsge-richtshof unzulässig, weil im Zuge des vorliegenden Verfahrens keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl. z.B. VwGH vom 26. Februar 2014, Zl. Ro 2014/04/0022).
Weder weicht nämlich die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer diesbezüglichen höchstgerichtlichen Rechtsprechung; zudem ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schließlich liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall eine ordentliche Revision ausgeschlossen ist, steht den Verfahrensparteien die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. G r o f