LVwG-780013/22 /BP/JW LVWG-780014/20 /BP/JW

Linz, 01.07.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des 1. X und 2. Des X, beide vertreten durch RA X, X, X, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, in Form rechtswidriger Anhaltung und Identitätsfeststellung der Beschwerdeführer am 29. März 2014 von ca. 17:15 Uhr bis ca. 17:50 Uhr der Bezirkshauptfrau von Rohrbach zurechenbare Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung am 27. Juni 2014,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

 

I.            Gemäß § 28 Abs. 1 und 6 VwGVG werden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

 

II.         Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art.133 Abs.4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.              

 

1. Mit Schriftsatz vom 9. Mai 2014, eingelangt beim Oö. Landesverwaltungsgericht am 13. Mai 2014, erhoben die Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf, X: Erst-Bf, X: Zweit-Bf) durch deren rechtsfreundlichen Vertreter Maßnahmenbeschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 29. März 2014 von ca. 17:15 Uhr bis ca. 17:50 Uhr in Form der rechtswidrigen Anhaltung und Identitätsfeststellung durch der Bezirkshauptfrau von Rohrbach zurechenbare Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

 

In der Beschwerde wird wie folgt ausgeführt:

 

Am 29.03.2014, waren die beiden Beschwerdeführer, beide österreichische Staatsbürger, mit dessen Ehefrauen X, und X und die 4 -Monate- alte Tochter von X am X in X spazieren.

 

Ca. 500m vom Haus des Erstbeschwerdeführers kam gegen 17:15 Uhr eine Polizeistreife mit dem amtlichen Kennzeichen BP X und blieb bei den Beschwerdeführern stehen. Bei dieser Polizeistreife handelt es sich konkret um Beamten der Polizeiinspektion Rohrbach, und zwar um Kl X und Gl X.

 

Grundlos haben die Beamten die beiden Beschwerdeführer darauf angesprochen, was sie in der freien Natur um diese Uhrzeit machen und verlangten einen Ausweis von den beiden Beschwerdeführern. Der Erstbeschwerdeführer erwiderte darauf in einem normalen Tonfall, dass er an diesem schönen Tag lediglich mit seiner Familie spazieren gehen wollte und frag­te der Erstbeschwerdeführer den Polizisten nach dem Grund der Anhaltung. Daraufhin wur­de dem Beschwerdeführer in einem sehr aggressiven und rauen Ton mitgeteilt, dass sich die Beschwerdeführer bei dem Polizisten ausweisen müssen. Da die Beschwerdeführer nicht weit von ihrem Haus entfernt waren und zu diesem Zeitpunkt lediglich Trainingsanzüge an­hatten und daher keinen Ausweis mitführten, teilten sie dem Polizisten mit, dass sie jederzeit in das Haus zurückgehen können und den Ausweis den einschreitenden Polizisten zeigen könnten. Dies verweigerten jedoch die beiden Polizisten und beantworteten auch die Frage des Erstbeschwerdeführers warum die beiden nunmehr angehalten werden, nicht.

 

Nachdem die Beschwerdeführer mündlich die persönlichen Daten den Polizeibeamten mitge­teilt hatten, begaben sich die beiden Beamten in den Einsatzwagen und riefen per Funk nach einer Verstärkung und warteten auf das Eintreffen eines weiteren Einsatzwagens. Während dieser ganzen Zeit wurden die Beschwerdeführer nicht über den Grund der Anhaltung von den Polizeibeamten aufgeklärt. Auf Grund der sehr ignoranten Art der Polizeibeamten und auf Grund der Tatsache das die Beschwerdeführer nicht wussten, was mit ihnen ge­schieht, informierten diese selbst um ca. 17:33 Uhr die Polizeizentrale in Rohrbach und er­klärten dieser dort am Telefon, dass sie von Polizisten aufgehalten wurden, welche grundlos ihre Ausweise verlangt hatten. Die Polizeidienststelle versicherte den Beschwerdeführern, dass in ca. 10 Min. ein Einsatzwagen vorbeikäme.

 

Nach ca. 10 Min. kam ein weiterer Polizeiwagen mit dem amtlichen Kennzeichen BP X. Aus diesem Polizeiwagen sind folglich 2 weitere Beamte ausgestiegen, welche mit Hand­schuhen und einer sehr aggressiven Art auf die beiden Beschwerdeführer losgingen. Die Polizeibeamten nahmen eine bedrohliche Stellung ein und der junge Polizist drohte den Be­schwerdeführern weiters mit einer Festnahme. Als die Beschwerdeführer nunmehr diesen Beamten nach dem Grund der Anhaltung fragten, bekamen diese die Antwort: „Hier sollen sich Bettler aufhalten, aus diesem Grund wurdet ihr aufgehalten". Der Beschwerdeführer fragte nunmehr den Polizisten ob diese wie Bettler aussehen und gab dem Polizisten zu ver­stehen, dass auch Bettler Menschen sind. Die Beamten gaben jedoch, wie schon die ganze Zeit, den Beschwerdeführern keine Antwort.

 

Ein Polizist, der die Anhaltung durchführte, fragte den Erstbeschwerdeführer mehrere Male aus welchen Land der Beschwerdeführer stammt. Daraufhin erwiderte der Beschwerdefüh­rer, dass er Österreicher sei aber ursprünglich aus Istanbul herstamme. Die wörtliche Aus­sage des Polizisten darauf war: „Wenn wir türkische Polizisten wären, würden die euch zei­gen wo es langgeht". Durch das sehr aggressive Verhalten der Polizisten waren die Be­schwerdeführer die ganze Zeit hinweg sehr beängstigt, zumal diese annahmen, dass sie grundlos festgenommen werden. Um 17:50 beendeten die Polizisten folglich ihre Anhaltung. Der jüngere Polizist teilte zum Schluss seinem Kollegen noch mit, dass er den Erstbe­schwerdeführer kenne und wisse, dass dieser in X wohne. Der Grund der Anhaltung wurde von den Polizisten nicht genannt.

 

(...)

 

4. Gründe, aus denen der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig war:

 

(...)

 

Im gegenständlichen Fall ist es unerfindlich, welcher Grund für die Identitätsfeststellung bei den Beschwerdeführern durch die Polizisten am 29.03.2014 vorlag. Das Verhalten der Be­schwerdeführer war weder besonders rücksichtslos, noch haben diese die öffentliche Ord­nung gestört, noch haben diese keinen wie immer gearteten Grund gesetzt, um von den Po­lizisten angehalten zu werden und um eine Identitätsfeststellung durchzuführen. Besonders die Tatsache, dass die Polizisten scheinbar die Beschwerdeführer gekannt haben mussten, lässt den Verdacht nahe, dass es sich hier keinesfalls um eine Identitätsfeststellung auf Grund des dringenden Verdachtes, dass sich an einem Aufenthaltsort Fremde befinden, die nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind, gehandelt hatte.

 

Es entbehrt daher die Anhaltung und die Identitätsfeststellung jeglicher gesetzlicher Grund­lage, weshalb diese die Beschwerdeführer nicht nur in ihrem verfassungsgesetzlich gewähr­leisteten Recht auf persönliche Freiheit, aber auch in ihrem Recht verletzt hat, nicht ohne Vorliegen von Gründen im Sinne des § 35 SPG angehalten zu werden und über deren Identi­tät überprüft zu werden. Es ergibt sich daher zweifelsfrei, dass die Handlung der Polizeibe­amten rechtswidrig war.

 

(...)

 

Aus diesen Gründen werden gestellt die

Anträge

das Verwaltungsgericht möge

1.   im Verfahren über diese Beschwerde eine öffentliche mündliche Verhandlung durchfüh­ren,

2.   die Anhaltung und Identitätsfeststellung durch die Organe der Polizeiinspektion Rohrbach für rechtswidrig erklären und

3.   den Rechtsträger der belangten Behörde gemäß § 35 VwGVG in den Kostenersatz verfal­len, wobei an Kosten der Schriftsatzaufwand gemäß § 1 Zi. 1 der
VwG-Aufwandersatzver­ordnung, sowie die Eingabegebühr von EUR 14,30 geltend gemacht werden und Anträge auf Erstattung von Verhandlungsaufwand gemäß § 1 Zi. 2 der genannten Verordnung und von Fahrtkosten, sowie von Beteiligtengebühren nach
§ 26 VwGVG iVm den Bestimmungen des Gebührenanspruchgesetzes vorbehalten werden.

 

2.1. Mit Schreiben vom 19. Mai 2014 wurde die belangte Behörde zur Aktenvorlage aufgefordert und ihr die Möglichkeit eingeräumt eine Gegenschrift zu erstatten.

 

2.2. Mit Schreiben vom 6. Juni 2014 übermittelte die belangte Behörde die in Rede stehenden Verwaltungsakte und erstattete folgende Gegenschrift:

 

1. Sachverhalt:

Wie sich aus dem im Akt befindlichen Bericht des Bezirkspolizeikommandos Rohrbach ergibt, langten am 29. März 2014, 17.04 Uhr, bei der Bezirksleitstelle Rohrbach telefonisch Hinweise ein, dass in den Bereichen X und in X (Ortschaft X) Bettler unterwegs seien. Zu diesem Zeitpunkt konnte noch nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei den Gesuchten nicht um Personen handelt, die sich im Bundesgebiet unberechtigt aufhalten sowie ob nicht Übertretungen des Verwaltungsrechts (Polizeistrafgesetz) und/oder des Strafrechts (Eigentumsdelikte) erfolgt waren, wie es wiederholt bei derartigen Gruppen schon vorgekommen ist.

 

Die Bezirksleitstelle Rohrbach beauftragte daraufhin zwei Streifen mit den Erhebungen.

 

Kurz nach der Alarmierung traf Kontrlnsp X in X. eine Fußgängergruppe (zwei Männer und zwei Frauen mit einem Kinderwagen) an. Weil diese Gruppe auf das Fahndungsprofil passte, begann Kontrlnsp X mit der Identitätsfeststellung, nachdem er erklärt hatte, worum es geht.

 

Nach den Aussagen von Kontrlnsp X begann Herr X sofort in gebrochenem Deutsch zu schreien und wies darauf hin, dass er Österreicher sei, den Wehrdienst abgeleistet habe und sich hier frei aufhalten könne. Auch X brachte schreiend zum Ausdruck, dass er Österreicher sei und dass er und die anderen sich frei bewegen könnten.

 

Da mehrere Personen zu kontrollieren waren und vor allem X immer aggressiver wurde, forderte Kontrlnsp X die Streife X 1 an. Daher kamen kurz darauf Kontrlnsp X und Grlnsp X

 

In der Zwischenzeit rief um 17.32 Uhr Herr X bei der Polizeiinspektion Rohrbach
(= Standort Bezirksleitstelle Rohrbach) an und beschwerte sich über die Kontrolle. Da der dortige Beamte Grlnsp. X nicht über den Sachverhalt vor Ort informiert war, wurde dies X mitgeteilt. Zu diesem Zeitpunkt war offenbar die Streife X 1 bereits angefordert worden, weshalb vorerst keine weiteren Maßnahmen durch die Polizeiinspektion Rohrbach zu setzen waren.

 

Nach den übereinstimmenden Aussagen der vor Ort beteiligten Beamten wurde in weiterer Folge Herr X ruhiger, während Herr X immer aggressiver wurde. Teilweise wurden auch die Frauen der Gruppe laut. Von den Beamten wurde wiederholt versucht, den Herrschaften den Grund für die Kontrolle zu erläutern. Aufgrund der Erregung von Herrn X war dies jedoch sehr schwierig bzw. wurde dies von ihm offenbar nicht verstanden.

 

Erst nachdem Herr X von Grlnsp X formell abgemahnt wurde, sein aggressives Verhalten einzustellen, beruhigte er sich etwas.

 

Da sich Grlnsp X daran erinnern konnte, dass er mit Herr schon vor längerem eine Amtshandlung gehabt hatte, war keine Verdachtslage mehr gegeben, dass es sich bei den Personen um die gesuchten Bettler handelt.

 

Die Amtshandlung wurde daher beendet.

 

2. Rechtliche Beurteilung:

 

Die Kontrolle der Herrschaften X erfolgte einerseits aufgrund der §§ 1a und 1b Oö.. Polizeistrafgesetz. (...) Weiters erfolgte die Amtshandlung auch auf Basis des § 35 Sicherheitspolizeigesetz, da der Verdacht bestand, dass es sich bei den Betroffenen um ausländische Bettler handelte, die nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt waren sowie zur Verhinderung bzw. Verfolgung eventueller Übertretungen des Verwaltungsrechts (Polizeistrafgesetz) und des Strafrechts (Eigentumsdelikte).

 

(...) Aufgrund des optischen Erscheinungsbildes der Gruppe (gemischte Gruppe aus Männern und Frauen mit Kleinkind, osteuropäisches Aussehen mit schwarzen Haaren und teilweise dunklerer Hautfarbe, Trainingsanzüge) und des Antreffens im betroffenen Gebiet konnte nicht zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass es sich um die gesuchte Gruppe handelte. Die Identitätsfeststellung war daher im Sinne der §§ 35 und 16 SPG geboten und berechtigt.

 

Bei der Amtshandlung wurden nach den übereinstimmenden Aussagen der Beamten der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 29 SPG), die Rechte der Betroffenen (§ 30 SPG) und die Richtlinien für das Einschreiten (§ 31 SPG) eingehalten.

 

Abgesehen von der kurzfristigen Anhaltung sowie der Identitätskontrolle wurden keine weiteren Maßnahmen gesetzt. Ein Schaden, welcher Form auch immer, ist dadurch nicht entstanden. Die Herrschaften X wurden bereits zu Beginn der Amtshandlung über den Grund der Amtshandlung informiert. Dass die Herrschaften X diese Information aufgrund ihrer Erregung offenbar nicht verstanden haben bzw. verstehen wollten, ändert nichts an der Rechtskonformität der Amtshandlung. Die Amtshandlung wurde auch sofort beendet, als der Grund dafür weggefallen war.

 

3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erhob Beweis durch Einsichtnahme in die Beschwerde und die vorgelegten Verwaltungsakten. Zusätzlich wurde für den 27. Juni 2014 eine öffentliche Verhandlung anberaumt und hiezu die Verfahrensparteien, die beantragten Zeugen und die einschreitenden Organe als Zeugen geladen. Darüber hinaus wurde ein Dolmetscher für die türkische Sprache beigezogen

 

4. Auf Grund der öffentlichen Verhandlung steht folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt fest:

 

4.1. Am 29. März 2014 machten die Bf gemeinsam mit deren Ehegattinnen und dem 4 Monate alten Baby des Zweit-Bf einen Spaziergang in X. Um ca. 17:15 Uhr hielt ein Polizeiwagen bei der Gruppe.

 

An die Exekutive war kurz davor der Auftrag ergangen nach (laut Funkspruch) einer südländisch aussehenden Personengruppe Ausschau zu halten, die im Raum X – X aggressiv betteln würde.

 

4.2. KI X forderte zunächst den Zweit-Bf zur Ausweisleistung auf. Sämtliche Personen der Gruppe waren ihm unbekannt. Dieser teilte mit, dass er im Jogginganzug keinen Ausweis dabei habe, dass sich dieser aber in seinem Auto befinde, das oben in X abgestellt sei, und dass seine Familie lediglich einen Spaziergang mache. Darüber hinaus äußerte er seinen Unmut darüber, dass die beabsichtigte Identitätsfeststellung lediglich aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes der Gruppe vorgenommen würde. Der hinzugekommene Erst-Bf betonte lautstark, österreichischer Staatsbürger zu sein und in X zu wohnen, gab jedoch in der Folge die Personaldaten der anwesenden Personen bekannt, wobei er aber mit dem Notieren derselben nicht einverstanden war, weil er keinen Grund dafür erkennen konnte. Nachdem die Bf ihren Unmut immer vehementer äußerten, forderte KI X per Funk Unterstützung an und trug den Bf auf, auf die Kollegen zu warten. Eine Datenüberprüfung führte der Beamte nicht durch.

 

Um 17:33 Uhr rief der Erst-Bf bei der PI Rohrbach an, damit von dort Beamte entsendet würden, die die ungewünschte Amtshandlung hier beenden sollten, da er und seine Familie ja nichts getan, sondern nur einen Spaziergang gemacht hätten. 

 

4.3. Gegen 17:40 Uhr traf die zweite Streife ein. Nach einem kurzen Gespräch mit KI X versuchten KI X und GI X eine Identitätsfeststellung bei den Bf durchzuführen. Zu diesem Zeitpunkt war eine geregelte Kommunikation nicht möglich, da die Bf (insbesondere der Erst-Bf) stark erregt waren und weiter ihren Unmut über die Amtshandlung zum Ausdruck brachten. Generell war der Ton in dieser Situation lautstark. Ua. kam es zu einem Kommunikationsproblem zwischen GI X und dem Erst-Bf, wegen der Frage nach dessen Staatsbürgerschaft bzw. nach dessen Herkunftsland. GI X stellte in der Folge ua. einen Vergleich mit der türkischen Polizei an, in der Weise, dass die Bf Glück hätten nicht mit dieser konfrontiert zu sein. Dem Erst-Bf wurde von GI X nach mehrfacher Abmahnung wegen aggressiven Verhaltens auch die Festnahme angedroht. Auf die Aussage des Erst-Bf hin, er sei österreichischer Staatsbürger, habe beim Bundesheer gedient und im Burgenland an der Grenze selbst Illegale aufgegriffen, erinnerte sich GI X an eine Situation vor 1 bis 2 Jahren in X, bei der er den Erst-Bf angetroffen habe und in deren Rahmen dieser ebenfalls auf seine Tätigkeit für das Bundesheer lautstark Bezug genommen habe.

 

Nachdem geklärt war, dass es sich bei der angetroffenen Gruppe nicht um die gesuchte Bettlergruppe handelte, wurde um ca. 17:50 Uhr von der Fortsetzung der Identitätsüberprüfung Abstand genommen.

 

4.4. Rund eine Woche nach dem Vorfall begaben sich die Brüder X wie auch deren Ehegattinnen zu einem Allgemeinmediziner, der sie an einen Facharzt für psychologische Neurologie überwies.

 

 

II.

 

1. Im Rahmen der öffentlichen Verhandlung waren zunächst der Umstand, dass die Bf mit deren Gattinnen und einem im Kinderwagen befindlichen Baby einen Spaziergang unternahmen, als sich der PKW des KI X näherte (vgl. die übereinstimmenden Aussagen der Familie in Rn. 1, 14 sowie 23 der Niederschrift), und der Umstand, dass KI X aufgrund einer dienstlichen Anweisung per funk nach einer Bettelbande – mit Personen südeuropäischen Erscheinungsbildes - fahndete (vgl. Rn. 35) unbestritten. Der Beamte interpretierte den Umstand, dass sich 2 Frauen der Gruppe auf der Böschung in Richtung Feld bewegten (nach seiner Wahrnehmung) dermaßen, dass sich diese entfernen wollten (vgl. Rn. 35). Glaubwürdig vermittelten die Bf und ihre Gattinnen, dass sie zu diesem Zeitpunkt Blumen auf der Böschung betrachteten. Betreffend die Position der einzelnen Personen gab es teils unterschiedliche Erinnerungen, die aber für den relevanten Sachverhalt nicht ausschlaggebend waren. Glaubhaft vermittelte KI X, dass die Personengruppe vom grundsätzlichen Profil bzw. äußeren Erscheinungsbild her der gesuchten Bettlergruppe, die aus mehreren südländisch aussehenden Personen bestehen sollte, entsprach (vgl. Rn. 36 und 45). Weiters ist glaubhaft, dass er keine dieser Personen kannte (vgl. Rn. 39).

 

2. Völlig glaubhaft schilderten wiederum alle Beteiligten, dass KI X zunächst mit dem Zweit-Bf Kontakt aufnahm und diesen zur Ausweisleistung aufforderte (vgl. ua. Rn. 2, 14, 23, 30, 36 und 37). Irrelevante Unterschiede bestanden in der Beschreibung, dass der Beamte zunächst vom Auto aus die Frage gestellt hatte, was die Personen hier machen würden oder, ob er dies erst nach dem Aussteigen getan habe. Völlig glaubwürdig ist die Aussage des Zweit-Bf, dass er angegeben habe, hier mit seiner Familie spazieren zu gehen (vgl. Rn. 14). Auch, dass er erklärte keinen Ausweis bei sich zu haben, diesen aber allenfalls aus dem in X befindlichen Auto holen zu können, erscheint glaubhaft. Genau so aber ist anzunehmen, dass, wie vom Zeugen X geschildert, der Zweit-Bf zu diesem Zeitpunkt die Notwendigkeit der Identitätskontrolle lautstark in Zweifel zog (vgl. Rn. 37). Diese Einstellung bestätigte der Zweit-Bf im Übrigen dadurch indirekt, als er am Ende seiner Befragung anmerkte, dass die Kontrolle aus ausländerfeindlichen Motiven heraus nur an ihnen durchgeführt worden sei, weil vorüberkommende Passanten nicht kontrolliert worden wären (Rn. 21).

 

Weiters ist unbestritten, dass sich der Erst-Bf in der Folge in das Gespräch einschaltete. Auch, dass er bekannt gab österreichischer Staatsangehöriger zu sein und in X zu wohnen ist glaubhaft. Weniger glaubhaft ist allerdings, dass der Erst-Bf, der den Grund für die Kontrolle nicht einsah, völlig ruhig geblieben war. Unbestritten ist aber, dass er die Daten der anwesenden Personen dem Beamten angab, und dass diese von jenem notiert wurden. In Rn. 38 bis 39 festgehalten, schilderte KI X glaubhaft, dass er aufgrund des neuerlich geäußerten Unmutes über die Identitätsfeststellung und des damit verbundenen aggressiven Tonfalls, Unterstützung anforderte. Dass er die Bf aufforderte bis zum Eintreffen der Verstärkung zu warten, wurde von diesen – wie auch von ihm selbst – glaubhaft geschildert. Genau so unbestritten ist der Umstand, dass der Erst-Bf um 17:33 Uhr bei der PI Rohrbach anrief, um seinerseits Unterstützung zur Beendigung der Identitätsfeststellung zu erhalten. Völlig unbestritten ist, dass sich die Bf im Recht fühlten, sich einer derartigen Kontrolle nicht unterziehen zu müssen, da sie ja hier einerseits österreichischer Staatsbürger, andererseits langjährig niedergelassen waren. Für die Annahme, dass die Situation nicht so ruhig ablief, wie von den Bf geschildert, spricht allein schon, dass Verstärkung anzufordern überhaupt in Betracht kam, denn im Normalfall hätte diese Situation bei besonnenem Kooperieren rasch aufgeklärt werden können.

 

3. Relativ genau gesichert ist der Zeitpunkt des Eintreffens der zweiten Streife um ca. 17:40 Uhr, da die Bf und deren Gattinnen von 8 – bis 10 Minuten nach dem Telefonat mit der PI Rohrbach sprachen, KI X von wenigen Minuten.

 

Die Bf und deren Gattinnen schilderten das Eintreffen der beiden Beamten durchwegs als dramatisch, beschrieben die Handschuhe, die erhobenen Fäuste und sprachen insbesondere auch davon, dass beide Bf von KI X und GI X, die teils die Hände im Waffenbereich gehalten haben sollen, mit dem Brustkorb weggedrängt worden wären (vgl. ua. Rn. 4, 10, 16, 25, 26 und 31). Letzterer Umstand wurde im Übrigen im Rahmen der Beschwerde noch nicht angeführt.

 

Schlüssiger ist hier jedenfalls die Darstellung der Beamten, da es nachvollziehbarer ist, dass sich die Eintreffenden kurz mit dem anwesenden Beamten verständigten, ohne gleich mit erhobenen Fäusten auf die beiden Männer zuzugehen und diese mit dem Brustkorb wegzudrängen.

 

Glaubhaft ist jedenfalls, dass die folgende Diskussion lautstark geführt wurde. Grundsätzlich ist auch anzunehmen, dass jeweils die eigene dabei an den Tag gelegte Ruhe von sämtlichen Beteiligten subjektiv überschätzt wurde. Der Erst-Bf wie auch konkludent sein Bruder räumten allerdings ein, dass ersterer zu diesem Zeitpunkt laut gewesen sei, was von den Beamten bestätigt wurde. Dass diese zwar die Intention der Deeskalierung verfolgten, dabei aber selbst auch laut gesprochen haben, ist anzunehmen und entspricht der Lebenserfahrung. Für die Impulsivität des Auftretens des Erst-Bf spricht auch, dass er mehrfach (wie allseits bestätigt) abgemahnt und ihm die Festnahme angedroht wurde.

Anzumerken ist, dass es wohl nicht zuletzt aufgrund der eskalierenden Situation zu dem glaubhaft geschilderten Missverständnis zwischen GI X und dem Erst-Bf kam, bei dem ersterer nach der Herkunft fragte, zweiterer wiederholt die österreichische Staatsbürgerschaft anführte. In diesem Zusammenhang ist es jedoch durchaus nicht unglaubwürdig, wenn die Bf und deren Gattinnen anführen, dass KI X zu X gesagt habe, er habe Glück, dass er nicht der türkischen Polizei gegenüberstehe oder dgl. Auch wenn dies von KI X bestritten wurde, scheint ein derartiger Ausspruch nicht unwahrscheinlich.

 

Völlig unbestritten ist die Aussage des Erst-Bf, betreffend seinen geleisteten Wehrdienst in Österreich und auch, dass GI X ihn wegen der Anmerkung an der Burgenländischen Grenze Illegale aufgegriffen zu haben, wieder erkannte (vgl. Rn. 51). Weiters ist unbestritten, dass die Beamten unmittelbar darauf, die Identitätsfeststellung abbrachen und die Amtshandlung beendeten.

 

4. Der Arztbesuch sämtlicher Familienangehöriger rund eine Woche danach und die Überweisung an einen psychologischen Neurologen ist durch die beigebrachten Dokumente belegt. Auch, dass diese Situation zu einer gewissen psychischen Belastung und den damit verbundenen Folgen geführt hat, ist glaubhaft. Allerdings beweist dies nicht, dass die Beamten, wie von den Betroffenen vorgebracht vorgegangen wären. Es scheint eher der Fall gewesen zu sein, dass es die emotionsgeladene Situation an sich war, die dazu geführt hatte. Die geschilderten Auswirkungen und Angstzustände scheinen - generell ausgedrückt - stark übersteigert vorgebracht worden zu sein!

 

 

III.

 

1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit.

 

Nach Art. 132 Abs. 2 B-VG kann gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

 

Gemäß § 3 Abs. 1 VwGVG ist, sofern die Rechtssache nicht zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gehört, in Rechtsachen in den Angelegenheiten, in denen die Vollziehung Landessache ist, das Verwaltungsgericht im Land zuständig.

 

Nach Abs. 2 Z. 2 richtet sich im Übrigen die örtliche Zuständigkeit in Rechtssachen, die nicht zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes gehören, in den Fällen des Art 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG nach dem Ort, an dem die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt begonnen wurde, wenn diese jedoch im Ausland ausgeübt wurde, danach, wo das ausübende Organ die Bundesgrenze überschritten hat.

 

Nach § 7 Abs. 4 Z. 3 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG sechs Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 2 B-VG mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, wenn er aber durch diese behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:

1.   die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

2.   die Bezeichnung der belangten Behörde,

3.   die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4.   das Begehren und

5.   die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

 

Nach Abs. 2 Z. 2 leg. cit. ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG jene Behörde, der die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zuzurechnen ist.

 

Gemäß Abs. 4 tritt bei Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG an die Stelle der Bezeichnung der belangten Behörde, soweit dies zumutbar ist, eine Angabe darüber, welches Organ die Maßnahme gesetzt hat.

 

Gemäß § 12 sind bis zur Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht die Schriftsätze bei der belangten Behörde einzubringen. Dies gilt nicht in Rechtssachen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG.

 

Nach § 22 Abs. 1 VwGVG haben Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG keine aufschiebende Wirkung. Das Verwaltungsgericht hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Andauern der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Nach Abs. 6 hat das Verwaltungsgericht, wenn im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben. Dauert die für rechtswidrig erklärte Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Zustand herzustellen.

 

2.1. Die Bf wurden am 29. März 2014 für ca. 35 Minuten zwecks beabsichtigter Identitätsfeststellung von Polizeiorganen angehalten.

 

Die Beschwerde wurde mit Schriftsatz vom 9. Mai 2014 erhoben und ist daher rechtzeitig. Nachdem die Bf behaupten durch das Vorgehen der Beamten, das eine Maßnahme der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt dargestellt habe, in ihren Rechten verletzt worden zu sein, ist die Beschwerde auch als zulässig zu erachten.

 

3.1. Nach Art. 5 Abs. 1 EMRK hat jedermann ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den Fällen des Absatz 1 lit. a) bis f) und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden.

 

Art. 1 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrSchG), BGBl Nr. 684/1988, gewährleistet dieses Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit) ebenfalls. Nach Art. 1 Abs. 2 PersFrSchG darf niemand aus anderen als den in diesem BVG genannten Gründen oder auf andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden. Der Entzug der persönlichen Freiheit darf nach Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG nur vorgesehen werden, wenn dies nach dem Zweck der Maßnahme notwendig ist. Er ist nur zulässig, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

 

Gemäß Art. 2 Abs. 1 Z. 4 PersFrSchG darf die persönliche Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden, um die Befolgung einer rechtmäßigen Gerichtsentscheidung oder die Erfüllung einer durch das Gesetz vorgeschriebenen Verpflichtung zu erzwingen.

 

3.2. Die Gesetzesvorbehalte des Rechts auf persönliche Freiheit (Art. 5 EMRK, Art. 2 PersFrSchG) bieten für sich genommen noch keine ausreichende Grundlage für Eingriffe in die persönliche Freiheit. Diese bedürfen der näheren Konkretisierung durch das Gesetz. Fehlt eine gesetzliche Grundlage, ist der Freiheitsentzug verfassungswidrig. Einschränkungen des Grundrechtes der persönlichen Freiheit anzuordnen ist ausschließlich Sache des Gesetzgebers und nicht der Behörden. Der Freiheitsentzug muss gesetzlich vorgesehen (Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG) bzw. rechtmäßig (Art. 5 Abs. 1 EMRK) sein, und er darf nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise erfolgen (Art. 1 Abs. 2; Art. 2 Abs. 1 PersFrSchG; Art 5 Abs. 1 EMRK). Darin liegt nicht nur ein Gebot an die Vollziehung, sich gesetzeskonform zu verhalten, sondern auch eine Verpflichtung des Gesetzgebers, entsprechende Gesetze zu erlassen und diese inhaltlich ausreichend bestimmt zu formulieren (siehe. Kopetzki. R 51 zu Art. 1 PersFrSchG in: K.Korinek - M. Holoubek, Hrsg, Bundesverfassungsrecht 1999).

 

3.3. Die Freiheitsentziehung im Sinne des PersFrSchG und der EMRK umfasst sowohl die Verhaftung (Festnahme) als auch die Anhaltung. Die Verhaftung (Festnahme) ist ein einmaliges Ereignis, sozusagen der Eintritt einer Freiheitsbeschränkung, der vom Willensakt eines Organs (Menschen) getragen wird. Dagegen stellt die Anhaltung die Fortdauer, die Aufrechterhaltung des einmal eingetretenen Zustands der Festgenommenheit dar (vgl Ermacora, Grundriss der Menschenrechte in Österreich [1988] Rz. 364 ff). Auch dieses Verhalten eines Organs muss von dessen Willen getragen sein. Damit müssen jeweils zwei Elemente vorliegen, nämlich ein tatsächliches Verhalten und der Wille zur Freiheitsbeschränkung. Dieser Wille, durch den das bloße Verhalten erst zum normativen Akt - hier: zum Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt - wird, kann etwa dadurch ausdrücklich erklärt werden, dass jemand durch ein Organ "für verhaftet erklärt" wird. Andererseits kann ein Organverhalten auch dann eine Freiheitsentziehung bedeuten, wenn das Organ den Willen nicht ausdrücklich erklärt hat, dieser aber aus seinem Verhalten erschlossen werden muss.

 

3.4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kann von einem Eingriff in die persönliche Freiheit nur gesprochen werden, wenn der behördliche Wille primär auf eine Freiheitsbeschränkung gerichtet war, diese sich also nicht bloß als sekundäre Folge anderer Maßnahmen, mit denen Bewegungsbehinderungen verbunden sind, darstellt (vgl etwa VfSlg 5280/1966, 5570/1967, 8327/1978, 7298/1974, 12.017/1989, 12.792/1991). Im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1998, B 1341/97, wurde in diesem Zusammenhang aber auch zum Ausdruck gebracht, dass eine nach Art und Umfang überschießende Amtshandlung eine einer Festnahme gleichkommende Beschränkung der persönlichen Freiheit darstellen kann.

 

3.5. Im vorliegenden Fall war – nach übereinstimmenden Äußerungen sämtlicher Beteiligter – keine Festnahme ausgesprochen worden. Die durch die Beamten (teils konkludent) verfügte Bewegungseinschränkung der Bf war sekundäre Folge einer beabsichtigten Identitätsfeststellung und somit diese Bewegungseinschränkung nicht primär im Sinn der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes. Aufgrund der zeitlich nicht unverhältnismäßigen Dauer kann hier auch nicht von einer, einer Festnahme gleichkommenden, Anhaltung ausgegangen werden.

 

Als zu überprüfender Verwaltungsakt steht die - mit der Einschränkung der Bewegungsfreiheit verbundene – Identitätsfeststellung im Vordergrund.

 

4.1. Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl. VwGH 29.6.2000, 96/01/0596 mwN und unter Hinweis auf die Lehre). Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in die Rechte von individuellen natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass ein Bescheid erlassen wird (vgl. Köhler in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 45 f zu § 129a B-VG).

 

4.2. Im vorliegenden Fall behaupten die Bf durch die ungerechtfertigte Personenkontrolle (verbunden mit der Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit) am 29. März 2014 von ca. 17.15 Uhr bis ca. 17:50 Uhr in ihren Rechten verletzt worden zu sein.

 

Bei den einschreitenden Beamten handelt es sich zweifelsfrei um Organe der öffentlichen Aufsicht, die in Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben im Rahmen des Oö. Polizeistrafgesetzes bzw. des SPG einschritten, ohne dass gegen die Bf ein Bescheid erlassen worden wäre.

 

Es war von den Beamten beabsichtigt und wurde auch von den Bf so verstanden, dass die Identitätsfeststellung zwangsweise durchgeführt werden würde, weshalb hier eine unmittelbare Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorliegt, denn es stand nicht im Ermessen der Bf sich dieser Amtshandlung durch Entfernen zu entziehen.

 

Fraglich ist allerdings, ob diese Maßnahme der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt in der vorgenommenen Form Deckung in der österreichischen Rechtsordnung findet.

 

4.3. Gemäß § 35 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Feststellung der Identität eines Menschen ermächtigt,

1. wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er stehe im Zusammenhang mit einem gefährlichen Angriff oder könne über einen solchen Angriff Auskunft erteilen;

2. wenn der dringende Verdacht besteht, dass sich an seinem Aufenthaltsort

a) mit beträchtlicher Strafe bedrohte Handlungen ereignen oder

  b) flüchtige Straftäter oder einer Straftat Verdächtige verbergen;

3. wenn er sich anscheinend im Zustand der Hilflosigkeit befindet und die Feststellung der Identität für die Hilfeleistung erforderlich scheint;

4. wenn der dringende Verdacht besteht, dass sich an seinem Aufenthaltsort Fremde befinden, die nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind;

5. wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, es handle sich

  a) um einen abgängigen Minderjährigen (§ 162 Abs. 1 ABGB) oder

b) um einen Menschen, der auf Grund einer psychischen Krankheit das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet oder

c) um einen Untersuchungshäftling oder Strafgefangenen, der sich der Haft entzogen hat.

6. wenn nach den Umständen anzunehmen ist, der Betroffene habe im Zuge einer noch andauernden Reisebewegung die Binnengrenze überschritten oder werde sie überschreiten;

7. wenn der Betroffene entlang eines vom internationalen Durchzugsverkehr benützten Verkehrsweges unter Umständen angetroffen wird, die für grenzüberschreitend begangene gerichtlich strafbare Handlungen typisch sind;

8. wenn dies für die Verhängung eines Betretungsverbotes nach den §§ 36a Abs. 3 und 4 und 38a Abs. 1 und 6 sowie für die Überprüfung und Durchsetzung desselben notwendig ist;

9. wenn dies für die Verhängung eines Betretungsverbots in einem Sicherheitsbereich bei Sportgroßveranstaltungen gemäß § 49a und die Durchsetzung desselben notwendig ist.

 

Gemäß § 35 Abs. 2 SPG ist die Feststellung der Identität das Erfassen der Namen, des Geburtsdatums und der Wohnanschrift eines Menschen in dessen Anwesenheit. Sie hat mit der vom Anlass gebotenen Verlässlichkeit zu erfolgen.

 

Gemäß Abs. 3 leg. cit. haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes Menschen, deren Identität festgestellt werden soll, hievon in Kenntnis zu setzen. Jeder Betroffene ist verpflichtet, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken und die unmittelbare Durchsetzung der Identitätsfeststellung zu dulden.

 

Gemäß § 1a Abs. 1 des Oö. Polizeistrafgesetzes Oö. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer in aufdringlicher oder aggressiver Weise, wie durch Anfassen oder unaufgefordertes Begleiten oder Beschimpfen, um Geld oder geldwerte Sachen an einem öffentlichen Ort bettelt oder von Ort zu Ort oder von Haus zu Haus umherzieht, um so zu betteln oder als Beteiligter einer organisierten Gruppe in dieser Weise bettelt.

 

Gemäß § 9 leg. cit. haben die Organe der Bundespolizei an der Vollziehung des Gesetzes durch Vorbeugungsmaßnahmen gegen drohende Verwaltungsübertretungen sowie durch Maßnahmen, die für die Einleitung oder Durchführung von Verwaltungsstrafverfahren erforderlich sind, mitzuwirken.

 

4.4. Es ergibt sich nun aus dem Sachverhalt, dass KI X auf Streife fuhr, um nach einer Bettlergruppe, die ua. in X gesichtet worden war, zu fahnden. Die Beschreibung enthielt Informationen, dass es mehrere Personen seien, die südländisches Äußeres aufweisen würden.

 

Nachdem KI X die Betroffenen nicht kannte, kann es ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er die Bf und deren Familie einer Identitätsfeststellung unterziehen wollte. Betont sei hier dezidiert, dass es nicht, wie von den Betroffenen subjektiv empfunden aus ausländerfeindlichen Motiven heraus geschah, sondern aufgrund der im Funkspruch enthaltenen Angaben.

 

Gerade hierin liegen aber – nach dem festgestellten Sachverhalt – die Gründe, weshalb die Bf emotional äußerst aufgebracht reagierten. Der Erst-Bf gab zwar die Namen und Wohnanschriften sämtlicher Anwesender bekannt, sah jedoch keinen Grund dafür, dass diese vom Beamten auch festgehalten würden. Dies aber führte dazu, dass KI X die Datenüberprüfung per Funk nicht ins Auge fasste, wobei anzumerken ist, dass ihm noch die jeweiligen Geburtsdaten gefehlt haben würden.

 

Fraglich ist, ob dieses Vorgehen - im Hinblick auf eine möglichst zu vermeidende – Beschränkung der Rechte der kontrollierten Personen erforderlich war. Man könnte argumentieren, dass der Beamte aufgrund der Angaben des Erst-Bf den Schluss hätte ziehen müssen, dass es sich bei diesen Personen nicht um die Gesuchten handeln würde; dabei ist aber anzumerken, dass mutmaßlich jene Gesuchten, um nicht weiter belangt zu werden, derartige Angaben gemacht haben würden. Dass die Daten also einer weiteren Überprüfung unterzogen werden sollten, kann nicht als rechtswidrig angesehen werden.

 

Weiters stellt sich die Frage, ob KI X - den Angaben des Zweit-Bf folgend – schon zu Beginn diesem hätte auftragen können, seinen Ausweis aus dem bei seinem Bruder geparkten Auto zu holen. Dies aber würde (aus Sicht von KI X) bedeutet haben, dass jener, ohne zum Beamten zurückzukehren, sich der Identitätsfeststellung hätte entziehen können. Da der Beamte allein war, wäre es auch nicht gut möglich gewesen, den Zweit-Bf zu dem von ihm angegebenen Ort zu begleiten.

 

So ist festzuhalten, dass die – vom Beamten ergriffene Maßnahme – der Anforderung von Unterstützung, angesichts des emotionsgeladenen Auftretens der Bf zur potentiellen Eigensicherung nicht unverhältnismäßig scheint, zumal er von einer Besprechung kurz davor wusste, dass diese Unterstützung bald eintreffen müsste. Das weitere Abwarten – nur wenige Minuten – konnte also den Bf zugemutet werden. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass KI X den Grund für die Identitätsfeststellung im Laufe des Gesprächs genannt hatte, da gerade aus diesem Umstand verständlich wird, dass sich die Bf als – wegen ihres Äußeren – diskriminiert fühlten.

 

4.5. Als nun um ca. 17:40 Uhr KI X und GI X eintrafen, war eine Identitätsfeststellung aufgrund des aufgebrachten Zustandes der Bf nicht möglich, zumal es offenbar an einer geordneten Kommunikation mangelte, was seinen Ausdruck darin findet, dass gegen den Erst-Bf mehrfach eine Abmahnung ausgesprochen und sogar die Festnahme angedroht werden musste. Geht man – wie im Sachverhalt festgestellt - davon aus, dass GI X sich erst zu einem etwas späteren Zeitpunkt daran erinnerte, dass der Erst-Bf in X wohne, weil er ihn an einem Ausspruch erkannte, so kann das Vorgehen der Beamten auch zu diesem Zeitpunkt nicht als rechtswidrig angesehen werden.

 

Im Übrigen ist hier auch festzuhalten, dass die Situation mit 3 anwesenden Polizisten lediglich insgesamt 10 Minuten angedauert haben kann, was hier also auch zu keiner zeitlichen Exzessivität der Amtshandlung führte. Als GI X äußerte, dass er dem Bf schon bei einer früheren Amtshandlung begegnet sei, brachen die Beamten die Identitätsfeststellung unverzüglich ab, woran wiederum keine Rechtswidrigkeit erkannt werden kann.

 

4.6. Anzumerken ist, dass sich nach Beweiswürdigung ergeben hat, dass die Bf keinesfalls von den Beamten körperlich attackiert, aber auch nicht berührt wurden. auch die Drohgebärden, mit denen sich die zuletzt eintreffenden Polizisten den Bf genähert haben sollen, fanden nach dem festgestellten Sachverhalt nicht statt. Glaubhaft ist hingegen, dass die gesamte Situation einen äußerst negativen Eindruck auf die Bf und deren Gattinnen machte, was aber per se nicht zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Beamten führen kann.

 

5. Die vorliegenden Maßnahmenbeschwerden waren daher im Ergebnis als unbegründet abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

 

6.1. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG) obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

 

Nach Abs. 2 ist der Beschwerdeführer die obsiegende Partei und die Behörde die unterlegene Partei, wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird.

 

Nach Abs. 6 ist die Behörde die obsiegende Partei und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei, wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird.

 

Gemäß Abs. 7 ist Aufwandersatz auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

 

6.2. Im vorliegenden Fall kann die belangte Behörde als obsiegende Partei angesehen werden, da die Beschwerden als unbegründet abgewiesen wurden. Jedoch mangelt es für einen Aufwandersatz am diesbezüglichen Antrag der Behörde, die ein derartiges Begehren nicht (bis zum Ende der mündlichen Verhandlung) gestellt hat.

 

Ein Ausspruch über den Aufwandersatz konnte daher entfallen.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. des Verfassungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Bernhard Pree