LVwG-750095/2/MB/KHU LVwG-750096/2/MB/KHU LVwG-750097/2/MB/KHU

Linz, 17.07.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerden von Frau X, sowie der mj. Kinder Herrn X und Frau X – beide vertreten durch ihre gesetzliche Vertreterin, Frau X –, alle StA von Georgien, vertreten durch RA X, X, X, gegen die Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 17. Oktober 2011, GZ: Sich40-29861 bis Sich40-29863-2011, mit denen die Anträge auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung“ bzw. von „Rot-Weiß-Rot – Karten plus“ als unzulässig zurückgewiesen wurden,

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird den Beschwerden stattgegeben, und es werden die angefochtenen Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 17. Oktober 2011, GZ: Sich40-29861 bis Sich40-29863-2011, ersatzlos behoben.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             1. Mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom
17. Oktober 2011, GZ: Sich40-29861 bis Sich40-29863-2011, wurden die Anträge der Bf auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung“ (§ 43 Abs 3 NAG 2005 aF) bzw. auf Erteilung von „Rot-Weiß-Rot – Karten plus“ (§ 41a Abs 9 NAG 2005 aF) gem § 44 Abs 1 NAG 2005 aF aufgrund der Ermächtigung des Landeshauptmannes von Oberösterreich (LGBl. 127/2005) von der Bezirkshauptmannschaft als unzulässig zurückgewiesen. Begründend wurde in den Bescheiden im Wesentlichen ausgeführt, dass die Berufungen gegen die die Ausweisung verfügenden Bescheide der Fremdenpolizei vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oö. mit Erkenntnis vom 1. September 2011 abgewiesen worden seien. Für die Frage, ob ein maßgeblich geänderter Sachverhalt vorliege, komme der Zeitraum „ab Zustellung des besagten UVS-Erkenntnisses bis zur NAG-Antragstellung in Frage“. Eine solche Sachverhaltsänderung sei von der Behörde jedoch nicht festgestellt worden, sodass die Anträge zurückzuweisen gewesen seien.

 

2. Die Bf erhoben gegen diese Bescheide Berufung an die Bundesministerin für Inneres. Diese wurden mit Bescheiden vom 30. November 2011, GZ: 160.634/3-III/4/11, 160.634/4-III/4/11 und 160.634/5-III/4/11 abgewiesen.

 

3. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. August 2013, Zlen. 2012/22/0040 bis 0042-7, wurden die o.g. Bescheide der Bundesministerin für Inneres wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof führte in seiner Begründung wie folgt aus:

 

„Eingangs ist festzuhalten, dass angesichts der Zustellung der angefochtenen Bescheide am 9. Dezember 2011 die Bestimmungen des NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2011 maßgeblich sind.

Gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG sind u.a. Anträge wie die vorliegenden als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

Gegen die beschwerdeführenden Parteien erließ der UVS des Landes Oberösterreich in zweiter Instanz mit keinem Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidungen, die einer Ausweisung iSd § 44b Abs. 1 Z 1 NAG gleichzuhalten sind und die von der belangten Behörde als Grundlage für die Bestätigung der Zurückweisung der Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln herangezogen wurden. Der diese aussprechende (rechtskräftige) Bescheid wurde jedoch in der Folge durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Oktober 2012, 2011/21/0270 und 0271, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hat.

Vorliegend ist damit den nunmehr angefochtenen Zurückweisungsbescheiden eine Tatbestandsvoraussetzung, nämlich das Vorhandensein einer rechtskräftigen Ausweisung, entzogen, weshalb sie schon aus diesem Grund mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet sind.

Demzufolge waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.“

 

4. Mit 1. Jänner 2014 trat die Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012 in Kraft. Gem § 3 VwGbk-ÜG gilt eine Berufung als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG. Mit Schreiben vom 22. Jänner 2014, beim
Oö. LVwG eingelangt am 27. Jänner 2014, legte das Bundesministerium für Inneres die ggst. Verfahrensakten dem Oö. LVwG vor.

 

5. Auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gem § 24 Abs 2 VwGVG verzichtet werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

 

II.         Rechtslage:

 

Gemäß § 81 Abs 26 NAG 2005 idgF sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Bundesminister für Inneres anhängigen Berufungsverfahren und Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (§ 73 AVG) nach diesem Bundesgesetz ab 1. Jänner 2014 vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I 87/2012 (in der Folge: NAG 2005 aF) zu Ende zu führen.

 

Gemäß § 44b Abs 1 Z 1 NAG 2005 aF sind Anträge gemäß §§ 41a Abs 9 oder 43 Abs 3 als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

 

Gemäß § 28 Abs 5 VwGVG sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt.

 

 

III.           Den ggst. Bescheiden liegen Anträge gem § 41a Abs 9 bzw. gem § 43 Abs 3 NAG 2005 aF zugrunde, die als unzulässig zurückgewiesen wurden. Tragender Grund dafür war gem § 44b Abs 1 Z 1 NAG 2005 aF, dass sich seit der Entscheidung des UVS Oö. vom 1. September 2011 keine Sachverhaltsänderung ergeben habe, die eine Neubeurteilung nach Art 8 EMRK erforderlich gemacht hätte.

 

Die diese Zurückweisungen bestätigenden Berufungsbescheide der Bundesministerin für Inneres wurden mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. August 2013, Zlen. 2012/22/0040 bis 0042-7, behoben. Das Verfahren wurde damit erneut bei der Bundesministerin für Inneres anhängig. Aufgrund der Bestimmung des § 81 Abs 26 NAG idgF hat nunmehr das Oö. LVwG über die unerledigten Berufungen der Bf zu entscheiden.

 

Wie schon vom Verwaltungsgerichtshof in der Begründung des o.g. Erkenntnisses darlegt, wurde auch der zit. Bescheid des UVS Oö. vom 1. September 2011, mit dem eine Rückkehrentscheidung ausgesprochen wurde, vom Verwaltungsgerichtshof behoben (E vom 25. Oktober 2012, Zlen. 2011/21/0270 und 0271). Die Aufhebung eines Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof wirkt gemäß § 42 Abs 3 VwGG auf den Zeitpunkt der Erlassung des aufgehobenen Bescheides zurück (ex tunc-Wirkung). Diese ex tunc-Wirkung bedeutet, dass der Rechtszustand zwischen Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre (stRsp des VwGH, vgl zuletzt etwa 20.02.2014, Zl. 2013/21/0184 mwN.)

 

Voraussetzung für die Zurückweisung gemäß § 44b Abs 1 Z 1 NAG 2005 aF ist das Vorliegen einer rechtskräftigen Ausweisung. Da eine solche zum Zeitpunkt der bekämpften Entscheidungen durch die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (aufgrund der ex tunc-Wirkung der Aufhebung der Rückkehrentscheidung) nicht bestanden hat, kam eine darauf gestützte Zurückweisung der Anträge der Bf nicht in Betracht.

 

Wurde von der belangten Behörde zu Unrecht angenommen, dass in der ggst. Sache keine Sachentscheidung zu treffen sei, ist bloß über die ungerechtfertigte Zurückweisung zu entscheiden und diese ersatzlos zu beheben (vgl etwa Fister/Fuchs/Sachs, § 28 VwGVG Anm. 18 sowie Hengstschläger/Leeb, AVG IV § 66 Rz 106). Damit war vom Oö. LVwG mit Behebung der ggst. Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vorzugehen.

 

Hingewiesen wird darauf, dass damit die Anträge vom 20. September 2011 auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung“ bzw. von „Rot-Weiß-Rot – Karten plus“ wieder unerledigt sind. Von der zuständigen Behörde erster Instanz wird daher über diese abzusprechen sein.

 

 

IV.          Den Beschwerden war damit stattzugeben und die angefochtenen Bescheide waren ersatzlos zu beheben. Auf die Verpflichtung der Behörde, den rechtmäßigen Zustand herzustellen, wurde hingewiesen.

 

 

V.            Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Brandstetter