LVwG-750090/3/MB/SPE

Linz, 01.07.2014

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde der X, geb. X, StA von Türkei, vertreten durch Rechtsanwältin X, X, X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land, vom 13. August 2013, GZ: Sich40-362-1994, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung Angehöriger abgewiesen wurde, den

B E S C H L U S S

gefasst:

 

I. Der Beschwerde wird stattgegeben. Der Bescheid der belangten Behörde wird antragsgemäß aufgehoben und die Angelegenheit wird zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG an die belangte Behörde zurückverwiesen.

 

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land vom 13. August 2013, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) vom 19. Dezember 2012 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung Angehöriger abgewiesen. Begründend führt die belangte Behörde nach Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes Nachfolgendes aus:

„Nach Prüfung der eingereichten Unterlagen geht die Behörde von folgendem Sachverhalt aus und hat erwogen: Sie sind türkische Staatsbürgerin und haben am 19.12.2012 beim Österreichischen Generalkonsulat Istanbul einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung Angehöriger eingereicht. Auf Grund des beabsichtigten Wohnsitzes wurden die Anträge über das Amt der OÖ. Landesregierung an die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land zur Entscheidung weitergeleitet. Der Antrag ist am 09.01.2013 in der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land eingelangt.

 

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 3 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist.

 

Als Krankenversicherungsnachweis brachten Sie eine Reisekrankenversicherung sowie eine Bescheinigung über den Anspruch auf Sachleistungen während eines vorübergehenden Aufenthaltes in Österreich ein. Beide Nachweise sind jedoch im Sinne des § 11 Abs. 2 Z 3 NAG nicht geeignet, den notwendigen Krankenversicherungsschutz in Österreich abzudecken. Somit ist eine allgemeine Erteilungsvoraussetzung nicht gegeben.

 

Gemäß § 47 Abs. 3 Ziffer 1 NAG kann Angehörigen von Zusammenführenden auf Antrag eine „Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und Verwandte des Zusammenführenden, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird.

 

Mit einer Haftungserklärung vom 03.12.2012 haben Sie ihr Enkelkind X, geb. X, österreichische Staatsbürgerin, als Haftende namhaft gemacht. In Ihrem Schreiben vom 25.04.2013 gaben Sie an, keine Nachweise der tatsächlichen Unterhaltsleistung zu besitzen, jedoch zwei Mal jährlich im Zuge von Besuche einen Betrag von ca. 1.000 Euro zu erhalten. Weiters erhalten Sie monatlich eine türkische Alterspension in der Höhe von 461 Euro. Es kann zu Recht davon ausgegangen werden, dass Sie von Unterhaltsleistungen Ihres Enkelkindes X nicht zwingend angewiesen sind, obwohl Sie dies im Ihrem Schreiben vom 25.04.2013 bekannt gaben. Durch die Alterspension in der Türkei sind Sie nicht von Ihrem Enkelkind finanziell abhängig. Sie können zur Abdeckung Ihrer Grundbedürfnisse in der Türkei selbst aufkommen. Ein Antrag gemäß § 47 Abs. 3 NAG bedeutet jedoch, dass Sie Unterhaltsleistungen benötigen müssen, um Ihre Grundbedürfnisse im Herkunftsland abdecken zu können.

 

Gemäß § 11 Abs. 3 kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses ein Aufenthaltstitel gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Dazu hat die Behörde folgendes festgestellt:

Nach ha. Aktenstand haben Sie im Jahr 1994 einen Erstantrag auf Familienzusammenführung gestellt, welcher letztendlich nach jahrelangem Verfahren durch Ausschöpfung dreier Instanzenzüge abgewiesen wurde. Zwischenzeitig hielten Sie sich zwei Mal als Touristin für kurze Aufenthaltszeiten in Österreich auf. In Österreich ist daher von einem in der Vergangenheit bezogenen Familienleben nicht auszugehen. Ebenso können gewachsene soziale, persönliche als auch wirtschaftliche Bindungen in Österreich nicht festgestellt werden. Auf Grund Ihrer bisherigen touristischen Aufenthalte kann daher von einer erfolgten Integration nicht die Rede sein.

 

Sie verbrachten beinahe Ihr gesamtes Leben in Ihrem Heimatland, sind daher naturgemäß mit der dortigen Kultur und Sprache bestens vertraut. Von einer starken Bindung zum Heimatland ist daher auszugehen. Sie sind in der Türkei krankenversichert und im Genuss eines sicheren Pensionsbezuges. Darüber hinaus sind Sie in der Türkei Hausbesitzerin. Ihren Angaben zufolge haben Sie keinerlei Angehörige mehr im Heimatland und leiden an Hypertonie, Sehstörung und Diabetes. Nach ha. Informationen können diese Krankheiten auch in Ihrem Heimatland behandelt werden. Eine gemeinsame Pflege ist aus Sicht der Behörde nicht zwingend notwendig. Der Lebensmittelpunkt des Zusammenführenden Enkelkindes befindet sich auch nicht in X sondern in X.

 

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit sowie Verstöße gegen die öffentliche Ordnung kann in dieser Abwägung nicht als Vorteil für den Antragsteller gewertet werden, dies haben bereits mehrmals die Höchstgerichte festgestellt.

 

Zusammenfassend muss daher festgestellt werden, dass nach einer Gesamtabwägung des Artikel 8 EMRK eine Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels trotz Ermangelung mehrerer Erteilungsvoraussetzungen nicht möglich ist.

 

Mit einer Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 11.07.2013 hat Sie die Behörde über den Sachverhalt informiert und dazu die Möglichkeit eingeräumt, binnen 14 Tagen Stellung zu nehmen. Durch Ihre rechtsfreundliche Vertretung, der Rechtsanwaltskanzlei X, gaben Sie im Wesentlichen folgendes an:

 

‚Gemäß §11 des Abkommens über soziale Sicherheit zwischen Österreich und der Türkei (BGBl III, Nr. 220/2000) hat meine Mandantin als in der Türkei krankenversicherte Rentnerin einen Anspruch auf Sachleistungen des zuständigen österreichischen Krankenversicherungsträgers während ihres Aufenthaltes in Österreich. Da meine Mandantin noch nicht in Österreich niedergelassen ist, kann der türkische Krankenversicherungsträger nur eine vorübergehende Bescheinigung ausstellen (vgl § 5 Abs. 1 leg. cit). Die Bescheinigung TR/A 4 als Nachweis für den dauerhaften Leistungsanspruch wird nur nach Erteilung des Aufenthaltstitels vom türkischen Krankenversicherungsträger ausgestellt. Gemäß § 7 Abs. 1 Ziffer 6 NAG-DV ist in diesem Fall kein weiterer Nachweis für einen Krankenversicherungsschutz vorzulegen.

 

Es ist zwar richtig, dass meine Mandantin eine Pension iHv. umgerechnet ca. 461 Euro bezieht, dieser Betrag ist jedoch nicht ausreichend, um ihre Grundbedürfnisse zu decken, da sie als mittlerweile 71-jährige Frau vermehrte Bedürfnisse hat. Wie im vertrauensärztlichen Attest bescheinigt, leidet meine Mandantin an kortikalen Funktionsstörungen und Störungen des Kurzzeitgedächtnisses. Sie ist Witwe und hat keine Angehörigen im Haushalt, sodass sie für den Haushalt und alltägliche Besorgungen (Lebensmitteleinkäufe, Arztbesuche,  Körper- und Leibwäsche, Behördengänge etc.) auf fremde Unterstützung angewiesen ist, die auch in der Türkei Geld kostet. Es ist nicht ganz verständlich, wie die Behörde zu dem Schluss gelangt, dass meine Mandantin mit ihrer geringen Pension ihre Grundbedürfnisse befriedigen könne.

 

Dass die Enkelin meiner Mandantin in X wohnhaft ist, ist kein Hinderniss für die Erteilung des Aufenthaltstitels. Meine Mandantin hat nicht geltend gemacht, dass eine persönliche Pflege durch ihre Enkelin iSd. §47 Abs. 3 Ziffer 3 Ute) NAG erforderlich ist‘

 

Die Behörde hat entschieden:

Es steht außer Zweifel, dass ein Aufenthaltstitel nur dann gewährt werden kann, wenn die Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs. 2 erfüllt sind. Demnach ist ein Aufenthaltstitel nur dann zu erteilen, wenn der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist. Sie gaben in Ihrer Stellungnahme an, dass Sie während Ihres Aufenthaltes in Österreich einen Anspruch auf Sachleistungen des zuständigen österreichischen Krankenversicherungsträger haben. Nachgewiesen haben Sie jedoch nur eine Bescheinigung über den Anspruch auf Sachleistungen während eines vorübergehenden Aufenthaltes in Österreich. Da Sie sich in Österreich niederlassen möchten, ist vor Erteilung dieses Aufenthaltstitels ein entsprechender Nachweis gemäß § 11 Abs. 2 NAG nachzuweisen. Dieses Beweismittel konnten Sie bis dato nicht einbringen. Eine gewichtige Erteilungsvoraussetzung ist somit nicht gegeben.

 

Weiters gaben Sie an, mit Ihrer Rente von 461 Euro die Grundbedürfnisse in der Türkei nicht abdecken zu können. Die BH Wels-Land nahm daraufhin mit dem österreichischen Generalkonsulat Istanbul Kontakt auf, um die Höhe einer Mindestpension in der Türkei herauszufinden. Das Generalkonsulat Istanbul gab bekannt, dass es in der Türkei keine generelle Mindestpension gibt, jedoch seit neuestem für Witwen, deren Ehemänner nie eingezahlt haben, eine Mindestzahlung in der Höhe von 250 TL unter Beachtung der Eigenmittel und bestimmten Voraussetzungen gibt. Umgerechnet bedeutet dies eine Mindestzahlung von ca. 97 Euro monatlich.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land kann somit aus gutem Recht davon ausgehen, dass Ihre Pension in der Höhe von 461 Euro ausreicht, um in der Türkei die Grundbedürfnisse abdecken zu können. Aus Sicht der Behörde können Sie für Ihren Lebensunterhalt in der Türkei selbst aufkommen und sind auf den Haftenden nicht angewiesen. In einem Schreiben vom 25.04.2013 gaben Sie an, zweimal jährlich einen Geldbetrag von 1.000 Euro von der Haftenden zu erhalten. Demnach wären dies monatlich 166 Euro, welche aus Sicht der Behörde ein zusätzlicher finanzieller Polster für ein besseres Leben in der Türkei darstellen.

 

Im besagten Schreiben vom 25.04.2013 gibt die Haftende sehr wohl an, dass Sie pflegebedürftig sind, dies wird jedoch durch das Schreiben der Rechtsanwaltskanzlei vom 25.07.2013 widerlegt. Jedenfalls ist ein gemeinsamer Wohnsitz zwischen der Haftenden und der Antragstellerin nicht gegeben und daher Ihre Pflegebedürftigkeit mehr als fraglich.

 

In Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 47 Abs. 2 und 3 NAG hat die Behörde infolge des Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 15. November 2011 in der Rechtsache X, X u.a., zu berücksichtigen, ob eine österreichische Ankerperson eines drittstaatsangehörigen Antragstellers bei Nichtgewährung des von diesem begehrten Aufenthaltstitels de facto gezwungen wäre, Österreich und das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen.

 

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 11.07.2013 wurde Ihnen Gelegenheit gegeben, Umstände im oben genannten Sinne vorzubringen.

Ein entsprechendes Vorbringen wurde von Ihnen in der Folge jedoch nicht erstattet. In seiner aktuellen Entscheidung in der Rechtssache X (X) hebt der EuGH mehrfach hervor, dass der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt ist, der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu sein. Art. 20 AEUV stehe nationalen Maßnahmen entgegen, die bewirken, dass den Unionsbürgern (hier der österreichischen Ankerperson) der tatsächliche Genuss des Kernbestandes der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt wird (vgl. Rz 62 der genannten EuGH Entscheidung).

 

Mit der Entscheidung in der Rechtssache X präzisierte der EuGH seine bisherige Rechtsprechung (insbesondere in der Rs. X, X) und folgerte, „dass sich das Kriterium der Verwehrung des Kernbestandes der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, auf Sachverhalte bezieht, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Unionsbürger de facto gezwungen sieht, nicht nur das Gebiet des Mitgliedstaats, dem er angehört, zu verlassen, sondern das Gebiet der Union als Ganzes." (vgl. Rz. 66 der genannten EuGH Entscheidung X). Ein Aufenthaltsrecht darf dieser Entscheidung zu Folge einem drittstaatszugehörigen Familienangehörigen eines Österreichers nicht verwehrt werden, wenn die österreichische Ankerperson im Falle der Verweigerung des begehrten Aufenthaltstitels nach § 47 Abs. 2 oder 3 NAG für den drittstaatszugehörigen Antragsteller de facto gezwungen wäre, sowohl Österreich als auch das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. In einem derartigen Fall würde die Nichtgewährung des Aufenthaltsrechts bedeuten, dass die Unionsbürgerschaft der österreichischen Ankerperson ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde.

 

Als Anhaltspunkte für die maßgebliche Frage, unter welchen tatsächlichen Gegebenheiten ein Antragsteller de facto gezwungen ist, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen, erläutert der EuGH, dass die bloße Tatsache, dass es für einen Staatsbürger eines Mitqliedstaates aus wirtschaftlichen Gründen oder zur Aufrechterhaltunq der Familienqemeinschaft im Gebiet der Europäischen Union wünschenswert erscheinen könnte. dass sich Drittstaatsanqehöriqe mit ihm zusammen im Gebiet der Europäischen Union aufhalten können, für sich genommen nicht die Annahme rechtfertigt, dass der Unionsbürqer gezwungen wäre, das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen, wenn kein Aufenthaltsrecht gewährt würde (vgl. EuGH, Rechtssache X, X, Rz 68, bzw. VwGH vom 19. Jänner 2012, ZI. 2011/22/0313 sowie VwGH vom 19. Jänner 2012, ZI. 2011/22/0312)

 

Mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache X, X, ist jedenfalls in jenen Fällen der Kernbestand der Unionsbürgerrechte beeinträchtigt, in denen ein minderjähriger Unionsbürger aus dem Gebiet der Europäischen Union ausreisen müsste, um seinen beiden drittstaatsangehörigen Elternteilen (weil diesen kein Aufenthaltsrecht gewährt wurde) zu folgen.

 

Auf Grundlage der bisherigen Judikatur des EuGH ist daher lediglich in Ausnahmesituationen von einer Gefahr der Beeinträchtigung des Kernbestands der Unionsbürgerrechte auszugehen (vgl. EuGH Entscheidung in der Rechtssache X, Rz67). Diese Auffassung des EuGH hat mittlerweile auch der VwGH seinen Entscheidungen mehrfach zugrunde gelegt (vgl. z.B. VwGH vom 21. Dezember 2011, ZI. 2009/22/0054, sowie vom 19. Jänner 2012, ZI. 2008/22/0130).

 

Nach vorliegender Aktenlage wird vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen im Ergebnis nicht davon ausgegangen, dass es für Ihre österreichische Ankerperson bedeuten würde, „de facto" Österreich und das Gebiet der Europäischen Union verlassen zu müssen, wenn Ihnen kein Aufenthaltstitel erteilt wird.

 

Dies aus folgenden Erwägungen:

Sie sind Großmutter eines erwachsenen Österreichers. Aus der Aktenlage ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass sich Ihr Enkelkind in einer Ausnahmesituation befindet, die bei Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels an Sie bedeuten würde, dass der Zusammenführende de facto gezwungen wäre das Gebiet der Europäischen Union zu verlassen. Weder der bloße Wunsch nach einem Zusammenleben in Österreich, noch wirtschaftliche Überlegungen rechtfertigen jedoch für sich genommen die Annahme eines de facto Zwanges im oben genannten Sinn. Weitere besondere Umstände, die in Ihrem Fall auf eine Ausnahmesituation schließen lassen könnten, haben Sie weder vorgebracht, noch ergeben sich diese unmittelbar aus dem Akteninhalt.

 

Auf Grund der oben beschriebenen fehlenden Erteilungsvoraussetzung sowie Ihrer Möglichkeit, die Gründbedürfnisse in der Türkei selbst abdecken zu können, sind für die Antragstellerin maßgebliche Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels nicht erfüllt und kann aus diesem Grunde der beantragte Aufenthaltstitel nicht erteilt werden.“

 

2. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf rechtzeitig die nunmehr als Beschwerde geltende Berufung und stellte darin (alleine) den Antrag, dass der Bescheid der Berufungsbehörde ersatzlos behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen werden möge.

 

Begründend führt die Bf aus.

„I. Sachverhalt

Die Berufungswerberin stellte am 19.12.2012 einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung „Angehöriger". Sie ist Witwe, bezieht eine Witwenpension und leidet an altersbedingten Krankheiten, sodass sie Hilfe im Alltag benötigt. Sie erhält Unterhaltsleistungen von ihrer in Österreich lebenden Enkelin X.

 

Mit streitgegenständlichem Bescheid wurde der Antrag der Berufungswerberin abgewiesen, mit der Begründung, dass sie keinen Nachweis der Krankenversicherung erbracht habe, sie mit ihrer Pension in der Türkei das Auslangen hätte und die Zusammenführende Enkelin nicht gezwungen wäre das Gebiet der Europäischen Union

zu verlassen, wenn der Berufungswerberin kein Aufenthaltstitel erteilt wird.

 

II. Rechtliche Würdigung

Der Bescheid der BH Wels-Land ist rechtswidrig, da das Ermittlungsverfahren mangelhaft durchgeführt wurde und dem Bescheid eine falsche rechtliche Würdigung zugrunde liegt.

 

1. Verfahrensfehler

Die BH Wels-Land hat in ihrem Bescheid angeführt, dass sie das Österreichische Generalkonsulat in Istanbul kontaktiert und Informationen hinsichtlich Mindestpensionen in der Türkei eingeholt hat. Die Ergebnisse dieser Anfrage wurden zur Entscheidungsfindung herangezogen, aber der Berufungswerberin bzw. der Rechtsvertreterin zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, sodass auch keine Stellungnahme diesbezüglich abgegeben werden konnte. Es liegt somit eine Verletzung des Parteiengehörs vor.

 

2. Inhaltliche Mängel

a) Krankenversicherung

Bezüglich der Krankenversicherung der Berufungswerberin wurde bereits in der Stellungnahme vom 23.07.2013 auf § 11 des Sozialversicherungsabkommens zwischen Österreich und der Türkei hingewiesen. Die Berufungswerberin als Bezieherin einer Witwenpension hat einen Anspruch auf Sachleistungen des zuständigen österreichischen Krankenversicherungsträgers während ihres Aufenthalts in Österreich. Da sie noch nicht in Österreich niedergelassen ist, kann der türkische Krankenversicherungsträger nur eine vorübergehende Bescheinigung ausstellen. Die Bescheinigung TR/A 4 als Nachweis für den dauerhaften Leistungsanspruch wird nur nach Erteilung des Aufenthaltstitels ausgestellt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Ziffer 6 NAG-DV ist in diesem Fall kein weiterer Nachweis für einen Krankenversicherungsschutz vorzulegen.

 

b) Unterhalt

Es wurde bereits in der Stellungnahme vom 23.07.2013 die persönliche Situation dargelegt und darauf hingewiesen, dass die Berufungsweberin aufgrund ihres Alters von 71 Jahren und ihrer Erkrankungen, die auch von der BH Wels-Land nicht bestritten werden, vermehrte Bedürfnisse hat. Um diese Bedürfnisse, wie etwa Haushaltshilfe, Mobilität etc. zu befriedigen, bedarf es finanzieller Mittel. Die Berufungswerberin ist Witwe und lebt allein, sodass sie auf Hilfe von Dritten angewiesen ist, um ihren Alltag zu meistern.

 

Bei den von der BH ermittelten 250,00 TL handelt es sich um keine Mindestpension, sondern eine Art Sozialhilfeleistung für Witwen, die keine soziale Absicherung haben. Das bedeutet nicht, dass mit 250,00 TL der Lebensunterhalt finanziert werden kann. Solch eine unqualifizierte Behauptung der BH ist schlichtweg absurd und entbehrt jeglicher nachvollziehbarer Grundlage.

 

Fragwürdig ist des Weiteren die These der BH Wels-Land, dass die Berufungswerberin aufgrund der Unterhaltszahlungen der zusammenführenden Enkelin ein finanzielles Polster für ein „besseres Leben in der Türkei" darstelle. Folgt man dieser Meinung, ist § 47 Abs. 3 Ziffer 1 NAG obsolet, da unter diesen Umständen kein Angehöriger nach Österreich ziehen könnte, da durch die tatsächlichen Unterhaltsleistungen immer eine finanzielle Besserstellung im Ausland erfolgt.

 

Da die Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels erfüllt gewesen sind, hätte die BH-Wels-Land dem Antrag der Berufungswerberin entsprechen müssen.“

 

3. Mit Schreiben vom 21. Mai 2014 erstattete die Bf ein ergänzendes Vorbringen und legte einen medizinischen Bericht vor. Im Wesentlichen führt die Bf aus, dass sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert hat. Die Bf leide an Herzproblemen und benötige dringend die Betreuung durch ihre Familienangehörigen, da sie alleine lebe und auf die Hilfe Dritter angewiesen sei, um den Alltag meistern zu können. Um sich diese Hilfe derzeit zu finanzieren erhalte die Bf auch die Unterhaltszahlungen ihrer Enkelin X, welche auch die Haftungserklärung abgegeben habe.

 

4. Mit Schreiben vom 27. Jänner 2014 legte das Bundesministerium für Inneres den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

 

 

 

 

II.

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen samt dem ergänzenden Vorbringen der Bf gem. § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG konnte von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid zu beheben war.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten I. 1., I. 2 und I. 3. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus.

 

 

III.

 

1. Gemäß § 82 Abs. 26 NAG, BGBl I 100/2005 idF 40/2014 sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Bundesminister für Inneres anhängigen Berufungsverfahren und Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (§ 73 AVG) nach diesem Bundesgesetz, ab 1. Jänner 2014 vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.

 

2. § 47 Abs. 1 NAG idF BGBl I 50/2012 (in der Folge: NAG) normiert, dass Zusammenführende im Sinne der Abs. 2 bis 4 Österreicher oder EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben.

 

Gem. § 47 Abs. 3 NAG kann Angehörigen von Zusammenführenden auf Antrag eine „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger” erteilt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

1. Verwandte des Zusammenführenden, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen tatsächlich Unterhalt geleistet wird,

2. Lebenspartner sind, die das Bestehen einer dauerhaften Beziehung im Herkunftsstaat nachweisen und ihnen tatsächlich Unterhalt geleistet wird oder

3. sonstige Angehörige des Zusammenführenden sind,

a) die vom Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat Unterhalt bezogen haben,

b) die mit dem Zusammenführenden bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben oder

c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege durch den Zusammenführenden zwingend erforderlich machen.

 

Unbeschadet eigener Unterhaltsmittel hat der Zusammenführende jedenfalls auch eine Haftungserklärung abzugeben.

 

Gem. § 11 Abs. 2 NAG dürfen einem Fremden Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn

1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.

 

Gem. § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

2. Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

 

3. Unstrittig ist zunächst festzuhalten, dass die Großmutter der österreichischen Staatsbürgerin, X, geb. X – und Zusammenführenden iSd § 47 Abs. 1 NAG – ist. Die grundlegende Anwendbarkeit des § 47 Abs. 3 NAG ist somit gegeben. Eine Haftungserklärung der Zusammenführenden liegt unstrittig gem. § 47 NAG vor.

 

4. Zu den Voraussetzungen des 1. Teiles des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetztes ist zunächst auszuführen, dass die Bf ob ihres Gesundheitszustandes gem. § 14a Abs. 5 Z 2 NAG von der Erfüllung der Integrationsvereinbarung ausgenommen ist.

 

4.1. Festzuhalten ist weiters, dass betreffend den Krankenversicherungsschutz gem. § 11 Abs. 2 Z 3 NAG auf das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkei über die soziale Sicherheit Bedacht zu nehmen ist (vgl. BGBl III 219/2000). Artikel 11 Abs. 1 des Abkommens sieht vor, dass eine Person, welche die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates erfüllt und im Gebiet des anderen Vertragsstaates (= hier: Österreich) wohnt Anspruch auf Sachleistungen zu Lasten des zuständigen Trägers vom Träger des Wohn- oder Aufenthaltsortes nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften hat, als ob die Person bei diesem versichert wäre.

 

Im gegenständlichen Fall stellt der türkische Sozialversicherungsträger die Bestätigung des sich in Art. 11 Abs. 1 lit. a des Abkommens gründenden Rechts nur nach vorheriger Wohnsitznahme aus. Die Bescheinigung selbst ist aber nur ein Beweismittel für das Bestehen des Anspruches. Aus dem Bestehen der Sozialversicherungsnummer, der Bestätigung der Pensionsleistung und den Ausführungen der Bf, dass eine Ausstellung der Bestätigung nur aufgrund des „verkehrten“ Ablaufes im konkreten Fall nicht möglich ist, ist obschon die Bestätigung TR/A 4 nicht vorliegt, davon auszugehen, dass die Bf mit der Versicherungsnummer 4/1-(a) 2200698748 leistungsberechtigt ist und daher gem. Art. 11 Abs. 1 lit a des Abkommens ein umfassender Krankenversicherungsschutz in Österreich mit Regress an den türkischen Träger besteht.

5. Streitgegenständlich (§§ 9, 27 VwGVG) erweist sich nun noch die weitere Voraussetzung der Unterhaltsleistung gem. § 47 Abs. 3 Z 1 NAG von der Zusammenführenden. Unstrittig ist in diesem Punkt, dass die Bf eine monatliche Zuweisung der türkischen Republik idHv. 1038,82 Tl. erhält (Alterspension). Die Zusammenführende selbst überweist der Bf ca. 2000 Euro pro Jahr als Zuschuss.

 

5.1. Als Unterhalt sind in Zusammenhang mit dieser Bestimmung nur Leistungen zu verstehen, welche benötigt werden, um für die Bf im derzeitigen Unterkunftsland die Grundbedürfnisse abzudecken (s EuGH vom 9. Jänner 2007, Rs JIA C-1/05).

 

Hieraus ergibt sich nun, dass nicht jedwede Geldleistung des Zusammenführenden an die Bf als Unterhalt im Sinne des § 47 Abs. 3 Z 1 NAG zu werten ist. Bloß jene Geldleistung die zur Deckung der Grundbedürfnisse notwendig ist, wird gewertet. Zu beachten ist, dass im Sinne dieser Ausführungen vom Europäischen Gerichtshof ein gewisses Ausmaß an Grundbedarfsrelevanz nicht gefordert wird. MaW: Der Grundbedarf muss nicht zur Gänze aus der Geldleistung gedeckt werden. Es reicht im Lichte dieser Judikatur hin, dass bloß ein Teil der Grundbedürfnisse notwendig mit der Geldleistung des Zusammenführenden gedeckt werden, um die Voraussetzung des § 47 Abs. 3 Z 1 NAG zu erfüllen.

 

Weiters ist zu erkennen, dass die Notwendigkeit selbst anhand der konkreten Grundbedürfnisse der Bf in ihrem Heimatstaat zu ermitteln ist. Die von der belangten Behörde durchgeführten Vergleichsannahmen können zwar als Indiz herangezogen werden, doch fehlen zu der Bewertung der Weite und der Beweiskraft weitere Informationen. Alleine der Umstand, dass die türkische Republik eine Mindestpension eingeführt hat, lässt keine Rückschlüsse zu, dass mit dieser Mindestpension auch die Möglichkeit abgebildet wird, die Grundbedürfnisse zu bewältigen (z.B.: von welchen Rahmenbedingungen geht der türkische Gesetzgeber aus: Urbane Ansprüche, Ansprüche im ländlichen Raum, soziodemographische Ansätze wie Familienstrukturen – Groß- bzw. Kleinfamilien etc.). Hinzutritt, dass die Bf – wie im Verfahren ausdrücklich dargelegt – mit erheblichen gesundheitlichen Problemen konfrontiert ist, selbst kein familiäres Netzwerk hat und zudem außerhalb des städtischen Raumes lebt (300 km außerhalb Istanbuls). Es ist sohin aus diesen Umständen: kein Netzwerk, Alter, Wohnort, Familienanschluss, Krankheit, Einschränkung der Mobilität, Medikation zu erkennen, dass – wie die Bf auch ausführt und von der Zusammenführenden bestätigt wird – die Bf den „Zuschuss“ ihrer Enkelin zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse in der Türkei benötigt.

 

Insofern ist ersichtlich, dass die Bf auch diese Voraussetzungen des § 47 Abs. 3 Z 1 NAG erfüllt.

6. Im Ergebnis ist sohin dem Antrag der Bf vollinhaltlich zu folgen. Ob der Antragsformulierung (ausdrücklich: „die Berufungsbehörde möge den Bescheid ersatzlos beheben die Angelegenheit an die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land zurückverweisen), war es dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich gem. §§ 9, 27 VwGVG verwehrt die anstehende Sachentscheidung zu treffen und war daher der Bescheid zu beheben und an die belangten Behörde zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

 

6.1. In diesem Zusammenhang ist auf die sinngemäße Anwendung des § 28 Abs. 3 bzw. 4 letzter Satz VwGVG hinzuweisen.

 

 

IV.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde bzw. Revision ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Beschlusses durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Brandstetter

Beachte:

Der angefochtene Beschluss wurde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

VwGH vom 27. Jänner 2015, Zl.: Ra 2014/22/0087-7