LVwG-700041/13/BP/Ga
Linz, 02.06.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 23. Jänner 2014, GZ: Sich96-696-2013, wegen einer Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG iVm. §§ 1 Abs. 1 und 10 Abs. 1 lit a des oö. Polizeistrafgesetzes wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 20 Euro (das sind 20 % der verhängten Geldstrafe) zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck verhängte mit Straferkenntnis vom 23. Jänner 2014 zu GZ.: Sich96-696-2013 eine Geldstrafe von 100 Euro, bei Uneinbringlichkeit eine Freiheitsstrafe von 48 Stunden, gemäß § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz über den Beschwerdeführer (in der Folge Bf).
Dabei führte die Behörde folgenden Tatvorwurf im Spruch aus:
Sie haben den öffentlichen Anstand verletzt und damit gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten verstoßen, indem sie am 23. 10. 2013 um 09.05 Uhr in X auf der X Höhe X die amtshandelnden Polizeibeamten mit den Worten „scheiß Hunde und Betrüger“ sowie „ohne Uniform würden Sie nichts sein“ lautstark beschimpft haben.
In der Begründung führte die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt ua. aus:
(...)
2.1. Mit E-Mail vom 29. Jänner 2014 ersuchte der Bf um Durchführung einer mündlichen Verhandlung und um Beigebung eines Verteidigers.
2.2. Mit Schreiben vom 30. Jänner 2014 trug die belangte Behörde dem Bf gemäß § 13 Abs. 3 AVG iVm. § 9 Abs. 1, § 11 und § 14 Abs. 1 VwGVG auf, mangels Anführung der nach § 9 Abs. 1 VwGVG erforderlichen Beschwerdeinhalte diese binnen einer Woche ab Zustellung des Schreibens nachzureichen, andernfalls sei die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
2.3. Mit E-Mail vom 10. Februar 2014 kam der Bf diesem Auftrag nach und führte Folgendes aus:
3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich fasste zum 11. April 2014 den Beschluss, den Antrag des Bf auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers als unbegründet abzuweisen.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nahm Einsicht in den Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde.
Zusätzlich wurde am 28. Mai 2014 eine öffentliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht durchgeführt.
5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von nachstehendem relevanten Sachverhalt aus:
Am 23. Oktober 2013 um ca. 9:05 befand sich der Bf auf einem Parkplatz vor X in X weil er seine Lebensgefährtin zum Arzt gebracht hatte. Der Hund der Lebensgefährtin befand sich hinten im Wagen. Als er retour ausparkte, fuhr er ca. 1 Meter bei GI X vorüber, der gerade die Einhaltung der Kurzparkzone kontrollierte. Letzterer bemerkte den Hund im Wagen. Der Bf hielt sein Fahrzeug an und ließ das Fenster auf der Fahrerseite herunter.
Zunächst entspann sich ein Wortwechsel wegen des Umstandes, dass der im Wagen befindliche Hund kein Halsband mit Hundemarke trug. Der Bf war der Meinung, dass dies nicht sein müsse und äußerte sich diesbezüglich entschieden.
In der Folge verließ der Bf den Wagen und äußerte sich lautstark, wobei Ausdrücke wie „scheiß Hunde“, „Betrüger“ (auf den Beamten gemünzt) wie auch „ohne Uniform würdet ihr nichts sein“ fielen.
II.
In der öffentlichen Verhandlung waren nahezu sämtliche Sachverhaltselemente unbestritten, da der Bf – entgegen seiner schriftlichen Beschwerde – einräumte, die im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angeführten Aussagen getätigt zu haben. Auch, dass sich das Gespräch ursprünglich um die Frage der Tragepflicht von Hundemarken drehte, kam klar aus der Verhandlung hervor. Diesbezüglich scheint es aber nach den Umständen nicht realistisch, dass der Beamte – wie vom Bf behauptet – schon bei Beginn des Gespräches gesagt haben soll: „Solche wie Du gehören weg!“
Glaubhaft erscheint hier die Aussage des Zeugen X, wonach er zunächst nicht gewusst habe, um wen es sich beim Bf handelte, sondern erst bei der Aushändigung des Führerscheines. Dass kein enges Bekanntschaftsverhältnis zwischen dem Bf und dem Beamten bestand, zeigt sich auch aus dem Umstand, dass der Bf nach Beendigung der Amtshandlung dessen Dienstnummer verlangte, was belegt, dass der Beamte ihm nicht namentlich bekannt war.
III.
1. Gemäß § 10 Abs. 1 lit. a Oö. Polizeistrafgesetz, BGBl. Nr. 36/1979, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, sind Verwaltungsübertretungen gemäß § 1, 2 Abs. 3, 2a Abs. 5 und 3 von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich der Landespolizeidirektion von dieser, bei Übertretungen nach den §§ 1 und 3 mit Geldstrafe bis 360 Euro zu bestrafen.
Wer den öffentlichen Anstand verletzt begeht gemäß § 1 Abs 1 Oö. Polizeistrafgesetz eine Verwaltungsübertretung, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung.
Als Anstandsverletzung im Sinne des Abs 1 ist gemäß Abs 2 leg. cit. jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.
2. Der Tatbestand der Verletzung des öffentlichen Anstandes wird durch ein Verhalten erfüllt, das mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht und das einen groben Verstoß gegen die in der Öffentlichkeit zu beachtenden Pflichten darstellt (VwGH 8. Juni 1983,81/10/0076).
Unter Anstand wiederum versteht man jene ungeschriebenen Regeln der Sitte und Moral, deren Einhaltung im Umgang und Leben miteinander gefordert werden müssen (UVS Steiermark 17.1.2007 30.7-49/2006).
Ein anstandsverletzendes Verhalten wird gesetzt, wenn dieses geeignet ist, das Ansehen von Personen herabzusetzen, und jene Rücksichten vermissen lässt, die für die Begegnung mit anderen Menschen in der Öffentlichkeit verlangt werden müssen (UVS Tirol, 9.1.2003, 2002/13/125-1).
Von der Judikatur wurde ua. der Gebrauch von (unflätigen und/oder obszönen) Schimpfwörtern und „wörtliche Auseinandersetzungen", sowie von Ausdrücken wegen ihrer Derbheit oder ihres unziemlichen Inhaltes in jedweder Form als den Anstand grob verletzend qualifiziert.
Eine Verletzung des öffentlichen Anstandes iSd früheren Art VIII Abs. 1 lit a zweiter Fall EGVG1950 (seit der B-VG Novelle 1974 Landessache) setzt voraus, dass zumindest die konkrete Möglichkeit der Kenntnisnahme der Anstandsverletzung über den Kreis der Beteiligten hinausgegangen sein muss (VwGH vom 08.02.1965, GZ: 1330/64).
Die Öffentlichkeit bei einer Anstandsverletzung ist zu bejahen, wenn die Möglichkeit bestand, dass die Handlung durch einen Zeugen im Hinblick auf den mit der Tat verbundenen Belästigungseffekt auch einer anderen Person bekannt werden würde (sog. "Sukzessivöffentlichkeit") (VwGH vom 30.09.1985, GZ: 85/10/0120).
3.1. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass das Element der Sukzessivöffentlichkeit im Sinne der oa. Judikatur erfüllt ist, zumal im Bereich der Hauptstraße einer Gemeinde jedenfalls die Möglichkeit bestand, dass etwa Passanten oder Anrainer das vom Bf gesetzte Verhalten hätten wahrnehmen können.
3.2. Die vom Bf – auch dem Wortlaut nach – eingestandenen Beschimpfungen wie etwa „scheiß Hunde“ oder „Betrüger“ sind nicht nur einem Polizeibeamten gegenüber als Verletzung des gebotenen Anstandes anzusehen, wobei es hier wohl keiner weiteren Erörterungen mehr bedarf.
Eine Rechtfertigung kann auch keinesfalls darin gesehen werden, dass der Bf vermeinte, der im PKW verwahrte Hund seiner Lebensgefährtin bedürfe keines Halsbandes bzw. keiner Hundemarke, wobei er sich dabei im Grunde auf „Gleichheit im Unrecht“ berief. Klar ist aber, dass dieser Rechtsstandpunkt nicht die oa. Äußerungen rechtfertigen kann.
3.3. Zusammengefasst ist also festzuhalten, dass im vorliegenden Fall der objektive Tatbestand erfüllt wurde.
4.1. § 1 Abs. 1 Oö. PolStG sieht keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens vor, weshalb § 5 Abs. 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).
Es ist nun zu prüfen, ob sich der Bf entsprechend sorgfältig verhalten hat, um glaubhaft machen zu können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
4.2. Der Bf ließ jedenfalls die auch ihm gebotene Besonnenheit vermissen. Aus dem erhobenen Sachverhalt ergab sich eindeutig, dass Auslöser für die Anstandsverletzung die – aus Sicht des Bf nicht gerechtfertigte - Beanstandung wegen einer fehlenden Hundemarke war. Es musste ihm bewusst sein, dass sein diesbezügliches Verhalten tatsächlich völlig überzogen war.
4.3. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Bf auch die subjektive Tatseite erfüllt.
5.1. Gemäß § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
Auch auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 Strafgesetzbuch sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen ebenso zu berücksichtigen.
5.2. Im vorliegenden Fall wendet sich der Bf nicht gegen die Höhe der verhängten Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe. Es sei angemerkt, dass auch das LVwG Oberösterreich keinen Anlass gefunden haben würde, diese zu bemängeln.
6. Es war daher im Ergebnis die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.
7.1. Gemäß § 52 Abs. 1 VwGVG ist in jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.
Gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG ist dieser Beitrag für das Beschwerdeverfahren mit 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit 10 Euro zu bemessen; bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro anzurechnen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand des Verwaltungsgerichtes zu tragen hat.
7.2. In diesem Sinn war dem Bf ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem LVwG in Höhe von 20 Euro (das sind 20 % der verhängten Geldstrafe) aufzuerlegen.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei:
Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Bernhard Pree