LVwG-050026/3/Gf/Rt

Linz, 11.07.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K !

 

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des x, Adresse x, zuletzt vertreten durch RA x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmanns von Braunau am Inn vom 16. Juni 2011, Zl. SanRB01-2-2011, wegen der Zurücknahme einer Hausapothekenbewilligung nach dem Apothekengesetz

 

 

 

z u  R e c h t  e r k a n n t :

 

 

 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 VwGVG dahin stattgegeben, dass der angefochtene Bescheid aufgehoben wird. 

 

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

 

I.

 

1. Gemäß § 29 Abs. 3 i.V.m. § 62a Abs. 2 und Abs. 4 des Apothekengesetzes, RGBl.Nr. 5/1907 (in der derzeit geltenden Fassung BGBl.Nr. I 32/2014, im Folgenden: ApG), wurde die dem Rechtsmittelwerber im Jahr 2005 erteilte Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 16. Juni 2011, Zl. SanRB01-2-2011, wieder (und zwar mit Wirkung vom 20. Juni 2011) zurückgenommen.

 

2. Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich vom 23. August 2011, Zl. VwSen-590290/12/Gf/Mu, stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid aufgehoben.

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass nach der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtslage vom März 2006 (BGBl.Nr. I 16/2001) neben des Erfordernisses eines Abstandes von 4 Kilometern auch die Voraussetzung eines Versorgungspotentials der neuen öffentlichen Apotheke von zumindest 5.500 Personen festzustellen gewesen wäre. Dementsprechende Erhebungen seien jedoch im Zuge der Erlassung jenes Bescheides, mit dem der Mitbeteiligten Partei eine Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke erteilt wurde, nicht vorgenommen worden. Damit liege aber eine essentielle, in § 29 Abs. 4 ApG (i.d.F. BGBl.Nr. I 16/2001) geforderte Voraussetzung nicht vor, weshalb sich davon ausgehend auch die Zurücknahme der ärztlichen Hausapothekenbewilligung als rechtswidrig erweise.

 

3.  Mit weiterem Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich vom 13. Oktober 2011, Zl. VwSen-590290/21/Gf/Mu, wurde das unter 1.2. zitierte Erkenntnis vom 23. August 2011 gemäß § 68 Abs. 3 AVG von Amts wegen ersatzlos aufgehoben und die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 16. Juni 2011 abgewiesen.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in seinem Erkenntnis vom 14. Juni 2010, B 411/10, ausgesprochen habe, dass im Zusammenhang mit § 62a ApG (i.d.F. BGBl.Nr. I 41/2006) nicht einer grammatikalischen, sondern einer systematischen Auslegung der Vorzug zu geben sei, so dass sich der Inhalt der Verweisung des § 62a ApG auf § 29 ApG (jeweils i.d.F. BGBl.Nr. I 41/2006) darauf beschränke, eine nach Fallgruppen differenzierende Regelung für die Rücknahme ärztlicher Hausapotheken zu treffen, wobei es für die Anwendung dieser Regelung unbeachtlich sei, ob ein bestimmtes Versorgungspotential festgestellt worden sei oder nicht. Davon ausgehend, dass es unbestritten sei, dass der Berufssitz des Beschwerdeführers nicht weiter als vier Straßenkilometer von der neuen Apotheke der Mitbeteiligten Partei entfernt ist, seien aber die Voraussetzungen für die Rücknahme der Hausapothekenbewilligung erfüllt.

 

Wenngleich aus der Entscheidung des VfGH vom 14. Juni 2010 keine formelle Bindungswirkung für das hier vorliegende Verfahren resultiere, sei es jedoch jedenfalls aus Gründen der Verfahrensökonomie geboten, das h. Erkenntnis vom 23. August 2011 von Amts wegen ersatzlos aufzuheben, die anhängige Berufung als unbegründet abzuweisen und den erstinstanzlichen Bescheid zu bestätigen. (Mit dem in der Folge ergangenen Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 19. Oktober 2011 wurde das Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 13. Oktober 2011 schließlich noch dahin formal ergänzt, dass der Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau vom 16. Juni 2011 als mit der Maßgabe bestätigt gilt, dass die Rücknahme der Hausapothekenbewilligung erst mit dem Zeitpunkt der Zustellung des Erkenntnisses vom 13. Oktober 2011 in Wirksamkeit tritt.)

 

4. Gegen das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 13. Oktober 2011, Zl. VwSen-590290/21/Gf/Mu (in seiner Fassung vom 19. Oktober 2011) hat der Rechtsmittelwerber eine Bescheidbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) erhoben.

 

Mit Erkenntnis vom 27. Mai 2014, Zl. 2011/10/0197, hat der VwGH dieser Beschwerde stattgegeben und das Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 13. Oktober 2011, Zl. VwSen-590290/21/Gf/Mu, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

 

Begründend führte der VwGH dazu im Wesentlichen aus, dass nach dem Konzept des AVG bei Vorliegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses zwar auch rechtskräftige Bescheide abgeändert werden könnten, sich der angefochtene Bescheid jedoch weder auf die Gründe des § 68 Abs. 2 AVG noch auf § 68 Abs. 3 oder Abs. 4 AVG zu stützen vermöge; insbesondere verkörpere die eventuelle Rechtswidrigkeit eines rechtskräftigen Bescheides weder einen gefährdenden Missstand noch eine schwere volkswirtschaftliche Schädigung i.S.d. § 68 Abs. 3 AVG.

 

 

 

 

II.

 

1. Nach Art. 151 Abs. 51 Z. 8 zweiter Satz B‑VG ist die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 (u.a.) bei den Unabhängigen Verwaltungssenaten anhängigen Verfahren ab dem 1. Jänner 2014 auf die Verwaltungsgerichte übergegangen; gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 9 B‑VG sind hinsichtlich der an diesem Tag beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahren die Verwaltungsgerichte (u.a.) an die Stelle der Unabhängigen Verwaltungssenate getreten, wobei diese das Verfahren nach der Beendigung des VwGH-Verfahrens gegebenenfalls fortzusetzen haben.

 

Daraus resultiert insgesamt, dass das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich zur hier gemäß § 63 Abs. 1 VwGG gebotenen Weiterführung des gegenständlichen, vormals beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich anhängigen Beschwerdeverfahrens sachlich und örtlich zuständig ist. Weil im ApG Abweichendes nicht angeordnet ist, hatte dieses im vorliegenden Fall nach Art. 135 Abs. 1 B VG durch einen Einzelrichter zu entscheiden.

 

2. Durch das kassatorische Erkenntnis des VwGH vom 27. Mai 2014, Zl. 2011/10/0197, ist das Verfahren in jenes Stadium zurückgetreten, in dem es sich bei der Erhebung durch die Einbringung der Berufung des Rechtsmittelwerbers gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 16. Juni 2011, Zl. SanRB01-2-2011, befand.

 

3. Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn zu Zl. SanRB01-2-2011; da sich bereits aus diesem in Verbindung mit dem Parteienvorbringen der entscheidungswesentliche und insoweit zwischen den Verfahrensparteien ohnehin nicht strittige Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

 

III.

 

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erwogen:

 

1. Im Zuge der Erlassung einer Folgeentscheidung gemäß § 63 Abs. 1 VwGG ist – sofern gesetzlich nicht Abweichendes angeordnet ist – die zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage maßgeblich.

 

Angesichts des Fehlens einer solchen Spezialregelung kommt daher hier die Bestimmung des § 62a Abs. 1 ApG nunmehr in jener Fassung, die diese (erst) durch die am 1. Jänner 2014 in Kraft getretene (vgl. § 64 ApG) Novelle BGBl.Nr. I 80/2013 erhalten hat, zum Tragen, die folgendermaßen lautet:

 

§ 62a. (1) Wurde nach dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 41/2006, jedoch  vor dem 1. Jänner 2016 eine Konzession einer öffentlichen Apotheke für eine Betriebsstätte erteilt, in deren Gemeinde zum Zeitpunkt der Antragstellung gemäß § 9 zwei Vertragsstellen nach § 342 Abs. 1 ASVG, die von Ärzten für Allgemeinmedizin besetzt sind, vorhanden waren, so ist – sofern die Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke am 29. März 2006 bereits rechtskräftig erteilt war – abweichend von § 29 Abs. 3 und 4 die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Inhaber der Bewilligung zur Haltung der ärztlichen Hausapotheke das 65. Lebensjahr vollendet hat, spätestens jedoch mit Ablauf des 31. Dezember 2018 zurückzunehmen.“

 

2. Im gegenständlichen Fall ist nun allseits unbestritten, dass

 

− in der Standortgemeinde der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke zum Zeitpunkt der Antragstellung durch die Mitbeteiligte Partei – nämlich am 1. März 2005 – bereits zwei Allgemeinmediziner mit Kassenverträgen i.S.d. § 342 Abs. 1 ASVG niedergelassen waren,

 

− dass der Mitbeteiligten Partei die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb ihrer öffentlichen Apotheke (erst) mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 7. Dezember 2006, Zl. VwSen-590140/5/Sr/Ri, – und damit nach dem Inkrafttreten der Novelle BGBl.Nr. I 41/2006 am 29. März 2006, aber noch vor dem 1. Jänner 2016 – rechtskräftig erteilt wurde, und

 

− dem Beschwerdeführer die Bewilligung zur Führung seiner ärztlichen Hausapotheke bereits am 11. Februar 2005 – und damit noch vor dem Inkrafttreten der Novelle BGBl.Nr. I 41/2006 am 29. März 2006 – rechtskräftig erteilt worden ist.

 

Da der Rechtsmittelwerber somit offenkundig sämtliche von § 62a Abs. 1 ApG i.d.F. BGBl.Nr. I 80/2013 geforderten Voraussetzungen erfüllt, resultiert daraus insgesamt, dass dessen Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke nicht – wie mit dem angefochtenen Bescheid angeordnet – bereits mit Wirkung vom 20. Juni 2011, sondern (auf Grund seines Lebensalters) erst mit Ablauf des 31. Dezember 2018 zurückgenommen werden kann.

 

3. Der gegenständlichen Beschwerde war daher gemäß § 28 VwGVG dahin stattzugeben, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

 

 

 

 

IV.

 

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, weil – soweit ersichtlich – bislang noch keine Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes zu § 62a Abs. 1 ApG i.d.F. BGBl.Nr. I 80/2013 vorliegt.

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

Den Verfahrensparteien steht außerdem die Möglichkeit der Erhebung einer ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten.

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Dr.  G r o f

Beachte:

Die Revision wurde zurückgewiesen.

VwGH vom 21. Dezember 2016, Zl.: Ro 2014/10/0111-5