LVwG-650183/4/Kof/CG/MSt
Linz, 24.07.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Josef Kofler über die Beschwerde des Herrn X, geb. X, X, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Ing. Mag. X, X gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 04. Juni 2014, GZ: FE-390/2014, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen AM und B, nach
der am 24. Juli 2014 durchgeführten mündlichen Verhandlung einschließlich Verkündung des Erkenntnisses,
zu Recht e r k a n n t :
I.
Gemäß § 28 Abs.1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der behördliche Bescheid als rechtmäßig bestätigt.
II.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die belangte Behörde hat mit dem in der Präambel zitierten Bescheid dem nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf) gemäß näher bezeichneter Rechtsgrundlagen nach dem FSG die Lenkberechtigung für die Klassen AM und B für die Dauer von zwei Wochen – gerechnet ab Zustellung des Bescheides – entzogen.
Gegen diesen Bescheid – zugestellt am 11. Juni 2014 - hat der Bf innerhalb
offener Frist die begründete Beschwerde vom 8. Juli 2014 erhoben.
Hierüber das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter (Art. 135 Abs.1 1.Satz B-VG) erwogen:
Der Bf lenkte am 24. August 2013 um 20.18 Uhr einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten PKW auf einer näher bezeichneten Straße mit öffentlichem Verkehr in der Gemeinde X. Dabei hat er die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 48 km/h überschritten.
Die Messung der Geschwindigkeit erfolgte durch ein stationäres Radar. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Gunsten des Bf abgezogen.
Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden hat mit Strafverfügung vom 05. November 2013, VerkR96-17871-2013 über den Bf wegen der Verwaltungsübertretung
nach § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.2e StVO eine Geldstrafe – Ersatzfreiheitsstrafe – verhängt.
Gegen diese Strafverfügung wurde innerhalb der Rechtsmittelfrist kein Einspruch erhoben – diese Strafverfügung ist daher mit Ablauf der Einspruchsfrist in Rechtskraft erwachsen; VwGH vom 03.11.1994, 94/18/0727
Das LVwG OÖ. ist an diese rechtskräftige Entscheidung gebunden;
VwGH vom 20.09.2001, 2001/11/0237; vom 23.04.2002, 2002/11/0063; vom 08.08.2002, 2001/11/0210; vom 26.11.2002, 2002/11/0083; vom 25.11.2003, 2003/11/0200; vom 06.07.2004, 2004/11/0046 jeweils mit Vorjudikatur uva.
Diese Bindungswirkung besteht auch an rechtskräftige Strafverfügungen;
VwGH vom 17.12.2007, 2007/03/0201; vom 11.07.2000, 2000/11/0126;
vom 27.05.1999, 99/11/0072; vom 12.04.1999, 98/11/0255;
vom 21.05.1996, 96/11/0102; vom 22.02.1996, 96/11/0003 uva.
VfGH vom 14.03.2013, B1103/12
Der Bf hat betreffend die Versäumung der Einspruchsfrist gegen die
oa. Strafverfügung einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht. Dieser Antrag wurde bislang nicht bewilligt.
Die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages ändert nichts an der Rechtskraft und Bindungswirkung der Strafverfügung;
VwGH vom 14.11.2007, 2007/20/0672; vom 03.07.2007, 2007/18/0332;
vom 18.05.2006, 2004/21/0121; vom 29.03.1996, 96/02/0006;
vgl. auch VwGH vom 23.11.1993, 93/11/0214 –
betreffend den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens.
Wird jemand wegen einer Verwaltungsübertretung nach der StVO – mittels Strafverfügung, Straferkenntnis oder Rechtsmittelentscheidung – rechtskräftig bestraft, so besteht in Angelegenheiten der Entziehung der Lenkberechtigung eine Bindungswirkung an diesen Strafbescheid.
VwGH vom 20.09.2001, 2001/11/0237; vom 23.04.2002, 2002/11/0063; vom 8.8.2002, 2001/11/0210; vom 26.11.2002, 2002/11/0083; vom 25.02.2003, 2003/11/0029; vom 25.11.2003, 2003/11/0200; vom 6.7.2004, 2004/11/0046.
Dem Vorbringen des Bf, an das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung würde keine Bindungswirkung bestehen, ist entgegenzuhalten:
1. Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 StVO:
Das Ausmaß der Alkoholisierung ist kein Tatbestandsmerkmal,
welches im Spruch des Straferkenntnisses aufzuscheinen hat;
VwGH vom 12.10.2007, 2007/02/0263; vom 16.12.2005, 2005/02/0236;
vom 29.5.1998, 98/02/0179 mit Vorjudikatur.
Betreffend den Alkoholisierungsgrad besteht jedoch Bindungswirkung
an die angewendete Strafnorm:
Bindungswirkung nach § 99 Abs.1 lit.a iVm § 5 Abs.1 StVO besteht dahingehend, dass der Alkoholisierungsgrad 0,8 mg/l oder mehr betragen hat:
VwGH vom 22.1.2002, 2001/11/0408; vom 24.4.2001, 2001/11/0101;
vom 23.10.2001, 2001/11/0295
Bindungswirkung nach § 99 Abs.1a iVm § 5 Abs.1 StVO besteht dahingehend, dass der Alkoholisierungsgrad mind. 0,60 mg/l und höchstens 0,79 mg/l betragen hat: VwGH vom 13.12.2001, 2001/11/0298 mit Vorjudikatur.
Bindungswirkung nach § 99 Abs.1b iVm § 5 Abs.1 StVO besteht dahingehend, dass der Alkoholisierungsgrad mind. 0,40 mg/l und höchstens 0,59 mg/l betragen hat: VwGH vom 30.5.2001, 99/11/0159; vgl. auch VwGH vom 24.6.2003, 2003/11/0132 und vom 28.6.2001, 99/11/0265
2. Verweigerung des Alkotests oder der Blutabnahme:
Bindungswirkung nach § 99 Abs.1 lit.b iVm § 5 Abs.2 StVO besteht dahingehend, dass die Vornahme des Alkotests verweigert wurde:
VwGH vom 06.07.2004, 2004/11/0046; vom 25.11.2003, 2003/11/0200;
vom 20.09.2001, 2001/11/0237
Bindungswirkung nach § 99 Abs.1 lit.c iVm § 5 Abs.6 StVO besteht dahingehend, dass die Blutabnahme verweigert wurde:
VwGH vom 07.10.1997, 97/11/0264 mit Vorjudikatur
3. Sonstige Übertretungen nach der StVO:
Bindungswirkung nach § 99 Abs.2 lit.c (iVm z.B. § 18 Abs.1 oder § 16 Abs.2 lit.a) StVO besteht dahingehend, dass eine Übertretung nach der StVO, z.B.
- Nichteinhalten des Sicherheitsabstandes oder
- Überholmanöver, obwohl andere Straßenbenützer hätten gefährdet werden können
unter "besonders gefährlichen Verhältnissen" begangen wurde;
VwGH vom 24.05.2005, 2005/11/0092 ("Ablehnungsbeschluss"); vom 23.04.2002, 2000/11/0091; vom 27.05.1999 ; 99/11/0035; vom 10.05.1998 ; 96/11/0209;
vom 15.12.1992, 92/11/0145; insbes. vom 23.04.2002, 2002/11/0063 –
siehe den ausdrücklichen Wortlaut:
"Bindungswirkung einer rechtskräftigen Bestrafung nach § 99 Abs.2 lit. c StVO"
4. Zwischenergebnis:
Auf Grund der zitierten Judikatur steht fest, dass die Bindungswirkung sich
auf die angewendete Strafnorm (§ 99 Abs. .... lit. ..... StVO ) bezieht.
5. Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit:
Zur Bindungswirkung bei Überschreitung der jeweils geltenden Höchstgeschwindigkeit § 99 Abs.3 lit.a iVm § 20 Abs.2 oder § 52 lit.a Z10a oder § 52 lit.a Z11a StVO ist auszuführen:
Grundsätzlich besteht an das im Straferkenntnis enthaltene Ausmaß
der Geschwindigkeitsüberschreitung keine Bindungswirkung;
VwGH vom 27.01.2005, 2003/11/0169; vom 20.02.2001, 98/11/0306; vom 12.04.1999, 98/11/0272; vom 28.06.2001, 99/11/0155; vom 18.12.1997, 96/11/0080 ua.
Diese Judikatur ist mittlerweile insofern überholt, da der Gesetzgeber in
§ 99 Abs.2e StVO idF BGBl. I Nr. 93/2009 betreffend Geschwindigkeits-überschreitungen folgende neue bzw. zusätzliche Strafnorm erlassen hat:
"Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 150 Euro
bis 2.180 Euro – im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 48 Stunden bis zu sechs Wochen – zu bestrafen, wer die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit
- im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder
- außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h
überschreitet."
6. Ergebnis:
Erfolgt eine rechtskräftige Bestrafung wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.2e (iVm § 20 Abs.2 oder § 52 lit.a Z10a oder § 52 lit.a Z11a) StVO, steht bindend fest, dass der Betreffende die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit
· im Ortsgebiet um mehr als 40 km/h oder
· außerhalb des Ortsgebietes um mehr als 50 km/h überschritten
und dadurch
(falls diese Überschreitung mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt wurde)
· eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z4 FSG verwirklicht hat!
Auf Grund der Rechtskraft der oa. Strafverfügung steht fest, dass der Bf eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs.3 Z.4 FSG verwirklicht hat!
§ 26 Abs.3 Z1 FSG lautet auszugsweise:
Im Falle der erstmaligen Begehung einer in § 7 Abs.3 Z4 leg.cit. genannten Übertretung hat die Entziehungsdauer zwei Wochen zu betragen.
Bei Vorliegen der in § 26 Abs.3 Z1 FSG umschriebenen Voraussetzungen ist jedenfalls eine Entziehung der Lenkberechtigung für den jeweils vorgesehenen fixen Zeitraum auszusprechen; ständige Rechtsprechung des VwGH, zuletzt Erkenntnis vom 27.01.2014, 2013/11/0211 mit Vorjudikatur ua.
Ein Delikt im Sinne des § 7 Abs.3 Z.4 FSG rechtfertigt die Entziehung der Lenkberechtigung dann nicht mehr, wenn zwischen der Tat einerseits und der Einleitung den Entziehungsverfahrens andererseits mehr als ein Jahr verstrichen und die betreffende Person in dieser Zeit im Verkehr nicht nachteilig in Erscheinung getreten ist; ständige Rechtsprechung des VwGH, zuletzt Erkenntnis vom 23.03.2004, 2004/11/0008.
Im vorliegenden Fall erfolgte die Entziehung der Lenkberechtigung innerhalb
der Frist von einem Jahr.
Die belangte Behörde hat daher dem Bf – völlig zu Recht – die Lenkberechtigung für die Zeit von zwei Wochen entzogen.
Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde ist auszuführen,
dass diese im vorliegenden Fall nicht zulässig war.
VwGH vom 09.11.1999, 99/11/0225 zu § 64 Abs.2 AVG.
Der Bf hat den Führerschein für den Zeitraum von zwei Wochen abgegeben und wurde ihm am 27. Juni 2014 der Führerschein wieder ausgefolgt. –
Diese Tatsache kann nicht mehr aus der Welt geschafft werden.
Die Aufhebung des Ausspruch nach § 13 Abs.2 VwGVG hätte somit zur Folge, dass dem Bf die Lenkberechtigung neuerlich für den Zeitraum von zwei Wochen – gerechnet ab Verkündung des Erkenntnisses des LVwG – entzogen und dadurch die Entziehungsdauer insgesamt vier Wochen betragen würde.
Der Bf wäre dadurch bedeutend schlechter gestellt.
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde wird dadurch nicht aufgehoben; siehe nochmals das oa. VwGH-Erk. vom 09.11.1999.
Im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung war die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung bereits abgelaufen und wurde dem Bf der Führerschein bereits wieder ausgefolgt.
Das LVwG hat gegenüber dem behördlichen Bescheid zu beurteilen, ob
der Bf während der von der Erstbehörde festgesetzten Entziehungsdauer verkehrsunzuverlässig gewesen ist;
VwGH vom 23.05.2003, 2003/11/0129; vom 28.05.2002, 2002/11/0074 und
vom 22.03.2002, 2001/11/0041.
Es war somit die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und der behördliche Bescheid als rechtmäßig zu bestätigen.
II.
Die ordentliche Revision ist zulässig.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim VfGH und/oder einer Revision beim VwGH.
Eine Beschwerde an den VfGH ist unmittelbar bei diesem einzubringen,
eine Revision an den VwGH beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.
Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision
müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren von 14,30 Euro angefallen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Richter Mag. Josef Kofler