LVwG-300309/27/KLi/SH

Linz, 09.07.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Drin. Karin Lidauer über die Beschwerde der Frau X, geb. X, X, X vom
18. März 2014 gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 18. Februar 2014, GZ: SV-21/13 wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe gemäß § 111 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 ASVG auf 365 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 15 Stunden herabgesetzt wird.

 

II.       Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde reduziert sich auf 36,50 Euro. Gemäß § 52 VwGVG hat die Beschwerde-führerin keinen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Landes-verwaltungsgericht Oberösterreich zu leisten.

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 18. Februar 2014,
GZ: SV-21/13 wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, sie habe es als Gewerbeinhaberin der Firma X verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten, dass oa. Firma Herrn X, geb. am X, am 23. Mai 2013 in X, auf dem X, auf dem dortigen Marktstand oa. Firma, mit Arbeiten (Aufbau des Standes, Hilfstätigkeiten) beschäftigte, ohne dass dieser Dienstnehmer vor Arbeitsantritt von oa. Firma als verantwortlicher Dienstgeberin beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet wurde. Der Monatslohn von Herrn X lag – bei Annahme einer kollektivvertraglichen Entlohnung – über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 (2) ASVG. Herr X arbeitete gemäß den Anweisungen und auf Rechnung oa. Firma. Er war somit Dienstnehmer. Da die Dienstgeber jeden von ihnen Beschäftigten vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden haben, stellt dies eine Übertretung der Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) dar.

 

Die Beschwerdeführerin habe dadurch § 33 Abs.1 iVm § 111 Abs. 1 und 2 ASVG verletzt. Über sie werde deshalb eine Geldstrafe in Höhe von 750 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt. Ferner wurde die Beschwerdeführerin zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 75 Euro verpflichtet.

 

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die als Einspruch bezeichnete und als Beschwerde zu wertende Eingabe der Beschwerdeführerin vom
18. März 2014. Die Beschwerdeführerin wendete ein, sie habe X am
23. Mai 2014 nicht auf ihrem Marktstand beschäftigt, er sei ihr Neffe und nur bei ihr zu Besuch gewesen.

 

 

II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:

 

II.1. Die Beschwerdeführerin ist Gewerbeinhaberin der Firma X. Dieses Unternehmen betreibt einen Marktstand. Die Beschwerdeführerin baut den Marktstand auf Wochenmärkten auf und verkauft X.

 

II.2. Am Morgen bzw. Vormittag des 23. Mai 2013 beschäftigte die Beschwerde-führerin auf dem X in X auf dem dortigen Marktstand den Zeugen X mit Arbeiten wie dem Aufbau des Standes und Hilfstätigkeiten. Dieser Dienstnehmer wurde vor Arbeitsantritt von der Beschwerdeführerin nicht beim zuständigen Sozialversicherungsträger angemeldet.

 

 

III. Beweiswürdigung:

 

III.1. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich einerseits aus dem Akt der belangten Behörde, GZ: SV-21/13. Außerdem hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 07. Juli 2014 eine umfassende Vernehmung der Beschwerdeführerin und des Zeugen X, welcher der Einsatzleiter der Finanzpolizei war, durchgeführt.

 

III.2. Letztendlich hat die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde auf die Höhe der Strafe eingeschränkt, sodass der im Straferkenntnis der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt unstrittig ist. Nachdem außerdem auf die Vernehmung des Zeugen X allseits verzichtet wurde, waren keine weiteren Beweisaufnahmen erforderlich.

 

 

IV. Rechtslage:

 

IV.1. Als Dienstnehmer gilt gemäß § 4 Abs. 2 ASVG derjenige, der in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird, wobei hiezu auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen; unabhängig davon gelten Personen jedenfalls dann als Dienstnehmer, wenn sie entweder mit einem Dienstleistungscheck nach dem Dienstleistungsscheckgesetz entlohnt werden, oder wenn sie nach § 47 Abs. 1 iVm Abs. 2 des Einkommen-steuergesetzes (EStG) lohnsteuerpflichtig  sind,  soweit  es sich nicht um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. a oder b EStG oder um Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen, handelt.

 

IV.2. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist. Gemäß Abs. 2 leg.cit. gilt Abs. 1 für die nur in der Unfall- und Pensions-versicherung sowie für die nur in der Unfallversicherung nach § 7 Z 3 lit. a Pflichtversicherten mit der Maßgabe, dass die Meldungen beim Träger der Krankenversicherung, der beim Bestehen einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz für sie sachlich und örtlich zuständig wäre, zu erstatten ist.

 

IV.3. Nach § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne dieses Bundes-gesetzes derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgelts verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 Pflichtversicherten.

 

IV.4. Gemäß § 111 Abs. 1 ASVG handelt ordnungswidrig, wer als Dienstgeber oder sonstige nach § 36 meldepflichtige Person (Stelle) oder als bevollmächtigte Person nach § 35 Abs. 3 entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes 1. Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet oder 2. Meldungsabschriften nicht oder nicht rechtzeitig weitergibt oder 3. Auskünfte nicht oder falsch erteilt oder 4. gehörig ausgewiesene Bedienstete oder Versicherungsträger während der Betriebszeiten nicht in Geschäftsbücher, Belege und sonstige Aufzeichnungen, die für das Versicherungsverhältnis bedeutsam sind, einsehen lässt. Gemäß § 111 Abs. 2 leg.cit. ist die Ordnungswidrigkeit nach Abs. 1 von der Bezirksverwaltungsbehörde als Verwaltungsübertretung zu bestrafen, und zwar mit Geldstrafe von 730 Euro bis 2.180 Euro, im Wieder-holungsfall von 2.180 Euro bis 5.000 Euro, bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, sofern die Tat weder den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet noch nach anderen Verwaltungsbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist. Unbeschadet der §§ 20 und 21 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 kann die Bezirksverwaltungsbehörde bei erstmaligem ordnungswidrigen Handeln nach Abs. 1 die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabsetzen, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

IV.5. Gemäß § 539a Abs. 1 ASVG ist für die Beurteilung von Sachverhalten nach diesem Bundesgesetz in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaft-liche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes (zB Werk-vertrag, Dienstvertrag) maßgebend. Gemäß Abs. 2 leg.cit. können durch den Missbrauch von Formen und durch Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes Verpflichtungen nach diesem Bundesgesetz, besonders die Versicherungspflicht, nicht umgangen oder gemindert werden. Ferner ist gemäß Abs. 3 leg.cit. ein Sachverhalt so zu beurteilen, wie er bei einer den wirtschaft-lichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu beurteilen gewesen wäre. Nach Abs. 4 leg.cit. sind Schein-geschäfte und andere Scheinhandlungen für die Feststellung eines Sachverhaltes nach diesem Bundesgesetz ohne Bedeutung. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Beurteilung maßgebend. Gemäß Abs. 5 leg.cit. gelten die Grundsätze, nach denen (1.) die wirtschaftliche Betrachtungsweise, (2.) Scheingeschäfte, Form-mängel und Anfechtbarkeit sowie (3.) die Zurechnung nach den §§ 21 und 24 der Bundesabgabenordnung für Abgaben zu beurteilen sind, auch dann, wenn eine Pflichtversicherung und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten nach diesem Bundesgesetz zu beurteilen sind.

 

 

V.           Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hiezu erwogen:

 

V.1. Nachdem die Beschwerdeführerin in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 7. Juli 2014 ihre Beschwerde auf die Höhe der Strafe einge-schränkt hat, hat das Landesverwaltungsgericht – unter Berücksichtigung des oben festgestellten und unstrittigen Sachverhaltes – über die Höhe der über die Beschwerdeführerin zu verhängenden Strafe zu entscheiden.

 

V.2. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung der-jenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, in- wieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Nach § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die Be-stimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessenabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechts-verfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nach-prüfbarkeit des Ermessenaktes erforderlich ist. § 19 Abs. 1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs. 2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.

 

Gemäß § 20 VStG kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen.

 

Nach der Rechtsprechung des VfGH steht für jene von den UVS (nunmehr: LVwG) ins Treffen geführten Fallkonstellationen, in denen – weil die Tatfolgen im Einzelfall als unbedeutend erscheinen – die Verhängung einer Mindeststrafe eine unangemessene Härte darstellt, in Fällen geringfügigen Verschuldens und unbedeutender Folgen – § 21 VStG oder – bei beträchtlichem Überwiegen der Milderungsgründe – die Anwendung des § 20 VStG zur Verfügung (VfGH 27.09.2002, G 45/02).

 

Gemäß § 111 Abs. 2 ASVG kann bei erstmaliger Übertretung dieser Bestimmung die Geldstrafe bis auf 365 Euro herabgesetzt werden, wenn das Verschulden geringfügig und die Folgen unbedeutend sind.

 

V.3. Die Beschwerdeführerin ist unbescholten, was sich insbesondere auch aus dem Vorlageschreiben der belangten Behörde vom 22.04.2014 ergibt, wonach gegen diese keine verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen aufscheinen. Ferner hat sich die Beschwerdeführerin – wenn auch erst im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 07.07.2014 – insofern geständig gezeigt, als sie ihre Beschwerde auf die Höhe der verhängten Strafe eingeschränkt hat. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die Tat nur über einen äußerst kurzen Zeitraum von einem Vormittag begangen wurde.

 

Die Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin sind sehr gering; erwirtschaftet sie mit ihrem Marktstand doch nur einen Umsatz von ca. 500 Euro monatlich. Selbst die Mindeststrafe in Höhe von 730 Euro würde die monatlichen finanziellen Mittel der Beschwerdeführerin übersteigen.

 

Bei einer Gesamtbetrachtung im Lichte des § 19 VStG erfüllt daher die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des § 111 Abs. 2 Satz 2 ASVG, sodass die Geldstrafe auf 365 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 15 Stunden herabgesetzt werden konnte.

 

Die Beschwerdeführerin wird allerdings darauf hingewiesen, dass sie bei einem neuerlichen Verstoß gegen die Bestimmungen des ASVG mit einer deutlich strengeren Strafe zu rechnen hat.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Drin. Karin Lidauer