LVwG-750105/2/BP/Ga/JW

Linz, 04.06.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des X, geb. X, StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X, X, X,  gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 28. Dezember 2011, GZ: 304-3-AEG/44097, mit dem ein Antrag des Beschwerdeführers vom 21. März 2011 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ gemäß § 41a des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes abgewiesen wurde,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm. § 41a Abs. 7 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005 – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 idF. BGBl. I Nr. 50/2012, wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ erteilt.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom
8. Dezember 2011,  GZ: 304-3-AEG/44097, wurde ein quotenfreier Erstantrag des nunmehrigen Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) vom 21.03.2011 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiss-Rot – Karte plus“ gemäß § 41a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.

 

In der Begründung geht die belangte Behörde zunächst von folgendem Sachverhalt aus:

 

Am 21.3.2011 haben Sie durch Ihren Sachwalter, Herrn X, beim Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Einwohner- und Standesamt, Abt. Fremdenrecht, einen Antrag auf Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung unbeschränkt" gem. § 43 Abs. 6 iVm § 43 Abs. 2 Z 3 NAG unter Hinweis auf § 14 Abs. 8 NAG in der damals gel­tenden Fassung eingebracht. Neben diversen anderen Unterlagen wurde von Ihnen eine amtsärztliche Bestätigung vom 20.12.2010 vorgelegt, nach welcher Sie auf damals ab­sehbare Zeit nicht in der Lage waren bzw. sind, an einem Deutschkurs teilzunehmen. Eine Kursbestätigung über die Teilnahme an einem Alphabetisierungskurs wurde dieser amtsärztlichen Bestätigung beigefügt. Weiters wurde dem Antrag eine Entscheidung des Asylgerichtshofes vom 15.3.2011 angeschlossen. Diesem Bescheid lässt sich entneh­men, dass Sie am 30.11.2004 einen Asylantrag gestellt haben, welcher mit genannter Entscheidung des AGH rechtskräftig abgeschlossen wurde, da Sie keine Beschwerde dagegen eingebracht haben. Diesem Bescheid sowie Erhebungen seitens der Nieder­lassungsbehörde lässt sich entnehmen, dass seitens der Asylbehörden erstmals im Februar 2006 „subsidiärer Schutz" gewährt und aus diesem Grund auch immer wieder eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG erteilt wurde. Seitens der Niederlassungsbehörde wurde zunächst die Fremdenrechtsnovelle 2011 abgewartet, um eventuelle Änderungen der heranzuziehenden Normen bei der Ent­scheidung berücksichtigen zu können. Sodann wurde Ihnen am 19.7.2011 ein Parteien­gehör zugestellt, mit welchem bereits darauf hingewiesen wurde, dass Ihr Antrag, wel­cher VOR der Novelle 2011 gestellt wurde, als Antrag gem. § 41a Abs. 7 NAG 2005 in der Fassung der Novelle 2011, weitergeführt wird. Mit dieser Verständigung wurde Ihnen mitgeteilt, dass die von Ihnen begehrte Bewilligung nicht erteilt werden könne, da § 41a Abs. 7 NAG idgF keine Anwendung findet, da dieser Bestimmung zufolge das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt sein müsse.

Neben Vorlage eines Bescheides des BAA Linz, mit welchem Ihnen der subsidiäre Schutz bis 1.8.2011 erteilt wurde, erstatteten Sie am 29.7.2011 eine Stellungnahme zur angekündigten Abweisung, in der im Wesentlichen angeführt wurde, dass § 41a Abs. 7 Z. 2 NAG auf das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gem. § 14a NAG verweise.

Weiters wird von Ihnen die Ansicht vertreten, dass § 41a Abs. 7 NAG zwar die Erfüllung des Modul 1 der Integrationsvereinbarung gem. § 14a NAG fordere, dass dies jedoch gleichzeitig auch die Anwendung der Ausnahmeregelungen des § 14a Abs. 5 NAG bein­halte. Nachdem von Ihnen ein weiterer Bescheid des BAA Linz, mit welchem die neuerli­che Verlängerung des subsidiären Schutzes bis 1.8.2012 erteilt wurde, vorgelegt wurde, reichten Sie eine neuerliche Stellungnahme am 12.9.2011 ein. In dieser Stellungnahme wurde von Ihnen auf die Kontaktaufnahme mit dem Innenministerium verwiesen, wonach Ihnen dort die Auskunft erteilt wurde, dass aufgrund der Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 17 NAG Anspruch auf die Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus" bestünde. Seitens der Niederlassungsbehörde wurde sodann ebenso Kontakt mit der Oberbehörde (BMI) aufgenommen und unter Darlegung des Sachverhaltes um schriftli­che Übermittlung der do. Rechtsansicht gebeten.

 

1.2. In ihrer rechtlichen Begründung führt die belangte Behörde ua. aus:

Festgehalten wird seitens der entscheidenden Behörde zunächst, dass Ihr Antrag vom 21.3.2011 zulässig ist, da Ihr Asylantrag mit Entscheidung des AGH vom 15.3.2011 rechtskräftig abgewiesen wurde. Dass Ihnen seitens der Asylbehörden laufend und zu­letzt mit Bescheid vom 2.8.2011 bis zum 1.8.2012 eine befristete Aufenthaltsberechti­gung gem. § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 erteilt wurde, fällt unter die Ausnahmebestim­mung des § 1 Abs. 2 NAG 2005 idgF (... soweit dieses Bundesgesetz nicht anders be­stimmt). Dies deshalb, da § 41a Abs. 7 Z. 3 leg.cit. bestimmt, dass eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus erteilt werden kann, wenn der Antragsteller seit mindestens fünf Jahren über eine Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 verfügt.

Aus den von Ihnen vorgelegten Bescheiden des BAA Linz ergibt sich, dass sowohl im Zeitpunkt der Antragstellung als auch im Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzung für eine Antragstellung gem. § 41a Abs. 7 Z. 3, nämlich eine seit mindestens fünf Jahren bestehende Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter, erfüllt ist. Den vorgelegten Bescheiden des BAA Linz, insbesondere dem letzten Bescheid vom 2.8.2011, AZ 04 24.208-BAL, lässt sich entnehmen, dass Ihnen die erstmals mit Be­scheid des Bundesasylamtes vom 19.1.2006, ZI. 04 24.208-BAL erteilte Aufenthaltsbe­rechtigung neuerlich bis zum 1.8.2012 erteilt wurde.

Auch wenn der zugrundeliegende Sachverhalt hinsichtlich Zulässigkeit unter den Tatbe­stand des § 41a Abs. 7 Z. 3 subsumiert werden kann, ist im Fall strittig, ob auch die Vor­aussetzung der Z. 2 leg.cit. als erfüllt anzusehen ist.

Dazu ist zunächst anzuführen, dass nach alter Rechtslage - wie auch in Ihrem ursprüng­lichen Antrag zitiert - § 43 Abs. 6 NAG die Rechtsgrundlage für die Erteilung eine Nieder­lassungsbewilligung unbeschränkt im Falle einer 5-jähriger Aufenthaltsberechtigung als

subsidiär Schutzberechtigter bildete. § 43 Abs. 6 NAG in der alten Fassung verwies auf die Bestimmung des § 14 Abs. 5 Z. 2 bis 5 NAG, mit welchem die Erfüllung der Integra­tionsvereinbarung geregelt wurde. Die Ausnahmebestimmungen wurden in § 14 Abs. 4 geregelt und waren daher schon wegen dem eindeutigen Verweis auf § 14 Abs. 5 Z 2 bis 5 nicht anwendbar. Daraus ergibt sich, dass nach alter Rechtslage eine Erteilung der begehrten Bewilligung jedenfalls nicht möglich gewesen wäre, da der Aus­nahmetatbestand des § 14 Abs. 4 NAG nicht zur Beurteilung heranzuziehen war und die Erfüllung der Integrationsvereinbarung unbestritten nicht nachgewiesen werden konnte.

 

Da bis dato eine Erfüllung der Integrationsvereinbarung nicht nachgewiesen werden konnte und dies auch nicht behauptet wird, ist zu prüfen, ob nach neuer Rechtslage eine (nunmehr) Rot-Weiß-Rot-Karte plus erteilt werden kann.

In Ihrer ersten Stellungnahme vom 29.7.2011 verweisen Sie auf § 41a Abs. 7 Z. 2 NAG idgF, welcher auf die Erfüllung des Modul 1 der Integrationsvereinbarung gem. § 14a NAG verweise.

§ 41a Abs. 7 Z. 2 NAG führe die Erfüllung des Modul 1 der Integrationsvereinbarung an, dies bedeute jedoch gleichzeitig auch, dass die Ausnahmeregelung des § 14a Abs. 5 NAG anzuwenden seien. Dies, da ja auf den gesamten § 14a NAG 2005 verwiesen wer­de und warum somit dessen Abs. 5 nicht anwendbar sein soll, sei nicht ersichtlich.

 

Diesen Ausführungen wird entgegnet, dass es zwar richtig ist, dass § 41a Abs. 7 Z. 2 NAG idgF. auf § 14a NAG verweist, jedoch der Wortlaut des § 41a Abs. 7 Z. 2 eindeutig auf die Erfüllung des Modul 1 der Integrationsvereinbarung abstellt.

 

§ 14a Abs. 4 NAG 2005 regelt die Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung. Keiner dieser Tatbestände kann jedoch aufgrund der von Ihnen vorgelegten Unterlagen als erfüllt angesehen werden. Es wird von Ihnen auch nicht behauptet, dass die Integra­tionsvereinbarung (weder Modul 1 noch Modul 2) erfüllt sei.

 

Da somit - wie auch von Ihnen nicht bestritten wird - die Tatbestände des § 14a Abs. 4 NAG 2005 idgF und somit das Modul 1 der Integrationsvereinbarung nicht erfüllt sind, obwohl diese Erfüllung des Modul 1 in § 41a Abs. 7 Z. 2 gefordert wird, kann die begehr­te Bewilligung nicht erteilt werden.

Nach mehreren Telefonaten verweisen Sie in Ihrer zweiten Stellungnahme vom 9.9.2011 auf eine Auskunft des Innenministeriums, wobei auf die Übergangsbestimmungen des
§ 81 Abs. 17 NAG 2005 idgF verwiesen wird. Nach dieser Bestimmung gelte das Modul 1 der Integrationsvereinbarung als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige die Integrations­vereinbarung gem. § 14 in der Fassung vordem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BGBl Nr. 38/2011 erfüllt haben, oder von der Erfüllung ausgenommen waren. Aus diesem Grund bestehe jedenfalls ein Anspruch auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus", da die Ausnahme von der Verpflichtung bereits vor dem 1.7.2011 bestand. In diesem Zusammenhang wurde neuerlich auf die amtsärztliche Bestätigung vom De­zember 2010 verwiesen.

 

Den Ausführungen in der zweiten Stellungnahme vom 9.9.2011 wird seitens der Nieder­lassungsbehörde jedoch folgende Überlegung entgegengehalten: Zunächst wird in dieser Stellungnahme auf die Bestimmung des § 81 Abs. 17 NAG ver­wiesen und angeführt, dass - laut Auskunft des Innenministeriums - die Integrationsver­einbarung dann als erfüllt gelte, wenn sie vor dem Zeitpunkt der Novelle 2011 erfüllt oder ein Ausnahmetatbestand gegeben war. Der Antragsteller sei bereits vor dem 1.7.2011 von der Verpflichtung zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung ausgenom­men gewesen. Wie oben bereits ausführlich dargelegt, gelangt die entscheidende Be­hörde jedoch zum Schluss, dass der Antragsteller vor dem Zeitpunkt der Novelle 2011 NICHT von der Erfüllung der Integrationsvereinbarung ausgenommen war. Wieder­holend wird dazu ausgeführt, dass gerade nach alter Rechtslage Antragsteller, welche nach § 8 Abs. 4 AsylG mindestens 5 Jahre aufenthaltsberechtigt sind, auf den Ausnah­metatbestand des
§ 14 Abs. 4 NAG 2005 mangels entsprechendem Verweis in der Rechtsgrundlage (§ 43 Abs. 6 leg.cit.) nicht abstellen konnten.

 

Richtig zu stellen ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Übergangsbestimmun­gen (§ 81 NAG idFd Novelle 2011) gar keine Anwendung finden - so auch die von ha Behörde eingeholte Rechtsansicht des Innenministeriums. Dies deshalb, da sich § 81 Abs. 17 NAG idFd Novelle 2011 auf Drittstaatsangehörige beziehe, welche im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle, nämlich am 1.7.2011, bereits über einen Aufenthaltstitel

verfügten und die Integrationsvereinbarung erfüllten bzw von der Ausnahmebestimmung umfasst waren. Da Sie jedoch am 1.7.2011 nicht im Besitz eines Aufenthaltstitel nach dem NAG waren, ist zur Beurteilung Ihres Antrages, welcher nach dem NAG erstmals gestellt wurde, die Übergangsbestimmung nicht heranzuziehen. Da darüber hinaus - wie oben dargelegt - auch vor der Novelle 2011 keine Ausnahme von der Erfüllung der In­tegrationsvereinbarung gegeben war, braucht auf die Tatsache, dass die Übergangsbe­stimmungen keine Anwendung finden, da die Erstbehörde die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung heranzuziehen hat, nicht näher eingegangen werden.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig durch den Rechtsvertreter des Bf eingebrachte Berufung vom 17. Jänner 2012, die nunmehr als Beschwerde anzusehen ist. In dieser werden zunächst folgende Anträge gestellt:

 

1. Die Verwaltungsbehörde zweiter Instanz möge den bekämpften Bescheid dahingehend abändern, dass X, geb. X, Staatsbürger Afghanistan, der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus" gemäß § 41a Abs 7 NAG erteilt wird;

 

2. in eventu den bekämpften Bescheid aufheben und nach Verfahrensergänzung den Bescheid erlassen, dass X, geb. X, Staatsbürger Afghanistan, der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot-Karte plus" gemäß § 41a Abs 7 NAG erteilt wird.

 

Begründend wird ua. wie folgt ausgeführt:

 

(...)

 

Diese Rechtsansicht ist unrichtig. Vielmehr ist richtig, dass gemäß § 41a Abs. 7 NAG 2005gF für die Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus" vorausgesetzt wird, dass der Antragsteller die Voraussetzungen des 1. Teils sowie das Modul 1 der Integrationsverein­barung (§ 14a) erfüllt und seit mindestens 5 Jahren über eine Aufenthaltsberechtigung als sub­sidiär Schutzberechtigter nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 verfügt. Nach § 14a Abs. 1. NAG sind sämtliche Drittstaatsangehörige - im gegenständlichen Fall der Berufungswerber als subsidiär Schutzberechtigte - die einen Aufenthaltstitel nach § 8 Abs. 1 Z 2 NAG gF anstreben zur Er­füllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Allerdings enthält § 14a Abs. 5 Z 2 NAG einen Ausnahmetatbestand von dieser Erfüllungspflicht hinsichtlich des Moduls 1 für solche Drittstaatsangehörige, denen aufgrund ihres physischen oder psychischen Gesund­heitszustandes die Erfüllung nicht zugemutet werden kann, wobei darüber ein amtsärztliches Gutachten vorzulegen ist. Diese amtsärztliche Bestätigung legte der Berufungswerber bereits bei Antragsstellung vor, wobei im amtsärztlichen Gutachten von Dr. X vom 20.12.2010 festgestellt wurde, dass der Berufungswerber (derzeit) auf absehbare Zeit nicht in der Lage sei, an einem Deutschkurs teilzunehmen. Aufgrund der langen Verfahrens­dauer ist die im Gutachten genannte Beobachtungsdauer von einem Jahr bereits abgelaufen, eine neuerliche amtsärztliche Untersuchung des Berufungswerbers ist jederzeit auf Verfügung der Berufungsbehörde möglich.

 

Demnach kann der Berufungswerber der Pflicht zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrations­vereinbarung nach § 14a Abs. 1 NAG nF nicht erfüllen, wobei ihn § 14a Abs. 5 Z 2 NAG nF ausdrücklich von dieser Pflicht befreit. Die Befreiung von der vorgeschriebenen Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung darf jedoch nicht dahingehend - wie von der Behörde 1. Instanz - interpretiert werden, dass dadurch die Möglichkeit des Erwerbs des beantragen Aufenthaltstitels verhindert wird. Dies würde bedeuten, dass dem Berufungswerber ein Nach­teil aus dem Umstand entsteht, dass sein psychischer Zustand die zur Erfüllung der Integrati­onsvereinbarung generell nicht zulässt. Diese Auslegung der anzuwendenden Bestimmung stellt eine unmittelbare Diskriminierung dar und widerspricht letztendlich auch der Intention des Gesetzgebers.

 

Die Behörde 1. Instanz übersieht diesbezüglich auch, dass in § 43 Abs. 6 NAG 2005 aF aus­schließlich die Voraussetzungen für die Verleihung des Aufenthaltstitels „Niederlassungsbe­willigung - unbeschränkt" geregelt wurden. Nach der bis vor dem 1.07.2011 geltenden Rechtslage konnte dieser Aufenthaltstitel lediglich subsidiär Schutzberechtigten erteilt wer­den, welche die Integrationsvereinbarung nach § 14 Abs. 5 Z 2-5 oder 7 NAG aF erfüllten (§ 43 Abs. 6 Z 2 iVm Abs. 2 Z 3 NAG aF). Die Regelung des § 43 NAG aF nahmen nur auf die Bestimmungen des § 14 NAG aF Bezug, regelten aber ihrerseits keinesfalls die Erfüllung der Integrationsvereinbarung.

 

Die Behörde erster Instanz vermischte auf rechtlich unrichtige Weise die Voraussetzungen zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung nach § 14 Abs. 1 und 2 NAG aF und mit jenen für die Gewährung des beantragten Aufenthaltstitels nach § 43 Abs. 6 NAG aF. Die Erfüllung der Integrationsvereinbarung richtete sich nach § 14 Abs. 2 NAG idaF und des darin genannten Nachweises der Module 1 und 2 über den Erwerb der Fähigkeiten des Lesens und Schreibens bzw. des Erwerbs von Kenntnissen der deutschen Sprache und der Befähigung zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich. Auch die alte Fassung hinsichtlich der Integrationsvereinbarung sah jedoch in § 14 Abs. 4 NAG aF die sel­ben Ausnahmen von der Erfüllungspflicht Integrationsvereinbarung für Drittstaatsangehörige vor, wie sie ident in § 14a Abs. 4 gF übernommen wurden. Nach dieser Bestimmung war letztlich der Berufungswerber auch schon zum Zeitpunkt seiner Antragstellung nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage von der Erfüllung der Integrationsvereinbarung aus­genommen. Die Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 17 NAG nF regelt diesbzüglich aus­drücklich, dass demnach das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG nF erfüllt ist, weil der Berufungswerber vor dem 1.07.2011 von der Erfüllung Integrationsverein­barung gemäß § 14 NAG aF ausgenommen war.

 

Zusammengefasst darf der Berufungswerber aufgrund seiner psychischen Erkrankung bei der Erteilung des Aufenthaltstitels nicht schlechter gestellt werden, weil er die Integrationsverein­barung nicht erfüllen kann und daher diese gar nicht erst erfüllen muss. Aus den nunmehr dargelegten Gründen erfüllt der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus". Die Berufung erfolgt daher zu Recht, der ange­fochtene Bescheid ist im Sinne einer Antragsstattgebung umzuwandeln.

 

3. Mit Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 12. Juni 2012 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.

 

4. Aufgrund einer dagegen erhobenen Beschwerde erkannte der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 4. Oktober 2012, zu B916/12-7, dass der Bf durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt wurde. 

 

5.1. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den mit Schreiben vom 21. Jänner 2014 vom Bundesministerium für Inneres vorgelegten Verwaltungsakt. Aus dem Verwaltungsakt ließ sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt widerspruchsfrei feststellen.

 

5.2. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich zweifelsfrei, dass im amtsärztlichen Gutachten des Gesundheitsamtes des Magistrats der Landeshauptstadt Linz vom 4. April 2013 zusammengefasst festgestellt wird, dass der Bf gesundheitlich auf Dauer nicht in der Lage ist an einem Deutschkurs teilzunehmen

 

In einem Telefonat mit dem Sachwalter des Bf am 28. Mai 2014 teilte dieser mit, dass das erste gegen den Bf eingeleitete gerichtliche Strafverfahren eingestellt worden, sowie über das zweite noch nicht entschieden worden sei. An den sonstigen persönlichen Verhältnissen des Bf habe sich nichts Wesentliches geändert. Der Bf ist daher strafgerichtlich nicht verurteilt. Weiters übermittelte der Rechtsvertreter (Sachwalter) eine Kopie des aktuellen Reisepasses des Bf am 4. Juni 2014.

 

5.3. Die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung konnte entfallen, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt unwidersprochen feststeht,  im Verfahren lediglich eine Rechtsfrage zu klären war und im Übrigen auch kein darauf gerichteter Parteienantrag besteht.

 

6. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von dem unter den Punkten I. 1.1 und 5.2. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

 

II.

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und den unter Punkt I.5.2. dargestellten Erhebungen.

 

 

III.

 

1.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B VG erkennen ab 1. Jänner 2014 die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

 

Gemäß § 2 VwGVG entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch einen Senat vorsehen.

 

Gemäß § 81 Abs. 26 NAG sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei der Bundesministerin für Inneres anhängigen Berufungsverfahren nach dem NAG ab 1. Jänner 2014 vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.

 

1.2. Es ist sohin im vorliegenden Fall das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012 anzuwenden.

2. Gemäß § 41a Abs. 7 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005 – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012, kann im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen auf Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte plus" erteilt werden, wenn sie

1. die Voraussetzungen des 1. Teiles,

2. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 14a) erfüllen und

3. seit mindestens fünf Jahren über eine Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter (§ 8 Abs. 4 AsylG 2005) verfügen.

Gemäß § 14a Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. haben der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 Drittstaatsangehörige binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1, 2, 4, 5, 6 oder 8 nachzukommen. Unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen kann der Zeitraum der Erfüllungspflicht auf Antrag mit Bescheid verlängert werden. Diese Verlängerung darf die Dauer von jeweils zwölf Monaten nicht überschreiten; sie hemmt den Lauf der Fristen nach § 15.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. werden für die Dauer von fünf Jahren ab Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z.1,2, 4, 5, 6 oder 8 bereits konsumierte Zeiten der Erfüllungspflicht auf den Zeitraum der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 2 angerechnet.

Gemäß Abs. 4 ist das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

 

1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,

2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2Z1 vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht oder

4. einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 besitzt. Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 14b) beinhaltet das Modul 1.

 

Gemäß § 14a Abs. 5 NAG sind ausgenommen von der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 Drittstaatsangehörige,

1. die zum Ende des Zeitraumes der Erfüllungspflicht (Abs. 2) unmündig sein werden;

2. denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes die Erfüllung nicht zugemutet werden kann; der Drittstaatsangehörige hat dies durch ein amtsärztliches Gutachten nachzuweisen;

3. wenn sie schriftlich erklären, dass ihr Aufenthalt die Dauer von zwölf Monaten innerhalb von zwei Jahren nicht überschreiten soll; diese Erklärung beinhaltet den Verzicht auf die Stellung eines Verlängerungsantrages.

3.1. Im vorliegenden Fall geht es primär um die Klärung der rechtlichen Frage, ob § 41a Abs. 7 Z. 2 dahingehend auszulegen ist, dass nur, wer das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG nachweisen kann, in den Genuss eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot Karte plus“ kommt, oder ob das Bestehen der Ausnahme von der Erfüllungspflicht gemäß § 14a Abs. 5 NAG bei der Subsumtion entsprechend zu berücksichtigen ist.

 

Es darf hier angemerkt werden, dass das Vorliegen der Z. 1 und 3 dieser Bestimmung im angefochtenen Bescheid unbestritten war, die getätigten Erhebungen keine besonderen Bedenken hervorbrachten und im Übrigen das Landesverwaltungsgericht in seiner Beurteilung gemäß § 9 iVm. § 27 LVwG an die Beschwerdepunkte gebunden ist.

 

3.2. Betreffend die zu klärende Rechtsfrage ist auf das oa. Erkenntnis des

Verfassungsgerichtshofes zu verweisen.

 

„2.2. Wie in der Beschwerde zutreffend aufgezeigt wird, gebietet aber das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz bei verfassungskonformen Verständnis insoweit eine andere Interpretation, als § 41a Abs. 7 NAG in einem Klammerausdruck allgemein auf § 14a leg.cit. verweist. Gemäß Abs. 5 dieser Bestimmung sind von der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung Drittstaatsangehörige ausgenommen, denen dies – nachgewiesen durch ein ärztliches Gutachten – auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes nicht zugemutet werden kann. Der Beschwerdeführer zeigte zudem im Zuge des Verwaltungsverfahrens auf, dass schon das NAG in seiner Fassung vor dem FrÄG 2011 in § 14 Abs. 4 eine Ausnahme von der Erfüllung der Integrationsvereinbarung vorsah, wenn einem Drittstaatsangehörigen dies nicht zugemutet werden konnte. Durch die Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 17 NAG, idF BGBl. I 38/2011, gilt nunmehr das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a leg.cit. unter anderem auch dann als erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige von der Erfüllung ausgenommen war.

 

2.3. Der Wortlaut und die Systematik der §§ 41a Abs. 7 und 14a Abs. 5 NAG ermöglichen es, diese Bestimmungen bei verfassungskonformem Verständnis so auszulegen, dass sie im vorliegenden Fall zu keiner unsachlichen Benachteiligung des Beschwerdeführers, dem auf nicht absehbare Zeit aus gesundheitlichen Gründen der Besuch eines Deutschkurses nicht möglich ist, führen. Indem es die belangte Behörde verabsäumte, eine derartige Interpretation vorzunehmen, unterstellte sie § 41a Abs. 7 NAG einen Inhalt, der diesen in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. 390/1973, setzte.“

 

3.3. Daraus folgt aber im Ergebnis, dass der Bf § 14a NAG erfüllt und sohin kein Hindernis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 41a Abs. 7 NAG vorliegt.

 

4. Es war sohin der Berufung stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und dem Bf der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Insbesondere darf auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom
4. Oktober 2012, zu B916/12-7, verwiesen werden.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Bernhard Pree