LVwG-750059/3/SR/Ga

Linz, 14.05.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde der X, geboren am X, StA von Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die Rechtsanwälte X, X, X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 25. Februar 2013, GZ: Sich40-38247, mit dem im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich der Zweckänderungsantrag der Beschwerdeführerin vom 2. Oktober 2012 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EG" nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG gemäß § 8 Abs. 1 Z. 7 iVm § 45 Abs. iVm § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG abgewiesen wurde,

 

zu Recht  e r k a n n t :

 

 

I.    Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 NAG wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und der Beschwerdeführerin der Aufenthaltstitel nach dem NAG für den Zweck "Daueraufenthalt-EG" erteilt. Die belangte Behörde hat den hiermit erteilten Aufenthaltstitel in Form einer Karte gemäß § 1 NAG‑DV an die Beschwerdeführerin im Inland auszufolgen.

 

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig.

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.               

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 25. Februar 2013, GZ: Sich40-38247, wurde im Namen des Landeshauptmannes von Oberösterreich der Zweckänderungsantrag der Beschwerdeführerin vom
2. Oktober 2012 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EG" nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG gemäß § 8 Abs. 1 Z. 7 iVm  

§ 45 Abs. iVm § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG abgewiesen.

 

Begründet führt die belangte Behörde wie folgt aus:

Gemäß S 8 Abs. 1 Z.7 NAG 2005 idaF werden Aufenthaltstitel erteilt als:

Aufenthaltstitel  „Daueraufenthalt   -   EG"  für   die   Dokumentation   des   unbefristeten

Niederlassungsrechts, unbeschadet der Gültigkeitsdauer des Dokuments;

 

§11 Abs. 2 NAG 2005 idaF normiert:

Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1.  der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2.  der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3.  der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4.  der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5.  durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden, und

6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der
Integrationsvereinbarung gemäß § 14a rechtzeitig erfüllt hat.

 

§ 11 Abs. 6 NAG 2005 idaF normiert:

Die Zulässigkeit, den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des Abs. 2 Z 2 bis 4 mit einer Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) erbringen zu können, muss ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein.

 

§ 45. Abs. 1 NAG 2005 idaF normiert:

Drittstaatsangehörigen, die in den letzten fünf Jahren ununterbrochen zur Niederlassung berechtigt waren, kann ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EG" erteilt werden, wenn sie

1.  die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

2.  das Modul 2 der Integrationsvereinbarung (§ 14b) erfüllt haben.

Sachverhalt:

 

Sie sind Staatsbürgerin von Bosnien und Herzegowina und sind seit X im Bundesgebiet der Republik Österreich niedergelassen. Derzeit sind Sie im Besitz einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger", welche von 19.05.2012 bis 18.11.2013 gültig ist. Am 02.10.2012 brachten Sie während der Gültigkeit der angeführten Niederlassungsbewilligung einen "Zweckänderungsantrag" auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EG" bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden ein.

In diesem Antrag führten Sie ein Sparbuch in Höhe von 2.271,11 Euro, einen laufenden Bausparvertrag sowie eine mit 15.04.2011 !!! datierte Bestätigung über eine monatliche finanzielle Unterstützung durch X und X, wh. X, X, zur Sicherung des Lebensunterhaltes an.

Dividiert man die Höhe des Sparguthabens durch 60 (= Monate (5 Jahre)) dann verbleiben monatlich 37,85 Euro zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Der angeführte Bausparvertrag kann nicht zur Einkommensberechnung herangezogen werden.

Zur vorgelegten "Bestätigung" von X und X, wonach Sie seit 01.04.2011 eine monatliche Unterstützung in Höhe von 350 Euro für den Lebensunterhalt bekommen, wird festgehalten, dass davon keinesfalls ein Rechtsanspruch abgeleitet werden kann. Somit kann diesbezüglich auch nicht von einem festen und regelmäßigen Einkommen, welches zur Einkommensberechnung herangezogen werden kann, gesprochen werden. Vielmehr handelt es sich dabei nach Ansicht der BH Gmunden um eine freiwillige Leistung durch die X und X.

 

Zu der im Verwaltungsakt befindlichen Haftungserklärung Ihres Schwiegersohnes, X, wird festgehalten, dass diese bei der Einkommensberechnung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EG" gemäß § 11 Abs. 6 NAG 2005 idgF nicht berücksichtigt werden kann, da die Zulässigkeit einer Haftungserklärung nicht direkt beim beantragten Aufenthaltszweck im NAG angeführt wird.

 

Für eine etwaige Einkommensberechnung zur Erfüllung der Voraussetzungen des §11 Abs. 2 NAG 2005 idgF könnte daher derzeit bloß das Sparguthaben in Höhe von 2.271,11 Euro berücksichtigt werden. Dieser Betrag ist viel zu niedrig um die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG 2005 idgF zu erfüllen, da der ASVG-Richtsatz für Einzelpersonen, derzeit: 837,63 Euro, damit nicht erreicht wird. Auch die monatlichen 350 Euro durch die Familie X könnten dies nicht ändern.

Die Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EG" sind in Ihrem konkreten Fall daher nicht gegeben.

 

Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden plant daher Ihren Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EG" nach den derzeit gültigen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes 2005 abzuweisen.

 

Zu diesem Sachverhalt wurden Sie mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 15.01.2013 zur Stellungnahme aufgefordert. Ihre rechtsfreundliche Vertretung hat das Schreiben am 17.01.2013 nachweislich übernommen.

 

Daraufhin brachten Sie am 28.01.2013 eine Stellungnahme bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden ein. Dieser haben Sie einen "arbeitsmarktrechtlichen Vorvertrag" zwischen Ihnen und dem X, X, X, X, angeschlossen, wonach Sie dort nach Erhalt einer Niederlassungsbewilligung, welche Sie zur Arbeitsaufnahme im österreichischen Bundesgebiet berechtigt, eingestellt werden.

Die belangte Behörde hat folgende Erwägungen angestellt:

 

Sie sind Staatsbürgerin von Bosnien und Herzegowina und sind seit X im Bundesgebiet der Republik Österreich niedergelassen. Derzeit sind Sie im Besitz einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger", welche von 19.05.2012 bis 18.11.2013 gültig ist. Am 02.10.2012 brachten Sie während der Gültigkeit der angeführten Niederlassungsbewilligung einen "Zweckänderungsantrag" auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EG" bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden ein.

 

In diesem Antrag führten Sie ein Sparbuch in Höhe von 2.271,11 Euro, einen laufenden Bausparvertrag sowie eine mit 15.04.2011 !!! datierte Bestätigung über eine monatliche finanzielle Unterstützung durch X und X, wh. X, X, zur Sicherung des Lebensunterhaltes an.

 

Dividiert man die Höhe des Sparguthabens durch 60 (= Monate (5 Jahre)) dann verbleiben monatlich 37,85 Euro zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Der angeführte Bausparvertrag kann nicht zur Einkommensberechnung herangezogen werden.

 

Zur vorgelegten "Bestätigung" von X und X, wonach Sie seit 01.04.2011 eine monatliche Unterstützung in Höhe von 350 Euro für den Lebensunterhalt bekommen, wird festgehalten, dass davon keinesfalls ein Rechtsanspruch abgeleitet werden kann. Diesen Rechtsanspruch konnten Sie auch trotz Aufforderung (Schreiben der BH Gmunden vom 23.10.2012) nicht belegen. Somit kann diesbezüglich auch nicht von einem festen und regelmäßigen Einkommen, welches zur Einkommensberechnung herangezogen werden kann, gesprochen werden. Vielmehr handelt es sich dabei nach Ansicht der BH Gmunden um eine freiwillige Leistung durch X und X.

 

Sie haben im Zuge Ihrer Stellungnahme vom 28.01.2013 einen "arbeitsmarktrechtlichen Vorvertrag" zwischen Ihnen und dem X, X, X, X, an die Bezirkshauptmannschaft Gmunden übermittelt, wonach Sie dort nach Erhalt einer Niederlassungsbewilligung, welche Sie zur Arbeitsaufnahme im österreichischen Bundesgebiet berechtigt, als Zimmermädchen eingestellt werden würden. Dem Vertrag nach würden Sie dort monatlich 1.243,00 Euro brutto verdienen und 40 Stunden angestellt werden. Unter Punkt "VII" des Vertrages wurde dabei vereinbart, dass sich der Dienstgeber verpflichtet, Sie als Dienstnehmerin, unverzüglich nach Aufnahme der vertraglich vereinbarten Arbeit beim Sozialversicherungsträger anzumelden.

Dazu wird festgehalten, dass das "Allgemeine Sozialversicherungsgesetz" - § 33 Abs. 1 ASVG idgF. - normiert, dass Dienstgeber jede von ihnen in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden haben.

Die Vereinbarung im Vertrag widerspricht somit den derzeit gültigen gesetzlichen Bestimmungen des ASVG. Mit Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung - Arbeitsaufnahme - wäre somit eine Verwaltungsübertretung gemäß den Bestimmungen des ASVG verbunden, da Dienstnehmer vor der Arbeitsaufnahme beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden sind.

 

Durch die Bewilligung des beantragten Aufenthaltstitels, womit grundsätzlich eine Arbeitsaufnahme legalisiert werden würde, würde somit eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung gemäß den Bestimmungen des ASVG begünstigt werden. Aus diesem Grund kann der vorgelegte Vertrag nicht als tauglicher Nachweis zur Erfüllung der Bestimmungen des § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG 2005 idgF anerkannt werden.

Zu der im Verwaltungsakt befindlichen Haftungserklärung Ihres Schwiegersohnes, X, wird festgehalten, dass diese bei der Einkommensberechnung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EG" gemäß § 11 Abs. 6 NAG 2005 idgF nicht berücksichtigt werden kann, da die Zulässigkeit einer Haftungserklärung nicht direkt beim beantragten Aufenthaltszweck im NAG angeführt wird.

Für eine Einkommensberechnung zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Abs. 4 NAG 2005 idgF könnte daher derzeit bloß das Sparguthaben in Höhe von 2.271,11 Euro berücksichtigt werden. Dieser Betrag ist viel zu niedrig um die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG 2005 idgF zu erfüllen, da der ASVG-Richtsatz für Einzelpersonen, derzeit: 837,63 Euro, damit nicht erreicht wird.

Die Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EG", im konkreten Fall jene des § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG 2005 idgF, sind in Ihrem Einzelfall daher nicht gegeben. Die Bewilligung des beantragten Aufenthaltstitels würde den gesetzlichen Bestimmungen des NAG widersprechen.

Weitere Erhebungsarbeiten waren aufgrund des eindeutigen Sachverhaltes nicht mehr erforderlich.

 

Es war somit wie im Spruch zu entscheiden.

 

2.1. Innerhalb offener Frist wurde gegen den oben dargestellten Bescheid ein Rechtsmittel eingebracht und dieses wie folgt begründet:

Am 02.10.2012 hat die Berufungswerberin einen Antrag auf Erteilung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EG" eingebracht.

Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden, hat nunmehr den Antrag abgewiesen, da der Versagungstatbestand des § 11 Abs 2 Z 4 NAG gegeben sei und die Stattgebung des Antrages zu einer unmittelbaren finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führe. Dies insbesondere deshalb, da die Berufungswerberin in ihrem Antrag lediglich ein Sparbuch in Höhe von € 2.271,11 , einen laufenden Bausparvertrag sowie eine mit 15.04.2011 datierte Bestätigung über eine monatliche finanzielle Unterstützung zur Sicherung des Lebensunterhaltes angegeben habe.

Darüber hinaus sei eine bei dieser Art von Aufenthaltstitel nicht zulässige Haftungserklärung vorgelegt worden.

Der vorgelegte arbeitsrechtliche Vorvertrag könne nicht herangezogen werden, da unter Pkt VII. eine dem ASVG widersprechende Regelung enthalten sei, da Dienstnehmer vor Arbeitsantritt beim zuständigen Sozialversicherungsträger anzumelden seien.

 

Dem ist wie folgt zu entgegnen:

 

In diesem Zusammenhang ist auszuführen, dass die belangte Behörde dem vorgelegten arbeitsrechtlichen Vorvertrag der Berufungswerberin zu Unrecht keine Beachtung geschenkt hat.

Die belangte Behörde hat zu überprüfen, dass die Belange des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetztes ordnungsgemäß eingehalten und erfüllt werden. Die Behörde hat bei Erteilung eines Aufenthaltstitels die Bestimmungen des ASVG außer acht zu lassen, da allein durch die Diktion des Vertrages, nicht gesagt ist, dass der Dienstgeber gegen das ASVG verstoßen würde und dies einer antizipierten Beweiswürdigung nahe kommt.

Darüber hinaus hätte die belangte Behörde die Berufungswerberin vor Erlassung des Bescheids von diesem Umstand informieren und ihr Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Dann hätte sie festgestellt, dass niemals geplant war, die Berufungswerberin erst nach Arbeitsantritt beim zuständigen Sozialversicherungsträger zu melden.

Die Unterlassung des Parteiengehörs in diesem entscheidungswesentlichen Punkt belastet den Bescheid mit einem Verfahrensfehler und dadurch mit Rechtswidrigkeit.

 

In diesem Vertrag ist festgehalten, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis ab Vorlage einer gültigen Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung beginnt. Die Berufungswerberin wird bei einer regelmäßigen Normalarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche monatlich netto EUR 1.028,- ins Verdienen bringen und handelt es sich um einen sogenannten Arbeitsvorvertrag.

Ein solcher Arbeitsvorvertrag spricht nach den höchstgerichtlichen Entscheidungen sogar für eine Selbsterhaltungsfähigkeit (vgl. VwGH 29.02.2012, 2010/21/0255) und kann der Berufungswerberin „anhand der Einstellungsbestätigung eine Selbsterhaltungsfähigkeit zugestanden werden" (vgl. VwGH 28.03.2012, 2012/220025). Aufgrund des monatlichen Nettoeinkommens der Berufungswerberin ist der Richtsatz des § 293 ASVG jedenfalls erfüllt. Demnach kann es durch den Aufenthalt der Berufungswerberin zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft kommen.

Aufgrund vorstehender Ausführungen ergibt sich eindeutig, dass der Versagungsgrund des § 11 Abs 2 Z 4 NAG hinsichtlich der Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht gegeben ist und die begehrte Niederlassungsbewilligung zu erteilen gewesen wäre und braucht es hiezu keinerlei Haftungserklärung.

Entgegen den Behauptungen der belangten Behörde kann der Aufenthalt der Berufungswerberin für die nächsten 5 Jahre zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen. Die Berufungswerberin wird monatlich EUR 1.028,- ins Verdienen bringen und im Sinne des § 11 Abs 5 NAG „feste und regelmäßige eigene Einkünfte" haben , „die ihr eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaft ermöglichen" wird und „der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG entspricht".

Weiters hat die belangte Behörde die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK iVm § 11 Abs. 3 NAG nicht im geforderten Ausmaß vorgenommen. Gemäß dieser Bestimmung kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens bestimmter Erteilungshindernisse sowie trotz Ermangelung bestimmter Voraussetzungen erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist. Hiezu hat die belangte Behörde keinerlei Feststellungen getroffen.

Die belangte Behörde hätte somit zusammengefasst aufgrund einschlägiger nationaler bzw. verfassungsrechtlicher Bestimmungen einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EG" zu erteilen gehabt. Ein Versagungsgrund im Sinne des § 11 Abs 2 Z 4 NAG steht einer Erteilung jedenfalls nicht entgegen.

Darüber hinaus wird eine korrigierte Version des arbeitsrechtlichen Vorvertrages vorgelegt. Der Dienstgeber wartet nach wie vor darauf, dass der Berufungswerberin, welche derzeit über eine Angehörigen Niederlassungsbewilligung verfügt und keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hat, der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EG" nunmehr ehestbald erteilt wird.

 

Aus all den vorstehenden Gründen wird der Antrag gestellt:

 

1) die Behörde erster Instanz möge die Berufung durch Berufungsvorentscheidung selbst erledigen

der Berufung vollinhaltlich Folge geben, den bekämpften Bescheid aufheben und den beantragten Aufenthaltstitel zu erteilen.

in eventu

2)            die Berufungsbehörde möge

der Berufung vollinhaltlich Folge geben, den bekämpften Bescheid ersatzlos aufheben und der Berufungswerberin den Aufenthaltstitel zu erteilen.

in eventu

die Berufungsbehörde möge der Berufung vollinhaltlich Folge geben, den bekämpften Bescheid aufheben und zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde I. Instanz zurückzuverweisen.

 

2.2. Die belangte Behörde hat dieses mit Schreiben vom 5. April 2013 dem Bundesministerium für Inneres zur Entscheidung vorgelegt.

 

2.3. Mit Schreiben vom 19. Juni 2013 hat die zuständige Bundesministerin die Bf zur ergänzenden Urkundenvorlage aufgefordert und hiezu eine Frist von zwei Wochen eingeräumt.

 

2.4. Nachdem mehreren Fristerstreckungsanträgen stattgegeben wurde, legte der Rechtsvertreter der Bf mit Schriftsatz vom 25. September 2013 einen Großteil der eingeforderten Urkunden und Beweismittel vor.

 

2.5. Mit Schreiben vom 10. Oktober 2013 hat die zuständige Bundesministerin die Bf zur Vorlage des Mietvertrages, Nachweis über die angesprochenen Sparbücher und eines aktuellen „Arbeitsrechtlichen Vorvertrages“ aufgefordert.

 

2.6. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2013 hat die Bf den eingeforderten Mietvertag, eine Bestätigung über die Bezahlung der Miete, eine komplette Kopie des aktuellen Sparbuches, ein Bestätigungsschreiben der Bank und einen aktuellen Bankauszug vorgelegt. Abschließend wurde um Mitteilung ersucht, falls die vorgelegten Unterlagen unvollständig sein sollten. Am 4. November 2013 hat die Bf einen aktuellen „Arbeitsrechtlichen Vorvertrag“ vorgelegt.

 

3. Auf Grund der mit 1. Jänner 2014 erfolgten Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit I. Instanz wurde der in Rede stehende Verwaltungsakt vom Bundesministerium für Inneres dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zuständigkeitshalber mit Schreiben vom 20. Jänner 2014, eingelangt am 23. Jänner 2014 zur Entscheidung übermittelt.

 

4. Mit Schreiben vom 12. Mai 2014, eingelangt am 13. Mai 2014, übermittelte die Bf dem Landesverwaltungsgericht einen aktuellen arbeitsrechtlichen Vorvertrag.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt, das Beschwerdevorbringen und die nachträglich vorgelegten Dokumente.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht daher bei seiner Entscheidung im Wesentlichen von dem unter den Punkten I 1., 2.1. und 4. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt und folgenden – im weiteren Verfahren hervorgekommenen und klarstellenden - Sachverhaltselementen aus.

 

Ergänzend ist festzustellen, dass die Bf die vom Bundesministerium für Inneres eingeforderten Dokumente vollständig vorgelegt hat und diese auch über einen aktuellen arbeitsrechtlichen Vorvertrag verfügt, der den Arbeitgeber unwiderruflich bindet.

II.

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich im Wesentlichen auf die im Verwaltungsverfahren vor der belangten Behörde und die im Beschwerdeverfahren vorgelegten Urkunden. Der relevante Sachverhalt ist unstrittig.

 

III.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

1. Gesetzliche Grundlagen

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B‑VG erkennen ab 1. Jänner 2014 die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG samt Überschrift lautet:

"Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B‑VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B‑VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

Gemäß § 81 Abs. 26 NAG sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei der Bundesministerin für Inneres anhängigen Berufungsverfahren nach dem NAG ab 1. Jänner 2014 vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.

§ 45 Abs. 1 NAG in der in diesem Verfahren gemäß § 81 Abs. 26 NAG anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten des BGBl. I Nr. 87/2012 (d.h. in der Fassung BGBl. I Nr. 50/2012) lautet:

Drittstaatsangehörige, die in den letzten fünf Jahren ununterbrochen zur Niederlassung berechtigt waren, kann eine Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EG“ erteilt werden, wenn sie

1.   die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

2.   das Modul 2 der Integrationsvereinbarung (§ 14b) erfüllt haben.

2. Rechtliche Beurteilung

Auf Grundlage des als erwiesen angenommenen Sachverhalts steht fest, dass die Bf die Voraussetzungen des 1. Teiles und das Modul 2 der IV erfüllt.

Der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels stehen keine Erteilungshindernisse (§ 11 Abs. 1 NAG) entgegen; auch sind die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen (§ 11 Abs. 2 NAG) erfüllt.

Zu den wesentlichen Punkten im Einzelnen:

Die Bf ist unbescholten. Es liegen weder fremdenpolizeiliche noch internationale Maßnahmen oder Rechtsakte vor, die ihrem Aufenthalt im Inland entgegenstünden, noch hat sie in der Vergangenheit die zulässige Höchstdauer seiner visumspflichtigen Aufenthalte überschritten. Eine Gefahr für das öffentliche Interesse durch ihren Aufenthalt (bzw. die wesentliche Beeinträchtigung völkerrechtlicher Beziehungen mit anderen Staaten) ist nicht erkennbar.

Eine ortsübliche Unterkunft liegt vor.

Die Bf hat einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag vorgelegt, der zumindest den Arbeitgeber unwiderruflich bindet. Dieser ist inhaltlich bestimmt (Art der Beschäftigung, Höhe des Bruttolohns, Anzahl der Wochenstunden, Sozialversicherung, Arbeitszeit) und auf unbefristete Zeit abgeschlossen. Eine finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft kann damit rechtlich ausgeschlossen werden (vgl. § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG). Die Versicherung bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse ist gewährleistet, sodass ein alle Risiken abdeckender Krankenversicherungsschutz mit Leistungspflicht im Inland besteht (§ 11 Abs. 2 Z 3 NAG).

Schließlich hat die Bf den Nachweis von Deutschkenntnissen mit Vorlage zahlreicher Zeugnisse erbracht und diese Erteilungsvoraussetzung erfüllt.

An der Gültigkeit des Reisepasses der Bf bestehen keine Zweifel.

Da alle Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 NAG erfüllt sind, war der angefochtene Bescheid aufzuheben und der Bf der begehrte Aufenthaltstitel zu erteilen. Die belangte Behörde hat den hiermit erteilten Aufenthaltstitel in Form einer Karte gemäß § 1 NAG‑DV an die Bf im Inland auszufolgen.

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.



 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Mag. Stierschneider