LVwG-650151/2/Sch/KR

Linz, 27.06.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Schön über die Beschwerde – vormals Berufung – des Herrn x, geb. x, vertreten durch die Rechtsanwälte x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 28.01.2013, VerkR21-900-2012pl, wegen Entziehung der Lenkberechtigung,

 

zu Recht  e r k a n n t :

 

 

 

 

I.          Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der in Beschwerde gezogene behördliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass dieser im Spruch hinsichtlich Punkt I. wie folgt insofern ergänzt bzw. abgeändert wird, als auch die Klasse AM von der Entziehung umfasst ist sowie die Punkte III. und IV. des Spruches zu entfallen haben.

 

 

II.         Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

Zu I.:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit Bescheid vom 28. Jänner 2013, Zl. VerkR21-900-2012pl, Herrn x wegen Verkehrsunzulässigkeit die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von
6 Monaten, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, entzogen.

Er wurde weiters aufgefordert, den Führerschein nach Rechtskraft unverzüglich bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck oder bei der PI Vöcklabruck abzuliefern.

Für den selben Zeitraum wurde ihm das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen, Motorfahrräder und Invalidenkraftfahrzeugen verboten, ebenfalls aberkannt wurde das Recht, von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen.

 

Als Rechtsgrundlagen angeführt wurden die §§ 24 Abs.1, 26 Abs.2a iVm § 7 Abs.3 Z3, § 29 Abs.3, § 24 Abs.1 letzter Satz, §§ 32 Abs.1 Z1 und 7 Abs.3 Z3 und § 30 Abs.1 Führerscheingesetz (FSG).

 

2. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer – vormals Berufungswerber – rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Behörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit war die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

Mit Erkenntnis vom 9. April 2013, VwSen-523402/2/Sch/AK, war der Berufung seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben worden.

Begründend hatte die Berufungsbehörde folgendes ausgeführt:

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Tatsache zugrunde, dass der Berufungswerber am 4. Dezember 2011 an einer in der entsprechenden Polizeianzeige näher umschriebenen Örtlichkeit als Lenker eines Kraftfahrzeuges zu dem voranfahrenden Fahrzeug einen Sicherheitsabstand von bloß 0,19 Sekunden eingehalten hatte. Das von der Erstbehörde diesbezüglich ergangene Straferkenntnis vom 22. März 2012 ist vom Oö. Verwaltungssenat mit Erkenntnis vom 23. November 2012, VwSen-166867/8/Sch/Eg, bestätigt worden. Der angefochtene Bescheid ist mit 28. Jänner 2013 datiert und dem Berufungswerber im Wege seines Rechtsvertreters am 4. Februar 2013 zugestellt worden. Somit liegt unbestrittener Weise zwischen dem Tatzeitpunkt und der Erlassung des gegenständlichen Bescheides ein Zeitraum von 14 Monaten. Dazu kommen dann noch die 6 Monate Entziehungsdauer, sodass im Ergebnis seitens der Erstbehörde beim Berufungswerber ein Zeitraum der Verkehrsunzuverlässigkeit von insgesamt 20 Monaten, gerechnet ab Vorfallszeitpunkt, angenommen worden ist.

Vorauszuschicken ist zusätzlich noch, dass die Einleitung des Entziehungsverfahrens exakt innerhalb eines Jahres ab Tatzeitpunkt erfolgt ist und somit wohl formell dem vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Kriterium im Hinblick der Frist zu Einleitung eines Entziehungsverfahrens entsprochen wurde (VwGH 17.3.2005, 2005/11/0016). Andererseits kann es bei der Fristberechnung auf einen Kalendertag auf oder ab wohl auch nicht ankommen, die Intention dieser Judikatur geht ja dahin, einen überlangen Zeitraum zwischen Tat und Einleitung des Entziehungsverfahrens zu vermeiden, sodass -Wohlverhalten des Betreffenden vorausgesetzt - nicht darauf abgestellt werden darf, ob exakt ein Jahr verstrichen ist oder allenfalls ein Tag mehr. Nach Ansicht der Berufungsbehörde kann es vertretbar gleich gehalten werden, wenn sich jemand ein Jahr wohlverhalten hat und bedarf es dann nicht exakt einen Tag länger, um diese Judikatur anwenden zu dürfen.

Die Anmerkung der Erstbehörde in der Bescheidbegründung, der Berufungswerber sei bereits in der Strafverfügung darauf hingewiesen worden, dass dieses Verwaltungsstrafverfahren auch mit einem Führerscheinentzug verbunden sei, geht ins Leere. Ein solcher Hinweis in einem Strafbescheid stellt keine Einleitung eines Entziehungsverfahrens dar. Dieser Ansicht dürfte aber die

Erstbehörde ohnehin auch selbst sein, da sonst ihre Mitteilung über die Einleitung an den Berufungswerber vom 3. Dezember 2012 nicht zu erfolgen hätte brauchen.

Nachdem überdies die Berufungsbehörde nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jene Sachlage zu berücksichtigen hat, wie sich zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung ergibt, würde sich, rechnet man die etwa zweimonatige Dauer des Berufungsverfahrens im vorliegenden Fall noch dazu, eine Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit beim Berufungswerber von 22 Monaten ergeben. Irgendwelche Anhaltspunkte für eine derartig negative Zukunftsprognose beim Berufungswerber können dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht entnommen werden.

Im Ergebnis war daher der Berufung Folge zu geben und der angefochtene Bescheid zu beheben.“

 

4. Gegen diese Berufungsentscheidung hatte die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben.

Dieser hat mit Erkenntnis vom 27. Mai 2014, 2013/11/0112-6, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Begründend führt der Gerichtshof im Wesentlichen aus:

„Im Beschwerdeverfahren ist nicht strittig, dass der Mitbeteiligte am
4. Dezember 2011 als Lenker eines Kraftfahrzeugs beim Hintereinanderfahren zu einem vor ihm am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug einen zeitlichen Sicherheitsabstand von weniger als 0,2 Sekunden eingehalten hat, was mit einem technischen Messgerät festgestellt wurde, und dass er wegen dieser Übertretung rechtskräftig bestraft wurde. Ebenso wenig ist strittig, dass das Entziehungsverfahren wegen dieser Anlasstat innerhalb eines Jahres ab der Anlasstat eingeleitet worden ist.

In den Fällen, für die bereits im Gesetz eine fixe bzw. eine Mindestentziehungsdauer normiert ist, hat schon die Verwirklichung einer bestimmten Tatsache iSd § 7 Abs. 3 FSG zur Entziehung der Lenkberechtigung für die im Gesetz bestimmte (Mindest-)Dauer zu fuhren und eine Wertung iSd § 7 Abs. 4 FSG zu entfallen.

Für ein Unterschreiten der gesetzlich vorgegebenen Mindestentziehungsdauer fehlt eine gesetzliche Grundlage. Bei Vorliegen der in § 26 Abs. 1 bis 3 FSG umschriebenen Voraussetzungen ist daher jedenfalls eine Entziehung der Lenkberechtigung für den jeweils vorgesehenen fixen Zeitraum bzw. Mindestzeitraum auszusprechen (vgl. zum Ganzen die hg. Erkenntnisse vom
27. Jänner 2014, Zl 2013/11/0211, vom 29. März 2011, Zl. 2011/11/0039, und vom 17. November 2009, Zl 2009/11/0023, je mwN).

Nichts anderes gilt für die Fälle des § 26 Abs. 2a FSG, für die das Gesetz eine Mindestentziehungsdauer von sechs Monaten normiert.

Da das Entziehungsverfahren durch die Erstbehörde rechtzeitig
eingeleitet worden ist, war es der belangten Behörde verwehrt, von einer Entziehung der Lenkberechtigung abzusehen.

Der Hinweis der belangten Behörde auf die sich unter Berücksichtigung des seit der Anlasstat verstrichenen Zeitraums ergebende (fiktive) Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit ändert daran nichts, ist dieser Umstand doch Konsequenz der gesetzgeberischen Entscheidung, eine bestimmte bzw. eine Mindestentziehungszeit zu normieren.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.“

 

5. Die eingangs erwähnte Berufung ist mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2014 als Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs.1 Z1 B-VG und der Berufungswerber als Beschwerdeführer anzusehen.

Gemäß § 42 Abs.3 VwGG tritt die Rechtssache durch die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses befunden hat.

Zur Entscheidung hierüber ist nunmehr gemäß § 2 VwGVG der nach der Geschäftsverteilung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zuständige Richter berufen.

 


 

6. Aus dem oben wiedergegebenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes kann zum einen der Schluss gezogen werden, dass der Gerichtshof die in seiner Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 17. März 2005, 2005/11/0016) manifestierte Jahresfrist für die Einleitung eines Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung wie eine gesetzliche Frist behandelt wissen möchte, also mit dem Ergebnis, dass eine Verlängerung oder eine Verkürzung dieser Frist – auch nicht um einen Tag – weder  der Behörde noch dem Verwaltungsgericht zusteht. Zum anderen kann die Behörde, vorausgesetzt dass diese Frist eingehalten wurde, den Entziehungsbescheid ohne zeitliche Grenze nach der gesetzten bestimmten Tatsache erlassen, von den wohl kaum eintreteten Fällen einer Säumnisbeschwerde abgesehen, zumal die Lenkberechtigung bis zum Entziehungsbescheid ohnehin aufrecht bleibt.

 

7. Die Ergänzung bzw. Änderung des Spruches des angefochtenen Bescheides ist in der geänderten Rechtslage in Bezug auf derartige Kraftfahrzeuge durch die Novelle zum FSG BGBl. I Nr. 61/2011 begründet.

 

Zu II.:

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes am, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, diese liegt durch das gegenständliche Erkenntnis ja vor. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von jeweils 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

 

S c h ö n