LVwG-600171/6/Bi/MSt

Linz, 30.06.2014

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde der Frau x, vom 18. Jänner 2014 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried/Innkreis vom 2. Jänner 2014, VerkR96-14604-2013, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 30. Juni 2014 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung (samt mündlicher Verkündung der Entscheidung) zu Recht  e r k a n n t:

 

 

I.

Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde abgewiesen und das in Beschwerde gezogene Straferkenntnis bestätigt.

 

II.

Gemäß § 52 Abs.1 und 2 hat die Beschwerdeführerin den Betrag von 12 Euro, das sind 20% der Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren zu leisten.

 

III.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs.4 VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.6 Z1 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 52 lit.a Z10 lit.a iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 60 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden verhängt sowie ihr gemäß § 64 Abs.1 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von 10 Euro auferlegt. Zugrundegelegt wurde laut Schuldspruch, sie habe am 1. September 2013 um 20.04 Uhr den Pkw x (D) auf der B148 bei Strkm 8.416, Gemeinde St. Georgen bei Obernberg am Inn, gelenkt und die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 19 km/h überschritten.

2. Dagegen hat die Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) fristgerecht Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG eingebracht, die von der belangten Behörde ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungs­gericht zur Entscheidung vorgelegt wurde, das darüber gemäß Art.131 B-VG zu entscheiden hat. Am 30. Juni 2014 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der beide Parteien entschuldigt waren. Das Erkenntnis wurde mündlich verkündet.

3. Die Bf macht im Wesentlichen geltend, eine Verfolgung der ihr in Österreich vorgeworfenen Übertretung in Deutschland wäre nur möglich, wenn sie die Tat begangen hätte, hier komme eine Halterhaftung nicht in Betracht. Es entspreche auch nicht der allgemeinen Erfahrung, dass der Zulassungsbesitzer eines Wagens auch der Fahrer sei, dass der Mann Halter und Fahrer sei, sei ein überkommenes Denkmodell. Auch die Behauptung, beim Abwechseln im Lenken des Fahrzeuges lasse sich noch feststellen, wer wann wo gefahren sei, entspreche nicht der Lebenserfahrung, da dies eine genaue Ortskenntnis der Radareinrichtung voraussetze, die bei Fremden und erst recht bei Ausländern nicht gegeben sei. Sie verweise darauf, dass ab 1.10.2010 die neue EIÙ-Richtlinie für die Betreibung von Bußgeldern bzw Geldstrafen nicht in allen Fällen greife, vor allem nicht in Fällen der Halterhaftung, die in Deutschland verfassungswidrig sei. Zur Rechtsfrage enthalte der Bescheid keine Ausführungen.

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der die bisherigen schriftlichen Ausführungen beider Parteien verlesen und berücksichtigt wurden.

 

Die Bf ist  laut Auskunft KZA Flensburg Zulassungsbesitzerin (Halterin) des in Deutschland zugelassenen Pkw x, dessen Geschwindigkeit am 1. September 2013 um 20.04 Uhr auf der B148 bei km 8.416 in Fahrtrichtung Altheim mittels geeichtem stationären Radargerät MUVR 6FA, Nr.1857, im Bereich einer Geschwindigkeits­beschränkung auf 70 km/h mit einer Geschwindig­keit von 94 km/h gemessen wurde. Da bei derartigen Messgeräten ein Toleranzabzug von 5 km/h bei Messwerten unter 100 km/h abzuziehen ist, wurde dem Tatvorwurf eine tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit von 89 km/h, dh eine Überschreitung um 19 km/h, zugrundegelegt. Eine Anhaltung erfolgte naturgemäß nicht; das Radarfoto mit dem eindeutig ablesbaren Kenn­zeichen wurde der Bf von der belangten Behörde übermittelt.

Innerhalb der Einspruchsfrist gegen die Strafverfügung vom 17. Oktober 2013 übermittelte die Bf die E-Mail vom 21. Oktober 2013, in der sie im Rahmen ihres Einspruchs ausführte, sie könne sich nicht erinnern, wer aus ihrer Familie an der fraglichen Stelle den Wagen gelenkt habe; sie stelle die Übersendung eines Fotos anheim und verweise vorsorglich darauf, dass es in Deutschland keine Halterhaftung gebe. Dabei blieb sie auch im Rahmen ihrer „Lenkerauskunft“ gemäß § 103 Abs.2 Kraftfahrgesetz 1967 vom 13. November 2013 nach Übermittlung des Radarfotos sowie auf die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 28. November 2013.

Daraufhin erging das nunmehr in Beschwerde gezogene Straferkenntnis.

 

Das Landesverwaltungsgericht hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:      

Gemäß § 52 lit.a Z10 lit.a StVO 1960 zeigt das Vorschriftzeichen "Geschwindig­keits­beschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

 

Auf der B148 Altheimer Straße ist von km 8.326 bis km 8,649 eine Geschwindigkeits­beschränkung auf 70 km/h verordnet – Verordnung des Bezirkshauptmannes von Ried/Innkreis vom 10. Februar 2009, VerkR10-38-5-2009 – und kundgemacht. Grund dafür ist, dass die dortige Kreuzung wegen der Linksabbieger einen Unfallhäufungspunkt darstellt. Zur Überwachung und Einhaltung dieser Beschränkung stand dort am Vorfallstag, dem 1. September 2013, bei km 8.416 das geeichte stationäre Radargerät MUVR 6FA, Id.Nr. 1857.

 

Die vorgeworfene Geschwindigkeit von 89 km/h hat die Bf nie in irgendeiner Weise angezweifelt. Ihre wiederholten Vorbringen betreffen ausschließlich die von der belangten Behörde auf sie bezogene Lenkereigenschaft. Um diese abzuklären, wurde die Verhand­lung anberaumt (vgl VfGH 22.9.2011, B1369/10), zu der zu erscheinen der Bf offensichtlich nicht genug Anlass bestand.

Richtig ist, dass das Radarfoto den auf die Bf zugelassenen Pkw bei Dunkelheit und von hinten zeigt. Die Bf hat im gesamten Verfahren keine andere Person benannt, die als Lenker überhaupt in Frage gekommen wäre, sondern lediglich auf ihre „Familie“, eine (im Übrigen auch in Österreich nicht bestehende) Halterhaftung und den Ehemann als Denkmodell verwiesen.

Dazu ist festzustellen, dass es sich bei der Frage, wer ein Kraftfahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenkt hat, um eine der Beweiswürdigung handelt (VwGH 29.3.1989, 88/03/0116, 0117 ua).

Dabei ist für den Fall, dass sich Personen beim Lenken eines Kraftfahrzeuges abwechseln, die Führung von Aufzeichnungen für den Zulassungsbesitzer verpflichtend, um Lenkerauskunft erteilen zu können. Dabei kommt es nicht auf Ortskenntnisse an – Wegweiser und Ortstafeln sollten dabei genügen. Über die in Österreich für ihn geltenden Bestimmungen hat sich auch ein ausländischer Zulassungsbesitzer zu informieren.

 

In Vermeidung von Wiederholungen kann auf die umfassenden Ausführungen der Behörde erster Instanz verwiesen werden. Dort wurden sowohl die bezogenen Rechtsvorschriften, die für Radarmessungen einschlägige Judikatur, sowie auch die im Falle einer Nichtmitwirkung auf die Fahrzeugführerschaft zu ziehende Schlussfolgerung umfangreich dargelegt. Was die Einwände der Bf im Hinblick auf die Beweislage anlangt, ist ihr entgegenzuhalten, dass nach der hier geltenden österreichischen Rechtsordnung grundsätzlich an einem Verfahren Mitwirkungspflicht besteht. Ob die in diesem Fall ausgesprochene Geldstrafe letztlich in Deutschland vollstreckt wird, ist weder Gegenstand des Beweis­verfahrens noch für die Klärung der Rechtsfrage von Relevanz.

 

Es genügt eben nicht bloß den Tatvorwurf zu bestreiten, jedoch keinerlei Hinweise zu liefern, die einer Überprüfung dahingehend zugänglich wären, ob der Halter das eigene Kraftfahrzeug gelenkt hat oder ob hierfür eine andere Person in Betracht zu ziehen ist.

 

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22.9.2011, B1369/10, unter Hinweis auf die Rechtsauffassung des EGMR ausgesprochen hat, indiziert es gerade keine unzulässige Überwälzung der Beweislast auf eine Zulassungsbesitzerin, wenn die Betreffende logisch besehen als einzige als Lenker in Betracht kommende Person am Verfahren nicht mitwirkt oder auch zur öffentlichen mündlichen Verhandlung  nicht erscheint und demnach im Rahmen der Beweiswürdigung den Schluss zu ziehen ist, sie selbst habe die Verwaltungs­übertretung, nämlich hier die Überschreitung der gesetzlich erlaubten Höchst­geschwindigkeit, begangen.

 

Gemäß § 45 Abs.2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungs­verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Das bloß globale Bestreiten eines Beschuldigten ohne nähere Konkretisierung und Stellung von Beweisanträgen in einem amtswegig eingeleiteten Verfahren löst keine weitere Ermittlungspflicht aus. Unterlässt der Beschuldigte die gebotene Mitwirkung im Verwaltungsstrafverfahren, so bedeutet es auch dann keinen Verfahrensmangel, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Erhebungen durchführt bzw durch absolutes Untätigsein des Beschuldigten nicht durchführen kann (vgl VwGH vom 20.9.1999, 98/21/0137; uva).

 

Eine Tatsache ist nicht erst dann als erweislich anzunehmen, wenn sie mit "absoluter Sicherheit" erweislich ist. Es genügt, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder die Wahr­scheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (VwGH 26.4.1995, 94/07/0033).

 

Die Bf hat sich in keiner Phase des Verfahrens dahingehend geäußert, welche andere Person das Kraftfahrzeug zum Messzeitpunkt als Lenker in Frage gekommen wäre. Das Wort „Familie“ ist schlichtweg nicht nachvollziehbar und zielt offensichtlich nur darauf ab, dass ihr aufgrund vermeintlich nicht ausreichender Beweislage die vorgeworfene Geschwin­digkeitsüber­schreitung „als Lenker“ nicht nachgewiesen werden kann. In einem solchen Fall muss sich der Zulassungsbesitzer die Annahme seiner eigenen Lenkereigenschaft bezogen auf das auf ihn zugelassene Fahrzeug zurechnen lassen, zumal er die – an sich unwahrscheinlichere, wenngleich auch nicht völlig ausschließende – Variante der Lenkereigenschaft einer anderen Person nicht so weit glaubhaft erscheinen lassen konnte, dass sie seine eigene Lenkereigenschaft mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt. Demnach war auf der Grundlage der oben zitierten Rechtsprechung des österreichischen Verfassungsgerichtshofes (VfGH) davon auszugehen, dass die Bf den ihr zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und, da auch keine Umstände hervorgekommen sind, die sie im Bereich der subjektiven Tatseite entlasten würden, ihr Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat. Dabei ist immerhin von einer Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit um 19 km (!) auszugehen, die aufgrund der Tachoanzeige analog zur Intensität des Drucks auf das Gaspedal beim Passieren des Verkehrszeichens „Geschwindigkeitsbeschränkung 70 km/h“ mitverfolgt werden kann.    

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis 726 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit von einer Ersatzfreiheitsstrafe bis 2 Wochen reicht.

Die belangte Behörde hat zutreffend die bisherige Unbescholtenheit der Bf (bezogen auf den genannten Bezirk) berücksichtigt und keinen Umstand erschwerend gewertet. Die Bf hat sich zur Strafbemessung nicht geäußert und auch der Schätzung ihrer finanziellen Verhältnisse  (1.300 Euro netto monatlich, kein Vermögen, keine Sorgepflichten) nicht widersprochen, sodass diese auch im Beschwerdeverfahren zugrundezulegen war. 

Das Landesverwaltungsgericht vermag daher nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde den ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten haben könnte. Die verhängte Strafe entspricht den Kriterien des § 19 VStG, hält generalpräventiven Überlegungen stand und soll die Bf in Zukunft zur genauesten Beachtung von Geschwindigkeits­be­schränkungen (zumindest) auf österreichischen Straßen bewegen.

 

 

Zu II.:

 

Die Vorschreibung eines 20%igen Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren gründet sich auf § 52 Abs.1 und 2 VwGVG.

 

Zu III.:

Die ordentliche Revision der Bf ist auf der Grundlage des § 25a Abs.4 VwGG nicht zulässig – gemäß dieser Bestimmung ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs.6 Z1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache 1. eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und 2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde.

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs.4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Bissenberger