LVwG-400030/9/HW/HUE/TK
Linz, 07.07.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Wiesinger über die Beschwerde des x, vertreten durch die x Rechtsanwalt GmbH, x, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land vom 26. Februar 2014, Zl. VerkR96-2815-2013/Gi, wegen einer Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Ziffer 1 VStG eingestellt. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Wels-Land vom 26. Februar 2014, Zl. VerkR96-2815-2013/Gi, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge kurz "Bf" genannt) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 BStMG eine Geldstrafe von 300 Euro und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden mit der Begründung verhängt, dass er als Lenker des Kfz mit dem behördlichen Kennzeichen x am 27. Februar 2013, 7.21 Uhr, die A1 Westautobahn bei km 202.700 benützt habe, ohne die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der fahrleistungsabhängigen Maut unterliege. Es sei festgestellt worden, dass das Fahrzeuggerät (GO-Box) nicht ordnungsgemäß montiert gewesen sei.
In der Begründung führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass lt. Auskunft der ASFINAG sich zwar eine GO-Box im Kfz befinde, jedoch am Tattag an acht Mautbaken keine Abbuchung erfolgt sei. Offensichtlich sei die Kommunikation zwischen der GO-Box und dem Mautportal durch einen Gegenstand gestört worden. In freier Beweiswürdigung gehe die belangte Behörde von der Richtigkeit dieser Auskünfte aus, zumal der Bf keine Sachbeweise etwa in Gestalt einer Einzelleistungsinformation vorgelegt und sich auf ein unsubstantielles Bestreiten beschränkt habe. Ähnliches gelte für die Ausführungen des Bf, einzelne Nichtabbuchungen wären durch fehlerhafte oder defekte Mautportale oder andere Umwelteinflüsse bedingt. Die Behörde solle damit offenkundig zur Aufnahme von reinen Erkundungsbeweisen veranlasst werden, zu denen sie jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei bloßen Behauptungen, die in keiner Weise konkretisiert seien, nicht verpflichtet sei. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genüge fahrlässiges Verhalten, der Bf habe keine konkreten Schuldausschließungsgründe vorgebracht.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Bf, in welcher mit ausführlicher Begründung die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu eine erhebliche Reduktion der Geldstrafe beantragt wird.
3. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den mit Schreiben vom 2. April 2014 unter gleichzeitiger Vorlage der Beschwerde übermittelten Verfahrensakt sowie durch Beischaffung von Beweisfotos in digitaler Originalqualität und Einzelleistungsinformation zur gegenständlichen Fahrt von der ASFINAG und durch Einholung eines Gutachten zur Frage nach der konkreten Anbringungsart der GO-Box und deren Einfluss auf das Abbuchungsverhalten.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gem. § 44 Abs. 2 VwGVG abgesehen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:
Der Bf lenkte am 27. Februar 2013 gegen 7.21 Uhr auf dem mautpflichtigen Straßennetz der A1 Westautobahn bei km 202.700 in Fahrtrichtung Salzburg das Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen x und einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von mehr 3,5 Tonnen, ohne dass der erforderliche Mautbetrag abgebucht wurde. Der Bf überprüfte sowohl vor der Fahrt als auch nach der Fahrt die GO-Box auf ihre Funktionsfähigkeit, ein Defekt lag nicht vor. Es kann nicht festgestellt werden, was die konkrete Ursache für die Nichtabbuchung der Maut zur oben genannten Zeit am oben genannten Ort war. Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass die GO-Box nicht ordnungsgemäß (entsprechend Punkt 8.1 der Mautordnung) montiert gewesen wäre und es deswegen zu keiner Abbuchung gekommen wäre. Es kann nicht festgestellt werden, dass beim Durchfahren der verfahrensgegenständlichen Mautabbuchungsstelle ein Signalton stattgefunden hätte. Anlässlich einer Kontrolle am 5. März 2013 wurde gem. § 19 Abs. 5 BStMG mündlich die Ersatzmaut angeboten. Diesem Angebot wurde jedoch nicht nachgekommen.
5. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Verfahrensakt, den von der ASFINAG übermittelten Beweismitteln (Einzelleistungsinformation, Beweisfoto) sowie aus dem Gutachten des verkehrstechnischen Amtssachverständigen vom 13. Juni 2014. Dass der Bf am 27. Februar 2013 gegen 7.21 Uhr auf dem mautpflichtigen Straßennetz der A1 Westautobahn bei km 202.700 in Fahrtrichtung Salzburg das Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen x und einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von mehr 3,5 Tonnen lenkte, ohne dass der erforderliche Mautbetrag abgebucht wurde, ergibt sich bereits aus der Anzeige der ASFINAG und es spricht auch – worauf die belangte Behörde zutreffend in ihrer Stellungnahme hinweist – das Gutachten hierfür. Strittig ist vor allem die Ursache der Nichtabbuchung. Die ASFINAG führt in der Anzeige als Grund der Nichtabbuchung der Maut an, dass die GO-Box „nicht ordnungsgemäß dauerhaft montiert“ gewesen sei und legt als Beweismittel u.a. eine Fotoaufnahme der Frontscheibe des Kfz zur Tatzeit vor. Der verkehrstechnische Amtssachverständige gab mit Schreiben vom 13. Juni 2014, Zl. Verk-210002/677-2014-Hag, ein Gutachten ab, in dem zusammengefasst festgehalten wird, dass anhand des Fotos festzustellen sei, „dass im Bereich des Armaturenbretts, oberhalb der Unterkante der Windschutzscheibe, in Fahrtrichtung gesehen im linken Bereich (eingegrenzt durch die Pfeile im Bild) sich Gegenstände befinden, die der äußeren Form nach dem Erscheinungsbild einer GO-Box entsprechen. Im Hinblick auf die vorliegende Bildqualität kann aber nicht festgestellt werden, welche der erkennbaren Gegenstände die GO-Box sein muss. [...] Am Tattag, an dem die Nicht-Abbuchung um 07:21 Uhr erfolgte, wurden kurz vor der gegenständlichen Nicht-Abbuchung um 07:08 Uhr und kurz nach der Nicht-Abbuchung um 07:34 Uhr korrekte Abbuchungen durchgeführt. Am gegenständlichen Mautportal, an dem am 27. Feb. 2013 um 07:21 Uhr nicht abgebucht worden ist, ist kein Defekt festgestellt worden. Von anderen KFZ erfolgte kurz vor und nach der gegenständlichen Nicht-Abbuchung korrekte Mauttransaktionen. [...] Im Hinblick auf die Bildqualität des Kontrollfotos kann nicht festgestellt werden, ob oder wo die Go-Box montiert gewesen sein soll. Für einen Defekt der GO-Box, die bis dato verwendet wird und die vom Betreiber jederzeit an einer Autobahntankstelle gratis geprüft werden kann, gibt es keinen Hinweis." Weder aus der Sicht des Amtssachverständigen noch aus den weiteren vorliegenden Beweismitteln, insbesondere auch nicht aus dem Beweisfoto der ASFINAG lässt sich die konkrete Ursache der Nichtabbuchung der Maut zur Tatzeit am Tatort mit ausreichender Sicherheit ersehen, sodass für das Landesverwaltungsgericht die konkrete Ursache für die Nichtabbuchung der Maut nicht feststellbar war. Da – wie auch der Sachverständige festhält – aufgrund der Bildqualität des Beweisfotos nicht festgestellt werden kann, wo bzw. ob (bzw. wie) die GO-Box montiert war, gelang das Landesverwaltungsgericht auch nicht zur Überzeugung, dass die GO-Box nicht ordnungsgemäß montiert gewesen wäre. Dass nicht festgestellt werden kann, dass beim Durchfahren der verfahrensgegenständlichen Mautabbuchungsstelle ein Signalton stattgefunden hätte, folgt daraus, dass hierfür kein ausreichender Beweis vorliegt und der Umstand der Nichtabbuchung auch dafür spricht, dass kein Signalton ertönte. Dass der Bf sowohl vor der Fahrt als auch nach der Fahrt die GO-Box auf ihre Funktionsfähigkeit überprüfte, wurde von diesem im Schriftsatz vom 17.2.2014 behauptet und erscheint dies angesichts des Umstandes, dass es laut dem Amtssachverständigen keinen Hinwies auf einen Defekt der GO-Box gibt, auch vorstellbar, wobei im Übrigen im Verwaltungsstrafverfahren auch der Grundsatz „in dubio pro reo“ zu berücksichtigen ist (Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 25 Rz 10).
6. In rechtlicher Hinsicht ist folgendes auszuführen:
6.1. Gemäß § 6 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (BStMG) unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der fahrleistungsabhängigen Maut.
Gemäß § 7 Abs. 1 BStMG ist die Maut durch Einsatz zugelassener Geräte zur elektronischen Entrichtung der Maut im Wege der Abbuchung von Mautguthaben oder der zugelassenen Verrechnung im Nachhinein zu entrichten. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die Kraftfahrzeuglenker ihre Fahrzeuge vor der Benützung von Mautstrecken mit diesen Geräten ausstatten können.
Gemäß § 8 Abs. 1 BStMG haben Lenker, soweit sie nicht von anderen in der Mautordnung vorgesehenen Formen der Mautentrichtung Gebrauch machen, ihr Fahrzeug vor der Benützung von Mautstrecken mit Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut auszustatten.
Punkt 8.1 der Mautordnung besagt, dass die GO-Box ausschließlich in dem mit dem angemeldeten Kraftfahrzeugkennzeichen zugelassenen mautpflichtigen Kraftfahrzeug dauerhaft an der Innenseite der Windschutzscheibe zwischen Fahrzeugmitte und Lenkradmitte zu montieren ist. Die Anbringung hat in jenem Bereich der Windschutzscheibe, der vom Scheibenwischer gereinigt wird, derart zu erfolgen, dass die Bedientaste der GO-Box in das Fahrzeuginnere gerichtet ist. Die GO-Box ist mindestens 10 cm oberhalb des Scheibenwischers in Ruhestellung und mindestens 30 cm unterhalb der Windschutzscheibenoberkante zu montieren. Durch die Montage der GO-Box darf keine Einschränkung des Sichtfeldes während der Fahrt erfolgen. Ferner ist der Montagebereich der GO-Box auf der Windschutzscheibe von Gegenständen und Fahrzeugaufbauten (zB Sonnenblenden) im Umkreis von 10 cm freizuhalten. Die Montage der GO-Box darf auch nicht im Tönungsstreifen erfolgen. Der Kraftfahrzeuglenker hat überdies von der GO-Box alle Gegenstände fern zu halten, die zu einer Beeinflussung der Bedientasten führen könnten.
Gemäß § 20 Abs. 2 BStMG begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 6 geschuldete fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß zu entrichten, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 Euro bis zu 3.000 Euro zu bestrafen.
6.2. Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, wurde am Tatort zur Tatzeit die Maut nicht entrichtet. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich hierfür aber keine konkrete Ursache, insbesondere konnte das im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angelastete Verhalten der nicht ordnungsgemäßen Anbringung der GO-Box nicht festgestellt werden. Da weder aus Sicht des Amtssachverständigen noch aus den weiteren vorliegenden Beweismitteln die konkrete Ursache der Nichtabbuchung der Maut zur Tatzeit am Tatort feststellbar ist, konnte das Landesverwaltungsgericht auch keine ausreichenden Feststellungen zum allfälligen Verschulden des Bf treffen. Es konnte zwar nicht festgestellt werden, dass ein Signalton beim Durchfahren der verfahrensgegenständlichen Mautabbuchungsstelle ertönt hätte. Punkt 8.2.4.3.3 der zum Tatzeitpunkt geltenden Mautordnung regelt den Fall, dass die GO-Box sowohl vor der Fahrt als auch nach der Fahrt auf ihre Funktionsfähigkeit überprüft wurde (wie gegenständlich geschehen), aber dahingehend, dass auch dann, wenn kein Signalton zu hören war (bei Vorliegen der weiteren in Punkt 8.2.4.3.3 genannten Bedingungen) keine Verpflichtung zur Nachentrichtung der Maut besteht (vgl. VwGH vom 28.11.2006, 2005/06/0156); dass die weiteren in Punkt 8.2.4.3.3 genannten Bedingungen nicht vorgelegen wären, ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht und spricht für deren Vorliegen, dass am Tag des vorgeworfenen Verhaltens auch Abbuchungen erfolgten. Im Verwaltungsstrafverfahren gilt der Grundsatz „in dubio pro reo“ (Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 25 Rz 10). Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
7. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Dr. Wiesinger