LVwG-550195/2/Wim/EGO/IH

Linz, 26.06.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter             Dr. Leopold Wimmer über die Beschwerde der
x (x), x, x, x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz–Land vom 10. Februar 2014, GZ: Wa10-130-2013/Vz/Rj

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Aus Anlass der Beschwerde wird der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 10. Februar 2014,
GZ: Wa10-130-2013/Vz/Rj gemäß § 28 VwGVG behoben.

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

1. Mit Eingabe vom 10. Oktober 2013 hat die Beschwerdeführerin
(im Folgenden: Bf) gemeinsam mit der Marktgemeinde x unter Vorlage von Projektunterlagen bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (im Folgenden: belangte Behörde) um wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage auf den Grundstücken Nr. x, x und x, alle KG x, Marktgemeinde x sowie für die Umlegung des bestehenden Regenwasserkanals „x“ (betrifft Bf) und Errichtung von 47 Parkplätzen am Rande des bestehenden Versickerungsbeckens „x“ und Versickerung dieser Oberflächenwässer im bestehenden Versickerungsbecken (betrifft Marktgemeinde x) angesucht.

Da sich aus dem durchgeführten Lokalaugenschein sowie der Projekts­be­sprechung ergab, dass die in den Projektsunterlagen als „Versickerungsbecken“ bezeichnete Geländeformation als nicht dem Stand der Technik entsprechendes Versickerungsbecken darstellt, wurde die geringfügige Leitungsverlegung vom übrigen Verfahren betreffend der Einleitungen in dieses Becken abgekoppelt.

Mit Bescheid vom 10. Februar 2014, GZ: Wa10-130-2013/Vz/Brc, wurde von der belangten Behörde die wasserrechtliche Bewilligung für die Umlegung des bestehenden Regenwasserkanals aus dem Einzugsgebiet „x“ entlang der Grundgrenze zu den Grundstücken Nr. x, x bzw. x, alle KG x, Marktgemeinde x, erteilt. Auflagepunkt 12 des o.a. Bescheides lautete: „Die Einleitung darf nur in ein dem Stand der Technik entsprechendes Versickerungsbecken erfolgen.“ Bei der Begründung des Bescheides findet sich zudem folgender Satz: “Die Herstellung dieses ordnungsgemäßen Versickerungsbeckens ist Grundvoraussetzung für diese Bewilligung.“ Die belangte Behörde stütze den erwähnten Auflagepunkt auf das in der mündlichen Verhandlung erstattete Gutachten des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik.

 

 

2.           Gegen diesen Bescheid bzw. den o.a. Auflagepunkt erhob die Bf innerhalb

offener Frist Beschwerde. Sie stellte den Antrag, den o.a. Auflagepunkt 12 des Bescheides ersatzlos zu streichen. Von der Bf wurde dazu ausgeführt, dass das gegenständliche wasserrechtliche Einreichprojekt lediglich die Umlegung eines quer über die Grundstücke verlaufenden Kanalrohres beinhaltet, die Abänderung des bestehenden Versickerungsbeckens sei in keiner Weise geplant. Die Umlegung des Kanals sei Voraussetzung zur Bebauung der Grundstücke.

 

 

3.1.      Mit Vorlageschreiben vom 24. März 2014 legte die belangte Behörde die Beschwerde mit dem Bezug habenden Verwaltungsverfahrensakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

3.2.      Das Landesverwaltungsgericht Oö hat Beweis erhoben durch Einsicht­nahme in den Bezug habenden Verfahrensakt.

 

Eine mündliche Verhandlung war gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG nicht erforderlich, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Bescheid aufzuheben war und die Verfahrensparteien keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt haben.

 

3.3.      Auf Grund der Aktenlage steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

 

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 31. Jänner 1957,
Wa-43/1957, wurde der x die wasserrechtliche Bewilligung zur Versickerung der Oberflächenwässer der A1 Westautobahn im Bereich des „x“ und die Errichtung und der Betrieb der entsprechenden Anlagen erteilt. Mit Bescheid des Amtes der Oö Landesregierung vom 29. September 1988, Wa-1658/5-1988/Hz/Hör wurde eine Abänderung eines Teiles der Entwässerungsanlage bewilligt bzw. mit Bescheid des Amtes der Oö Landesregierung vom 18. Juli 1991,
Wa201070/3-1991/Hz/St wasserrechtlich überprüft. Durch dieses Projekt wurde ein offener Graben durch den bestehenden Regenwasserableitungskanal ersetzt. Bewilligungsinhaberin des streitgegen­ständlichen Kanals ist die x.

 

Mit Schreiben vom 10. Oktober 2013 beantragten die x und die Marktgemeinde x die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage auf den Grundstücken Nr. x, KG x, Marktgemeinde x sowie die Umlegung des bestehenden Regenwasserkanals auf den Grundstücken Nr. x, x und x, alle KG x (betrifft Bf) und die Errichtung von 47 Parkplätzen am Rande des bestehenden Versickerungsbeckens inkl. Versickerung der Oberflächenwässer im bestehenden Versickerungsbecken Grundstück Nr. x, KG x (betrifft Marktgemeinde x).

 

Da das bestehende Versickerungsbecken beim Lokalaugenschein nicht dem Stand der Technik entsprochen hat (Einleitung in eine ehemalige Schottergrube anstatt Versickerung über begrünte Rasenflächen) wurde das Verfahren betreffend der geringfügigen Umlegung des bestehenden Regenwasserkanals von den Verfahren betreffend Einleitungen in das Versickerungsbecken abgekoppelt.

 

Die bestehenden Kanalleitungen laufen mitten durch die Grundstücke x, x und x KG x, und die Verlegung ist notwendig, um mit dem Bau der Wohnanlage auf dem Grundstück x, KG x beginnen zu können.

Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 10. Februar 2014,
GZ. Wa 10-130-2013/Vz/Brc wurde der Bf die wasserrechtliche Bewilligung für die Umlegung des bestehenden Regenwasserkanales, aus dem Einzugsgebiet des „x“ entlang der Grundgrenzen zu den Grundstücken  Nr. x, x bzw. x alle KG x Marktgemeinde x, sowie zur Errichtung und zum Betrieb der hierzu dienenden Anlagen unter Vorschreibung von Auflagen, u.a. dass die Einleitung nur in ein dem Stand der Technik entsprechendes Versickerungsbecken erfolgen darf, erteilt.

 

Ein Vertretungs- bzw. Bevollmächtigungsverhältnis zur Abwicklung der ggst. Angelegenheit zwischen der x und der x besteht nicht.

 

3.4.      Der festgestellt Sachverhalt ergibt sich für den erkennenden Richter des

Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zweifels- und widerspruchsfrei aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

4.     Das Landesverwaltungsgericht Oö hat erwogen:

 

4.1.      Grundsätzlich hat die Behörde jeden Antrag in Verhandlung zu nehmen

und darüber zu entscheiden. Unzulässige Anträge sind zurückzuweisen.

 

Der Antrag auf Abänderung eines bestehenden Rechts setzt notwendigerweise das Bestehen eines solchen voraus. Da im ggst. Fall die x Inhaberin des Wasserrechts betreffend „Regenwasserkanal x“ ist, hätte ein Änderungsantrag von dieser gestellt werden müssen bzw. kann ein solcher zulässigerweise nur von dieser gestellt werden. Der Bf hatte offensichtlich kein Recht am bestehenden Kanal und wer kein Recht hat, kann auch keine Änderung seines Rechtes beantragen. Der diesbezügliche Antrag der Bf auf Verlegung des bestehenden Kanals war somit unzulässig und  hätte daher von der belangten Behörde zurückgewiesen werden müssen.

 

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde als gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

 

Trotz dieser grundsätzlichen Beschränkung des Prüfungsumfanges müssen offenkundige Rechtswidrigkeiten (z. B. Verjährung, Zustellmängel) vom VwG jedenfalls amtswegig aufgegriffen werden, andere Verletzungen von Verfahrensvorschriften können aufgegriffen werden.
(Vgl. Eder/Martschin /Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte,
K8 zu § 27 VwGVG; VwG Wien, VWG-041/008/21519/2014; LVwG Nö,
LVwG-PL-13-0053;)

 

Das Verwaltungsgericht vertritt daher die Ansicht, dass offenkundige Rechtswidrigkeiten jedenfalls von Amtes wegen, auch dann aufzugreifen sind, wenn sie nicht ausdrücklich in den Beschwerdegründen geltend gemacht worden sind (Vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, K2 und K8 zu § 27 VwGVG), zumal anders als im Verfahren vor dem VwGH, wo für die Einbringung einer Revision Anwaltspflicht gilt, im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht keine Anwaltspflicht vorgesehen ist und der vom Gedanken der Erweiterung des Rechtsschutzes für die Bürger getragenen Verwaltungsgerichtsbarkeitsreform nicht unterstellt werden kann, dass Verfahrensfehler der belangten Behörde, die einem rechtsfreundlich unvertretenen Beschwerdeführer mangels Verfahrensrechtskenntnissen ja gar nicht auffallen können, vom Verwaltungsgericht nicht wahrgenommen werden sollen.

 

4.2.      Im konkreten Fall der Leitungsverlegung ergibt sich klar, dass der Antrag

von einer dazu nicht legitimierten und unvertretenen  Person gestellt wurde. Durch den Bewilligungsbeschied der belangten Behörde wurden nicht nur Verfahrensvorschriften verletzt, es ergibt sich vor allem auch eine unklare Rechtslage im Hinblick auf zukünftige Verpflichtungen (Wartung, Reparatur, Haftung), welche mit dem Regenwasserableitungskanal bzw. der wasserrechtlichen Bewilligung dazu in Zusammenhang stehen. Das Verfahren litt somit zusammengefasst von Beginn an an einem offenkundigen, schwerwiegenden Mangel, welcher – auch im Hinblick auf Art. 6 EMRK bzw.
Art. 49 der Grundrechtscharta - amtswegig aufzugreifen war.

 

Es war daher Spruch ge­mäß zu entscheiden.

 

4.3.      Ein zulässiger Antrag auf Verlegung des bestehenden Regenwasserkanals wäre entweder von der x (x) oder von der x als Vertreter der x (x) bei der Behörde einzubringen.

 

4.4.      Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Vorschreibung der Auflage, dass

das Sickerbecken dem Stand der Technik anzupassen ist, in diesem Zusammenhang (Verlegung der bestehenden Kanalleitungen) nicht zulässig ist. Eine Anpassung an den Stand der Technik bzw. die Vorschreibung dementsprechender Auflagen müsste in Zusammenhang mit dem Antrag auf Bewilligung der Einleitung der Oberflächengewässer oder ggf. nach § 21 a WRG erfolgen, steht jedoch mit der bloßen Verlegung der Leitungen in keinem relevanten Zusammenhang.

 

Zu II.:

 

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere da es seit dem Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes am 01. Jänner 2014 noch keine höchst­gerichtliche Judikatur zum Prüfungsumfang der Verwaltungsgerichte nach
§ 27 VwGVG gibt.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Leopold Wimmer