LVwG-000037/2/Gf/Eg
Linz, 20.06.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K !
Das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich hat durch seinen Einzelrichter Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des W, vertreten durch RA Dr. N, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 6. Mai 2014, Zl. SanRB96-2013, wegen drei Übertretungen des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes
z u R e c h t e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.
II. Der Beschwerdeführer hat weder einen Beitrag zum Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde (§ 66 Abs. 1 VStG) noch einen Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich (§ 52 Abs. 9 VwGVG) zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 6. Mai 2014, Zl. SanRB96-2013, wurden über den Beschwerdeführer drei Geldstrafen in einer Höhe von jeweils 300 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 30 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 90 Euro; Untersuchungskosten: insgesamt 704,68 Euro; zu zahlender Gesamtbetrag: 1.694,68 Euro) verhängt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer GmbH zu vertreten habe, dass im Zuge einer Kontrolle am 10. Juni 2013 festgestellt worden sei, dass in seinem Betrieb drei mit Bakterien kontaminierte Speiseeissorten zum Verkauf bereit gehalten und auf diese Weise in Verkehr gebracht worden seien. Dadurch habe er in drei Fällen eine Übertretung des Anhanges II Kapitel IX Z. 3 der Verordnung (EG) 854/2004 (Lebensmittelhygieneverordnung; im Folgenden: VO 854/2004) i.V.m. mit Anhang I Kapitel 2.2.8. der Verordnung (EG) 2073/2005 über mikrobiologische Kriterien für Lebensmittel (im Folgenden: VO 2073/2005) begangen, weshalb er jeweils nach § 90 Abs. 3 Z. 1 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes, BGBl.Nr. I 13/2006 (in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. II 125/2011, im Folgenden: LMSVG), zu bestrafen gewesen sei.
Dieses dem Beschwerdeführer angelastete Tatverhalten sei auf Grund einer entsprechenden Kontrolle eines Lebensmittelaufsichtsorganes sowie durch die Gutachten der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (im Folgenden: AGES) vom 19. Juni 2013, Zln. 13063820, 13063821 u. 13963822, als erwiesen anzusehen.
Im Zuge der Strafbemessung seien die mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen geschätzten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Rechtsmittelwerbers entsprechend berücksichtigt worden (monatliches Nettoeinkommen: 3.000 Euro; durchschnittliches Vermögen; keine Sorgepflichten).
2. Gegen dieses ihm am 7. Mai 2014 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 23. Mai 2014 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Beschwerde.
Darin wird vorgebracht, dass nicht er als handelsrechtlicher Geschäftsführer, sondern vielmehr der gewerberechtliche Geschäftsführer der GmbH für die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich gewesen sei. Außerdem sei im Spruch des Straferkenntnisses weder die Tatzeit noch der Tatvorwurf hinreichend konkretisiert, da sich in diesem einerseits ein vom Kontrolldatum abweichendes Probendatum finde und andererseits keinerlei Feststellungen hinsichtlich mangelnder Hygiene bei der Speiseeisproduktion getroffen worden seien. Schließlich treffe es auch nicht zu, dass die gezogenen Proben in der Eisvitrine des Betriebes zum Verkauf bereitgehalten worden seien.
Aus diesen Gründen sowie deshalb, weil ohnehin bloß eine geringfügige Rechtsgutbeeinträchtigung vorliege, wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.
II.
1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung zu Zl. SanRB96-2013.
Da sich bereits aus diesem in Verbindung mit dem Parteienvorbringen der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.
2. Weil im LMSVG Abweichendes nicht angeordnet ist, hatte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich im vorliegenden Fall gemäß Art. 135 Abs. 1 B VG durch einen Einzelrichter zu entscheiden.
III.
In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich über die vorliegende Beschwerde erwogen:
1. Gemäß § 90 Abs. 3 Z. 1 LMSVG i.V.m. der Anlage, Teil 2 Z. 1, zum LMSVG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 20.000 Euro zu bestrafen, der der VO 852/2004 zuwiderhandelt.
Nach Anhang II Kapitel IX Z. 3 der VO 852/2004 sind Lebensmittel sind auf allen Stufen der Erzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebs vor Kontaminationen zu schützen, die sie für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder gesundheitsschädlich machen bzw. derart kontaminieren, dass ein Verzehr in diesem Zustand nicht zu erwarten wäre.
Gemäß Art. 1 erster Satz der VO 2073/2005 werden mit dieser Verordnung generell die Kriterien für bestimmte Mikroorganismen sowie jene Bestimmungen festgelegt, die von den Lebensmittelunternehmern bei der Durchführung allgemeiner und spezifischer Hygienemaßnahmen gemäß Art. 4 der VO 852/2004 einzuhalten sind; im Besonderen ordnet Anhang I Kapitel 2 Pkt. 2.2.8. der VO 2073/2004 an, dass hinsichtlich Speiseeis und vergleichbaren gefrorenen Erzeugnissen auf Milchbasis höchstens zwei von 5 Probeneinheiten einen Enterobacteriaceae-Wert zwischen 10 KBE (Kolonienbildenden Einheiten) pro Gramm und 100 KBE/g aufweisen dürfen.
2.1. Im gegenständlichen Fall geht aus den Gutachten der AGES vom 19. Juni 2013, Zln. 13063820, 13063821 u. 13963822, hervor, dass die Enterobacteriaceae-Werte schon bei jeweils bloß zwei Teilproben 880 KBE/g bzw. 1.500 KBE/g (Schokoladeneis), 2.800 KBE/g bzw. 2.500 KBE/g (Kaffeeeis) sowie 610 KBE/g bzw. 480 KBE/g (Kokoseis) betragen haben und damit jeweils deutlich über dem höchstzulässigen Grenzwert von 100 KBE/g lagen.
Diesen Feststellungen eines Sachverständigen ist der Rechtsmittelwerber nicht substantiell – und erst recht nicht auf gleicher fachlicher Ebene – entgegengetreten, sodass damit objektiv besehen fest steht, dass im vorliegenden Fall die unionsrechtlich vorgeschriebenen Grenzwerte überschritten wurden.
2.2. Davon ausgehend, dass die normative Anordnung des Anhanges I Kapitel 2 Pkt. 2.2.8. der VO 2073/2005 als „Maßnahmen für den Fall unbefriedigender Ergebnisse“ selbst lediglich nicht näher determinierte „Verbesserungen in der Herstellungshygiene“ fordert, kommt allerdings dem Umstand essentielle Bedeutung zu, dass die VO 2073/2005 einerseits nicht in der Anlage zum LMSVG (nämlich weder in Teil 1 noch [anders als z.B. die VO 852/2004] in Teil 2 dieser Anlage) aufgelistet ist und andererseits (etwa im Gegensatz zu der Fleischuntersuchungsverordnung 2006, der Geflügelhygieneverordnung 2007 und der Veterinärbehördlichen Einfuhrverordnung 2008) auch keine – z.B. auf § 6 LMSVG gestützte – Verordnung des BMinGes existiert, mit der nähere Vorschriften zur Durchführung der VO 2073/2005 erlassen wurden:
Im Ergebnis resultiert nämlich daraus, dass ein bloßer Verstoß gegen spezifische, mit der VO 2073/2005 normierte Gebote – wie etwa die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bakteriengrenzwerte – (allenfalls administrativrechtliche Konsequenzen [wie z.B. einen bescheidmäßigen Auftrag zu „Verbesserungen in der Herstellungshygiene“] nach sich ziehen kann, jedenfalls aber) nicht nach dem LMSVG – insbesondere nicht nach § 90 Abs. 3 Z. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 LMSVG – strafsanktioniert ist.
3. Aus diesem Grund war der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 50 VwGVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren im Hinblick auf die zwischenzeitlich bereits abgelaufene Verfolgungsverjährungsfrist nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.
4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer weder ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vor der belangten Behörde (§ 66 Abs. 1 VStG) noch ein Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich (§ 52 Abs. 9 VwGVG) vorzuschreiben.
IV.
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist zulässig, weil zur Frage der Strafbarkeit nach dem LMSVG im Falle einer Verletzung von bloßen Geboten der VO 2073/2005 – soweit ersichtlich – noch keine höchstgerichtliche Judikatur vorliegt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.
Gegen dieses Erkenntnis kann auch eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden, die beim Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich einzubringen ist; die Eingabegebühr von 240 Euro ist hingegen unmittelbar an den Verwaltungsgerichtshof zu entrichten.
Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich
Dr. G r o f
LVwG-000037/2/Gf/Eg vom 20. Juni 2014
VO (EG) 2037/2005 Art1
VO (EG) 2037/2005 AnhII Kap2.2.8.
VO (EG) 852/2004 AnhII KapIX Z3
LMSVG §6
LMSVG §90 Abs3 Z1
LMSVG Anlage
Davon ausgehend, dass die normative Anordnung des Anhanges I Kapitel 2 Pkt. 2.2.8. der VO 2073/2005 als „Maßnahmen für den Fall unbefriedigender Ergebnisse“ selbst lediglich nicht näher determinierte „Verbesserungen in der Herstellungshygiene“ fordert, kommt dem Umstand essentielle Bedeutung zu, dass diese VO 2073/2005 einerseits nicht in der Anlage zum LMSVG (nämlich weder in Teil 1 noch [anders als z.B. die VO 852/2004] in Teil 2 dieser Anlage) aufgelistet ist und andererseits (etwa im Gegensatz zu der Fleischuntersuchungsverordnung 2006 u.a.) auch keine – z.B. auf § 6 LMSVG gestützte – Verordnung des BMinGes existiert, mit der nähere Vorschriften zur Durchführung der VO 2073/2005 erlassen wurden: Im Ergebnis resultiert nämlich daraus, dass ein bloßer Verstoß gegen spezifische, mit der VO 2073/2005 normierte Gebote – wie etwa die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bakteriengrenzwerte – (allenfalls administrativrechtliche Konsequenzen [wie z.B. einen Auftrag bezüglich „Verbesserungen in der Herstellungshygiene“] nach sich ziehen kann, jedenfalls aber) nicht nach dem LMSVG – insbesondere nicht nach § 90 Abs. 3 Z. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 LMSVG – strafsanktioniert ist.
Schlagworte:
Speiseeis; Bakteriengrenzwerte; VO 2073/2005 – keine unmittelbare Strafsanktionen; Anlage zum LMSVG; Lebensmittelhygieneverordnung; Verordnung über mikrobiologische Kriterien für Lebensmittel