LVwG-750167/3/BP/SPE

Linz, 05.05.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch  seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde der X, geb. X, X, X, X, vertreten durch X, X, X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 12. Februar 2013, GZ: Sich40-43864, mit dem über die Berufungswerberin eine Ausweisung ausgesprochen wurde,

zu Recht   e r k a n n t:

 

 

 

I.         Gemäß § 28 Abs.1 VwGVG iVm. § 66 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012, wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

II.       Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art.133 Abs.4 B-VG unzulässig.

 

 

 

E n ts c h e i d u n g s g r ü n de:

 

I.

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 12. Februar 2013, GZ: Sich40-43864, wurde die Berufungswerberin, die nunmehr als Beschwerdeführerin anzusehen ist (im Folgenden: Bf) gemäß § 66 Abs.1 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF ausgewiesen und ihr gemäß § 70 Abs.3 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.

 

Die belangte Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Sie haben sich am 25.03.2011 erstmals mit Hauptwohnsitz in X, X, X, polizeilich angemeldet. Seit 27.02.2012 begründen Sie nun den Hauptwohnsitz in X, X, (X). Sie leben dort gemeinsam mit Ihrem Ehemann, X, geb. X, X. Die Ehe wurde am 17.09.2009 in Spanien geschlossen.

 

Am 08.10.2012 haben Sie bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden eine Anmeldebescheinigung für EWR Bürger beantragt. Diesem Antrag haben Sie mehrere Beilagen angeschlossen. Zur Sicherung des Lebensunterhaltes wurde ein Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, Zahl SO-101-2012 vom 25.04.2012, beigelegt, wonach Ihr Ehegatte derzeit eine bedarfsorientierte Mindestsicherung für sich bezieht. Sie selbst konnten trotz Aufforderungen keinerlei eigenes Einkommen vorweisen und sind mittellos. Dazu wird weiters festgehalten, dass Ihr Ehemann vor der Übersiedelung in den Bezirk Gmunden auch von der Bezirkshauptmannschaft Weiz die Mindestsicherung erhalten hat.

 

Weiters haben Sie dem Antrag auf Erteilung einer Anmeldebescheinigung einen Ambulanzbrief des Landeskrankenhauses Salzburg vom 29.06.2012 angeschlossen. Lt. diesem Befund wurde bei Ihnen eine cystische Fibrose festgestellt.

 

(...)

 

Durch diese Tatsachen liegen die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Österreich nicht vor. Durch Ihren weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet ist das wirtschaftliche Wohl des Landes gefährdet.

 

(...)

 

Am 08.10.2012 haben Sie bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden eine Anmeldebescheinigung für EWR Bürger beantragt. Diesem Antrag haben Sie mehrere Beilagen angeschlossen. Zur Sicherung des Lebensunterhaltes wurde ein Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmunden, Zahl SO-101-2012 vom 25.04.2012, beigelegt, wonach Ihr Ehegatte, Hr. X, X, mit welchem Sie in einem gemeinsamen Haushalt leben, derzeit die bedarfsorientierte Mindestsicherung für sich bezieht. Er bezieht somit derzeit Sozialhilfeleistungen. Sie selbst konnten trotz Aufforderungen keinerlei eigenes Einkommen vorweisen und sind mittellos. Pensionsanspruch aus der BRD besteht derzeit keiner. Diese Mittellosigkeit haben Sie in der Stellungnahme vom 07.02.2013 auch selbst bestätigt. Dazu wird weiters festgehalten, dass Ihr Ehemann vor der Übersiedelung in den Bezirk Gmunden auch von der Bezirkshauptmannschaft Weiz die Mindestsicherung erhalten hat.

 

Sie sind in Österreich noch nie in einem Dienstverhältnis gestanden. Nachweise, wonach Sie in Österreich Arbeit suchen würden, wurden bislang keine vorgelegt, weshalb nicht angenommen werden kann, dass Sie sich dem österreichischen Arbeitsmarkt ernsthaft zur Verfügung stellen. Es kann somit derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass Sie Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Auch Selbständigkeit wurde bisher keine angeführt. Gemäß einer vorgelegten Bestätigung der -GKK, datiert mit 24.10.2012, sind Sie mit Ihrem Ehemann mitversichert und können Leistungen aus der Krankenversicherung beanspruchen.

 

Als Hauptzweck des Aufenthalts in Österreich führten Sie das gemeinsame Leben mit Ihrem Ehegatten an. Als Hauptzweck des Aufenthalts dient somit weder eine Ausbildung noch eine Berufsausbildung.

 

(...)

 

Zum Nachweis für das Bestehen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind die in § 53 Abs. 2 NAG 2005 idgF aufgelisteten Nachweise vorzulegen. Bisher konnten diese von Ihnen jedoch nicht erbracht werden. Aus diesem Grund sind in Ihrem konkreten Fall die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 NAG 2005 idgF derzeit nicht erfüllt.

 

Auch die Voraussetzungen des § 52 NAG 2005 idgF treffen in Ihrem konkreten Einzelfall nicht zu, da Ihr Ehegatte bisher keine Nachweise vorlegen konnte, wonach er unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter EWR-Bürger sei.

 

(...)

 

Da die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht vorliegen, ist für die Behörde die Vorgangsweise gemäß § 55 Abs. 3 NAG iVm § 66 Abs. 1 FPG vorgesehen und erscheint im konkreten Einzelfall auch als angebracht.

 

Aufgrund des gegenständlichen Sachverhaltes, insbesondere der Tatsache, dass Sie derzeit mittellos sind und Ihr Ehegatte den Lebensunterhalt auch nur durch den Erhalt von Sozialhilfeleistungen finanzieren kann, ist durch Ihren Aufenthalt in Österreich nach Erstellung einer Zukunftsprognose auch das wirtschaftliche Wohl des Landes gefährdet.

 

Insgesamt betrachtet halten Sie sich derzeit in Österreich auf obwohl Ihnen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht zukommt. Der Aufenthalt in Österreich widerspricht deshalb den fremdenrechtlichen Bestimmungen.

 

Auf Grund dieser Tatsachen und deren Wertung ist die Annahme gerechtfertigt, dass Ihr Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet und den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 61 Abs. 1 FPG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(...)

 

 

Im Rahmen der Interessensabwägung hat die Behörde folgende persönliche Lebensumstände von Ihnen berücksichtigt:

 

Sie haben sich am 25.03.2011 erstmals mit Hauptwohnsitz in Österreich, X, X, polizeilich angemeldet. Seit 27.02.2012 begründen Sie nun den Hauptwohnsitz in X, X, (X). Sie leben dort gemeinsam mit Ihrem Ehemann, X, geb. X, X. Die Ehe wurde am 17.09.2009 in Spanien geschlossen.

 

Sie halten sich demnach derzeit noch keine zwei Jahre in Österreich auf. Gemessen an Ihrem Alter, Sie wurden am X geboren und sind somit X Jahre alt, ist die Aufenthaltsdauer in Österreich als kurz zu bezeichnen.

Wie bereits in diesem Bescheid erwähnt wurde sind Sie bisher noch nie einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgegangen. Ernsthafte Motivation um in ein Dienstverhältnis einzutreten konnte bisher keine erkannt werden. Von einer beruflichen Verankerung in Österreich kann somit keinesfalls ausgegangen werden. Dies bezieht sich im Übrigen auch auf Ihren Ehemann. Gemäß einem aktuellen Versicherungsdatenauszug sind zumindest seit 01.01.2008 keine Dienstverhältnisse feststellbar. Gemäß einem vorgelegten Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt, datiert mit 11.10.2010, in welchem Ihr Gatte die Voraussetzungen für den Anspruch auf Alterspension überprüfen hat lassen, sind in seinem Fall überhaupt nur 107 Versicherungsmonate, davon 98 Beitragsmonate der Pflichtversicherung, dies bis November 1978, feststellbar.

 

Sie haben dem Antrag auf Erteilung einer Anmeldebescheinigung einen Ambulanzbrief des Landeskrankenhauses Salzburg vom 29.06.2012 angeschlossen. Lt. diesem Befund wurde bei Ihnen eine cystische Fibrose festgestellt. Dazu wird festgehalten, dass es in der BRD, einem EWR-Staat, eine hervorragende medizinische Versorgung gibt. Ihre Krankheit kann dort ebenso gut behandelt werden wie in Österreich. Die entsprechende Mobilität um mit der Krankheit nach Deutschland zu reisen ist gegeben.

 

Sie führten in Ihrer Stellungnahme an, dass Sie Deutschland im Jahr 1989 verlassen haben und durch den Tod Ihrer Eltern und Ihres Bruders dort keine familiäre Wurzeln mehr hätten. Deutschland sei gemäß Ihren Angaben ein fremdes Land für Sie geworden. Dem wird entgegen gehalten, dass Sie den Großteil Ihres Lebens in Ihrem Ursprungsland verbracht haben. Sie beherrschen die deutsche Sprache, haben dort die Schule besucht und waren dort krankenversichert. Die dortige Kultur ist Ihnen auch bekannt. Aufgrund der nachgewiesenen Versicherungszeiten in der BRD würde auch ein Anspruch auf Sozialleistungen bzw. Arbeitslosengeld bestehen. Somit stünden Ihnen dort Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes zur Verfügung. Von einer Entwurzelung kann somit keinesfalls ausgegangen werden. Aufgrund Ihrer Staatsbürgerschaft dürfen Sie sich dort auch jederzeit wieder niederlassen. Aufgrund dieser Tatsachen ist es Ihnen zumutbar sich mit den Gegebenheiten in Ihrem Herkunftsland wieder neu auseinanderzusetzen. Im Hinblick auf eventuell zu erwartende Schwierigkeiten im Hinblick auf einen wirtschaftlichen Neubeginn in der BRD wird festgehalten, dass diese unter Bezugnahme auf das öffentliche Interesse in Kauf zu nehmen sind (vgl. VwGH vom 25.02.2010, Zahl 2009/21/0187). Sie haben sehr gute Chancen sich dort eine positive Existenz aufzubauen. Sollten Kontakte zu Verwandten und Bekannten in der BRD durch Ihren mehrjährigen Aufenthalt im Ausland unterbrochen worden sein, so können diese wiederhergestellt werden, (vgl. VwGH vom 25.02.2010, Zahl 2009/21/0070).

 

Zur örtlichen Trennung von Ihrem Ehegatten wird festgehalten, dass dieser die Möglichkeit hat mit Ihnen nach Deutschland zu ziehen. Ihnen steht mit dem Wohnwagen, welchen Sie derzeit in X bewohnen, sogar eine mobile Unterkunft zur Verfügung. Zudem könnten sie, falls Ihr Ehegatte nicht nach Deutschland auswandern möchte, weiterhin Kontakt via Telefon, E-Mail usw., wenn auch nur im eingeschränkten Ausmaß, zueinander halten. Weiters könnten Sie in der BRD jederzeit Besuch von ihm empfangen. Ihr Gatte könnte einer allfälligen Unterhaltspflicht gegenüber Ihnen auch vom Ausland aus nachkommen.

 

Strafrechtlich sind Sie in Österreich bisher nicht negativ in Erscheinung getreten. Auch Verwaltungsvorstrafen konnten keine festgestellt werden.

 

Zusammengefasst muss festgestellt werden, dass Ihnen eine soziale und kulturelle Integration in Österreich bisher nicht gelungen ist.

 

Bei Gesamtbetrachtung wiegen die öffentlichen Interessen an Ihrer Aufenthaltsbeendigung so schwer, dass Ihre Ausweisung zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, insbesondere der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, dringend geboten ist. Die privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet treten demgegenüber in den Hintergrund.

 

2. Gegen den angefochtenen Bescheid, nachweislich zugestellt am 15. Februar 2013, erhob die nunmehr vertretene Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung, zur Post gegeben am 28. Februar 2013, in welchem sie vorerst beantragt, den Bescheid wegen materieller und formeller Rechtswidrigkeit aufzuheben.

 

Zum Sachverhalt wird weiters ausgeführt, dass sich die Bf seit März 2011 in ÖSTERREICH aufhält, gemeinsam mit ihrem Gatten, dem österreichischen Staatsangehörigen X, welcher aus SPANIEN nicht bloß vorübergehend zurückgekehrt sei. Ihr Gatte habe das Pensionsalter erreicht und beziehe mangels ausreichender Versicherungszeiten Mindestsicherung, die ihm als österreichischem Staatsangehörigen in ÖSTERREICH gewährt werde. Die Bf selbst habe in Deutschland einen Rentenanspruch erworben, welcher mit dem 65. Lebensjahr gewährt werden wird.

 

Die Bf genieße als Unionsbürgerin gem. Art. 21 AEUV Aufenthaltsrecht, welches nur unter besonderen Bestimmungen beschränkt werden darf. Im Licht der Ausführungsbestimmungen der Richtlinie 2004/38/EG sei die Bf als Gattin eines Unionsbürgers, die selbst Unionsbürgerin ist, von § 52 Abs. 1 Z.1 NAG erfasst.

 

Die Bf sei bei schlechter Gesundheit und bedarf einer Betreuung durch ihren Gatten.

 

In rechtlicher Würdigung wird in der Berufung (nunmehr Beschwerde) wie folgt ausgeführt:

 

Zunächst wird darzustellen sein, dass die BW die Kriterien des § 52 Abs. 1 Z.1 NAG erfüllt und weitere Nachweise nicht entscheidend dafür sein können, ob ihr ein unionsrechtlich gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt. Zur behaupteten „Gefahr", sie würde Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen wird sodann zu prüfen sein, ob diese einerseits besteht, andererseits, ob bejahendenfalls daraus die Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung folgt.

 

Bislang in keiner Weise geprüft wurde, ob auf anderer Rechtsgrundlage der Unterhalt der BW auch durch Sozialhilfe gesichert werden kann und ob dies Auswirkungen auf den Aufenthaltsstatus entfaltet.

 

Schließlich ist bislang keine Abwägung des Rechts auf Privat- und Familienleben in einer ausreichenden und nachvollziehbaren Weise erfolgt, was folgend dargelegt werden und eine Betrachtung gem. Art 8 EMRK bzw. Art 7 GRC erfolgen soll.

 

Das mangelhafte Ermittlungsverfahren allein führt zu formaler Rechtswidrigkeit, was abschließend aufgezeigt wird.

 

2.1. Status der Berufungswerberin

 

Die BW ist Gattin eines Österreichischen Staatsangehörigen, welcher etliche Jahre in SPANIEN gelebt und damit seine Rechte aus den Verträgen wahrgenommen hat. Wenn die belangte Behörde dies absprechen will, hat sie dabei sowohl die Eheschließung in SPANIEN ignoriert als auch trotz Ausführungen der rechtlich unvertretenen BW in ihrer Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme jedes weitergehende Ermittlungsverfahren unterlassen, aus dem der Aufenthalt des Gatten der BW in SPANIEN unzweifelhaft hervorgegangen wäre.

 

Es ist festzuhalten, dass die BW als Ehegattin gem. § 52 Abs. 1 Z. I NAG folglich gem. § 53 Abs. 2 Z.4 leg.cit. ausschließlich den Nachweis der Eheschließung zu erbringen hat, was ihr auch gelungen ist und somit ein Fehlen von Nachweisen als Grundlage der Feststellung gem. § 55 leg.cit. nicht aufrecht erhalten werden kann.

Es wird unter den Ausführungen zum Recht auf Privat- und Familienleben darauf einzugehen sein, weshalb die Forderung weiterer Nachweise für die Beurteilung des Aufenthaltsrechts auch völlig rechtsgrundlos und somit unzulässig ist.

 

2.2. Gefährdung der öffentlichen Ordnung

 

§ 66 Abs. 1 FPG 2005 sieht vor, dass gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörigen eine Ausweisung nur unter besonderen Bedingungen erlassen werden kann:

EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige sind dann auszuweisen, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das Niederlassungsrecht fehlt.

Eine Ausweisung wäre also nur aus Gründen des § 55 Abs. 3 NAG zulässig, wobei die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2

einerseits von der Behörde nach dem NAG zu prüfen sind,

andererseits diese Nachweise auch erbracht wurden.

Überdies ist auf Art. 15 der Richtlinie 2004/38/EG zu verweisen: Artikel 15 Verfahrensgarantien

(1) Die Verfahren der Artikel 30 und 31 finden sinngemäß auf jede Entscheidung Anwendung, die die Freizügigkeit von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen beschränkt und nicht aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit erlassen wird.

Damit ist eine allenfalls angenommene Rechtsgrundlage für eine Aufenthaltsbeendigung - bei einem Aufenthalt von mehr als drei Monaten - jedenfalls Kapitel VI der Richtlinie heranzuziehen, demzufolge wirtschaftliche Gründe unzulässig sind:

Artikel 27 Allgemeine Grundsätze

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Kapitels dürfen die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers oder seiner Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken. Diese Gründe dürfen nicht zu wirtschaftlichen Zwecken geltend gemacht werden.

 

Worin eine allenfalls andere Gefährdung der öffentlichen Ordnung bestehen soll, ist nicht dargelegt worden. Diese wäre gem. Art. 27 Abs. 2 leg.cit. am persönlichen, gegenwärtigen Verhalten zu messen. Der einwandfreie Leumund der BW ist selbst von der belangten Behörde festgestellt worden.

 

Selbst für den Fall, dass die BW oder ihr Gatte Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen, ist damit gem. Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG eine Ausweisung nicht automatisch zulässig, sondern sind die näheren Umstände zu prüfen. Eine „nicht unangemesene" Inanspruchnahme wäre überdies gem. Art. 14 Abs. 1 leg.cit. unschädlich. Im vorliegenden Sachverhalt ist der Gatte der BW mangels ausreichender Versicherungszeiten nicht in der Lage, seinen Unterhalt durch eine Alterspension zu decken - unterstellt man den deutschen Behörden eine mit dem Vorgehen der belangten Behörde vergleichbare Handhabung von Unionsrecht, so wäre er in DEUTSCHLAND von Ausweisung bedroht. Die BW hingegen hat einen Pensionsanspruch erworben und wird diesen mit Erreichen der erforderlichen Altersgrenze auch lukrieren, die Niederlassung des Ehepaares in ÖSTERREICH ist damit die unionsrechtlich „naheliegendere" Variante als eine Niederlassung in DEUTSCHLAND.

 

In der Rechtsprechung des EuGH1 führt dies zum Ergebnis (Hervorhebung durch den Verfasser):

2. Bei der Rückkehr eines Arbeitnehmers in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, nach der Ausübung einer Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis in einem anderen Mitgliedstaat verfügt ein Staatsangehöriger eines Drittstaats, der Familienangehöriger dieses Arbeitnehmers ist, aufgrund des entsprechend angewandten Art. 10 Abs. 1 Buchst, a der Verordnung Nr. 1612/68 in der durch die Verordnung Nr. 2434/92 geänderten Fassung über ein Aufenthaltsrecht in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Arbeitnehmer hat, ohne dass der Letztgenannte dort einer echten und tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht. Es hat keinen Einfluss auf das Aufenthaltsrecht des Staatsangehörigen des Drittstaats in dem Mitgliedstaat, dem der Arbeitnehmer angehört, wenn der Staatsangehörige des Drittstaats vor dem Aufenthalt in dem Aufnahmemitgliedstaat, in dem der Arbeitnehmer einer Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis nachgegangen ist, in dem erstgenannten Mitgliedstaat kein auf nationalem Recht beruhendes Aufenthalts recht hatte.

 

Daraus folgt sogar für Familienangehörige, die Drittstaatsbürger sind, dass diese ein Aufenthaltsrecht besitzen und eben nicht ausgewiesen werden dürfen, selbst wenn der Rückkehrer aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist. Es ist also auch kein „Versehen" weder des europäischen noch den nationalen Normengebers, für Ehepartner von Unionsbürgern, die selbst Unionsbürger sind, keine Nachweise über die Urkunde, die die Ehe belegt, hinaus zu fordern.

 

2.3. Älteres nationales Recht

Auch für den theoretischen Fall, dass der Aufenthalt der BW nach ausschließlich nationalem Recht beurteilt werden sollte und daraus ein „drohender" Sozialhilfebezug als Grundlage einer Aufenthaltsbeendigung gesehen würde, steht dieser Annahme das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege, BGBl. 258/1969 vom 18. Juli 1969 entgegen, welches nach wie vor in Geltung steht.

 

Nach Art 2 dieses Abkommens steht Staatsbürgern des anderen Staates Sozialhilfe in gleicher Form zu wie Staatsbürgern des Aufenthaltsstaates. Und dieser Bezug von Sozialhilfe würde eine Rückschaffung nicht erlauben, wenn der Aufenthalt ein Jahr gedauert hat oder Grundrechtserwägungen dem entgegenstehen. So ist in Art. 8 Abs. 1 festgelegt:

Der Aufenthaltsstaat darf einem Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei nicht allein aus dem Grunde der Hilfsbedürftigkeit den weiteren Aufenthalt versagen oder ihn rückschaffen, es sei denn, daß er sich noch nicht ein Jahr ununterbrochen erlaubt in seinem Hoheitsgebiet aufhält. Sprechen Gründe der Menschlichkeit gegen eine solche Maßnahme, so hat sie ohne Rücksicht auf die Dauer der Anwesenheit im Aufenthalts Staat zu unterbleiben.

Sowohl die Aufenthaltsdauer von einem Jahr ist überschritten als auch ist diese Frist aufgrund des Schutzes des Privat- und Familienlebens nicht relevant.

 

2.4. Schutz des Privat- und Familienlehens

Es soll weiters auf die rezente Rechtsprechung des EGMR zur Abwägung zwischen subjektiven Rechten auf Familienleben und einem abstrakten staatlichen Interesse, also den Abs. 1 und 2 des Art. 8 EMRK eingegangen werden.

 

Wenn die Behörde dem NAG und der dazu bestehenden behördeninternen Kommunikation entnehmen möchte, dass ein Recht aus Familiennachzug direkt aus Art. 8 EMRK nicht unmittelbar folgen mag, so ist besonders auf die jüngste Entwicklung der Rechtsprechung des EGMR in der Causa RODRIGUES DA SILVA AND HOOGKAMER v. THE NETHERLANDS2 zu verweisen, in der das staatliche Interesse an Zuwanderungsbeschränkungen gegenüber dem individuellen Anspruch auf Familienleben als nachrangig bezeichnet wurde (Rz. 44).

 

Der EuGH hat der auch vom BMI gelegentlich ventilierten Ansicht auf Basis des Schlussantrags in der RS. C-l/053 (Rz.72), aus der Richtlinie 2004/38/EG würde etwa im Gegensatz zur Richtlinie 2003/86/EG keine unmittelbare Anwendung der EMRK ableitbar sein, weil diese in den Erwägungsgründen nicht explizit genannt werde, in der Rechtssache C-105/034 eine eindeutige Absage erteilt und festgestellt, dass gem. Art. 6 Abs. 2 EU-V die EMRK vom 4.11.1950 auf die Anwendung europarechtlicher Normen anzuwenden ist.

 

(...)

 

Eine allfällige Prüfung der Möglichkeit eines gemeinsamen Ehelebens in DEUTSCHLAND wäre wie schon ausgeführt nach denselben Überlegungen bedroht wie in ÖSTERREICH. Sollte dies die logische Folge haben, dass das Eheleben außerhalb der Europäischen Union stattfinden müsse, weil es eben keinen EU-Staat gibt, in dem die BW und ihr Gatte gemeinsam leben können, wird einerseits die Unionsbürgerschaft Grundlage des unmittelbaren Aufenthaltsrechts aus dem AEÜV - damit auch außerhalb der Einzelrichtlinien - und andererseits Art. 8 EMRK bzw. Art. 7 Grundrechtecharta verletzt.

 

2.4.1.   Rechte aus Art 20 AEUV

Der EuGH hat in der Entscheidung zu C-256/11 Dereci et. al6. als Wesensgehalt der Unionsbürgerschaft definiert, dass es nicht zu einer Situation kommen darf, in der ein Unionsbürger de facto zum Verlassen der Union aufgefordert würde.

 

Die belangte Behörde übersieht also, dass selbst der Bereich von „rein innerstaatlichen" Sachverhalten, den der EuGH an das vorlegende nationale Gericht rückübertragen hat, eben nicht frei von unionsrechtlichen Erwägungen wäre: In den Erkenntnissen zu den entsprechenden VwGH-Beschwerden spricht der Gerichtshof regelmäßig aus, dass die Rechte aus der Unionsbürgerschaft nicht mit jenen aus Art 8 EMRK gleichzusetzen sind:

Die belangte Behörde hätte nämlich bei ihrer Entscheidung diese - vom EuGH nunmehr klargestellte - Rechtslage zu beachten und Feststellungen dahingehend zu treffen gehabt, die eine Beurteilung ermöglicht hätten, ob eine Weigerung, dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel in Österreich zu erteilen, dazu führen würde, dass seiner die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Ehefrau der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die der Unionsbürger-Status verleiht, verwehrt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, 2009/22/0054). Dieses Kriterium der Verwehrung des Kernbestands der Rechte, die der Unionsbürgerstatus verleiht, bezieht sich dem genannten Urteil des EuGH zufolge auf Sachverhalte, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Unionsbürger de facto gezwungen sieht, nicht nur das Gebiet des Mitgliedstaates, dem er angehört, zu verlassen, sondern das Gebiet der Union als Ganzes (Randnr. 66 des Urteiles). Die bloße Tatsache, dass es für einen Staatsbürger eines Mitglied-Staates aus wirtschaftlichen Gründen oder zur Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft im Gebiet der Union wünschenswert erscheinen könnte, dass Familienangehörige, die nicht die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats besitzen, sich mit ihm zusammen im Gebiet der Union aufhalten können, rechtfertigt für sich genommen allerdings nicht die Annahme, dass der Unionsbürger gezwungen wäre, das Gebiet der Union zu verlassen, wenn dem Familienangehörigen kein Aufenthaltsrecht gewährt würde (Randnr. 68 des EuGH-Urteiles).

 

Dieses Zitat setzt sich weiter fort (Hervorhebung durch den Verfasser):

Da der Schutz der Rechte aus dem Unionsbürgerstatus mit dem Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art 8 EMRK nicht gleichzusetzen ist, sondern eine andere Zielrichtung aufweist und daher bisher nicht Gegenstand des behördlichen Verfahrens war, wird die belangte Behörde im fortzusetzenden Verfahren dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben haben, dazu relevante Umstände vorzubringen, sowie Feststellungen zu treffen haben, die eine Beurteilung im oben angeführten Sinn ermöglichen..

 

Der EuGH sieht neben der „Ähnlichkeit" der Art. 7 GRC und 8 EGMR sehr wohl einen Unterschied in der faktischen Anwendung, denn

Sollte das vorlegende Gericht im vorliegenden Fall im Licht der Umstände der Ausgangsrechtsstreitigkeiten der Ansicht sein, dass die Situation, in der sich die Beschwerdeführer der Ausgangsverfahren befinden, unter das Unionsrecht fällt, muss es daher prüfen, ob die Weigerung, ihnen ein Aufenthaltsrecht, zu gewähren, das in Art. 7 der Charta vorgesehene Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens beeinträchtigt. Ist es dagegen der Ansicht, dass der Sachverhalt nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, muss es eine solche Prüfung im Licht von Art. 8 Abs. 1 EMRK vornehmen.

 

Dies entspricht auch dem - eventuell klarer formulierten - Schlussantrag des Generalanwalts:

Was insbesondere das Familienleben betrifft, so erweist sich der Schutz, der ihm durch diese drei Rechtsordnungen - die innerstaatliche Rechtsordnung, die Rechtsordnung der Union und die Völkerrechtsordnung - gewährt wird, als komplementär. Hat ein Unionsbürger von einer der im AEUV vorgesehenen Freiheiten Gebrauch gemacht, so ist beim gegenwärtigen Stand somit das Recht auf Achtung des Familienlebens auf nationaler Ebene und auf der Ebene des Unionsrechts geschützt. Hat ein Unionsbürger von keiner dieser Freiheiten Gebrauch gemacht, so ist sein Schutz auf nationaler und auf völkerrechtlicher Ebene gewährleistet.

 

Daraus folgt, dass bei angenommener materieller Gleichartigkeit von Art 8 EMRK und Art 7 Grundrechtecharta (GRC) der Unterschied im Prüfmaßstab liegt/Während Beschränkungen von individuellen Rechten der EMRK „gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" sein müssen, dürfen Rechte aus der GRC niemals zu einer engeren Interpretation führen:

 

Auf jeden Fall darf der durch die Charta gewährleistete Schutz niemals geringer als der durch die EMRK gewährte Schutz sein.

Allerdings aber weiter reichen können:

Diese Bestimmung steht dem nicht entgegen, dass das Recht der Union einen weiter gehenden Schutz gewährt

und sind diese stets an einem erweiterten Verhältnismäßigkeitsbegriff zu messen: Es ergibt sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass etwa der ordre public-Vorbehalt als Ausnahmeregelung eng auszulegen ist und deren Umfang nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann. So wäre bei den - bei Verweigerung des Aufenthaltsrechts logisch folgenden - Fragen zur Zulässigkeit der Aufenthaltsbeendigung zu prüfen, ob Grundinteressen der Gesellschaft beeinträchtigt würden. In der Rs. C-371/0812 Ziebell hat der Gerichtshof zur Zulässigkeit der Aufenthaltsbeendigung nach strafrechtlichen Verurteilungen (!) als Voraussetzung für deren Rechtmäßigkeit gefordert, dass das

persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist

Dies bedeutet, dass die „Mindeststandards" hinsichtlich der Familienzusammenführung unter Drittstaatsbürgern nicht unterschritten werden dürfen, die Unionsbürgerschaft aber weiter reichende Rechte beinhalten kann - und gegebenenfalls auch beinhalten muss. Der VwGH judiziert dies regelmäßig, etwa in der Entscheidung vom 21.12.2010 zur ZI. 2009/21/0002

 

(...)

 

Zusammenfassend bedeutet dies:

Die BW ist nicht in der Lage, die Niederlassungsfreiheit innerhalb der europäischen Union außerhalb Deutschlands auszuüben, ihr Gatte wäre nach den Erwägungen der Behörde wiederum nicht in Lage, sich in einem anderen EU-Saat außerhalb Österreichs niederzulassen, eine gemeinsame Ausreise würde damit aus dem Unionsgebiet führen

Damit ist der Wesensgehalt der Unionsbürgerschaft betroffen

Es ist unerheblich, ob die Trennung der Familie nach der bisherigen Rechtsprechung eine Begründung in Art 8 EMRK finden könnte

 

 

Zur formellen Rechtswidrigkeit wird Folgendes angegeben:

 

(...)

 

Im gegenwärtigen Bescheid wurde in keiner Weise ausgeführt, worin die belangte Behörde ohne Abwägung von Rechten aus der Unionsbürgerschaft und der Art. 8 EMRK bzw. 7 GRC eine Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung bzw. sogar eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung sieht.

 

Aus dem offensichtlichen Schluss des Ermittlungsverfahren ohne Klärung der aufgeworfenen Fragen folgt ebenso ein Verfahrensmangel wie eine Überdehnung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH unzulässig (VwSlGNF 726A; VwGHE 87/03/0197; VwGHE 92/02/0330; VwGHE 93/09/0169) Explizit unzulässig ist die Ablehnung einer Zeugeneinvernahme unter der Annahme, der Zeuge würde nicht die Wahrheit sagen oder sich nicht erinnern können (VwGHE 94/17/0433).

 

Es ist also festzustellen, dass der gegenständliche Bescheid mangels ausreichender und nachvollziehbarer Begründung der behördlichen Entscheidung und dem Fehlen eines Ermittlungsverfahrens bzw. denklogisch nachvollziehbarer Beweiswürdigung mit formeller Rechtswidrigkeit belastet ist.

 

3. Mit Erkenntnis des UVS des Landes Oberösterreich vom 20. März 2013, zu VwSen-720336/2/BP/JO, wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

4. Einer dagegen erhobenen Beschwerde folgte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. März 2014, zu Zl. 2013/21/0085-13, und hob den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da der entscheidungswesentliche Sachverhalt unwidersprochen feststand und den Ausführungen der Bf zu ihrem Privat- und Familienleben volle Glaubwürdigkeit zugemessen wird. Nachdem sohin bloß die Klärung von Rechtsfragen vorzunehmen war, waren keine weiteren Erhebungen mehr erforderlich. Überdies besteht kein entsprechender Antrag auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung von der vertretenen Bf.

 

6. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.

 

 

II.

 

Nachdem der Sachverhalt widerspruchsfrei geklärt ist, konnte eine weiterführende Beweiswürdigung unterbleiben.

 

 

III.

 

1.1. Gemäß § 125 Abs. 22 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 68/2013, sind alle mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei einem Unabhängigen Verwaltungssenat der Länder anhängigen Berufungsverfahren und Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach diesem Bundesgesetz ab 1. Jänner 2014 vom jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 zu Ende zu führen.

 

1.2. Es ist sohin gemäß § 125 Abs. 22 FPG zur Beurteilung des vorliegenden Falles das Fremdenpolizeigesetz in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012 heranzuziehen. 

 

2. Gemäß § 66 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005– FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 in  der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 50/2012, können EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt

 

Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat die Behörde gemäß § 66 Abs. 2 FPG insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

 

3.1. Im vorliegenden Fall darf auf die Begründung des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 19. März 2014 verwiesen und diese auszugsweise wiedergegeben werden:

 

3.2. Unabhängig davon verbietet sich eine Ausweisung der Beschwerdeführerin - wie von ihr schon im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, worauf die belangte Behörde jedoch nicht eingegangen ist - nämlich jedenfalls im Hinblick auf das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Fürsorge und Jugendwohlfahrtspflege, BGBl. Nr. 258/1969.

Art. 8 des genannten Abkommens normiert nämlich Folgendes:

"Artikel 8

(1) Der Aufenthaltsstaat darf einem Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei nicht allein aus dem Grunde der Hilfsbedürftigkeit den weiteren Aufenthalt versagen oder ihn rückschaffen, es sei denn, dass er sich noch nicht ein Jahr ununterbrochen erlaubt in seinem Hoheitsgebiet aufhält. Sprechen Gründe der Menschlichkeit gegen eine solche Maßnahme, so hat sie ohne Rücksicht auf die Dauer der Anwesenheit im Aufenthaltsstaat zu unterbleiben.

(2)  Die Vorschriften dieses Abkommens stehen in keiner Weise dem Recht zur Ausweisung aus einem anderen als dem im vorstehenden Absatz erwähnten Grund entgegen."

Zu den im zitierten Art. 8 Abs. 1 erwähnten "Gründen der Menschlichkeit" wird unter Punkt A.6. des Schlussprotokolls zum Abkommen, das gemäß Art. 16 dieses Abkommens Bestandteil desselben ist, festgehalten:

"Gründe der Menschlichkeit, die einer Rückschaffung gemäß Artikel 8 Absatz 1 entgegenstehen, liegen insbesondere dann vor, wenn hiedurch enge Bindungen im Aufenthaltsstaat, vor allem eine Familiengemeinschaft, getrennt würden."

(...)

Die angedachte Trennung kommt aber jedenfalls am Boden der zitierten Abkommensbestimmungen schon "aus Gründen der Menschlichkeit" nicht in Frage, sodass sich eine zu diesem Ergebnis führende Ausweisung der Beschwerdeführerin zumindest von daher als nicht zulässig erweist.

 

4. Es war daher im Ergebnis der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Bernhard Pree