LVwG-750041/8/MB/JW
Linz, 11.06.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr.
Markus Brandstetter über die Beschwerde des X, geboren am
X, Staatsangehöriger von Gambia, vertreten durch RA
X, X, X gegen den Bescheid des Landespolizeidirektors von Oberösterreich vom 10. Dezember 2013, GZ: 1-1070015, mit dem über den Antrag des Beschwerdeführer auf Aufhebung des Bescheides mit welchem gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Rückkehrverbot verhängt wurde, abweisend entschieden wurde,
zu Recht e r k a n n t :
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und das unbefristete Rückkehrverbot wird behoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art.133 Abs.4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Bescheid des Landespolizeidirektors von Oberösterreich vom
10. Dezember 2013, GZ: 1-1070015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers (in der Folge: Bf) gem. § 69 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, vom 9. Dezember 2013 auf Aufhebung des Bescheides, mit welchem über den Bf ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen wurde, abgewiesen.
Begründend führt die belangte Behörde nach Anführung der gesetzlichen
Bestimmungen im Wesentlichen aus, dass der Bf vom LG Steyr zur Zahl: 499 010 HV/07p gem. §§ 28 Abs. 2 4. Fall, 28 Abs. 3 1. Fall, 27 Abs. 2 6. Fall, 27 Abs. 1 1. u 2. Fall SMG und § 146 StGB und § 83 StGB zu einer FS von 2 Jahren verurteilt wurde. Zunächst wird dahingehend festgehalten, dass mit der Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung gem. § 69 NAG die zugrunde liegende Entscheidung über die Verhängung des Aufenthaltsverbotes nicht mehr
angegriffen werden kann. Für die Entscheidung, ob selbiges im Rahmen des § 69 NAG aufzugeben sei, ist relevant, ob die Gefährlichkeit des Bf noch vorliege. Im Zug dieser Beurteilung wird im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darauf verwiesen, dass der Bf ein relevantes zeitliches Fenster des Wohlverhaltens vorweisen müsse. Zudem sei auf die erhöhte Rückfallgefahr bei Suchtgiftdelikten hinzuweisen. Der Bf habe im Zeitraum von ca. Mitte Juli 2006 bis Mitte September 2006 in zahlreichen Angriffen insgesamt 60 Gramm Heroin, im Juli 2006 in zwei bis drei Angriffen zumindest 2,4 Gramm, in der Zeit von Sommer 2006 bis November 2006 in mehreren Angriffen zumindest 40 Gramm Heroin und in der Zeit von Juni 2006 bis 18. Dezember 2006 in zahlreichen Angriffen zumindest 310 Gramm anderen Personen überlassen habe. Der Bf habe dies getan, um sich zu bereichern und hat es ermöglicht, dass andere Personen Suchtmittel missbrauchen. Dies sei ein massiver Eingriff in die durch die österreichische Rechtsordnung geschützten Werte. Darüber hinaus sei der Zeitraum seit seiner Entlassung aus der Strafhaft als zu gering bemessen anzusehen, um von einer wirkungsvollen Bewährung ausgehen zu können.
Weiters wägt die belangte Behörde im Rahmen des Art 8 EMRK ab, dass der Umstand der österreichischen Gattin samt dem gemeinsamen Kind und dem in Belgien geführten Leben nicht hinreicht, um dem Interesse am Privat- und Familienleben des Bf zu Durchbruch zu verhelfen.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf in rechtsfreundlicher Vertretung umfassend und rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung. Der Bf stellt darin zunächst die Anträge:
· eine mündliche Verhandlung anzuberaumen
· den Bescheid der LPD OÖ vom 10. Dezember 2013, Zl. 1-1070015, dahin abzuändern, dass dem Antrag des Bf Folge gegeben werde und das gegen den Bf verhängte unbefristete Rückkehrverbot aufgehoben werde; oder
· den Bescheid der belangten Behörde aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung nach Ergänzung des Beweisverfahrens zurückzuverweisen.
Begründend führt der Bf weiter aus, dass er sich seit seiner Haftentlassung und seit dem Ende des Tatzeitraumes wohlverhalten habe. Dies stelle einen repräsentativen Zeitraum dar. Zudem habe der Bf sein Leben gänzlich geändert. Auch sei zu erkennen, dass sich die privaten und familiären Verhältnisse des Bf zu seinen Gunsten verändert haben. Der Bf sei seit dem 8. März 2013 mit einer österreichischen Staatsbürgerin (X) verheiratet und habe mir ihr einen gemeinsamen Sohn (X). Er habe mit seiner Familie in Belgien gemeinsam gelebt. Seine Frau sei nun mit dem gemeinsamen Sohn zusammen wieder nach Österreich zurückgezogen. Insofern habe sich die Lebenssituation des Bf sowohl im privater, als auch familiärer Hinsicht vollkommen verändert.
3. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem nunmehrigen Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Schreiben vom
16. Jänner 2014 zur Entscheidung vor.
II.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem unter Punkt I. dargestellten Feststellungen der belangten Behörde bzw. dem Beschwerdevorbringen. Zudem wurde vom Landesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Zusätzlich zu den bereits vorhandenen Sachverhaltselementen wird daher nachfolgend festgestellt:
Der Bf hat eine weitere Verurteilung zur Zahl 15 HV 7/2011f vom 17. Mai 2011 vom LG Steyr gem. § 27 SMG gegen sich gelten zu lassen.
Der Bf hat die begangenen Taten bereut. Er hat mit seiner österreichischen Frau in Belgien ein gänzlich neues Leben angefangen. Der Bf ist im Jahr 2011 nach Belgien gegangen. Er hat in Belgien mit seiner Frau und seinem Sohn in einer gemeinsamen Wohnung gelebt. Der Bf hat den Lebensunterhalt für die Familie auf legalem Weg beschritten. Er ist arbeiten gegangen. Er hat keinerlei Kontakt mehr zu seinem steyrer „Freundeskreis“. Wenn der Bf nach Österreich kommt, hat er die Möglichkeit bei seiner Frau zu leben. Die Familie seiner Frau hat den Bf vollkommen – in Kenntnis seiner Vergangenheit – akzeptiert und kann den Bf gänzlich aufgenommen und gibt ihm Rückhalt. Zudem geht die Frau des Bf einer Beschäftigung nach und erlangt ca. 1.396 Euro netto per Monat. Der Bf bringt zudem einen Arbeitsvertrag, welcher unter aufschiebender Bedingung geschlossen wurde, bei. Er hat somit bei Ankunft in Österreich und Erteilung des notwendigen Titels sofort die Möglichkeit zu arbeiten.
III.
1. Gemäß § 125 Abs. 21 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 68/2013, läuft, sofern eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz, gegen die eine Berufung zulässig ist, vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassen worden ist, die Berufungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2013 noch und wurde gegen diese Entscheidung nicht bereits bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 Berufung erhoben, so kann gegen diese vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 15. Jänner 2014 Beschwerde beim jeweils zuständigen Landesverwaltungsgericht erhoben werden. Das Landesverwaltungsgericht hat in diesen Fällen dieses Bundesgesetz in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 anzuwenden. Eine gegen eine solche Entscheidung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 erhobene Berufung gilt als rechtzeitig erhobene Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG.
Es ist sohin gemäß § 125 Abs. 22 FPG zur Beurteilung des vorliegenden Falles das Fremdenpolizeigesetz in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I
Nr. 50/2012 heranzuziehen.
2. § 69 Abs. 2 FPG normiert, dass eine Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben sind, wenn die Gründe, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind.
3. Entsprechend der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes ist die Änderung des Familienstatus des Bf zu berücksichtigen und hat sich die Beurteilung des Wegfalles der Gründe am strengeren Maßstab zu orientieren (vgl. VwGH
29. September 2009, Zl. 2007/21/0336).
4. Vorweg gilt es darauf hinzuweisen, dass der Bf nunmehr mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist und daher § 65b FPG eine Anwendung des § 67 FPG gebietet.
5. Vor dem Hintergrund der Begründung des Rückkehrverbotes mit der vom Bf zu verantwortenden Suchtmittelstrafbarkeit und der im Jahr 2011 erfolgten weiteren Verurteilung, erscheint zunächst die von der belangten Behörde positiv bewertete Rückfallwahrscheinlichkeit im Bereich der Suchtgiftkriminalität als gegeben.
5.1. Es ist aber darüber hinaus zu erkennen, dass beide Verurteilungen auf Sachverhalten basieren, in denen der Bf Kontakt mit gewissen Personen im „steyrer“ Umfeld hatte. Durch diese „Peer-Group“ wurde der Bf augenscheinlich zu derartigen Delikten verleitet bzw. wurden ihm diese Delikte vorgelebt.
Hinzutritt, dass im Rahmen der ersten Verurteilung der wirtschaftliche Aspekt für den Bf eine wesentliche Rolle spielte, zumal auch Gewerbsmäßigkeit angenommen wurde.
Mit der Bekanntschaft zu seiner jetzigen Ehefrau kann eine Zäsur beim Bf in
seiner Lebensführung erkannt werden. Er hat sich nach Verlassen von Österreich in Belgien um seine Familie gekümmert. Er hat mit seiner Ehefrau und seinem Sohn in einer gemeinsamen Wohnung gelebt und den Unterhalt durch Arbeit
bestritten. In Belgien hat sich der Bf zudem nichts zu schulden kommen lassen.
Weiters ist zu erkennen, dass der Bf das für ihn schädliche Umfeld seiner
vormaligen Peer-Gruppe verlassen hat und in einem stabilen Familienverband durch seine österreichische Ehefrau und deren Familie eingebunden ist. Dieser Familienverband vermag dem Bf jene Werte und Stabilität vermitteln, um ihn von Delikten, wie er sie in der Vergangenheit begangen hat, abzuhalten. Er
erfährt eine in der Vergangenheit – in Steyr – nicht vorhandene Leitung.
Dies ist in der konkreten Situation des Bf besonders hervorzuheben, da er in
einem Alter nach Österreich gekommen ist, wo die Wertebildung in einer
wesentlichen Phase ist und der Bf gerade in dieser Zeit sich mit den strafrechtlich
geschützten Werten in der österreichischen Gesellschaft hätte auseinandersetzen und vertraut machen müssen (s zum Maßmenschen im Rahmen des § 9 StGB Höpfel im WK-StGB2 § 9 Anm. 12 mN).
5.2. Hinzutritt, dass sowohl die Wohn- als auch Finanzsituation des Bf in
Österreich als gesichert angesehen werden können. Der Bf kann bei seiner
Ehefrau Unterkunft nehmen und hat nicht nur seine Frau ein aufrechtes
Anstellungsverhältnis sondern auch der Bf die gesicherte Möglichkeit arbeiten zu gehen. Zudem besteht die breite Unterstützung der Eltern bzw der Familie der Ehefrau des Bf.
6. Im Ergebnis lässt sich sohin vor dem Hintergrund des § 65b FPG iVm § 67 FPG erkennen, dass die Gründe die eine derartige Gefährdungslage in der
Vergangenheit begründet haben, weggefallen sind.
IV.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art.133 Abs.4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Markus Brandstetter