LVwG-700046/12/BP/Ga

Linz, 22.05.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde der X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 11. März 2014,  GZ: S 34766/13-2, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes,

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 50 VwGVG  iVm. §§ 82 des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG  wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.       Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.


 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.               

 

1. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 11. März 2014, GZ. S 34766/13-2, wurde über die Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) gemäß § 82 Abs.1 SPG eine Geldstrafe in der Höhe von 100,-- Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Stunden verhängt.

 

Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:

 

Sie haben sich am 21.08.2013 von 00.07 Uhr bis 00.14 Uhr in Linz, Bahnhofplatz 3-6, Hauptbahnhof trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnahm, aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert, indem Sie sich ständig in eine Amtshandlung einmengten und dabei versuchten, den einschreitenden Polizeibeamten wegzudrängen, wobei Sie ihn am Arm zogen.

 

In ihrer Begründung führt die belangte Behörde Folgendes aus:

 

Der Tatbestand der Ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretung ist durch die eigene dienstliche Wahrnehmung der einschreitenden Polizeibeamten, der hierüber vorgelegten Anzeige vom 26.08.2013 sowie aufgrund des behördlich durchgeführten Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei erwiesen.

 

Es steht daher fest, dass Sie die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen haben.

 

Gegen die Strafverfügung vom 09.09.2013 erhoben Sie fristgerecht einen schriftlichen Einspruch ohne Begründung und beantragten die Zusendung einer Aktenkopie.

 

Mit Aufforderung vom 20.12.2013 wurden Sie zur Rechtfertigung binnen einer Frist von 2 Wochen aufgefordert. Gleichzeitig wurden Sie aufgefordert, die Ihrer Verteidigung dienlichen Beweismittel bekanntzugeben. Die Aufforderung zur Rechtfertigung enthielt gemäß § 42 Abs. 1 VStG die Androhung, dass das Strafverfahren ohne Ihre Anhörung durchgeführt wird, falls Sie dieser keine Folge leisten.

 

Laut Rückschein ist die Aufforderung postalisch hinterlegt worden, worauf Sie am 30.12.2013 erstmals zur Abholung bereitgehalten worden ist. Sie gilt daher mit diesem Tag gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz, BGBl Nr. 200/1982, als zugestellt.

 

(...)

 

Das Tatbild des aggressiven Verhaltens gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht setzt voraus, dass eine Abmahnung vorausgegangen ist. Sie wurden von dem einschreitenden Polizeibeamten unmissverständlich auf die Strafbarkeit Ihres Verhaltens hingewiesen und aufgefordert, sich zu beruhigen. Der Beamte ist dabei im Rahmen seiner gesetzlich zugewiesenen Aufgaben tätig geworden. Weiters verlangt § 82 Abs. 1 SPG, dass eine Amtshandlung behindert wurde. Indem Sie gegenüber den einschreitenden Polizeibeamten lautstark schrien, schimpften und dabei mit den Händen heftig gestikulierten als diese gerade eine Personskontrolle durchführten, haben Sie die Amtshandlung eindeutig behindert.

 

In der Sache selbst bestand für die erkennende Behörde keinerlei Anlass, an der Richtigkeit des angezeigten Sachverhaltes zu zweifeln, zumal dieser vom Meldungsleger sowohl in der Anzeige als auch in seiner Stellungnahme glaubwürdig und schlüssig geschildert wurde. Da von Ihnen weitere Angaben im Strafverfahren unterblieben sind, war für die erkennende Behörde erwiesen, dass Sie tatsächlich gegen die angeführte Bestimmung des Sicherheitspolizeigesetzes verstoßen haben, weshalb nun spruchgemäß zu entscheiden war.

 

(...)

 

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kam Ihnen zugute.

 

Bei der Strafbemessung wurde davon ausgegangen, dass Sie kein hierfür relevantes Vermögen besitzen, keine Sorgepflichten haben und ein Einkommen von mindestens € 800,-- netto monatlich beziehen.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 10. April 2014, in welcher begründend wie folgt ausgeführt wird:

 

A) Feststellungsmängel aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung

Zunächst wird im bekämpften Bescheid lediglich ausgeführt, dass die mir zur Last gelegte Verwaltungsübertretung durch die dienstliche Wahrnehmung der einschreitenden Polizeibeamten, durch die Anzeige vom 26.8.2013 und durch das behördlich durchgeführte Ermittlungsverfahren erwiesen ist. „Es steht daher fest, dass Sie die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen haben.", heißt es weiter. Eine nähere Begründung hierfür lässt der Bescheid zunächst vermissen.

Später wird bloß ausgeführt, dass ich auf die Strafbarkeit meines Verhaltens hingewiesen wurde und aufgefordert wurde mich zu beruhigen. Der Beamte sei dabei im Rahmen seiner gesetzlich zugewiesenen Aufgaben tätig geworden. Ich hätte zudem geschrien, geschimpft und mit den Händen heftig gestikuliert, als eine Personenkontrolle durchgeführt wurde.

Diese Feststellungen können aus der Anzeige aber nicht abgeleitet werden und widersprechen zudem dem Spruch des bekämpften Bescheids, in welchem es heißt ich hätte versucht die einschreitenden Polizeibeamten wegzudrängen. In der Anzeige ist von einem schreien, schimpfen oder gestikulieren nicht die Rede.

Darin heißt es, ich hätte lediglich versucht dem Festgenommenen ein Handy zu geben und später sei ich angeblich handgreiflich geworden/was ich bestreite.

Aus den von der belangten Behörde zugrunde gelegten Beweisen geht daher nicht hervor, dass ich mich aggressiv verhalten hätte. Der bekämpfte Bescheid widerspricht sich selbst und der im Akt befindlichen Anzeige, welche gegenständlich den einzigen Beweis darstellt. Der bekämpfte Bescheid erweist sich daher als rechtswidrig und ist somit ersatzlos zu beheben.

 

B) Unrichtige rechtliche Beurteilung

Die gesetzliche Bestimmung des § 82 Abs 1 SPG erfordert, abgesehen vom aggressiven Verhalten und der Behinderung einer Amtshandlung ein Fortsetzen dieses Tuns trotz vorausgegangener Abmahnung. Eine solche Abmahnung muss in rechtskonformer Weise erfolgen. „Den gesetzlichen Anforderungen an eine Abmahnung iSd § 82 Abs 1 SPG ist [...] nur dann entsprochen, wenn dem Adressaten der Amtshandlung objektiv besehen zweifelsfrei klar sein musste, dass sein bisheriges Verhalten als rechtswidrig zu qualifizieren und daher einzustellen ist, widrigenfalls weitergehende rechtliche Konsequenzen drohen; eine bloße Bitte oder ein Ersuchen an den Delinquenten, sich zu beruhigen, intendiert im Gegensatz dazu lediglich, eine Beendigung seiner bisherigen Gestion zu erreichen; Der Deliktstatbestand des § 82 Abs 1 SPG besteht nicht nur in einem aggressiven Verhalten an sich, sondern darüber hinaus auch noch in einem weiteren Verharren in diesem Zustand, und zwar trotz des Umstandes, dass dessen Rechtswidrigkeit dem Beschuldigten von öffentlicher Seite bereits unmissverständlich vor Augen' geführt wurde: Gleichsam im Fortsetzen der Rechtswidrigkeit trotz entsprechenden Hinweises des Aufsichtsorganes liegt sohin der besondere Unwertgehalt des § 82 Abs 1 SPG; eine bloße Bitte, sich zu beruhigen, ist vor einem solchen Hintergrund daher schon per se nicht geeignet, eine iSd genannten Gesetzesstelle geforderte Abmahnung zu verkörpern, weil es ihr am erforderlichen imperativen Charakter fehlt." (UVS OÖ, 13.6.2013, VwSen-231336/2/Gf/Rt).

 

Aus der Anzeige geht lediglich hervor, dass ich aufgefordert wurde, es zu Unterlassen, dem Festgenommenen ein Handy anzubieten. Einerseits ist darin kein aggressives Verhalten zu erblicken, andererseits tut dies den oben genannten Grundsätzen einer Abmahnung nicht genüge, da mir nicht mitgeteilt wurde und mir auch nicht bewusst war, dass mein Verhalten strafbar sei und mir seitens der einschreitenden Beamten - wie aus der Anzeige hervorgeht - auch keine rechtlichen Konsequenzen angedroht wurden. Der bekämpfte Bescheid ist daher auch aus diesem Grund rechtswidrig.

 

C)     Gegendarstellung zur Anzeige

Ich bestreite, versucht zu haben, die einschreitenden Beamten wegzudrängen oder einen von ihnen am Arm gezogen zu haben. Des weiteren führe ich an, dass meine Anwesenheit die Festnahme nicht behindert hat. In der Anzeige wird der Sachverhalt so dargestellt, als ob erst mit dem Eintreffen des GI X die Festgenommenen zur Polizeistation gebracht werden konnten. Diese Darstellung entspricht nicht den Tatsachen.

 

 

Es ergehen daher folgende Begehren

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge:

 

1.)    den angefochtenen Bescheid (Straferkenntnis) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts ersatzlos beheben; in eventu, sofern nicht aufgrund der Aktenlage nach 1.) vorgegangen wird

2.)    eine mündliche Verhandlung gem § 44 VwGVG durchführen und dafür

a. X als Zeugen zu laden

3.)    die verhängte Strafe herabsetzen, da ich monatlich deutlich weniger als 800 Euro zur Verfügung habe.

 

3. Mit Schreiben vom 23. April legte die Landespolizeidirektion Oberösterreich den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen.

 

Zusätzlich wurde am 21. Mai 2014 eine öffentliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durchgeführt.

 

5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem relevanten Sachverhalt aus:

 

In der Nacht auf den 21. August 2013 befand sich die Bf mit einem Freund im Zug von Wien nach Linz. Dabei nahmen die beiden wahr, dass 2 Beamte in Zivil eine Personenkontrolle bei 2 ausländischen Personen durchführten, die der deutschen Sprache nicht mächtig waren. Diese Personen wurden in ein gesondertes Abteil verbracht. Die Bf und ihr Freund wollten mit den Personen ins Gespräch kommen, ermittelten deren Sprache „Urdu“. Es wurde ihnen untersagt im Zug schon das Gespräch mit den beiden Ausländern zu führen und sie diesbezüglich auf den Zeitpunkt nach dem Verlassen des Zuges in Linz verwiesen. Dort wurden die Fremden zwei Polizeibeamten übergeben, die die Intention der Bf, einen telefonischen Kontakt mit einer Urdu-sprechenden Person herzustellen, untersagten und generell die Einmischung der Bf wie auch ihres Freundes ignorierten.

 

Dieser Freund und auch die Bf beharrten aber massiv auf der Zusage der Zivilbeamten im Zug in Linz mit den Fremden reden zu können, wobei die Bf immer wieder versuchte ihr Handy an die Fremden weiterzugeben. Die Diskussion mit den Polizeibeamten war zunächst ruhig, wurde aber im Verlauf emotionaler und auch lautstärker. Die Bf und deren Bekannter folgten den Beamten durch den Unterführungsgang in die Bahnhofshalle, wobei sich die Diskussionen fortsetzten. Schließlich wurde der Bekannte der Bf zur Ausweisleistung aufgefordert und ihm mitgeteilt, dass gegen ihn Anzeige erstattet werden würde. Der Bf gegenüber erfolgte zu diesem Zeitpunkt weder die Aufforderung zur Legitimierung noch erging die Ankündigung einer Anzeigeerstattung. Bis zuletzt versuchte die Bf an die Fremden heranzukommen, um ihnen ihr Mobiltelefon zur Verfügung zu stellen, was aber durch einen dritten Beamten, der mittlerweile zur Unterstützung angefordert worden war, durch Abschirmen verhindert wurde. Die Bf wurde auch aufgefordert ihr Verhalten einzustellen und die Örtlichkeit zu verlassen, worauf sie sich auch schließlich von der Gruppe entfernte.

 

Erst einige Minuten nach Beendigung der Verbringung der Fremden in das Wachzimmer der PI-Hauptbahnhof wendeten sich die Bf und ihr Bekannter wiederum mit dem Wunsch mit den Fremden reden zu können an die Beamten und begaben sich dazu ebenfalls ins Wachzimmer. Bei dieser Gelegenheit wurden erst die Personalia der Bf aufgenommen und sie von der Anzeigeerstattung in Kenntnis gesetzt.

 

 

II.            

 

1. Im Rahmen der öffentlichen Verhandlung war zunächst unbestritten, dass die Bf und deren Bekannter die Anhaltung der beiden Fremden im Zug von Wien nach Linz wahrgenommen hatten. Weiters ist auch völlig unbestritten, dass die Bf in Linz versuchte den Fremden einen telefonischen Kontakt mit einer – ihr bekannten – Urdu-sprechenden Person herzustellen und dazu den Fremden ihr Mobiltelefon zu übergeben. Auch die im Verlauf emotionaler werdenden und mit entsprechender Gestik begleiteten Diskussionen mit den Polizeibeamten wurden sowohl von der Bf selbst als auch vom Zeugen Kammermeier glaubhaft geschildert.

 

2. Dass die Bf einen der Beamten am Arm weggezogen oder diesen wegzudrängen versucht hätte, wurde von ihr klar bestritten und konnte in der Verhandlung nicht bestätigt werden. Dass sie aber aktiv versuchte den Fremden das Mobiltelefon zu übergeben und daran von einem Beamten durch Abschirmen gehindert wurde, ist ebenfalls unbestritten. Nach glaubhafter Aussage der Mutter der Bf wurde diese auch in der Folge aufgefordert die Örtlichkeit zu verlassen. Die Lautstärke der Diskussion bzw. des Engagements wurde von dem in der Verhandlung anwesenden und als Zeuge einvernommenen Polizeibeamten glaubhaft geschildert.

 

3. Unbestritten ist weiters, dass eine Identitätsfeststellung vorerst nur bei dem Bekannten der Bf durchgeführt wurde, der auch von der beabsichtigten Anzeigeerstattung gegen ihn in Kenntnis gesetzt wurde.

 

Erst nach erneutem Einschreiten der Bf (nach einigen Minuten und nach Beendigung der Verbringung der Personen in das Wachzimmer) wurden die Personalia der Bf aufgenommen und sie von der Anzeigeerstattung in Kenntnis gesetzt, was sich übereinstimmend aus sämtlichen Zeugenaussagen ergab. 

 

 

III.            

 

1. Gemäß § 82 Abs.1 des Sicherheitspolizeigesetzes – SPG, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 350 Euro zu bestrafen, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einem militärischen Organ im Wachdienst, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.

 

2.1. Tatbildlich im Sinn des § 82 Abs. 1 SPG ist sohin ein aggressives Verhalten einer Person gegenüber Organen (wie hier) der öffentlichen Aufsicht, während diese eine Amtshandlung durchführen. Dieses Verhalten muss zudem trotz vorangegangener Abmahnung fortgesetzt werden und darüber hinaus die Durchführung der Amtshandlung behindern.

 

2.2 Es ist völlig unbestritten, dass die beiden Beamten eine Amtshandlung im Sinne ihrer gesetzlichen Aufgaben erfüllten, indem sie zwei angehaltene Personen – zum Zweck der Identitätsfeststellung – vom Bahnsteig in die Räumlichkeiten der Polizeiinspektion verbrachten.

 

2.3. Weiters erfordert § 82 Abs. 1 SPG das Vorliegen eines aggressiven Verhaltens.

 

"Aggressiv" bedeutet so viel wie "angreifend" oder "angriffslustig". "Aggression" meint einen Überfall, einen Angriff oder feindseliges Verhalten. Unter aggressivem Verhalten ist ein sowohl in der Sprache als auch in der Bewegung der gebotenen Ruhe entbehrendes, mit ungewöhnlicher Heftigkeit verbundenes Verhalten anzusehen. Das Vertreten eines Rechtsstandpunktes, mag dies auch in entschiedener Weise geschehen, stellt eine angemessene Reaktion, nicht aber ein ungestümes Benehmen dar (vgl. Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, A.5.1. f zu § 82).

 

Weiters ist unter einem aggressiven Verhalten ein solches zu verstehen, durch das die jedem Staatsbürger gegen das Einschreiten eines obrigkeitlichen Organs zuzubilligende Abwehr vermeintlichen Unrechts derart überschritten wird, dass diese Abwehr zufolge des Tones des Vorbringens, der zur Schau gestellten Gestik oder durch beides zusammen als "aggressives Verhalten" gewertet werden muss. Solches liegt etwa vor, bei "Gebrauch lautstarker Worte verbunden mit heftiger Gestik gegenüber einem Sicherheitswachebeamten". 

 

So kann unter aggressivem Verhalten auch ein "sowohl in der Sprache als auch in der Bewegung der gebotenen Ruhe entbehrendes, mit ungewöhnlicher Heftigkeit verbundenes Verhalten" angesehen werden. In diesem Sinne reicht nach ständiger Rechtsprechung bereits allein das "Schreien mit einem Aufsichtsorgan" auch noch nach erfolgter Abmahnung zur Erfüllung des Tatbestandes aus (VwGH vom 20.12.1990, 90/10/0056; siehe auch Hauer/Keplinger, Kommentar zum Sicherheitspolizeigesetz3, Fn. 14 zu § 82  mit weiteren Verweisen). Da das Gesetz lediglich "aggressives Verhalten" verlangt, bedarf es keiner "besonderen" Aggressivität um den Tatbestand zu erfüllen.

 

Dabei ist der Inhalt der schreiend vorgebrachten Äußerungen prinzipiell gleichgültig. Tatbildlich ist sohin Schreien und/ oder heftiges Gestikulieren beides als Ausdruck der Aggressivität. Das Vertreten eines Rechtstandpunktes, mag dies auch in entschiedener Weise geschehen, stellt durchaus eine angemessene Reaktion dar und würde den zur Last gelegten Tatbestand nicht verwirklichen. Es sei denn dies geschieht in aggressiver Weise, denn auch das Vorbringen eines Rechtsstandpunktes berechtigt nicht, durch schreiendes und gestikulierendes Verhalten gegenüber einem Amtsorgan, das gesetzliche Aufgaben wahrnimmt, die in § 82 SPG gesetzten Grenzen zu überschreiten. Die Strafbarkeit ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn sich ein Verhalten als Reaktion auf die Art des Einschreitens eines behördlichen Organs darstellt, selbst wenn ein Organ ungesetzliche Anordnungen, zu deren Erlassung das Organ nur abstrakt berechtigt ist, trifft.

 

Nach dem vorliegenden Sachverhalt kann durchaus davon ausgegangen werden, dass das Verhalten der Bf der gebotenen Ruhe entbehrte. Auch, wenn sie aufgrund der Aussagen der Zivilbeamten im Zug davon ausgehen konnte, dass es ihr ermöglicht werden würde, mit den angehaltenen Personen zu reden, berechtigte sie das nicht dazu in obstinater Weise, lautstark mit den Beamten diskutierend, die Übergabe ihres Mobiltelefons an die Fremden zu erzwingen zu trachten, obwohl schon von den Beamten aufgefordert, ihr Verhalten einzustellen.

 

Es kann also das Verhalten als grundsätzlich aggressiv angesehen werden.

 

2.4. Hinsichtlich der ebenfalls in § 82 Abs. 1 SPG geforderten vorausgegangenen Abmahnung ist zunächst anzumerken, dass für eine solche keine exakte wörtliche Determinierung besteht. Dem Adressaten muss jedenfalls klar gemacht werden, dass er sein strafbares Verhalten einzustellen und damit die Behinderung der Amtshandlung aufzugeben hat. Diese Abmahnung muss grundsätzlich so vorgetragen werden, dass der Adressat sie auch wahrnehmen kann. Der Erfüllung dieser Verpflichtung steht jedoch nicht entgegen, wenn der Adressat zwar akustisch und sprachlich in der Lage ist die "Botschaft" zu erhalten, jedoch dem aussprechenden Organ keinerlei diesbezügliche Aufmerksamkeit schenken will und somit nicht aufnahmebereit ist.

 

Gerade letzteres dürfte aber im vorliegenden Fall gegeben gewesen sein, zumal die Bf – überzeugt von ihrem Rechtsstandpunkt – den Aufforderungen der Beamten sich nicht einzumischen, zunächst nicht folgte. 

 

2.5. Es ist nach dem Wortlaut des § 82 Abs. 1 SPG nicht erforderlich, dass die Amtshandlung durch das aggressive Verhalten tatsächlich gänzlich verhindert wird. Tatbildmäßig ist hier zweifelsfrei schon, dass ein geordneter Ablauf bzw. Verlauf einer Amtshandlung merklich gestört und verzögert wird.

 

Wie sich nun eindeutig aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, wurde die Bf während ihres äußerst aktiven Engagements von den Beamten nicht zur Ausweisleistung aufgefordert; dies im Gegensatz zu ihrem Bekannten, dem zudem auch die Anzeigeerstattung bekanntgegeben wurde. Sein Verhalten dürfte also von den Beamten als störender empfunden worden sein, als das der Bf.

 

Es ergibt sich also klar, dass, wenn die Bf nach Beendigung der eigentlichen Verbringung (und somit Amtshandlung) nicht selbst wieder auf der PI vorgesprochen hätte, eine Anzeigeerstattung nicht möglich gewesen wäre, da die Personalia erst nachträglich festgestellt wurden. In der in Rede stehenden Situation selbst, beabsichtigten die Beamten offenbar aber keinesfalls, die Bf wegen aggressiven Verhaltens anzuzeigen, sahen also durch ihr aggressives Verhalten die Amtshandlung nicht über Gebühr gestört.

 

Sohin ist dieses Tatbestandselement – auch im Sinne des Rechtsgrundsatzes: in dubio pro reo - nicht als verwirklicht anzusehen und von keiner entscheidenden Behinderung der Amtshandlung durch das Verhalten der Bf auszugehen. Dies wird auch dadurch erhärtet, dass die Verbringung der Fremden ohne intensivere zeitliche Verzögerungen (Die gesamte Situation dauerte auch laut Tatvorwurf nur wenige Minuten, in denen der Weg vom Bahnsteig bis zu den Räumlichkeiten der PI zurückgelegt werden musste.) durchgeführt werden konnte.

 

2.6. Es fehlt daher schon am Vorliegen des objektiven Tatbestandes, weshalb
§ 82 SPG durch das Verhalten der Bf als nicht verwaltungsstrafrechtlich relevant beeinträchtigt wurde.  

 

3. Es war daher im Ergebnis – ohne auf die weiteren Beschwerdegründe einzugehen – der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

 

4.1. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben wird.

 

4.2. In diesem Sinn war der Bf kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem LVwG aufzuerlegen.  

 

 

 

IV.         Unzulässigkeit der ordentlichen Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei:

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde / der revisionslegitimierten Formalpartei / die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Bernhard Pree