LVwG-450012/20/Gf/UD/Eg

Linz, 19.05.2014

I M  N A M E N  D E R  R E P U B L I K !

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Alfred Grof aus Anlass der Beschwerde des x, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Seewalchen am Attersee vom 7. November 2013, Zl. 851-1/2-2013, wegen der Verpflichtung zur Entrichtung von Kanalbenützungsgebühren

 

 

z u  R e c h t  e r k a n n t:

 

 

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

 

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist keine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 25a VwGG zulässig.

 

 


 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.

 

1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Seewalchen am Attersee vom 20. September 2013, Zl. 851-1/2-2013-We, wurde der Beschwerdeführer dazu verpflichtet, für seine Liegenschaft ausständige Kanalbenützungsgebühren in einer Höhe von 550,39 Euro (darin enthalten 10% USt) für die Jahre 2010 bis 2012 zu entrichten und diese binnen eines Monats ab Zustellung dieses Bescheides zur Einzahlung zu bringen (vgl. Spruchpunkt II.).

 

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass sich die Höhe dieser Zahlungsverpflichtungen aus den §§ 5, 7 und 8 der Kanalgebührenordnung der Gemeinde Seewalchen am Attersee vom 16. Dezember 2010[1] (im Folgenden: KGebO Seewalchen), ergebe, wonach für eine an das gemeindeeigene öffentliche Kanalnetz angeschlossene Liegenschaft ein Richtsatz zwischen 3,43 Euro und 3,61 Euro pro m3 bezogenen Wassers (zuzüglich 10% MwSt) zu entrichten sei. Da der Wasserverbrauch zwischen dem 1. Juli 2008 und dem 30. Juni 2010 einer Schätzung zufolge insgesamt 457 m3 (bzw. durchschnittlich 228,5 m3 pro Jahr) betragen habe, resultiere sohin nach Abzug der vom Rechtsmittelwerber bereits geleisteten Zahlungen eine Restforderung von 550,39 Euro.

 

2. Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung erhoben.

 

Darin hat der Rechtsmittelwerber der Sache nach eingewendet, dass die von der erstinstanzlichen Behörde vorgenommene Schätzung des Wasserverbrauches insofern unzutreffend sei, als er laut Zählerstand vom 1. Juli 2012 bis zum 30. Juni 2013 lediglich 161 m3 Wasser bezogen habe; zuvor, insbesondere in dem dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Zeitraum (1. Juli 2008 bis 30. Juni 2010) habe er hingegen tatsächlich insgesamt 457 m3 verbraucht. Im Übrigen verwende er seit dem 1. Juli 2013 eine alte, 40 m3 fassende Senkgrube als Brauchwasseranlage.

 

Aus diesen Gründen wurde die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

 

3. Mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Seewalchen am Attersee vom 7. November 2013, Zl. 851-1/2-2013-We, wurde diese Berufung abgewiesen und der angefochtene Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

 

Begründend wurde dazu auf die Feststellungen der erstinstanzliche Entscheidung verwiesen und zudem ausgeführt, dass deshalb eine Schätzung des Wasserverbrauches habe vorgenommen werden müssen, weil der Rechtsmittelwerber der Gemeinde keine Zählerstände gemeldet bzw. er den Gemeindebediensteten eine Zählerablesung verweigert habe.

 

4. Gegen diesen ihm am 12. November 2013 zugestellten Bescheid hat der Rechtsmittelwerber rechtzeitig Vorstellung an die Oö. Landesregierung erhoben.

 

Darin wurde neuerlich darauf hingewiesen, dass die amtswegige Verbrauchsschätzung für den Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis zum 30. Juni 2013 unzutreffend sei, nämlich anstelle von 228 m3 tatsächlich bloß 161 m3 Wasser betragen habe; Analoges gelte für den Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2013. Dass der Beschwerdeführer keine fremden Personen mehr in sein Haus lasse, erkläre sich einerseits daraus, dass die Gemeinde ohne sein Wissen aus der EDV-Anlage der Wassergenossenschaft Seewalchen auf ihn bezogene Daten abgefragt habe und ihm andererseits zwei wertvolle Violinen sowie Werkzeug abhanden gekommen sei.

 

Daher wird – erschließbar – die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt; ein Antrag auf eine vorläufige Aussetzung der Einhebung der vorgeschriebenen Abgabe wurde aber weder explizit noch zumindest der Sache gestellt.

 

5. Mit Schreiben der Oö. Landesregierung vom 16. Dezember 2013, Zl. IKD(BauR)-080000/1-2013-Pe/Wm, wurde diese Vorstellung im Hinblick auf die am 1. Jänner 2014 in Kraft tretende (bzw. getretene) Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle BGBl.Nr. I 51/2012 dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt.

 

In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass das Vorstellungsverfahren von der do. Behörde nicht mehr erledigt werden könne, was insbesondere durch die äußerst angespannte Personalsituation begründet sei.

 

6. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes des Landes Oberösterreich vom 30. Jänner 2014, LVwG-450012/2/Gf/Rt, wurde festgestellt, dass dieser – nunmehr als Beschwerde i.S.d. Art. 131 B-VG zu wertenden – Vorstellung nach § 254 BAO keine aufschiebende Wirkung zukommt.

 

 

II.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Ein-sichtnahme in den von der Gemeinde Seewalchen am Attersee vorgelegten Akt zu Zl. 851/2013; seinen Antrag auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung hat der Beschwerdeführer am 14. Mai 2014 wieder zurückgezogen, sodass eine solche gemäß § 274 BAO unterbleiben konnte.

 

 

III.

 

In der Sache selbst hat das Verwaltungsgericht des Landes Oberösterreich erwogen:

 

1.1. Im Wege des § 15 Abs. 3 Z. 4 des (derzeit maßgeblichen) Finanzausgleichsgesetzes 2008, BGBl.Nr. I 103/2007 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 165/2013 (im Folgenden: FAG 2008), sind die Gemeinden u.a. dazu ermächtigt, im eigenen Wirkungsbereich („auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung“; vgl. Art. 116 Abs. 2 B-VG i.V.m. § 7 Abs. 5 F-VG) Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und ‑anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, auszuschreiben.

 

1.2. Nach § 5 KGebO Seewalchen haben die Eigentümer der an die Kanalanlage der Gemeinde angeschlossenen Grundstücke eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, die sich aus einer vom tatsächlichen Abwasseranfall unabhängigen Grundgebühr in Höhe von 97,79 Euro und aus einer verbrauchsabhängigen Gebühr in Höhe von 3,49 Euro (bzw. bis zum 30. Juni 2011: 3,43 Euro; ab dem 1. Juli 2012: 3,61 Euro) pro m3 bezogenen Wassers zusammensetzt.

 

2. Im gegenständlichen Fall ist die belangte Behörde zunächst unter Heranziehung der von der Wassergenossenschaft Seewalchen davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2009 insgesamt 238 m3 Wasser und im Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis zum 30. Juni 2010 insgesamt 219 m3 Wasser bezogen hat. Da der Rechtsmittelwerber den Gemeindeorganen weder den Zählerstand bekanntgegeben noch diesen Zutritt zu seinem Anwesen gewährt hat, wurde der Berechnung der Kanalbenützungsgebühr der aus dem Zeitraum zwischen dem 1. Juli 2008 und dem 30. Juni 2010 resultierende durchschnittliche jährliche Wasserverbrauch von (gerundet) 228 m3 zu Grunde gelegt und die Höhe dieser Gebühr wie folgt ermittelt:

 

Zeitraum 1. Juli 2010 bis 30. Juni 2011: 228 m3 mal 3,43 Euro = 860,24 Euro

Zeitraum 1. Juli 2011 bis 30. Juni 2012: 228 m3 mal 3,49 Euro = 875,29 Euro

Zeitraum 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013: 228 m3 mal 3,61 Euro = 905,39 Euro

 

Daraus resultierte für diese drei Jahre eine Gebührenschuld in Höhe von insgesamt 2.640,92 Euro; weil der Beschwerdeführer davon lediglich 2.090,53 Euro beglichen hat, wurde ihm die Bezahlung der Restforderung von 550,39 Euro bescheidmäßig vorgeschrieben.

 

3.1. Hinsichtlich der Frage, wie vorzugehen ist, wenn die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Gebührenvorschreibung nicht ermitteln kann, ist der belangten Behörde zwar grundsätzlich darin beizupflichten, dass § 184 BAO insofern auch die Möglichkeit einer amtswegigen Schätzung vorsieht.

 

3.2. Allerdings hat sich die Behörde im gegenständlichen Fall mit dem bereits in der Berufung vom 6. Oktober 2013 erstatteten Vorbringen des Beschwerdeführers dahin, dass der Wasserverbrauch laut jeweiligem Zählerstand folgendes tatsächliche Ausmaß aufgewiesen habe:

 

vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2009: 238 m3

vom 1. Juli 2009 bis zum 30. Juni 2010: 219 m3

vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2011: 181 m3

vom 1. Juli 2011 bis zum 30. Juni 2012: 181 m3 und

vom 1. Juli 2012 bis zum 30. Juni 2013: 161 m3

 

in keiner Weise inhaltlich auseinandergesetzt. Dies wäre aber schon deshalb erforderlich gewesen, weil zum einem der Rechtsmittelwerber damit seiner Verpflichtung zur Bekanntgabe gemäß § 119 BAO zumindest dem Grunde nach entsprochen hat und zum anderen die von ihm für die Zeiträume vom 1. Juli 2008 bis zum 30. Juni 2009 und vom 1. Juli 2009 bis zum 30. Juni 2010 angegebenen Verbrauchsmengen (238 m3 bzw. 219 m3) jeweils jenen entsprachen, von denen auch die Behörde selbst ausgegangen ist.

 

Objektiv besehen bestand daher kein zwingender Anlass dafür, an den vom Beschwerdeführer angegebenen Zahlen zu zweifeln. Hätte die Behörde diesbezügliche Bedenken gehabt, so wären hierfür zunächst jene Befugnisse heranzuziehen gewesen, die für eine entsprechende Klärung von Amts wegen gesetzlich vorgesehen sind (vgl. etwa § 111 BAO, § 141 BAO und/oder § 143 BAO), wobei in diesem Zusammenhang insbesondere auf die in § 158 BAO normierte Beistandspflichten – hier: der Wassergenossenschaft Seewalchen zur Bekanntgabe der Verbrauchsmengen bzw. Zählerstände – hinzuweisen ist. Nur wenn eine solche Vorgangsweise zu keinem verwertbaren Resultat geführt hätte, hätte eine Schätzung vorgenommen werden dürfen (arg. „Soweit die Abgabenbehörde die Grundlage für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann“ in § 184 Abs. 1 BAO, wobei unter dem Begriff „ermitteln“ – wie aus der Überschrift zum 5. Abschnitt der BAO hervorgeht – offenkundig zunächst die in den §§ 161 bis 183 BAO normierten Verfahrensschritte zu verstehen sind).

 

3.3. Von den vom Rechtsmittelwerber angegebenen, mangels gegenteiliger Hinweise objektiv als glaubwürdig zu qualifizierenden Verbrauchsmengen ausgehend ergibt sich daher folgende Berechnung der Höhe der Kanalbenützungsgebühr (jeweils exkl. 10% USt):

 

Zeitraum 1. Juli 2010 bis 30. Juni 2011: 181 m3 mal 3,43 Euro = 620,83 Euro

Zeitraum 1. Juli 2011 bis 30. Juni 2012: 181 m3 mal 3,49 Euro = 631,69 Euro

Zeitraum 1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013: 161 m3 mal 3,61 Euro = 581,21 Euro

 

Stellt man der sonach resultierenden Gesamtsumme von (1.833,73 Euro + 10% USt =) 2.017,10 Euro die vom Beschwerdeführer bereits geleisteten Zahlungen in Höhe von 2.090,53 Euro gegenüber, so ergibt sich daraus insgesamt, dass für diese Zeiträume keine Gebührenschuld verbleibt.

 

3.4. Davon ausgehend war daher der vorliegenden Beschwerde gemäß § 279 Abs. 1 BAO stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

 

3.5. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass seitens der belangten Behörde gemäß § 303 BAO u.a. dann eine amtswegige Wiederaufnahme dieses nunmehr rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens verfügt werden könnte, wenn neue Belege dafür, dass die unter Pkt. 3.3. festgestellten Verbrauchsmengen tatsächlich höher waren, hervorkommen sollten.

 

 

IV.

 

Eine ordentliche Revision ist gegen dieses Erkenntnis unzulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt.

 

 

 

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

 

1. Es besteht die Möglichkeit, gegen dieses Erkenntnis innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof hingegen beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision muss jeweils durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 26,- Euro angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.


 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

 

Dr.  G r o f

 

 

 

LVwG-450012/20/Gf/UD/Eg vom 19. Mai 2014

 

Rechtssatz

 

Erkenntnis

 

§ 111 BAO

§ 141 BAO

§ 143 BAO

§ 158 BAO

§ 184 BAO

§ 303 BAO

KanalGebO der Gemeinde Seewalchen

 

* Objektiv besehen bestand kein zwingender Anlass dafür, an den vom Bf. angegebenen Verbrauchsmengen zu zweifeln. Hätte die Behörde jedoch diesbezüglich Bedenken gehabt, so wären hierfür zunächst jene Befugnisse heranzuziehen gewesen, die für eine entsprechende Klärung von Amts wegen gesetzlich vorgesehen sind (vgl. etwa § 111 BAO, § 141 BAO und/oder § 143 BAO), wobei in diesem Zusammenhang insbesondere auf die in § 158 BAO normierte Beistandspflichten – hier: der Wassergenossenschaft zur Bekanntgabe der Verbrauchsmengen bzw. Zählerstände – hinzuweisen ist. Nur wenn eine solche Vorgangsweise zu keinem verwertbaren Resultat geführt hätte, hätte eine Schätzung vorgenommen werden dürfen (arg. „Soweit die Abgabenbehörde die Grundlage für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann“ in § 184 Abs. 1 BAO, wobei unter dem Begriff „ermitteln“ – wie aus der Überschrift zum 5. Abschnitt der BAO hervorgeht – offenkundig zunächst die in den §§ 161 bis 183 BAO normierten Verfahrensschritte zu verstehen sind).

 

* Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass seitens der belangten Behörde gemäß § 303 BAO u.a. dann eine amtswegige Wiederaufnahme dieses nunmehr rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens verfügt werden könnte, wenn neue Belege dafür, dass die dieser Entscheidung zu Grunde gelegten Verbrauchsmengen tatsächlich höher waren, hervorkommen sollten.

 

 

Schlagworte:

Abgabenfestsetzung; Grundlagenermittlung; Zwangsbefugnisse; Eingriffsbefugnisse; Auskunftspflichten; Mitwirkungspflichten

 

 

 



[1] Abrufbar unter: http://www.seewalchen.eu/gemeindeamt/html/138352_1.pdf