LVwG-450033/2/Zo/JW
Linz, 20.05.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Gottfried Zöbl über die Beschwerde der x, vom 11.4.2014, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Pierbach vom 10.3.2014, Zl. 850/1/2014 wegen Vorschreibung der Wasserbezugsgebühr für den Zeitraum von Oktober 2011 bis September 2012
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 279 Abs. 1 BAO wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist keine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Der Gemeinderat der Gemeinde Pierbach hat mit dem angefochtenen Bescheid den Spruch des Bescheides des Bürgermeisters der Gemeinde Pierbach vom 12. 6. 2013, Steuernummer x, dahingehend abgeändert, dass die Wasserbezugsgebühr für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2011 in Höhe von € 49,968 und für den Zeitraum von Jänner bis September 2012 in Höhe von
€ 155,407 festgelegt wurde. 50 % der so errechneten Wasserbezugsgebühr und somit € 102,69 waren als Vorauszahlung per 15. Mai 2013 vorzuschreiben.
I.2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde machten die Beschwerdeführer zusammengefasst geltend, dass aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung mit der Gemeinde Pierbach eine jährliche kostenlose Wasserlieferung bis 150 m³ vereinbart sei. Der Wasserverbrauch für den Ablesezeitraum Oktober 2011 bis September 2012 habe lediglich 139 m³ betragen, weshalb die Vorschreibung einer Wasserbezugsgebühr Vertrags- und rechtswidrig sei.
Die Gemeinde Pierbach habe mit privatrechtlichem Vertrag vom 10.7 1973 die Befreiung der Wasserbezugsgebühr bis zu einem jährlichen Verbrauch von
150 m³ auf immerwährende Zeiten gewährt, wogegen sie selbst auf ein immer währendes Servitut verzichtet haben. An diese Vereinbarung sei auch die heutige Gemeindevertretung gebunden.
Der Umstand, dass die Gemeindeaufsicht diese „Großzügigkeit“ gerügt habe, ändere nichts an der Verpflichtung der Gemeinde gegenüber den Beschwerdeführern. Sie werden daher die Bezahlung dieser nicht geschuldeten Leistung ablehnen. Jedenfalls müsse sie die Gemeinde hinsichtlich der Wassergebühren bis zu 150 m³ jährlich schadlos halten.
I.3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde mit Schreiben vom 16.4.2014 ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungs-gericht Oberösterreich vorgelegt. Dieses entscheidet gemäß § 272 Abs 1 BAO durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.
I.4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt. Aus diesem ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze, weshalb eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht erforderlich war. Eine solche wurde auch weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag beantragt (§274 Abs. 1 BAO).
I.5. Daraus ergibt sich folgender entscheidungswesentliche S a c h v e r h a l t:
Die Beschwerdeführer sind Eigentümer der Liegenschaft x. Diese Liegenschaft ist an die gemeindeeigene Wasserversorgung angeschlossen. Im Zeitraum von Oktober 2011 bis September 2012 betrug der Wasserverbrauch 139 m³.
Zwischen der Gemeinde Pierbach und den Rechtsvorgängern der Beschwerdeführer wurde am 10.7.1973 im Zuge der Errichtung eines x folgende Vereinbarung getroffen:
1. Die Häuser x und x werden ohne Entrichtung der Anschlußgebühr an die Ortswasserleitung angeschlossen.
2. Für beide Häuser gewährt die Gemeinde auf immerwährende Zeiten
150 m³ Wasser frei. Der übrige Wasserverbrauch ist zum jeweils festgelegten Preis zu bezahlen.
3. Als Gegenleistung erklärten sich die Besitzer der angeführten Grundstücke bereit, ihr auf dem „Schulgrundstück“ bestehendes Wasserrecht aufzulassen.
Diese Vereinbarung wurde vom Gemeinderat der Gemeinde Pierbach am 8.9.1973 einstimmig genehmigt. Festgelegt wurde, dass die monatliche Zählergebühr zu entrichten ist.
Bei einer Prüfung der Gebarung der Gemeinde Pierbach im Jahr 2012 wurde von den Gemeindeprüfern diese Vereinbarung kritisiert, weil sie nicht mehr zeitgemäß sei und in der Gebührenordnung der Gemeinde keine Deckung finde. Der Bürgermeister der Gemeinde Pierbach erließ in weiterer Folge den Bescheid vom 11.6.2013 betreffend die o.a. Wassergebühr. Aufgrund einer Berufung wurde in weiterer Folge vom Gemeinderat der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen.
II. Gemäß § 14 Abs. 3 lit. d Finanzausgleichsgesetz 1972, BGBl. Nr. 445/1972, werden die Gemeinden ferner ermächtigt, durch Beschluss der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weitergehende Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben:
Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenbauten.
Auf Basis dieser gesetzlichen Ermächtigung hat der Gemeinderat der Gemeinde Pierbach am 30.3.1968 die Wassergebühr einstimmig mit S 2,50 pro m³ festgesetzt.
Die jetzt geltende Bestimmung des § 15 Abs. 3 Ziffer 4 Finanzausgleichsgesetze 2008 lautet wie folgt: Die Gemeinden werden ermächtigt, durch Beschluss der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weitergehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben:
…
4. Gebühren für die Benutzung von Gemeindeeinrichtungen und Anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, bis zu einem Ausmaß, bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlagen sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt;
….
§ 4 der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Pierbach vom
16. Dezember 2010 (für das Jahr 2011) bzw. vom 15.12.2011 (für das Jahr 2012), mit dem eine Wassergebührenordnung für die Gemeinde Pierbach erlassen wird, lautet wie folgt:
Abs. 1: Der Gebührenpflichtige gemäß § 1 hat eine jährliche Wasserbenützungsgebühr zu entrichten.
Abs. 2: Für die Abgeltung der vom tatsächlichen Wasseranfall unabhängigen Kosten wird eine jährliche Grundgrundgebühr je Anschluss, bei Häusern mit mehreren Wohneinheiten je angefangene 2 Wohneinheiten, in Höhe von € 60 festgesetzt.
Abs. 3: Zusätzlich wird eine verbrauchsabhängige Gebühr eingehoben. Diese beträgt € 1,44 inkl. 10 % USt (für das Jahr 2011) bzw. € 1,49 inkl. 10 % USt (für das Jahr 2012) pro Kubikmeter des mittels Zähler gemessenen Wasserverbrauchs.
Abs. 4: Der Gebührenpflichtige hat für die Beistellung des Wasserzählers eine jährliche Zählergebühr in Höhe von € 10,80 zu entrichten.
III. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:
III.1. Die Gemeinde Pierbach hat im Verfahren darauf hingewiesen, dass auf Grund der Wasserleitungsverordnung der Gemeinde aus dem Jahr 1969 die damaligen Liegenschaftseigentümer bereits damals verpflichtet gewesen wären, an die gemeindeeigene Wasserversorgung anzuschließen. Sie hätten daher bereits damals die Anschlussgebühren und in weiterer Folge auch die laufenden Wasserbezugsgebühren bezahlen müssen.
Dazu ist anzuführen, dass die Anschlussgebühr auf Basis des Interessentenbeiträgegesetzes 1958 vorzuschreiben gewesen wäre. Rechtsgrundlage für die Kostentragung betreffend die Einrichtungen innerhalb des angeschlossenen Objektes und den Anschluss an die Versorgungsleitung war das Gemeinde-Wasserversorgungsgesetz 1956. Bezüglich dieser Kosten beschloss der Gemeinderat in der o.a. Vereinbarung vom September 1973, dass der Anschluss ohne Entrichtung der Anschlussgebühr erfolgte. Diese Kosten sind nicht Gegenstand des jetzigen Verfahrens, weshalb die Rechtmäßigkeit des damaligen Gemeinderatsbeschlusses in diesem Punkt nicht weiter geprüft werden muss.
III.2.1. Betreffend die Wasserbenützungsgebühr geht die Gemeinde Pierbach – der Ansicht der Gemeindeprüfung folgend – davon aus, dass die damals vereinbarte Gebührenbefreiung in der Wassergebührenordnung keine Deckung finde. Da das Objekt verpflichtend an die gemeindeeigene Wasserversorgung anzuschließen gewesen wäre, sei die Gebührenbefreiung nicht (mehr) gerechtfertigt.
Dazu ist festzuhalten, dass die Vereinbarung zwischen der Gemeinde Pierbach und den Rechtsvorgängern der Beschwerdeführer aus dem Jahr 1973 an Hand der damals geltenden Rechtslage zu beurteilen ist. Allenfalls in der Zwischenzeit eingetretene Änderungen der Rechtslage können die (Un)Gültigkeit dieser Vereinbarung nicht abändern (vgl. dazu Rummel, ABGB, § 879, RZ 16).
III.2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH sind Entstehung, Inhalt und Erlöschen einer Abgabenschuld einschließlich des diesbezüglichen Verfahrens und der diesbezüglichen Rechtsformen hoheitlichen Handelns – entsprechend dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Abgabenverwaltung – ausschließlich durch das Gesetz geregelt. Das Gesetz sieht nicht vor, dass die Abgabenschuld ungeachtet der Verwirklichung des Abgabentatbestandes im Falle einer gegenteiligen „Vereinbarung“ zwischen Abgabenschuldner und Abgabengläubiger nicht entstünde oder zum Wegfall gelangte (VwGH v. 15.3.2012, 2011/17/0139, m.w.N.).
Rechtsgrundlage für die Vorschreibung der Wasserbenützungsgebühr war zum Zeitpunkt der Vereinbarung zwischen der Gemeinde Pierbach und den Rechtsvorgängern der Beschwerdeführer § 14 Abs. 3 lit. d des Finanzausgleichsgesetzes BGBl Nr. 445/1972. Diese Bestimmung ermächtigte den Gemeinderat, für die Benützung von Gemeindeanlagen (also auch für das aus der gemeindeeigenen Wasserversorgung bezogene Wasser) durch einen Beschluss eine Gebühr auszuschreiben. Entsprechend dieser Ermächtigung hat der Gemeinderat mit Beschluss vom 30.3.1968 eine Wassergebühr in Höhe von 2,50 Schilling pro m³ festgesetzt. Eine Verpflichtung der Gemeinde zur Vorschreibung einer Gebühr in bestimmter Höhe oder ab dem 1. m³ bezogener Menge ist den damaligen Rechtsgrundlagen nicht zu entnehmen.
Eine bloße privatrechtliche Vereinbarung zwischen der Gemeinde und einer „wasserbeziehenden“ Person wäre nach der oa. Rechtsprechung des VwGH nicht geeignet, das Entstehen dieses Abgabenanspruches zu verhindern. Allerdings handelt es sich bei der Vereinbarung zwischen der Gemeinde Pierbach und den Rechtsvorgängern der Beschwerdeführer nicht um eine rein privatrechtliche Vereinbarung. Diese Vereinbarung wurde nämlich vom Gemeinderat am 8.9.1973 einstimmig genehmigt. Damit ist auch diese Vereinbarung als „Beschluss der Gemeindevertretung“ anzusehen. Sie kann sich daher ebenfalls auf die Bestimmung des § 14 Abs. 3 lit. d Finanzausgleichsgesetz stützen und steht formal auf der gleichen Ebene wie jener Beschluss aus dem Jahr 1968, mit dem die Wassergebühr festgesetzt wurde. Der Beschluss der Gemeindevertretung vom 8.9.1973, mit welchem den Beschwerdeführern jährlich 150 m³ Wasser gratis zugestanden wurden, verstößt – soweit ersichtlich – auch nicht gegen sonstige zwingende öffentlich-rechtliche Bestimmungen und ist daher gültig. Würde man den angeführten Beschluss des Gemeinderates vom 8.9.1973 hingegen bloß als Genehmigung eines vom Bürgermeister abgeschlossenen privatrechtlichen Vertrages ansehen, so wäre die Gemeinde Pierbach wohl dennoch verpflichtet, die Beschwerdeführer schadlos zu halten. Das im Verwaltungsverfahren grundsätzlich anzuwendende Effizienzprinzip spricht daher dafür, den o.a. Beschluss ebenfalls als solchen auf Basis des FAG zu werten.
III.3. Der Umstand, dass in der Zwischenzeit (bzw. nach der Mitteilung der Gemeinde Pierbach auch schon im Jahr 1973) eine Anschlusspflicht an die gemeindeeigene Wasserversorgung besteht (bzw. bestanden hat), ändert nichts an der Frage, ob (bzw. ab welcher Menge) für das bezogene Wasser eine Wasserbenützungsgebühr zu entrichten ist. Es mag sein, dass die im Jahr 1973 abgeschlossene Vereinbarung, welche – wie oben dargestellt – einen Beschluss des Gemeinderates gem. § 14 FAG darstellt, langfristig für die Beschwerdeführer günstig ist. Jedenfalls handelt es sich um einen gültigen, der damaligen Rechtslage entsprechenden Beschluss des zuständigen Organes. Er ist daher weiter anzuwenden, weshalb der gegenständliche Bescheid, mit dem eine Wasserbenützungsgebühr für weniger als 150 m³ in einem Jahr vorgeschrieben wurde, aufzuheben war.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Vorschreibung von Abgaben ab, noch fehlt es an einer solchen. Die Entscheidung berücksichtigt ausdrücklich die o.a. Judikatur, welche auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen ist. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Die Abfassung und Einbringung der Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder durch einen bevollmächtigten Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer bzw. eine bevollmächtigte Steuerberaterin oder Wirtschaftsprüferin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Gottfried Zöbl
Beachte:
Das angefochtene Erkenntnis wurde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
VwGH vom 15. Dezember 2016, Zl.: Ra 2014/17/0015-6