LVwG-400034/2/MZ/TK

Linz, 16.05.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde des x, vertreten durch x, gegen
den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 14.4.2014,
GZ: VerkR96-2131-2014, betreffend einer Übertretung des Bundesstraßen­mautgesetzes

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Der Beschwerde wird stattgegeben und die Geldstrafe auf 150,- EUR, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 60 Stunden sowie der Verfahrenskostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren vor der belangten Behörde auf 15,- EUR herabgesetzt.

 

II.       Der Beschwerdeführer hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht zu leisten.

 

III.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.             a) Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 14.4.2014, GZ: VerkR96-2131-2014, wurde dem Beschwerdeführer (in Folge: Bf) angelastet, am 24.10.2013 um 13.05 Uhr als Kraftfahrzeuglenker das Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen x im Gemeindegebiet von Sattledt auf dem Parkplatz der Raststation Voralpenkreuz an der A8 bei ABKm. 2,000 abgestellt und somit ein mautpflichtiges Straßennetz benützt, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut unterliegt, welche vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten ist. Am Fahrzeug sei eine abgelaufene Mautvignette angebracht gewesen.

 

Der Bf habe somit §§ 20 Abs 1 iVm 10 Abs 1 und 11 Abs 1 BStMG 2002 übertreten, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 300,-EUR, ersatzweise eine Freiheitsstrafe von 120 Stunden, verhängt wurde.

 

b) Gegen diesen Bescheid erhob der Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde, die sich nur gegen die Höhe des von der belangten Behörde festgelegten Strafbetrages bzw die Nichtanwendung des § 20 VStG richtet.

 

II. a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des Bezug habenden Verwaltungsstrafaktes mit Vorlageschreiben vom 6.5.2014, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

b) Gemäß § 44 Abs 2 VwGVG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung angesichts der Tatsache, dass bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der Beschwerde stattzugeben ist, unterbleiben.

 

III. Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt steht unstrittig fest:

 

Am 24.10.2013 um 13.05 Uhr befand sich der PKW mit dem amtlichen Kennzeichen x im Gemeindegebiet von Sattledt auf dem Parkplatz der Raststation Voralpenkreuz. Abgestellt wurde der PKW vom am x geborenen, bis dato unbescholtenen Bf, der den Parkplatz nicht über das Autobahnnetz sondern über eine Gemeindestraße erreichte. Der Bf ist arbeitslos und bezieht vom AMS monatlich 307,60,- EUR.

 

IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

a) Dass der Bf eine Übertretung des § 10 Abs 1 BStMG 2002 verwirklicht hat ist, da sich die Beschwerde ausschließlich gegen die Strafhöhe richtet, rechtskräftig und bindend festgestellt. § 20 Abs 1 BStMG sieht für derartige Übertretungen einen Strafrahmen von 300,- bis 3.000,-EUR vor.

 

Die belangte Behörde hat dem Bf die in der letztgenannten Bestimmung genannte Mindeststrafe auferlegt und eine Anwendbarkeit des § 20 VStG, der die Unterschreitung der Mindeststrafe bis auf die Hälfte ermöglicht, verneint. Aufgrund des Beschwerdevorbringens ist vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zu prüfen, ob die Nichtanwendung des § 20 VStG zu Recht erfolgt ist.

 

b) Der unter der Überschrift „Außerordentliche Milderung der Strafe“ stehende § 20 VStG lautet:

„Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, so kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.“

 

§ 20 VStG stellt damit – bis zu einem gewissen Grad – eine Ausnahme vom Grundsatz des § 10 VStG dar, wonach sich der Strafsatz nach den Verwaltungsvorschriften richtet, soweit das VStG selbst nicht anderes bestimmt. Was unter den Erschwerungs- und Milderungsgründen zu verstehen ist, wird durch § 19 Abs 2 VStG geregelt, der die §§ 32-35 StGB, welche die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung sowie demonstrative Kataloge von besonderen Erschwerungs- und Milderungsgründen sinngemäß auch im Verwaltungs­strafverfahren für anwendbar erklärt.

 

Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 20 VStG, der für jene Fälle gedacht ist, in denen selbst eine Strafe, die der Untergrenze des Strafrahmens entspricht zu hart wäre, ist ua das „beträchtliche überwiegen“ der Milderungs- über die Erschwerungsgründe. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungs­gerichtshofes kommt es dabei jedoch nicht auf eine rein quantitative Betrachtung an. Die jeweilige Anzahl der im konkreten Fall vorliegenden Milderungs- und Erschwerungsgründe ist insofern nicht ausschlaggebend, als es ausschließlich auf deren Bedeutung im Rahmen dieses konkreten Sachverhaltes ankommt
(VwGH 15.12.1989, 89/09/0100; 27.2.1992, 92/09/0095).

 

Der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zufolge ist das Überwiegen der Milderungsgründe jedenfalls in nachvollziehbarer Weise darzutun, indem die Milderungs- und Erschwerungsgründe gegenübergestellt werden und dargelegt wird, dass und weshalb das Gewicht der Milderungsgründe jenes der Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegt (VwGH 11.5.2004, 2004/02/0005 uva). Zu beachten ist, dass der jüngeren Rechtsprechung zufolge aus dem Nichtvorliegen von Erschwerungsgründen alleine nicht das Überwiegen der Milderungsgründe abgeleitet werden kann (vgl VwGH 6.11.2002, 2002/02/0125). Vielmehr ist auch hier eine Abwägung im Einzelfall unter Berücksichtigung des Gewichts der einzelnen Gründe durchzuführen, wobei dabei auch der Unrechtsgehalt der Verwaltungsübertretung zu bewerten ist (VwGH 20.9.2000, 2000/03/0224).

 

c) Im konkreten Fall sind für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich keine Erschwerungsgründe erkennbar bzw wurden solche auch von der belangten Behörde nicht angeführt.

 

Als Milderungsgrund ging die belangte Behörde von der Unbescholtenheit des Bf aus; andere Milderungsgründe wären nicht hervorgekommen. Zu Recht ging die belangte Behörde dabei davon aus, dass das Einkommen des Bf kein Milderungsgrund sondern bei der Strafzumessung heranzuziehen ist. Sie übersieht jedoch, dass der Bf im Tatzeitpunkt das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, was gem § 34 Abs 1 Z 1 StGB einen besonderen Milderungs­grund darstellt.

 

In casu steht damit den Milderungsgründen der Unbescholtenheit und des jungen Lebensalters des Bf kein Erschwerungsgrund gegenüber. Auch der Unrechts­gehalt der Verwaltungsübertretung vermag vom erkennenden Mitglied des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich nicht als sehr hoch angesehen zu werden: Der Bf ist zwar im Unrecht wenn er vorbringt, zu keiner Zeit das mautpflichtige Straßennetz benutzt zu haben, da eben auch der Parkplatz der Autobahnraststätte diesem Straßennetz angehört und dies Voraussetzung für das strafbare Verhalten ist. Es ist jedoch zweifellos ein völlig verschiedenes Verhalten, ob eine Person zum Zwecke der Raumüberwindung eine mautpflichtige Straße ohne die Maut zu entrichten benützt, oder ob „bloß“ eine der Mautpflicht unterliegende Fläche zum Abstellen eines KFZ herangezogen wird.

 

Vor diesem Hintergrund vertritt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Auffassung, dass im konkreten Einzelfall eine (einmalige) Anwendbarkeit des § 20 VStG gegeben ist.

 

d) Bei der abschließend notwendigen Strafzumessung ist aufgrund des im vorigen Punkt erlangten Ergebnisses von einem Strafrahmen von 150,- bis 3.000,- EUR auszugehen.

 

Der Bf bezieht vom AMS monatlich 307,60,- EUR. Eine Geldstrafe in der Höhe der Mindeststrafe stellt somit in etwa die Hälfte der monatlichen Einkünfte dar und wird vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich als ausreichend angesehen, um den bis dato unbescholtenen Bf in Hinkunft von derartigen Übertretungen abzuhalten. Auch aus generalpräventiver Sicht dürfte nichts gegen eine derartige Vorgehensweise sprechen.

 

V. § 52 Abs 8 VwGVG zufolge sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Bf nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist. Der Beitrag zu den Kosten für das behördliche Verfahren war gem § 64 Abs 1 und 2 VStG entsprechend der Herabsetzung der Strafhöhe zu reduzieren.

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, die über den Einzelfall hinaus wirken würde, vorliegen. Die gegenständliche Entscheidung weicht zudem weder von der bisherigen (zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Zeinhofer