LVwG-600247/14/Br/SA
Linz, 15.05.2014
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. H. Bleier über die Beschwerde des F K, X, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. J K u. Dr. C H , X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis, vom 11.2.2014, GZ: VerkR96-11402-2013, nach der am 14.5.2014 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben; das Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs.9 VwGVG entfällt jeglicher Verfahrens-kostenbeitrag.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschwerdeführer wegen der Übertretung nach § 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 und § 4 Abs.1 lit.a iVm § 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 zwei Geldstrafen [ 1) 200 € und 2) 250 € und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 56 und 72 Stunden] verhängt, weil er 6.8.2013 um 10:50 Uhr als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen X auf dem Parkplatz X, 4910 Ried i.I. mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei und dabei
1. nicht ohne unnötigen Aufschub der nächste Polizeidienststelle und
2. sein Fahrzeug nicht sofort angehalten zu haben.
I.1. Behörde stützte den Schuldspruch in beiden Punkten auf eine Zeugin die den Vorfall wahrgenommen habe. Dieser Zeugenaussage zur Folge sei der Beschwerdeführer am 6.8.2013 beim Ausparken im Zuge des Reversierens zweimal gegen ein abgestelltes Fahrzeug gestoßen, wobei dieses beschädigt worden sei. Die Zeugin hätte dies eindeutig erkennen können weil das Fahrzeug beim Anstoß gewackelt hätte.
In der rechtlichen Begründung verwies die Behörde unter Hinweis auf einzelne verwaltungsgerichtliche Entscheidungen über die Anhaltepflicht und Meldepflicht, wobei es für die Erfüllung des Tatbestandes bereits genügte, dass ein Fahrzeuglenker in Kenntnis objektiver Umstände die bei gehöriger Aufmerksamkeit auf einen möglichen Sachschaden schließen lassen, aber dennoch den gesetzlich gebotenen Verpflichtungen nicht nachkommt.
Demnach sei subjektiv tatseitig anzumerken, dass ein Lenker eines Fahrzeuges den Geschehnissen um sein Fahrzeug herum seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden habe und in bestimmten, gefahrgeneigten Situationen, durch einen Blick in den Rückspiegel oder über die Schulter, das hinter ihm liegende Geschehen zu beobachten habe (abermals Hinweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Insbesondere bei beengten Verhältnissen wäre ein erhöhter Grad an Aufmerksamkeit erforderlich. Die Behörde sah keinen Grund den Angaben der namentlich genannten Augenzeugen im Hinblick auf deren Wahrnehmung nicht zu folgen.
Hinsichtlich des Verschuldens ging die Behörde zumindest von fahrlässigem Verhalten des Beschwerdeführers aus. Insgesamt sei es ihm nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der zur Last gelegten Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe.
II. Mit der fristgerecht durch die ausgewiesene Rechtsvertreterschaft erhobenen Beschwerde wurden im Ergebnis eine unrichtige Sachverhaltsfeststellung und Verfahrensmängel gerügt. Im Grunde wird jedoch die Schadensverursachung bestritten.
Er habe vom angeblich beschädigten Fahrzeug ein Lichtbild aufgenommen, wobei sich gezeigt hätte, dass links hinten am Fahrzeug nur ein Kratzer zu sehen gewesen wäre. Dieser sei nicht parallel verlaufen, sondern von unten in einem Winkel von ca. 45° nach oben. Wäre es tatsächlich beim Ausparken zu einer Kollision mit dem Fahrzeug der Geschädigten gekommen, so wäre hier ein Kratzer waagrecht und nicht im genannten Winkel zu erwarten gewesen.
In diesem Zusammenhang erscheine es eigenartig, dass die Geschädigte erst wesentlich später das Fahrzeug reparieren ließ und die Rechnung der Behörde vorlegte. Im Übrigen sei am angeblichen Schädigerfahrzeug überhaupt kein Schaden entstanden.
Aus diesen Überlegungen hätte die Behörde seinen Einwendungen Beachtung schenken müssen und einen von ihm beantragten Sachverständigen mit der Beurteilung des Schadensbildes betrauen müssen.
Betreffend die subjektive Tatseite führte der Beschwerdeführer aus, dass für den Fall einer tatsächlichen Schadensverursachung seinerseits - was bestritten werde - dies nicht zwingend bedeute, den Schadenseintritt wahrgenommen zu haben. Auch zu diesem Thema habe er die Einholung eines Kfz-Gutachters beantragt. Es wäre nämlich durchaus möglich, dass es zu einer Kollision kommt, ohne dass der Lenker des bestätigenden Fahrzeuges diese Kollision bemerkt. Erst im Falle des Bemerkens eines Schadensereignisses oder im Fall ein solches bemerken zu müssen, würde diese Verpflichtung es zu melden auch tatsächlich eintreten.
Abschließend wurde die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und die Aufhebung des Straferkenntnisses sowie die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.
II.1. Diesem Vorbringen kam letztlich Berechtigung zu!
III. Die Behörde hat den Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht mit Vorlageschreiben vom 27.3.2014 mit dem Hinweis auf die Rechtzeitigkeit der Beschwerde zur Entscheidung vorgelegt. Es wurde die Abweisung der Beschwerde beantragt und bemerkt, dass von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Abstand genommen wurde.
III.1. Das OÖ LVwG hat nach Einlangen der Beschwerde an den Amtssachverständigen TOAR. Ing. L durch Übermittlung einschlägiger Aktenteile unter Anschluss des Schadensfotos das sinngemäße Ersuchen um die Erstattung einer Stellungnahme dahingehend gestellt, ob im Falle eines tatsächlich erfolgten Fahrzeugkontaktes dieser vom Beschwerdeführer als Stoßreaktion bemerkt werden habe können oder bemerkt werden hätte müssen. Auf das angeblich von der Augenzeugin wahrgenommene Wackeln des geschädigten Pkw´s wurde hingewiesen. Ferner wurde die Frage gestellt, ob der fragliche Schaden überhaupt dem Schädigerfahrzeug zugeordnet bzw. von diesen als verursacht angenommen werden könnte. Zu diesem Zweck wurden dem Amtssachverständigen die Fahrzeugtypen bekannt gegeben.
Im Wege der Haftpflichtversicherung wurde die unpräjudiziell erfolgte Schadensregulierung im aktenkundigen Ausmaß bestätigt.
III.2. Die öffentliche mündliche Verhandlung war hier antragsgemäß durchzuführen.
Beweis erhoben wurde schließlich im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung unter sachverständiger Besichtigung des Fahrzeuges des Beschwerdeführers und die Anhörung der Zeugin H. Auf die Befragung des erst im Verlaufe der Verhandlung erschienenen Beschwerdeführers wurde einvernehmlich verzichtet.
Die Behörde entschuldigte ihre Nichtteilnahme an der öffentlichen mündlichen Verhandlung mit dienstlichen Gründen.
IV. Sachverhalt und Beweiswürdigung:
Zusammenfassend führte die Beweisaufnahme in der öffentlichen mündlichen Verhandlung - trotz der durchaus glaubwürdigen Aussage der Zeugin - zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer im Zuge des Ausparkens wohl zweimal gegen das abgestellte Fahrzeug gestoßen ist, eine Schadensherbeiführung am gestoßenen Fahrzeug dennoch nicht als erwiesen gelten kann.
Ein Wackeln des gestoßenen Fahrzeuges wurde von der Zeugin H wohl aus einer geringen Entfernung von vielleicht vier Metern beobachtet. Sie hat in der Folge das vermeintlich geschädigte Fahrzeug auch besichtigt und im Bereich über dem Radkasten Abriebspuren und vermeintlich auch eine Einteilung wahrgenommen.
Diesen vermeintlichen Schaden hat sie dem wahrgenommenen Anstoß zugeordnet.
Im Zuge des Beweisverfahrens konnten diese Spuren vom Sachverständigen jedoch nicht mit einer für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit zugeordnet werden.
Der Sachverständige gelangte zusammenfassend zum Ergebnis, dass gemäß zweier weiterer vorgelegter Fotos (diese wurden vom Sachverständigen als Beilage 1 und 2 zum Akt genommen), dass ausgehend von der Tatsächlichkeit der hier in Rede stehenden Fahrzeuge eine Kontaktmöglichkeit aus technischer Sicht an den jeweiligen Stellen wohl als gegeben angenommen werden könnten. Diese Kontakte hätten jedoch technisch gesehen nicht an jener Stelle erfolgt sein können, wie diese die Zeugin vermeint gesehen zu haben glaubte. Dieser wäre laut deren Angabe 10 -15 cm über dem Radkasten gewesen. In der Annahme der Richtigkeit der Beobachtung der Zeugin, nämlich ein Wackeln des Fahrzeuges wahrgenommen zu haben, müsste noch nicht zwingend eine Schadensverursachung einhergehen. Der Sachverständige verweist diesbezüglich auf die Kunststoffverkleidung des Schädigerfahrzeuges.
Abschließend vermeinte der Sachverständige, dass selbst auf dem Foto kein technisch korrespondierender Schaden erkennbar ist. Die im Winkel von 45 Grad verlaufende Kratz- oder Wischspur kann demnach technisch nicht dem beschriebenen Kontaktereignis zugeordnet werden.
Vor diesen durchaus nachvollziehbaren Darstellungen kann das Verwaltungsgericht daher eine Schadensverursachung durch den Beschwerdeführer jedenfalls nicht erwiesen sehen, wenngleich die Zeugin den Anstoß in Form eines Wackelns durchaus glaubwürdig darzustellen vermochte. Die von ihr vermeintlich wahrgenommene Delle – die ferner auch auf dem im Akt erliegenden Foto nicht erkennbar ist - könnte demnach durchaus auch bereits vorhanden gewesen sein.
Es erscheint auch nicht unschlüssig, wenn der Sachverständige einem an sich geringen, jedoch trotzdem zu einer Bewegung des gestoßenen Fahrzeuges führenden Anstoß, keinen zwingenden Schadenserfolg zugeordnet hat. Der unpräjudiziell und erfahrungsgemäß in Prozesskostenvermeidung erfolgte Schadensliquidation durch die Haftpflichtversicherung des Beschwerdeführers kann letztlich ebenfalls kein taugliches Indiz dafür dem Beschwerdeführer die Herbeiführung des Sachschadens zugemessen werden.
Demnach kann hier nicht von einer Schadensverursachung im Sinne des § 4 StVO ausgegangen werden.
V. Rechtlich folgt demnach für das Oö. Landesverwaltungsgericht:
Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG ist daher mangels eines erweislichen durch den Beschwerdeführer herbeigeführten Schadens von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Die Beschwerde bzw. Revision ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. einer bevollmächtigte Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. B l e i e r