LVwG-700044/2/MB

Linz, 05.05.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde des X, X, X, gegen das Straferkenntnis des Landespolizeidirektors von Oberösterreich, vom 19. März 2014, GZ: S 652/14-2,

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid der Behörde behoben.

 

II.         Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Bescheid vom 19. März 2014, GZ: s 652/14-2 wurde über Herrn X (im Folgenden Beschwerdeführer – Bf), mit nachfolgendem Spruch wegen Verletzung des § 1 Abs. 1 Oö. Polizeistrafgesetz (im Folgenden Oö. PolStG) eine Geldstrafe idHv. 60 Euro bzw. 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, sowie einen Kostenbeitrag idHv. 10 Euro verhängt:

„Sie haben am 17.12.2013 um 14.22 Uhr in X, X durch Ansprechen eines Polizeibeamten mit den Worten „Geh Oida!“ den öffentlichen Anstand verletzt, denn Ihr Verhalten stellte einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte dar.“

 

Als verletzte Rechtsvorschrift führt die belangte Behörde § 1 Abs. 1 Oö. PolStG an.

 

Begründend führt die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Tatbestand der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung durch die eigene dienstliche Wahrnehmung der einschreitenden Polizeibeamten, der hierüber vorgelegten Anzeige vom 21.12.2013 sowie aufgrund des behördlich durchgeführten Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei erwiesen sei. Zudem habe der Bf die Tat an sich auch nicht bestritten, sondern subsumiere die Wendung „Geh Oida!“ lediglich nicht unter § 1 Abs. 1 Oö. PolStG.

 

Weitere Ausführungen zu den sonstigen Tatbildmerkmalen finden sich nicht. Auch sind keine Feststellungen oä. zum, von der belangten Behörde zu führenden, Nachweis der Schuld vorzufinden.

 

Abschließend erfolgt die Strafzumessung. Die belangte Behörde geht hierbei davon aus, dass dem Bf der Strafmilderungsgrund der Unbescholtenheit nicht zu Gute kommt und er kein relevantes Vermögen, keine Sorgepflichten und ein Einkommen von 950 € netto/Monat vorweisen könne.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Bf rechtzeitig Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht. Der Bf führt darin im Wesentlich aus, dass die Wendung „Geh Oida!“ keine Anstandsverletzung iSd § 1 Abs. 1 Oö. PolStG darstellt und er nicht einsehe dafür Strafe bezahlen zu müssen. Er beantragt in diesem Sinne abschließend die Einstellung des Strafverfahrens.

 

3. Mit Schreiben vom 31. März 2014 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht zu Entscheidung vor.

 

 

II.

 

1. Gem. Art 131 Abs. 1 B-VG iVm Art 15 Abs. 2 B-VG ist das Oö. Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung in dieser Angelegenheit zuständig. Die Entscheidung hat gem. § 2 VwGVG iVm Oö. PolStG durch den Einzelrichter zu erfolgen.

 

2. Gem. § 44 Abs. 2 VwGVG konnte von der Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid zu beheben war. Zudem kommt auch § 44 Abs. 3 Z 3 VwGVG zur Anwendung.

 

 

III.

 

1. Gem. § 1 Abs. 1 Oö. PolStG, LGBl. Nr. 76/1979 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung begeht jemand eine Verwaltungsübertretung, der den öffentlichen Anstand verletzt.

 

Gem. § 1 Abs. 2 Oö. PolStG ist als Anstandsverletzung im Sinne des § 1 Abs. 1 Oö. PolStG jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

2. Aus § 1 Abs. 2 Oö. PolStG ergibt sich nun in Konkretisierung des § 1 Abs. 1 PolStG, dass nur dann eine Anstandsverletzung gegeben ist, wenn die Tathandlung des Tatsubjektes in der Öffentlichkeit gesetzt wird. Insofern kann hieraus wiederum zweierlei geschlossen werden: Einerseits ist nur unter Strafe gestellt, wenn die Tathandlung derart gesetzt wird, dass eine (konkrete) Gefährdung iSd Möglichkeit der Kenntnisnahme durch Dritte (nicht: Beteiligte) konkret möglich ist und andererseits muss dieser „Erfolgseintritt“ von der Behörde dem Bf auf der Schuldebene nachweislich zugerechnet werden (keine Anwendung der Beweislastumkehr nach § 5 VStG).

 

Für die Bewertung der Äußerung des Bf: „Geh Oida“ ist es daher notwendig die Lokalität der Tathandlung genau zu bestimmen. Eine Veränderung der Lokalität führt aufgrund des in § 1 Abs. 2 PolStG im Rahmen der (mehrteiligen!) Definition des Anstandes verwendeten „Öffentlichkeit“ wiederum zu einer Veränderung der Tat.

 

Da nun lediglich eine Adressbezeichnung – ohne jede weitere Konkretisierung – von der belangten Behörde im normativ wirksamen Spruch gewählt wurde, ist es dem Landesverwaltungsgericht verwehrt die notwendige Konkretisierung selbst vorzunehmen, denn es würde durch eine Konkretisierung die Tat gänzlich verändert werden, da z.B.: in einem Gebäude – hier wiederum differenziert nach der konkreten Zutrittsmöglichkeit (z.B.: Parteienverkehr), räumlichen Ausgestaltung (z.B.: Fenster) oder auf öffentlicher Straße (z.B.: je nach Verkehrslage, geographischer Ausgestaltung, Standort der handelnden Personen, Lautstärke der Äußerungen, etc.) jeweils andere Maßstäbe gelten (s z.B.: VwSlg. 11472A/1984, instruktiv Frühwirth, Öffentlicher Anstand, juridikum 2011, 63 ff.).

 

Das schlichte Ansprechen eines Polizeibeamten an einer „Adresse“ ist vor dem Hintergrund des Oö. PolStG allerdings nicht mit Strafe bedroht, da hierfür ein weiteres Tatbildmerkmal gefordert ist – nämlich das konkret potentielle Publikum.

 

Eine darüber hinausgehende semantische Betrachtung der Worte („Geh Oida“, z.B.: betreffend der Übertragbarkeit dieser Wortwahl aus der jungendkulturellen Szene der „Krocha bzw. Kracher“) konnte daher unterbleiben.

 

3. Im Ergebnis führt dies dazu, dass die von der belangten Behörde angelastete Tat nicht mit Strafe bedroht ist, da sämtliche Sachverhaltselemente bezüglich des eigentlichen Tatbildmerkmales der „Öffentlichkeit“ fehlen – es handelt sich um eine andere Tat. Da im Verwaltungsstrafrecht – ebenso wie im gerichtlichen Strafrecht – ein Analogieverbot besteht, würde eine interpretative Einschränkung des Wortlautes über den Begriffshof hinaus im Gegenzug zu einer Erweiterung der Strafnorm und im Ergebnis zu einer Verletzung des Analogieverbotes führen und war daher nicht zulässig (vgl. statt vieler VwGH vom 24. März 2000, Zl. 97/21/0748) Es war daher dem Verwaltungsgericht ein „Austausch“ der Tat verwehrt und spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Bei diesem Ergebnis hatte die Bf weder einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde noch vor dem Verwaltungsgericht zu leisten.

 

 

IV.

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Betreffend den Bf ist zudem gem. § 25a VwGG iVm § 10 Abs. 1 lit a Oö. PolStG die ordentliche Revision ex lege ausgeschlossen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Brandstetter