LVwG-300237/4/Py/TK/KR
Linz, 01.04.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr.in Andrea Panny über die Beschwerde des Herrn X, gegen die im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr Land vom 17.1.2014, SV96-39/7-2013, wegen Übertretung nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) verhängten Strafen
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde insofern Folge gegeben, als eine Gesamtstrafe von 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 67 Stunden) verhängt wird.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keine Kosten zum Beschwerdeverfahren zu leisten.
Der Kostenbeitrag zum Verfahren vor der belangten Behörde wird gemäß § 38 VwGVG iVm § 64 Abs. 2 VStG auf 100 Euro herabgesetzt.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision nach
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 17.1.2014, SV96-39/7-2013, wurden über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) wegen Verwaltungsübertretung nach §§ 7i Abs. 2 iVm 7d Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), BGBl. Nr. 459/1993 idgF, zehn Geldstrafen in Höhe von je 500 Euro (insgesamt somit 5.000 Euro), für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je 36 Stunden verhängt.
Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 500 Euro vorgeschrieben.
Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:
„Sie haben als zur Vertretung nach außen Berufener in Ihrem Unternehmen X d.o.o. mit Sitz in X am 06.11.2013 um 09.00 Uhr die Dienstnehmer
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als Arbeiter in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit für Arbeiten in A-X, Baustelle x ohne die Bereithaltung von Lohnunterlagen in deutscher Sprache beschäftigt.
Die gegenständliche Firma hat somit gegen § 7i Abs. 2 iVm 7d AVRAG verstoßen.
Diese Tat wird Ihnen als gem. § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher (handelsrechtl. Geschäftsführer mit Sitz in SLO-X) angelastet.“
In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtgrundlagen aus, dass das Team Finanzpolizei des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr am 6. November 2012 auf der Baustelle Bezirksaltenheim in X die angeführten Arbeitnehmer bei Außenfassaden arbeiten angetroffen und kontrolliert hat. Bei der Kontrolle konnten keine Lohnunterlagen in deutscher Sprache vorgelegt werden. In seiner Stellungnahme an die belangte Behörde vom 10.9.2013 legte der Beschwerdeführer zwar Lohnunterlagen vor, doch waren auch diese nicht in deutscher Sprache verfasst und wurden solche bislang nach wie vor nicht vorgelegt.
Zur verhängten Strafhöhe führt die belangte Behörde aus, dass im Hinblick auf den gesetzlichen Strafrahmen von € 500 (Untergrenze) bzw. € 5000 (Obergrenze) davon auszugehen ist, dass Verstöße gegen das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz ganz allgemein einen schwerwiegenden Unrechtsgehalt aufweisen können. Bei der Festsetzung der Strafhöhe wurden auch spezialpräventive Gesichtspunkte berücksichtigt und soll der Beschuldigte angehalten werden, sich in Zukunft um die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu kümmern.
2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 4. Februar 2014. Darin bringt der Bf zusammengefasst vor, dass seine Firma für die österreichische Firma X GmbH tätig war, die in Konkurs ging. Das vom Bf vertretene Unternehmen wurde bei diesem Geschäft selbst betrogen. Alle Arbeiter waren registriert und versichert und wurden bezahlt. Es sei der erste Auftrag in Österreich gewesen und war das Unternehmen nicht vertraut genug mit den Regeln und Gesetzen, wofür um Verständnis ersucht wird. Im Hinblick auf die erst Straftat und den Umstand, dass der Bf nicht in der Lage ist die Geldbuße zu bezahlen, wird die Löschung oder Änderung der verhängten Strafen beantragt.
3. Mit Schreiben vom 20. Februar 2014 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor, dass gemäß § 2 VwGVG durch Einzelrichterin zu entscheiden hat.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 3 Z2 VwGVG entfallen.
Dem Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr als am Verfahren beteiligte Organpartei wurde mit Schreiben vom 4. März 2014 Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen abzugeben. Gleichzeitig wurde der Organpartei die Rechtsauffassung des Landesverwaltungsgericht zur Kenntnis gebracht, dass dem Gesetzeswortlaut des § 7i Abs. 2 AVRAG - auch im Fall mehrerer betroffener Arbeitnehmer/innen – bei der Nichtbereithaltung der Lohnunterlagen das Vorliegen nur einer Verwaltungsübertretung zu entnehmen ist.
Mit Schreiben vom 18. März 2014 teilte die Finanzpolizei, Team 43 für das Finanzamt Kirchdorf Perg Steyr mit, dass bei einer Überprüfung durch die Finanzpolizei jeder einzelne Arbeitnehmer bezüglich der Bereithaltung von Lohnunterlagen und bezüglich der Erhebung des Grundlohnes zu kontrollieren ist, weshalb die Organpartei nicht von einer Übertretung, sondern von einer Übertretung je betroffenen Arbeitnehmer ausgeht.
5. Hierrüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:
5.1. Gemäß § 7d AVRAG haben Arbeitgeber/innen im Sinn der §§ 7, 7a Abs.1 oder 7b Abs.1 jene Unterlagen, die zur Überprüfung des/dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelt erforderlich sind (Lohnunterlagen) in deutscher Sprache für die Dauer der Beschäftigung der Arbeitnehmer/innen am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Ist die Bereithaltung der Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort nicht zumutbar, sind die Unterlagen jedenfalls im Inland bereitzuhalten und der Abgabenbehörde auf Verlangen binnen 24 Stunden nachweislich zu übermitteln.
Gemäß § 7i Abs.2 AVRAG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 500 Euro bis 5.000 Euro, im Wiederholungsfall von 1.000 Euro bis 10.000 Euro zu bestrafen, wer als Arbeitgeber/in im Sinn der § 7, 7a Abs.1 oder 7b Abs.1 oder als Beauftragte/er im Sinn des § 7b Abs.1 Z 4 entgegen § 7d die Lohnunterlagen nicht bereithält oder als Überlasser/in im Fall einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung die Lohnunterlagen dem/der Beschäftiger/in nicht bereitstellt.
5.2. Im gegenständlichen Straferkenntnis wurden über den Bf zehn Geldstrafen in Höhe von je € 500, insgesamt somit eine Geldstrafe von € 5000 (Ersatzfreiheitsstrafe je 36 Stunden) verhängt.
Zunächst ist anzuführen, dass die oben zitierte Bestimmung des § 7i Abs. 2 AVRAG für die gegenständliche Verwaltungsübertretung einen Strafrahmen von € 500 bis € 5000, im Wiederholungsfall von € 1000 bis € 10.000, vorsieht.
Zu dieser Strafbestimmung ist auszuführen, dass der Gesetzgeber hier - zum Unterschied von der offensichtlich an § 28 Abs. 1 AuslBG orientierten Strafbestimmung des § 7i Abs. 3 AVRAG, welche gestaffelte Strafsätze nach der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer/innen vorsieht, davon ausgegangen ist, dass fehlende Lohnunterlagen - auch in Ansehung mehrerer betroffener Arbeitnehmer/innen - nur eine Verwaltungsübertretung darstellen. Diese Auslegung steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 1 AZG und § 26 Abs. 1 KJBG, wo der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (VwGH v. 09.03.1995, Zl. 93/18/0114, u.a.) die Auffassung vertritt, dass das Fehlen von Aufzeichnungen hinsichtlich mehrerer Arbeitnehmer nur eine Übertretung darstellt. Entgegen den Ausführungen der Organpartei ist daher nicht je Arbeitnehmer eine gesonderte Strafe zu verhängen, sondern stellt der Umstand, dass die Lohnunterlagen in deutscher Sprache nicht bereitgestellt wurden, eine einzige Verwaltungsübertretung dar. Dem Einwand der Organpartei in der Stellungnahme vom 18. März 2014 wird im Übrigen entgegengehalten, dass in ähnlich gelagerten Fällen in den Anzeigen der Finanzpolizei bzw. den Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich auch bei mehreren angetroffenen Arbeitnehmer/innen das Vorliegen nur eine Verwaltungsübertretung angenommen wurde (vgl. VwSen-253168/15/Py/Hu, VwSen-253184/4/Py/Hu). Die von der belangten Behörde verhängte Strafhöhe von insgesamt € 5000, die gleichzeitig die gesetzlich vorgesehene Höchststrafe für eine erstmalige Übertretung der einschlägigen Bestimmungen des AVRAG darstellt, ist, da der Bf einschlägig nicht vorbestraft ist und somit der erste Strafsatz des § 7i Abs. 2 AVRAG zur Anwendung gelangt, daher jedenfalls zu hoch gegriffen.
Jedoch kann der Umstand, dass - wie im vorliegenden Fall - eine größere Anzahl von Personen betroffen ist, sehr wohl zum Anlass genommen werden, um innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens eine höhere Strafe zu bemessen. Sonstige Erschwerungsgründe liegen nicht vor, als strafmildernd ist neben der Unbescholtenheit des Bf sein reumütiges Geständnis zu werten. Allerdings blieb der Bf die Vorlage der erforderlichen Unterlagen in deutscher Sprache nach wie schuldig und ist dem Bf insbesondere zu entgegnen, dass seine finanzielle Situation ebenso wenig als Milderungsgrund zu werten ist wie sein Einwand, das von ihm vertretene Unternehmen sei bei der Abwicklung des Auftrages selbst vom Geschäftspartner betrogen worden. Hinzu kommt, dass die mit 1. Mai 2011 in Kraft getretenen gegenständlichen Bestimmungen zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping zum Tatzeitpunkt 6. November 2013 bereits weit über ein Jahr in Geltung standen. Der Bf hätte somit ausreichend Möglichkeit gehabt, sich vor der Tat mit den einschlägigen Bestimmungen, die bei der Ausübung seiner Tätigkeit in Österreich zur Anwendung gelangen, auseinanderzusetzen. Sein Verschulden kann daher nicht als gering gewertet werden.
Ein Vorgehen nach § 20 Verwaltungsstrafgesetz scheidet daher mangels Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe ebenso wie ein Vorgehen nach § 45 Abs. 1 Z4 VStG aus, da das tatbildmäßige Verhalten des Bf nicht erheblich hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurückblieb und die Tat auch nicht mit unbedeutenden Folgen einherging.
Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich erscheint daher die Verhängung einer deutlich über der Mindeststrafe liegenden Geldstrafe angemessen und gerechtfertigt. Mit der nunmehr verhängten (Gesamt)strafe scheint eine ausreichende Sanktion gesetzt, um dem Bf die Unrechtmäßigkeit seines Verhaltens eindringlich vor Augen zu führen und ihn künftig zu einem gesetzeskonformen Verhalten anzuleiten.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
5.3. Abschließend wird der Bf darauf aufmerksam gemacht, dass gemäß § 54 Abs. 3 VStG die Behörde einem Bestraften, dem aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist, auf Antrag einen angemessenen Aufschub oder Teilzahlung zu bewilligen hat. Ein entsprechender Antrag wäre daher vom Bf bei der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land zu stellen.
II. Der Kostenausspruch ist in den angeführten gesetzlichen Bestimmungen begründet.
III. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist zulässig, da eine höchstgerichtliche Judikatur bislang nicht ergangen ist und im gegenständlichen Verfahren die grundsätzliche Frage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu klären war, ob hinsichtlich der Strafnorm des § 7i Abs. 2 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzt (AVRAG), BGBl. 459/1993 idF BGBl. I 24/2011, gestaffelte Strafsätze nach der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer/innen zu verhängen sind, oder auch in Ansehung mehrerer betroffener Arbeitnehmer/innen nur eine Verwaltungsübertretung vorliegt.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Andrea Panny
LVwG-300237/4/Py/TK/KR vom 1. April 2014
Erkenntnis
Rechtssatz
AVRAG §7i Abs2
AVRAG §7i Abs3
AuslBG §28 Abs1
Zur Strafbestimmung des § 7i Abs.2 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – AVRAG, BGBl. 1993/459 idgF ist auszuführen, dass der Gesetzgeber hier (zum Unterschied von der offensichtlich an § 28 Abs. 1 AuslBG orientierten Strafbestimmung des § 7i Abs. 3 AVRAG, welche gestaffelte Strafsätze nach der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer/innen vorsieht) davon ausgegangen ist, dass fehlende Lohnunterlagen - auch in Ansehung mehrerer betroffener Arbeitnehmer/innen - nur eine Verwaltungsübertretung darstellen. Diese Auslegung steht auch im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 1 AZG und § 26 Abs. 1 KJBG (vgl. z.B. VwGH v. 09.03.1995, Zl. 93/18/0114, u.a.).
Beschlagwortung:
Strafhöhe; Arbeitnehmer, mehrere; Kumulation