LVwG-650075/7/KLI/CG
Linz, 22.04.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Karin Lidauer über die Beschwerde des Herrn Dr. W S, geb. 1967, X, vertreten durch Frau Mag. D P, Rechtsanwältin, X gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich, GZ: VerkR-340.856/2-2014-Vie vom 16. Jänner 2014, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 16. Jänner 2014, GZ: VerkR-340.856/2-2014-Vie, bestätigt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25 a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Eingabe vom 26.08.2013 beantragte der nunmehrige Beschwerdeführer eine Blaulichtgenehmigung gemäß § 20 Abs. 5 KFG. Er gab an, als niedergelassener Anästhesist neben schmerztherapeutischen Eingriffen auch ambulante Narkosen zur Durchführung ambulanter, operativer Eingriffe zu vollziehen. Bei postoperativen Problemen stehe er routinemäßig für 36 Stunden in Bereitschaft für seine Patienten zur Verfügung. Im Sinne einer optimalen Patientenbetreuung und Entlastung des öffentlichen Systems mit etwaigen Notfällen sei dies für ihn eine Selbstverständlichkeit. Im Falle einer Nachblutung sei es für eine optimale Patientenversorgung unabdingbar, schnellstmöglich seine Ordinationsräume zu erreichen. Für diese Fälle gelte sein Ansuchen um eine Blaulichtgenehmigung an das Land Oberösterreich, wohl wissend, dass außerhalb des bestehenden öffentlichen Bereitschaftssystems derartige Ansuchen nicht rechtlich vorgesehen seien. Da seine Arbeitssituation eine einzigartige Ausnahme darstelle, ersuche er trotzdem um eine Genehmigung im Sinne einer optimalen Patientenbetreuung.
Ferner erstattete die Ärztekammer für Oberösterreich mit 2. September 2013 eine Stellungnahme mit gleichlautendem Text und führte aus, dass, auch wenn derartige Ansuchen außerhalb des öffentlichen Bereitschaftsdienstes im Gesetz nicht explizit angeführt seien, seine Arbeitssituation eine Ausnahme darstelle. Die Ärztekammer für Oberösterreich ersuche daher höflich, dem Antrag von Herrn Dr. S im Sinne einer optimalen Patientenbetreuung stattzugeben.
I.2. In der Folge fanden Telefongespräche zwischen dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde über die Sach-und Rechtslage statt. Insbesondere wurde dem Beschwerdeführer ein Auszug des § 20 Abs.5 KFG übermittelt.
I.3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. Jänner 2014, GZ: VerkR-340-856/2-2014-Vie, wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 26. August 2013 um Erteilung einer Bewilligung zur Anbringung einer Warnleuchte mit blauem Licht am Privatfahrzeug mit dem polizeilichen Kennzeichen X abgewiesen.
Die abweisende Entscheidung der belangten Behörde wurde damit begründet, dass bereits das Ansuchen erkennen lasse, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Bewilligung nicht vorliegen würden. Auf den Bewilligungswerber würden die Voraussetzungen des § 20 Abs.5 KFG nicht zutreffen. Das vom Bewilligungswerber in Aussicht genommene Kraftfahrzeug könne nicht unter die in § 20 Abs.5 KFG angeführten Tatbestände subsummiert werden. Laut der für das in Rede stehende Fahrzeug mit dem polizeilichen Kennzeichen X vorgelegten Kopie der Zulassungsbescheinigung sei für dieses Fahrzeug die Verwendungsbestimmung mit dem Code 01 (zu keiner besonderen Verwendung bestimmt) vorgesehen. Im Hinblick darauf könne nicht die Rede davon sein, es liege eine Verwendungsbestimmung „für die Leistung dringender ärztlicher Hilfe durch Ärzte“, „für die Leistung dringender ärztlicher Hilfe durch Fachärzte“ oder „für den ärztlichen Bereitschaftsdienst von Gebietskörperschaften, Ärztekammern oder Sozialversicherungsträgern“ vor. Im Übrigen sei für (wie im gegenständlichen Fall) von Ärzten selbst auferlegten Bereitschaftsdiensten, die Erteilung einer Bewilligung zur Anbringung einer Warnleuchte mit blauem Licht nicht vorgesehen.
Sowohl der Bewilligungswerber als auch die Ärztekammer für Oberösterreich hätten selbst eingeräumt, dass vom Gesetzgeber für derartige Tatbestände die Erteilung von Bewilligungen zur Anbringung von Warnleuchten mit blauem Licht nicht vorgesehen sei. Allenfalls selbst auferlegte Verpflichtungen zu einer Bereitschaft könnten im Übrigen nicht dazu führen, dass diese einer Rufbereitschaft im Sinne der § 20 Abs. 5 lit. d oder h leg. cit. gleichzuhalten seien. Das öffentliche Interesse an der Erteilung der angestrebten Bewilligung sei mangels entsprechender gesetzlicher Regelung zu verneinen. Es werde am Bewilligungswerber liegen, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die Erreichbarkeit von Patienten im Notfall gesichert sei.
I.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 14.2.2014. Der Beschwerdeführer bringt zusammengefasst vor, dass er seit 2004 in seinem medizinischen Zentrum tagesambulante operative Eingriffe mit Narkosen durchführe, wobei ca. 350-500 Narkosen jährlich durchgeführt würden. Darüber hinaus gäbe es ca. 1.000 interventionelle Behandlungen in der interventionellen Schmerztherapie pro Jahr. Vom Beschwerdeführer würden jährlich rund 3.000 Patienten behandelt. Um den betreuten Patienten einen reibungslosen Ablauf auch bei eventuellen Komplikationen (Nachblutung) zu garantieren, sei die Organisationsstruktur gleich dem Vorbild der Krankenanstalten mit einem 36-stündigen Bereitschaftsdienst des Narkosearztes für die behandelnden Patienten garantiert. Es solle dabei bei nicht vital bedrohlichen Notfällen (Nachblutung im OP-Gebiet) eine rasche bestmögliche Versorgung der Komplikation garantiert werden. Hier bestehe meist kein unmittelbar lebensbedrohlicher Zustand; bei Nachblutungen sei aber im Sinne des Operationsergebnisses und der damit verbundenen Gefahr eines irreversiblen Gewebetraumas umgehend rasches Handeln erforderlich. Jede Minute Verzögerung bedeute hier ein weiteres Absterben eines vitalen Gewebes. In diesem Sinne führe daher eine Verzögerung durch spätes Eintreffen des Narkosearztes gerade zu Stauzeiten zu unnötigen und vermeidbaren Verzögerungen.
Da die Patienten primär mit dem Beschwerdeführer einen Behandlungsvertrag eingegangen seien, sei in einer derartigen Situation ein Abwälzen des Problems auf das öffentliche System nicht argumentier- und vertretbar. Der Beschwerdeführer sei der einzige in Linz bzw. Oberösterreich niedergelassene Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin, der derartige Eingriffe durchführe. Es läge auf der Hand, dass für die von ihm betreuten Patienten er selbst sich um eine routinemäßige Bereitschaft für etwaige postoperative Probleme zu kümmern habe und dafür eine Nachbehandlung in seinen Ordinationsräumlichkeiten erforderlich sei.
Da es sich beim Beschwerdeführer in dieser Form um den einzigen niedergelassenen Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin handle, sei auch nicht davon auszugehen, dass sonstige Ärzte, insbesondere auch Allgemeinpraktiker, auch in städtischen Siedlungsgebieten, das Recht zur Verwendung von Warneinrichtungen bekommen könnten, was den Zielvorstellungen des § 20 Abs.5 KFG im Sinne einer restriktiven Handhabung widersprechen würde.
Aus dem Umstand, dass sich aus der Zulassungsbescheinigung für den Pkw die Verwendungsbestimmung mit dem Code 01 (zu keiner besonderen Verwendung bestimmt) ergebe, sei für den Standpunkt der Behörde nichts gewonnen. Um eine seriöse Betreuung der Patienten des Beschwerdeführers zu garantieren, würden die Anforderungen einer Rufbereitschaft im Sinne einer Krankenanstalt durch den Beschwerdeführer erfüllt, ohne eine lizenzierte Krankenanstalt zu sein, sodass jedenfalls eine analoge Anwendung des § 20 Abs.5 lit. d KFG geboten sei.
II. Nachfolgender Sachverhalt steht fest:
II.1. Der Beschwerdeführer ist niedergelassener Anästhesist und betreibt seine Ordination mit dem Namen „X“ in X. Insgesamt verabreicht der Beschwerdeführer ca. 350-500 Narkosen pro Jahr. Jährlich kommt es zu ca. 1.000 Behandlungen und ca. 3.000 Patientenkontakten.
II.2. Der Beschwerdeführer bedient in seiner Ordination zunächst Kinderärzte, Zahnärzte, usw. mit den für sie notwendigen Narkosen. Außerdem ist der Beschwerdeführer auf dem Gebiet der interventionellen Schmerztherapie tätig. Hiebei handelt es sich um ein amerikanisches Behandlungstool, bei welchem mit Hilfe von Durchleuchtungen Infiltrationen durchgeführt werden; mit Hilfe von Radiofrequenz-Behandlungen wird zur Schmerzerleichterung beigetragen. Der Beschwerdeführer verpflichtet sich im Rahmen seiner Behandlungsverträge zu einem 36-stündigen Bereitschaftsdienst für den Fall dass Nachbehandlungen erforderlich sein sollten. In der Ordination des Beschwerdeführers ist noch eine zweite Ärztin tätig, mit welcher er den Bereitschaftsdienst organisiert.
II.3. Schmerzen können für Patienten ein besonderes Phänomen darstellen, weil sie nicht einphasig, sondern schubweise auftreten; es kann zu regelrechten Schmerzattacken kommen Nach den durchgeführten Eingriffen kann es zur Notwendigkeit von Nachbehandlungen kommen, dies insbesondere bei Nachblutungen. Derartige Nachblutungen stellen zwar keinen lebensbedrohlichen Zustand dar; weil aber dabei Gewebe abstirbt, ist ein rasches Einschreiten geboten. Derartige Vorfälle ereignen sich ca. 5- bis 10-mal pro Jahr.
Sollten tatsächlich lebensbedrohliche Zustände auftreten, sind die Patienten an das öffentliche Rettungssystem zu verweisen. Der Beschwerdeführer legt bei der Beurteilung des Behandlungsrisikos eine amerikanische Einstufung zugrunde. Bei sogenannten ASA I Patienten handelt es sich um Menschen, die gesund sind; bei ASA II Patienten, um solche, die Medikamente einnehmen und dadurch gesund sind. Die Einstufung reicht bis zu ASA V Patienten, welche bald versterben werden. Der Beschwerdeführer behandelt Patienten, die in die Stufe I oder II fallen. Das Risikoprofil ist hier soweit abschätzbar, dass keine lebensbedrohlichen Nachbehandlungen auftreten.
II.4. Die Ordination des Beschwerdeführers ist keine Krankenanstalt im Sinne des KAKuG bzw. Oö. KAG. Von diesbezüglichen Überlegungen hat der Beschwerdeführer nach Einholung von Informationen wieder Abstand genommen.
II.5. Beim Fahrzeug des Beschwerdeführers handelt es sich um einen PKW der Marke Mercedes-X, mit der Fahrgestellnummer X und dem Kennzeichen X. Im Zulassungsschein ist als Verwendungsbestimmung der Code 01 eingetragen; das bedeutet, dass der PKW zu keiner besonderen Verwendung bestimmt ist. Der Beschwerdeführer ist in R wohnhaft.
III. Beweiswürdigung:
III.1. Der festgestellte Sachverhalt geht bereits schlüssig und widerspruchsfrei aus dem Akt der belangten Behörde, GZ: VerkR-340.856/2-2014-Vie hervor. Die Feststellungen zum Fahrzeug des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem im Akt befindlichen Zulassungsschein.
III.2. Ferner hat vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am 16.04.2014 eine öffentliche mündliche Verhandlung stattgefunden, in welcher die Vernehmung des Beschwerdeführers und einer Erörterung der Sach- und Rechtslage erfolgte.
III.3. Der Beschwerdeführer schilderte seine Berufstätigkeit in der Verhandlung am 16.04.2014 glaubwürdig, anschaulich und auch für einen medizinischen Laien verständlich. Die medizinische Sinnhaftigkeit einer Blaulichtgenehmigung wurde durch die Darstellung des Beschwerdeführers nachvollziehbar. Allerdings – wie zu Punkt V. noch näher auszuführen sein wird – lässt sich die Tätigkeit des Beschwerdeführers unter keinen der Tatbestände des § 20 Abs.5 KFG subsummieren, sodass aus rechtlichen Erwägungen die Blaulichtgenehmigung zu versagen war.
IV. Rechtslage:
§ 20 Abs. 5 und 6 KFG regeln die Voraussetzungen für die Anbringung einer Warnleuchte mit blauem Licht:
(5) Scheinwerfer und Warnleuchten mit blauem Licht dürfen bei nicht unter Abs. 1 Z 4 fallenden Fahrzeugen nur bewilligt werden, wenn ihre Verwendung im öffentlichen Interesse gelegen ist und dagegen vom Standpunkt der Verkehrs- und Betriebssicherheit keine Bedenken bestehen und nur für Fahrzeuge, die zur Verwendung bestimmt sind:
a) ausschließlich oder vorwiegend für Feuerwehren,
b) für den öffentlichen Hilfsdienst,
c) für den Rettungsdienst oder den Bergrettungsdienst,
d) für den ärztlichen Bereitschaftsdienst von Gebietskörperschaften, Ärztekammern oder Sozialversicherungsträgern,
e) für die Leistung dringender ärztlicher Hilfe durch Ärzte in verkehrsreichen Gebieten, in denen kein mit einem Arzt besetzter Rettungsdienst und kein ärztlicher Bereitschaftsdienst gemäß lit. d zur Verfügung stehen; vor der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung der Bewilligung ist eine Stellungnahme der Ärztekammer zur Frage der Notwendigkeit der Erteilung dieser Bewilligung einzuholen oder
f) für die Leistung dringender Hilfsdienste im Zusammenwirken mit Feuerwehren oder öffentlichen Hilfsdiensten bei Verkehrsunfällen, an denen Fahrzeuge zur Beförderung gefährlicher Güter beteiligt sind,
g) für die Erbringung dringender tierärztlicher Hilfe durch Tierärzte in verkehrsreichen Gebieten, in denen kein mit einem Tierarzt besetzter Rettungsdienst zur Verfügung steht; vor der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung der Bewilligung ist eine Stellungnahme der Tierärztekammer zur Frage der Notwendigkeit der Erteilung dieser Bewilligung einzuholen,
h) für die Leistung dringender ärztlicher Hilfe durch Fachärzte (in verkehrsreichen Gebieten), sofern sie sich auf Grund krankenanstaltenrechtlicher Organisationsvorschriften in Rufbereitschaft befinden, oder
i) für freipraktizierende Hebammen, die berechtigt sind, Hausgeburten durchzuführen, zum rascheren Erreichen des Ortes der Hausgeburt,
j) für die auftragsgemäße dringende Entstörung der Funk- bzw. Kommunikationssysteme sowie Leitzentralen der BOS-Organisationen (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben).
In den Fällen der lit. d und lit. h ergeht die Bewilligung, sofern es sich nicht um Fahrzeuge gemäß lit. c handelt, an die Institution oder Krankenanstalt, die den Bereitschaftsdienst organisiert. Die Bewilligung erstreckt sich auf ein oder mehrere Fahrzeuge dieser Institutionen oder auf die jeweils von der Institution namhaft gemachten Fahrzeuge der Bereitschaftsdienst versehenden Ärzte. Die Warnleuchten mit blauem Licht dürfen jeweils nur an dem Fahrzeug angebracht werden, das tatsächlich für einen bestimmten Bereitschaftsdienst eingesetzt wird und nur auf die Dauer des Bereitschaftsdienstes und nur während der Verwendung dieses Fahrzeuges für Einsatzfahrten.
(6) Bewilligungen nach Abs. 5 sind unter den entsprechenden Auflagen oder zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Beschränkungen der Gültigkeit zu erteilen. Durch Verordnung können die näheren Bestimmungen hinsichtlich der Bewilligungen nach Abs. 5 festgelegt werden. Dabei sind insbesondere die Antragslegitimation, die Erteilungsvoraussetzungen, spezielle Einsatzbedingungen sowie die Führung entsprechender Aufzeichnungen über die Verwendung des Blaulichtes zu regeln.
V. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat hiezu erwogen:
V.1. Zur Blaulicht- und Folgetonrichtlinie der Ärztekammer für Oberösterreich:
V.1.1. Die Blaulicht-und Folgetonrichtlinie regelt, unter welchen Voraussetzungen die Ärztekammer für Oberösterreich die Verwendung von Blaulicht-und Folgeton durch Ärzte/Ärztinnen befürworten wird. Die Kurienversammlung der niedergelassenen Ärzte der Ärztekammer für Oberösterreich hat in ihrer Sitzung vom 25. November 1999 nachstehende Richtlinien für die Befürwortung von Anträgen auf Bewilligung von Blaulicht und Folgetonhorn beschlossen:
Blaulicht- und Folgetonrichtlinie
Artikel 1
Gegenstand der Richtlinie - Begriffsbestimmungen
1. Diese Richtlinie regelt die Befürwortung von Anträgen in Oberösterreich niedergelassener Ärzte/Ärztinnen an den Landeshauptmann von Oberösterreich, welche die Bewilligung von Blaulicht und Folgetonhorn zum Inhalt haben, durch die Ärztekammer von Oberösterreich.
2. Blaulicht ist jene Warnleuchte mit blauem Licht, das entsprechend den kraftfahrrechtlichen Vorschriften als Warenzeichen am Kraftfahrzeug des Arztes angebracht wird.
3. Folgetonhorn ist jene Einrichtung zur Erzeugung von Schaltzeichen mit aufeinanderfolgenden verschieden hohen Tönen, die als Warneinrichtung im Kraftfahrzeug des Arztes installiert wird
Artikel 2
Gesetzliche Grundlagen
1. die Verwendung von Blaulicht und Folgetonhorn ist vom Landeshauptmann zu bewilligen (§§ 20 Abs. 4 und 5 und 22 Abs. 4 und 6 KFG), wenn
ein dringender beruflicher oder wirtschaftlicher Bedarf und
ein öffentliches Interesse sowie
keine Bedenken vom Standpunkt der Verkehrssicherheit bestehen,
und zwar nur für Fahrzeuge,
die für den ärztlichen Bereitschaftsdienst von Gebietskörperschaften, Ärztekammern oder Sozialversicherungsträgern bzw.
die für die Leistung dringender ärztlicher Hilfe durch Ärzte/Ärztinnen im verkehrsreichen Gebieten, in denen kein mit einem Arzt/einer Ärztin besetzter Rettungsdienst und kein ärztlicher Bereitschaftsdienst besteht,
verwendet werden.
Artikel 3
Befürwortung des Antrages durch die Ärztekammer für Oberösterreich
1. Die Ärztekammer für Oberösterreich hat vor der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung der Bewilligung durch den Landeshauptmann eine Stellungnahme zur Frage des Bedarfs an Einsatz von Blaulicht und Folgetonhorn durch den/die Antrag stellenden Arzt/Ärztin abzugeben.
2. Die Ärztekammer für Oberösterreich sieht den Bedarf nach Abs. 1 als gegeben an, wenn der betreffende Antrag von
niedergelassenen Ärzte/Ärztinnen für Allgemeinmedizin oder
Fachärzten der klinischen Fächer
gestellt wurde und
der/die Antrag stellende Arzt/Ärztin
Bereitschaftsdienste im Rahmen des von der Ärztekammer für Oberösterreich organisierten Bereitschaftsdienstes versieht oder
über eine Notarztausbildung verfügt oder
seit mindestens einem Jahr im Rettungsdienst tätig ist.
Anträge niedergelassener Ärzte/Ärztinnen, die ausschließlich Vertretungen für die in Abs. 2 genannten Ärzte übernehmen, sowie Anträge von Lehrpraktikanten werden von der Ärztekammer für Oberösterreich nicht befürwortet.
Artikel 4
Inkrafttreten und Änderungen der Richtlinie
Diese Richtlinie tritt mit dem Tag der Veröffentlichung in den Mitteilungen der Ärztekammer für Oberösterreich in Kraft.
V.1.2. Unabhängig davon, ob es sich bei dieser Richtlinie – wohl eher – um eine bloß interne Selbstbindung der Ärztekammer handelt oder dieser Richtlinie – als Verordnung eines Selbstverwaltungskörpers – tatsächlich Außenwirkung mit der Folge, dass die betroffenen Normadressaten für sich daraus subjektive Rechte ableiten können, zukommt: Wie sich aus deren Art. 2 und 3 ergibt, beabsichtigt diese jedenfalls nur eine nähere, insbesondere aber taxative Determinierung jener Fallkonstellationen, in denen die Oö. Ärztekammer künftig zu einem aufgrund § 20 Abs. 5 lit. e KFG gestellten Antrag eine positive Stellungnahme im Sinn dieser Gesetzesstelle abgeben wird. Diese Sichtweise folgt zudem auch aus dem Gebot zur hierarchiekonformen Norminterpretation, dass es auch einem Selbstverwaltungskörper schon a priori nicht gestattet ist, gesetzwidrige Verordnungen zu erlassen (soweit nicht (im Verfassungsrang!) Eine Sonderbestimmung zu Art. 18 Abs. 2 B-VG besteht). Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies aber, dass sich damit auch die Erlassung der „Blaulicht- und Folgetonrichtlinie“ die entscheidungswesentliche Rechtsgrundlage nicht geändert hat, sondern § 20 Abs. 5 lit. e KFG lediglich näher präzisiert wurde (UVS Oberösterreich, VwSen-510052/3/Gf/Km).
V.1.3. Dass die Ärztekammer die Erteilung einer Blaulichtgenehmigung befürwortet hat, vermag dem Begehren des Beschwerdeführers im Hinblick auf die gesetzliche Bestimmung nicht zum Durchbruch zu verhelfen.
V.2. Zur Anwendung / Auslegung des § 20 Abs.5 KFG:
V.2.1. Unter dem in § 20 Abs.5 lit. c KFG genannten Rettungsdienst ist nicht jede Tätigkeit zu verstehen, die unter dem Begriff des „Rettungswesens“(im Sinne des Art. 10 Absatz 1 Z 12 B-VG) subsumiert werden kann. § 20 Abs. 5 lit. c KFG ist vielmehr auf Fahrzeuge einzuschränken, die für – mit einer gewissen Häufigkeit zu erwartende – dringende Einsätze bestimmt sind. Dies folgt aus dem Zweck dieser Bestimmung, weil nur in diesen Fällen die Verwendung der Warneinrichtung gestattet ist (§ 26 Abs.1 StVO). Dazu kommt, dass nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes eine restriktive Handhabung des § 20 Abs.5 KFG unter dem Gesichtspunkt der Effizienz der Warneinrichtungen und nicht zuletzt auch der von ihr zu berücksichtigenden Verkehrssicherheit zutreffen. Der Standpunkt des Beschwerdeführers würde dazu führen, dass zahlreiche Ärzte – auch in städtischen Siedlungsgebieten – das Recht zur Verwendung von Warneinrichtungen bekommen könnten, was den genannten Zielvorstellungen jedenfalls widerspräche (VwGH 21.05.1996,96/11/0049; VwGH 25.06.1996, 95/11/0263; VwGH 24.03.1999, 98/11/0213).
V.2.2. Wenngleich der Beschwerdeführer der einzige in Oberösterreich niedergelassene Anästhesist auf dem Gebiet der interventionellen Schmerztherapie ist, wäre eine stattgebende Entscheidung der belangten Behörde dazu geeignet, das auch andere Ärzte aus anderen Fachgebieten, mit dem Argument einer bestimmten Sonderstellung, eine Blaulichtgenehmigung bekommmen könnten. Insofern war es der belangten Behörde verwehrt, dem Beschwerdeführer eine Blaulichtgenehmigung zu erteilen.
V.3. Zur Rufbereitschaft in Krankenanstalten:
V.3.1. Unter krankenanstaltenrechtlichen Organisationsvorschriften sind vor allem jene Vorschriften zu verstehen, die den Bestimmungen der §§ 2b, 8 KAKuG und §§ 3a, 15 Oö. KAG Rechnung tragen. Diese Bestimmungen sehen vor, dass in bestimmten Fällen von der dauernden Anwesenheit von Fachärzten abgesehen werden kann, wenn stattdessen eine Rufbereitschaft eingerichtet ist. Wie bereits festgestellt, handelt es sich bei den Ordinationsräumlichkeiten des Beschwerdeführers nicht um eine Krankenanstalt im Sinn des KAKuG bzw. Oö. KAG.
V.3.2. Die Ordinationsräumlichkeiten des Beschwerdeführers stellen vielmehr seinen Berufssitz gemäß § 45 ÄrzteG dar, welcher nicht mit einer Krankenanstalt im Sinne der obigen Bestimmungen gleichzusetzen ist.
V.3.3. Darüber hinaus bestimmt § 20 Abs. 5 KFG, dass in den Fällen der lit. d und lit. h die Bewilligung, sofern es sich nicht um Fahrzeuge gemäß lit. c handelt, an die Institution oder Krankenanstalt ergeht, die den Bereitschaftsdienst organisiert. Die Bewilligung erstreckt sich auf ein oder mehrere Fahrzeuge dieser Institutionen oder auf die jeweils von der Institution namhaft gemachten Fahrzeuge der Bereitschaftsdienst versehenden Ärzte. Die Warnleuchten mit blauem Licht dürfen jeweils nur an dem Fahrzeug angebracht werden, das tatsächlich für einen bestimmten Bereitschaftsdienst eingesetzt wird und nur auf die Dauer des Bereitschaftsdienstes und nur während der Verwendung dieses Fahrzeuges für Einsatzfahrten.
V.3.4. Demnach kommt eine Bewilligung für die Verwendung einer Warnleuchte mit blauem Licht für das Privatfahrzeug des Beschwerdeführers nicht in Betracht. Dass der Beschwerdeführer während seiner Tätigkeit im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern über eine Blaulichtgenehmigung verfügte, kann daran nichts ändern, zumal diese Genehmigung im Rahmen der Rufbereitschaft im Sinne der Krankenanstaltsgesetze erteilt worden war. Auch würde eine analoge Anwendung des § 20 Abs.5 lit. h KFG der restriktiven Rechtsprechung des VwGH zur Bewilligung von Warnleuchten mit blauem Licht widersprechen. Insbesondere ist der Berufssitz eines Arztes im Sinn von § 45 ÄrzteG nicht mit einer Krankenanstalt im Sinne des KAKuG bzw. Oö. KAG vergleichbar. Ferner hat der Gesetzgeber jene Einrichtungen und Organisationen, welchen eine derartige Bewilligung erteilt werden darf taxativ aufgelistet.
V.4. Zusammengefasst war daher spruchgemäß zu entscheiden, der Beschwerde keine Folge zu geben und der Bescheid der belangten Behörde zu bestätigen
VI. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
VI.1. Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt bzw. die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
VI.2. Unter Verweis auf die Erwägungen zu Punkt V – insbesondere zur Frage der analogen Anwendung des § 20 Abs.5 lit. h KFG auf niedergelassene Fachärzte, die in einer medizinischen Einrichtung tagesambulante Eingriffe unter Narkose vornehmen – ist (soweit ersichtlich) eine Rechtsprechung des VwGH nicht vorhanden, zumal sich dieser mit einer derartigen Fragestellung bislang noch nicht auseinanderzusetzen hatte.
In seiner Entscheidung vom 13.03.2014, GZ: LVwG-650021/7/Bi/SA, hatte sich das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit der Erteilung einer Blaulichtgenehmigung zu befassen. Allerdings verfügte in diesem Fall die Beschwerdeführerin über eine Bewilligung als Krankenanstalt. Die Beschwerde in diesem Verfahren wurde zwar als unbegründet abgewiesen, jedoch die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig erklärt.
Nachdem insofern eine einheitliche Rechtsprechung (noch) nicht vorliegt, war im vorliegenden Fall die ordentliche Revision vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich für zulässig zu erklären.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Lidauer
Beachte:
Die Revision wurde zurückgewiesen.
VwGH vom 21.08.2014, Zl.: Ro 2014/11/0080-3