LVwG-600259/11/Br/SA

Linz, 22.04.2014

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Dr. H. Bleier über die Beschwerde der A E, geb. 1966, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 27.2.2014, VerkR96-22551-2013, 

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

 

 

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde statt gegeben, das Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

 

 

 

II. Gemäß § 52 Abs.9 VwGVG entfallen Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4   B-VG unzulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über die Beschwerdeführerin wegen der Übertretung nach §  4 Abs.5 iVm § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 110 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 48 Stunden  verhängt, weil sie am 14.5.2013 um 5:00 Uhr als Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen X im Gemeindegebiet von St. Marien auf der L1374 bei Straßenkilometer 9,700 an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden (Wildschaden) in ursächlichen Zusammenhang gestanden sei und nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienstelle verständigt habe.

 

 

I.1. Die Behörde führte in ihrer Begründung im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin selbst zwei Stunden nach dem Vorfall das Gemeindeamt Schiederberg über den Wildunfall verständigt habe und in der Folge über einen entsprechenden Hinweis eine weitere Stunde später (um 8:00 Uhr) über Notruf die Polizeiinspektion Neuhofen verständigt habe. Dass sie den Unfall nicht sofort gemeldet habe aber die Polizeiinspektion Neuhofen 16.5.2013 gegen sie Anzeige erstattet.

Inhaltlich wurde unter Hinweis auf die Rechtsnorm auch ausgeführt, dass durch die verspätete Meldung unnötige Qualen für das angefahrene Tier (Reh) nicht verhindert worden sei, weil aus diesem Grund allfällige Vorkehrungen (Verständigung eines Jagdausübungsberechtigten) nicht getroffen werden hätten können. Unter Hinweis auf § 5 VStG sei der Beschwerdeführerin schuldhaftes Verhalten zumindest durch Fahrlässigkeit vorzuwerfen.

Die Behörde ging von einem Monatseinkommen in Höhe von 1.000 €, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten aus. Als strafmildernd wertete sie die Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin während demgegenüber keine straferschwerenden Umstände zu berücksichtigen waren. Diese Strafe schiene geeignet sie in Hinkunft von weiteren gleichartigen Übertretungen abzuhalten.

 

 

II. Mit der fristgerecht an die Behörde per E-Mail am 31.3.2014 erhobenen Beschwerde vermeint die Beschwerdeführerin es wäre dies ihr erster Wildunfall gewesen. Sie sei unter Schock gestanden und habe momentan nicht gewusst wie sie reagieren solle und sei es diesem Grund einfach weitergefahren um nicht zu spät in die Arbeit zu kommen. Erst als der Schock nachgelassen habe sei ihr bewusst geworden, dass sie einen großen Fehler gemacht habe und den Wildschaden sofort hätte melden müssen. Da sie nun diesen Fehler einsehe ersuche sie um eine Verwarnung oder eine Herabsetzung dieser hohen Strafe. Sie nehme das Recht in Anspruch vor dem Verwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung zu beantragen.

III: Die Behörde hat den Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht mit Vorlageschreiben vom 27.3.2014 mit dem Hinweis auf die Rechtzeitigkeit der Beschwerde zur Entscheidung vorgelegt. Es wurde die Abweisung der Beschwerde beantragt und bemerkt, dass von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Abstand genommen wurde.

 

 

III.1. Da in der Beschwerde eine öffentliche mündliche Verhandlung beantragt wurde, wurde für den 28.4.2014 eine öffentlichen mündlichen Verhandlung anberaumt.   Mit Eingabe der Beschwerdeführerin vom 15.4.2014 zog sie diesen jedoch unter Hinweis den Termin nicht wahrnehmen zu können zurück. Darin erklärt sie den Verlauf ihres Bemühens den Unfall an der richtigen Stelle zu melden.

Das Landesverwaltungsgericht hat folglich ergänzend Beweis erhoben durch Aufforderung der Beschwerdeführerin die Umstände des Unfallherganges, insbesondere den Verbleib des Rehs näher darzulegen.  Die Beschwerdeführerin beantwortet dieses Ersuchen postwendend mit dem Hinweis, das Reh wäre von der Unfallstelle in den Wald geflüchtet.

Die Darstellung der Polizei wonach das Reh an der Unfallstelle verendet wäre steht demnach in Widerspruch zu den Angaben der Beschwerdeführerin. Eine diesbezügliche Anfrage wurde am 15.4.2014 an den Meldungsleger gestellt.

Aus diesem Anlass wurde ferner im Wege des Gemeindeamtes der Jagdleiter in Erfahrung gebracht. Dieser teilt über h. Anfrage mit, dass laut seinen Aufzeichnungen während der fraglichen Zeit kein Unfallreh entsorgt und seitens der Jägerschaft offenbar auch keine Nachsuche getätigt wurde.

 

 

IV. Erwiesener Sachverhalt und Beweiswürdigung:

Unbestritten ist hier eine Kollision des von der Beschwerdeführerin gelenkten Pkw mit einem Reh. Das Wild wurde dabei  jedoch nicht getötet, sondern flüchtete von der Unfallstelle. Dies ist angesichts der im Bereich eines Kreisverkehrs als eher gering anzunehmenden Fahrgeschwindigkeit durchaus plausibel. Auch die Angaben des Jagdleiters bestätigen, dass ein Reh weder entsorgt und sonst das Unfallgeschehen an die Jägerschaft herangetragen worden sein dürfte. Offenbar liegt diesbezüglich eine Fehlannahme des den Sachverhalt aufnehmenden und die Anzeige an die Behörde erstattenden Polizeibeamten vor. Eine diesbezügliche Anfrage an die Polizeiinspektion Neuhofen vom 15.4.2014 blieb  bis zum heutigen Tag unbeantwortet. Demnach kann ein Unfall mit Drittschaden jedenfalls nicht erwiesen gelten.

 

 

V. Rechtlich hat das Oö. Landesverwaltungsgericht erwogen:

Voraussetzung für die Erfüllung der Tatbestände iSd § 4 Abs.5 StVO ist der tatsächliche Eintritt eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden sowie die Kenntnis des Täters hievon. Hinsichtlich des letzteren Umstandes genügt es, wenn ihm objektive Umstände zu Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden zu erkennen vermocht hätte. Es reicht also die Schuldform der Fahrlässigkeit aus - VwGH 11.9.1979, ZfVB 1980/4/1233, sowie VwGH 23.5.2002, 2001/03/0417).

Diesbezüglich ist aber auf die jeweiligte Situation abzustellen ob ein solches Ereingis tatsächlich dem Lenker evident wird (und er dennoch weiterfährt) oder nicht und er folglich aber (fahrlässig) auch noch die Meldung unterlässt. 

Da sich hier die Beschwerdeführerin, wenn auch im Sinne der stregen Judikatur nicht „ohne unnötigen Aufschub“ nach zwei Stunden nach dem  Unfallereignis dies bereits meldete, könnte von einem Verstoß gegen das gesetzlich geschützte Rechtsgut an sich in eher nur geringem Umfang  die Rede sein. Dies könnte hier nur darin erblickt werden, dass dem als verletzt anzunehmenden Reh allenfalls durch die Jägerschaft im Rahmen einer Nachsuche dessen Leiden früher hätte beendet werden können. Darauf weist auch die Behörde durchaus zutreffend hin.

Da jedoch auch diesbezüglich von der Polizei offenbar keine Mitteilung an die Jägerschaft erfolgte, trifft selbst dieser Vorwurf die Beschwerdeführerin nicht.

Letztlich kann hier kein Unfallereigenis mit Drittschadensfolge als erwiesen angesehen werden.

 

V.1. Zum Einwand des Unfallschocks wäre wohl grundsätzlich auszuführen, dass es sich bei der 48-jährigen Beschwerdeführerin offenbar um keine Farbanfängerin handelt.

Mit Ihrem Hinweis auf einen angeblichen Unfallschock würde sie weder ihr Verhalten zu rechtfertigen noch zu entschuldigen vermögen. Die dazu ergangene höchstgerichtliche Rechtsprechung besagt dazu, dass ein solcher nur in besonders gelagerten Fällen und bei gravierenden psychischen Ausnahmesituationen eine Berücksichtigung finden kann um das Unterlassen eines pflichtgemäßen Verhaltens zu entschuldigen; der dispositionsfähig gebliebenen Unfallbeteiligten wäre daher trotz eines so genannten "Unfallschrecks" in Verbindung mit einer begreiflichen affektiven Erschütterung pflichtgemäßes Verhalten zumutbar gewesen, weil von einem Kraftfahrer oder einer jeden Kraftfahrerin, welche die Risiken einer Teilnahme am Straßenverkehr auf sich nimmen, ein solches Maß an Charakter- und Willensstärke zu verlangen ist, dass er den Schreck über den Unfall und die etwa drohenden Folgen zu überwinden vermag (VwGH 28.1.2000, 99/02/0042, mit Hinweis auf vwGH 26.5.1993, Zl. 92/03/0008).

Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG ist hier mangels eines erweislichen Schadens von der Fortführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei:

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Dr. B l e i e r