LVwG-650059/5/MS/CG
Linz, 07.03.2014
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Dr. Monika Süß über die Beschwerde von Herrn R W, vertreten durch Dr. P L, Dr. A P, Rechtsanwälte, X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Linz-Land vom 23. Dezember 2013, GZ: VerkR21-791-2013/LL, den
B E S C H L U S S
gefasst:
I. Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als der Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Linz-Land vom 12. Dezember 2013, GZ VerkR21-791-2013/LL, aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG zurückverwiesen wird.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Linz-Land vom 23. Dezember 2013, GZ: VerkR21-791-2013/LL, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, sich bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land innerhalb eines Monats nach Rechtskraft des Bescheides amtsärztlich untersuchen zu lassen. Der Bescheid stützt sich auf die §§ 24 Abs 4 und 8 Führerscheingesetz (FSG).
Die Behörde begründet ihren Bescheid wie folgt:
Der Behörde liegt eine Anzeige der Polizeiinspektion Eferding vom 24. Oktober 2013 über einen Verkehrsunfall mit Sachschaden und Fahrerflucht vor. Demnach haben sie am 19. Oktober 2013 gegen 10.20 Uhr in Straßham im Bereich der Kreuzung Ochsenstraße/Quellengasse als Lenker des PKW, polizeiliches Kennzeichen X, unmittelbar vor dem Bahnübergang in Straßham ein Umkehrmanöver durchgeführt und dabei ein Verkehrszeichen umgefahren. Sie haben ihre Fahrt aber ohne anzuhalten fortgesetzt und dem Geschädigten von Eintritt eines Schadens nicht verständigt. Die Polizei Eferding konnte sie nur telefonisch erreichen - dabei gaben sie an, sich verfahren und daher gewendet zu haben, einen Schaden hätten sie nicht bemerkt. Der telefonischen Aufforderung, auf die Dienststelle in Eferding zu Sachverhaltsaufnahme zu kommen, sind sie nicht nachgekommen.
Anlässlich der amtsärztlichen Untersuchung im Jahr 2012 wurden bei Ihnen diverse Erkrankungen diagnostiziert. Ein damals beigezogener Facharzt für Innere Medizin gab eine positive Stellungnahme ab, empfahl aber aufgrund der festgestellten Erkrankungen jährliche verkehrsmedizinische Kontrollen. Aufgrund eines Formalfehlers wurde die Vorschreibung einer verkehrspsychologischen Untersuchung, die zur Feststellung, ob sie noch über ausreichendes Reaktionsvermögen verfügen, belastbar sind und die täglichen Verkehrssituationen ausreichend schnell wahrnehmen können, notwendig gewesen wäre, behoben und konnte deshalb in dieser Hinsicht seitens der amtsärztlichen keine Beurteilung erfolgen.
Sie sind im Besitz einer Lenkberechtigung für die Klassen AM, A, B und F. Dazu ist anzumerken, dass als gesundheitlich geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen nur gilt, wer für das sichere Beherrschen diese Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften unter anderem aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit verfügt. Gemäß § 17 Absatz 1 FSG-Gesundheitsverordnung ist im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten insbesondere dann zu verlangen, wenn der Besitzer einer Lenkberechtigung Verkehrsunfälle verursacht oder Verkehrsverstöße begangen hat, die den Verdacht auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit oder auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung erwecken.
Durch den nun von Ihnen verursachten Verkehrsunfall - insbesondere im Hinblick auf die Tatsache, dass sie den Schadenseintritt nicht bemerkt haben wollen sowie die aktenkundige Vorgeschichte - besteht der begründete Verdacht, dass ihre kraftfahrspezifischen Leistungsfunktionen und somit ihre gesundheitliche Eignung zu lenken von Kraftfahrzeugen nicht mehr ausreichend vorhanden sind.
b) In der gegen den oben genannten Bescheid rechtzeitig erhobenen Beschwerde, stellt die Bf den von der Behörde angenommenen Sachverhalt in Frage.
Begründend wird Folgendes ausgeführt:
1. Mangelhaftigkeit des Verfahrens:
Die Erstbehörde habe das Recht auf Parteiengehör verletzt, da der gegenständliche Bescheid ohne Einleitung eines Ermittlungsverfahrens erlassen wurde. Die Behörde habe ohne das Verwaltungsstrafverfahren abzuwarten den noch nicht rechtskräftigen Sachverhalt zu Grunde gelegt, ohne dass Gefahr in Verzug oder dergleichen vorliege, die ein derartiges Handeln erforderlich machen oder rechtfertigen würde. Bis zur rechtskräftigen Verurteilung gelte, die Unschuldsvermutung so dass es angebracht gewesen wäre, das Verwaltungsstrafverfahren abzuwarten. Dieser essenzielle Grundsatz eines fairen Verfahrens solle nicht zuletzt die immanente Gefahr hintanhalten, dass trotz Freispruches im Verwaltungsstrafverfahren die inkriminierte Tat zu Grunde gelegt werden würde und ein aus Sicht des Beschwerdeführers negativer Bescheid erlassen werden konnte.
2. Unrichtige rechtliche Beurteilung:
Die von der Erstbehörde angenommene Begründung für die vorgeschriebene Untersuchung stelle keine taugliche Begründung war, vielmehr sei diese Begründung offensichtlich eine Scheinbegründung, insbesondere um die nicht durchgeführte verkehrspsychologische Untersuchung nunmehr über diesen „Umweg“ nachholen zu können.
Diese für einen Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Absatz 4 FSG erforderlichen begründeten Bedenken an der gesundheitlichen Eignung des Inhabers einer Lenkberechtigung haben bereits in zahlreichen höchstgerichtlichen Entscheidungen ihre Auslegung gefunden. Die Behörde führe nicht einmal an, worin die begründeten Bedenken hier bestehen sollen, selbst wenn man den Beschwerdeführer unterstelle, er habe einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und habe Fahrerflucht begangen, stelle dies für sich allein noch keinerlei taugliche Grundlage für begründete Bedenken dar.
Der Verwaltungsgerichtshof habe schon mehrfach ausgesprochen, dass die Bedenken „begründet“ sein müssen und stelle strenge Anforderungen an Zweifeln an der gesundheitlichen Zuverlässigkeit. Es müsse genügend begründete Bedenken an der gesundheitlichen Eignung bestehen und eine derartige Maßnahme zu rechtfertigen (VwGH 20. April 2004,2 1003/11/0243).
Würde man dieser Argumentation folgen, müsste bei jedem Unfall hier eine gesundheitliche Überprüfung - insbesondere auch in verkehrspsychologischer Hinsicht - erfolgen.
§ 17 Absatz 1 FSG-Gesundheitsverordnung sei auch nur dann anzuwenden, wenn Verkehrsunfälle verursacht oder Verkehrsverstöße begangen wurden, die den Verdacht auf verminderte kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit und auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung erwecken, wobei hier schon allein nach der Wortwahl, nämlich der Verwendung des Plurals, eine Mehrheit vorliegen müsse, und ein „bedenklicher“ Verfall für sich alleine nicht ausreichen könne.
I. Gemäß § 28 Abs 2 Z 1 und 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
II. a) § 24 Abs 4 FSG sieht vor, dass bei Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen ist.
Beabsichtigt eine Behörde, aufgrund § 24 Abs 4 FSG einer Person bescheidmäßig eine amtsärztliche Untersuchung vorzuschreiben, muss sie der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge begründete Bedenken hegen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von KFZ derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hierbei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen (VwGH 20.4.2004, 2003/11/0243; 17.3.2005, 2004/11/0014).
Im ggst Fall wurde der Behörde von der Polizei mitgeteilt, dass eine Zeuge gesehen habe, der Beschwerdeführer habe mit seinem PKW auf der Ruflingerstraße beim Umkehren einen Unfall verursacht, indem er ein Verkehrszeichen umgefahren habe
Die Behörde hat in Folge jegliche Sachverhaltsermittlung unterlassen. Es erfolgte keine Ermittlungen dahingehend, ob der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung dessen Angaben, den Unfall tatsächlich verursacht haben kann, es wurde weder die Fahrzeugtype ermittelt, noch eine Stellungnahme eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen eingeholt, ob das Schadensbild überhaupt mit dem Fahrzeugtyp des Beschwerdeführers kompatibel ist und sofern der Beschwerdeführer den Unfall verursacht haben kann, ob er diesen hätte merken müssen, zumal der Beschwerdeführer auch angibt, dass bei seinem Fahrzeug kein Schaden eingetreten ist.
Aus der Bescheidbegründung geht auch nicht hervor, aus welchem Umstand des zugrunde gelegten Vorfalls die Behörde geschlossen hat, dass hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken eines Fahrzeuges begründete Bedenken bestehen. Der Beschwerdeführer wurde nicht aufgefordert, hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von KFZ Stellung zu nehmen. Die Behörde hat auch davon abgesehen, den Beschwerdeführer vorzuladen und sich selbst einen persönlichen Eindruck von deren Gesundheit zu verschaffen.
Im Sinne des § 28 Abs 2 Z 1 VwGVG ist somit davon auszugehen, dass der für eine inhaltliche Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht feststeht. Fraglich ist für eine Anwendung des 28 Abs 3 Satz 2 leg cit daher lediglich, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Würde man betreffend des Kriteriums der Raschheit auf die mögliche Dauer bis zur Erzielung einer endgültigen Sachentscheidung abstellen, blieben letztlich kaum Fälle für die kassatorische Einschränkung in § 28 Abs 2 Z 2 VwGVG über und der Bestimmung käme (nahezu) keine praktische Bedeutung zu. Es ist daher davon auszugehen, dass eine Behebung des angefochtenen Bescheides und eine Zurückverweisung an die Behörde zur neuerlichen Entscheidung zulässig ist, wenn die Behörde danach ihr neuerliches Ermittlungsverfahren voraussichtlich mindestens zum gleichen Datum abschließen kann wie es das Verwaltungsgericht könnte. Bezüglich des Kriteriums der Kosten dürfte eine Zurückverweisung zulässig sein, wenn dadurch höchstens etwas höhere Kosten entstünden, als wenn das Verwaltungsgericht sein Ermittlungsverfahren durchführt (vgl zur wortgleichen Bestimmung in Art 130 Abs 4 Z 2 B-VG Leeb, Das Verfahrensrecht der [allgemeinen] Verwaltungsgerichte unter besonderer Berücksichtigung ihrer Kognitionsbefugnis, in Janko/Leeb [Hrsg], Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz [2013] 85 [99f]; ebenso Fischer, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte I. Instanz [VwGVG], in Österreichische Juristenkommission [Hrsg], Justizstaat Chance oder Risiko, in Druck).
b) Im ggst Fall ist – da von der Behörde wesentliche entscheidungsrelevante Ermittlungen unterlassen wurden und gleichzeitig bei der Behörde das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer anhängig ist, bei dem u.a.dieselben Sachverhaltselemente zu ermitteln sind, wie für das hier anhängige Verfahren – für das OÖ. Landesverwaltungsgericht nicht ersichtlich, dass die eigene Sachverhaltsermittlung eine Kostenersparnis in welche Richtung auch immer (konkrete Amtshandlung / Gesamtverfahren) bewirken könnte. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Behörde ihr Ermittlungsverfahren erst zu einem späteren Zeitpunkt abschließen wird können als das Landesverwaltungsgericht Oö. ein von ihm geführtes abschließen könnte, da das Ermittlungsverfahren für das anhängige Strafverfahren der Erstbehörde bereits eingeleitet wurde. .
Gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde die notwendigen Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
IV. Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der nach Auffassung des Landesverwaltungsgerichts Oö. im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt (Anwendbarkeit des § 28 Abs 2 Z 2 iVm Abs 3 VwGVG), und eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (noch) nicht existiert.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Dr. Süß