LVwG-750124/3/Sr/Spe
Linz, 14.04.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 20. Dezember 2013, GZ: Sich51-105-1997-UU/2447, nach dem Waffengesetz, mit dem der Beschwerdeführer zur Vorlage eines waffenpsychologischen Gutachtens aufgefordert worden war, zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 25 Abs. 2 Waffengesetz wird der Beschwerde stattgegeben, und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Sachverhalt:
1.1. Am 21. November 2013 sprach der Beschwerdeführer (im Folgenden Bf) beim Bezirksgericht vor und erkundigte sich bei der Diplomrechtspflegerin nach dem Stand seines Exekutionsverfahrens (Akt beim OGH). Als er dann auf das Unterhaltsverfahren zu sprechen kam, die lange Dauer und die Nichtberücksichtigung seiner Bestätigungen kritisierte, sah er keinen anderen Ausweg, als sich umzubringen. Die OGH-Entscheidung wollte er nicht mehr abwarten und eher in die nächste Güllegrube springen.
1.2. Das BG Freistadt verständigte unverzüglich die PI Freistadt, die die zuständige PI Bad Leonfelden in Kenntnis setzte.
Gegenüber den einschreitenden Beamten gab der bei Stallarbeiten auf seinem Hof angetroffene Bf an, dass ihm auf Grund der Entscheidungen im Unterhaltsverfahren nur mehr das Notwendigste zum Leben bleibe. Es gebe immer wieder Streitigkeiten und Geldforderungen von seiner Exfrau. In diesem Zusammenhang habe er die Selbstmordäußerung am BG Freistadt ausgesprochen. Diese habe er zur Beschleunigung des Unterhaltverfahrens gemacht.
Daraufhin haben die Beamten am 21. November 2013, um 10.35 Uhr, ein vorläufiges Waffenverbot ausgesprochen und die im Gewahrsam des Bf befindlichen Waffen, Munition und Waffenbesitzkarte vorläufig sichergestellt.
In der Folge wurde der Gemeindearzt von Bad Leonfelden beigezogen. Anschließend begab sich der Bf freiwillig zur Behandlung in die Psychiatrie des WJK Linz. Die Fahrt erfolgte mit der Rettung.
1.3. Im Zuge der Untersuchung in der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg Linz brachte der Bf vor, dass ihn die ständigen Verzögerungen ärgerlich gemacht hätten. Um das Verfahren zu beschleunigen habe er Druck machen wollen und daher gesagt, dass er auch in eine Güllegrube springen könne, wenn eine Klärung wieder nicht möglich sei.
Da der Hausarzt die Suizidalität nicht ausreichend abklären konnte, wurde der Bf vorgeführt.
Gegenüber den untersuchenden Ärzten brachte der Bf vor, dass er seine Aussage in „keinster Weise ernst gemeint“ habe. Zur weiterführenden Klärung wurde Rücksprache mit der Mutter des Bf und dem einweisenden Hausarzt gehalten.
Von der Mutter des Bf wurden jegliche depressive Symptome oder irgendwelche aggressiven Handlungen, sei es gegen sich selbst oder andere, glaubhaft und wiederholt negiert. Sie machte sich keine Sorgen, dass der Bf suizidgefährdet sein könnte. Der Bf befinde sich seit seiner Scheidung in einer schwierigen gerichtlichen und finanziellen Situation. Diese habe ihn zu dieser Aussage verleitet.
Der Status psychicus wird wie folgt beschrieben:
Der Patient ist wach, allseits orientiert, Konzentration und Aufmerksamkeit unauffällig, keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen, keine Halluzinationen, Distanzierung vom SMG, Stimmungslage unauffällig, Antrieb unauffällig, Affizierbarkeit in bd. Skalenbereichen gegeben, kein AHP für selbst- oder fremdaggressives Verhalten, weder aktuell noch in der Vergangenheit.
Eine Medikation wird als nicht erforderlich angesehen. Als weitere Maßnahmen werden fachärztliche Kontrollen bei Dr. X wie bisher, Psychotherapie entweder im niedergelassenen Bereich oder über Exit empfohlen.
1.4. Aus dem Aktenvermerk vom 5. Dezember 2013 geht hervor, dass der Bf um Vorlage des Befundes des WJKH gebeten wurde, im Falle der Unauffälligkeit von der Verhängung eines Waffenverbotes abgesehen und der Bf um Beibringung eines waffenpsychologischen Gutachtens ersucht werde.
1.5. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 20. Dezember 2013, GZ Sich51-105-1997-UU/2447, zugestellt am 24. Dezember 2013, wurde der Bf gemäß § 25 Abs. 2 Waffengesetz aufgefordert, binnen einem Monat, gerechnet ab Rechtskraft dieses Bescheides, ein waffenpsychologisches Gutachten darüber vorzulegen, ob er dazu neigen könne, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen, oder sie leichtfertig zu verwenden.
Begründend führte die belange Behörde nach Darstellung des relevanten Sachverhaltes aus, dass der Vorfall Anhaltspunkte dafür biete, dass der Bf insbesondere unter psychischer Belastung dazu neigen könne, unvorsichtig mit Waffen umzugehen oder diese leichtfertig zu verwenden.
1.6. Am 27. Dezember 2013 wurden dem Bf die abgenommenen Waffen und die sichergestellt Munition ausgefolgt.
1.7. Innerhalb offener Frist hat der Bf Beschwerde eingebracht.
In der Begründung führte er wie folgt aus:
Der Beschwerde wurde folgender Befund/Gutachten der Psychotherapeutin und Fachärztin für Psychatrie, Dr. X, vom 7. Jänner 2014 beigelegt:
Seit 2008 bei mir in Behandlung. Schwierige psychosoz. Umstände seit Jahren. Bisher keine Suizidversuche, Suizidandrohungen im Affekt in Krisensituationen. Eine stat. Behandlung wegen Suizidalität war bisher nicht erforderlich. PT bei EXIT Bad Leonfelden. Med. nimmt er nicht. Im heutigen Gespräch neue Perspektiven bzgl. Lösung seiner finanziellen Probleme. Kein HW auf Substanzmissbrauch.
Psychiatrischer Satus:
dzt. nicht depressiv, keine HW auf eine suizidale Einengung. Von SMG klar distanziert.
Weiter psychiatrische Begleitung nach Bedarf/Vereinbarung.
1.8. Mit Schreiben vom 5. Februar 2014 teilte die belangte Behörde mit, dass beim Bf 2010 von der Beibringung eines waffenpsychologischen Gutachtens abgesehen worden war. Das Waffenverbot war wegen Körperverletzungen und gefährlichen Drohungen gegenüber seinem Schwiegervater ausgesprochen worden. Da dieser zwischenzeitig verstarb, wurde das Waffenverbot nach Rücksprache mit der zuständigen PI aufgehoben.
1.9. Am 9. April 2014 wurde mit Frau Dr. X Rücksprache gehalten und sie zu ihrem Gutachten vom 7. Jänner 2014 befragt. Die am 7. Jänner 2014 getroffene Einschätzung und Beurteilung wurde vollinhaltlich aufrechterhalten.
2. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Schreiben vom 20. Jänner 2014 zur Entscheidung vor.
3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen und geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten I 1.1. bis 1.9. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus.
II.
Das Beschwerdevorbringen ist glaubhaft und deckt sich mit der Aktenlage und den ergänzenden Ermittlungsergebnissen.
III.
1. Gemäß § 25 Abs. 2 Waffengesetz hat die Behörde außerdem die Verlässlichkeit des Inhabers einer waffenrechtlichen Urkunde zu überprüfen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist. Sofern sich diese Anhaltspunkte auf einen der in § 8 Abs. 2 genannten Gründe oder darauf beziehen, dass der Betroffene dazu neigen könnte, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden, ist die Behörde zu einem entsprechenden Vorgehen gemäß § 8 Abs. 7 ermächtigt.
Nach § 8 Abs. 2 Waffengesetz ist ein Mensch keinesfalls verlässlich, wenn er
1. alkohol- oder suchtkrank ist oder
2. psychisch krank oder geisteskrank ist oder
3. durch ein körperliches Gebrechen nicht in der Lage ist, mit Waffen sachgemäß umzugehen.
Gemäß § 8 Abs. 7 Waffengesetz hat sich die Behörde bei erstmaliger Prüfung der Verlässlichkeit davon zu überzeugen, ob Tatsachen die Annahme mangelnder waffenrechtlicher Verlässlichkeit des Betroffen aus einem der in Abs. 2 genannten Gründen rechtfertigen.
2.1. Für eine ad-hoc Prüfung der Verlässlichkeit reichen bereits Anhaltspunkte dafür aus, dass der Betroffene nicht mehr verlässlich ist. Es werden also keine Tatsachen iSd § 8 Abs. 1 Waffengesetz, sondern bloß Anhaltspunkte für Tatsachen verlangt. Nach der Rechtsprechung sind an Anhaltspunkte keine allzu hohen Anforderungen zu stellen (siehe Keplinger/Löff, Waffengesetz 1996, Praxiskommentar 42, proLIBRIS 2014, S 206).
Die belangte Behörde hat sich bei der Bescheiderlassung nicht auf § 8 Abs. 2 Waffengesetz gestützt, sondern ist davon ausgegangen, dass der Bf möglicherweise unter psychischer Belastung dazu neigen könnte, mit Waffen unvorsichtig umgehen.
Die Behörde ist dann zu einem Vorgehen gemäß § 8 Abs. 7 Waffengesetz ermächtigt (Auftrag ein waffenpsychologisches Gutachten vorzulegen), wenn sich die Anhaltspunkte darauf beziehen, dass der Betroffene dazu neigen könnte, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden. Ein Auftrag zur Beibringung eines Gutachtens wäre rechtswidrig, wenn keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Verlässlichkeit vorliegen (siehe Keplinger/Löff, a.a.O.).
2.2. Unbestritten ist, dass der Bf die Selbstmordäußerung „dann könnte ich auch in die Güllegrube springen“ geäußert hat.
Den nachfolgenden Untersuchungsergebnissen ist aber zu entnehmen, dass der Bf diese Äußerung nicht ernst gemeint hat und diese nur der Verstärkung der Dringlichkeit seines Vorbringens dienen sollte.
Aus dem Befund des WJKG vom 21. November 2013 geht eindeutig hervor, dass sich der Bf von Selbstmordgedanken distanziert und weder aktuell noch in der Vergangenheit Anhaltspunkte vor selbst- oder fremdaggressives Verhalten vorgelegen sind. Die das Gutachten erstellenden Ärzte haben in dieser Angelegenheit mit der Mutter des Bf und dem einweisenden Arzt Rücksprache gehalten, wobei sich diese Beurteilung bestätigt hat.
Eine Medikation des Bf wurde für nicht erforderlich angesehen, die Psychotherapie entweder im niedergelassenen Bereich oder über EXIT dringend empfohlen.
Der Bf hat entsprechend dieser Empfehlung mit seiner langjährigen Psychotherapeutin Kontakt aufgenommen. Diese hat am 7. Jänner 2014 eine Untersuchung durchgeführt und ein Gutachten erstellt. Daraus geht hervor, dass bisher keine Suizidversuche hervorgekommen sind und der Bf auch im Affekt in Krisensituationen keine Suizidandrohungen gemacht hat. Der Bf wurde am 7. Jänner 2014 als nicht depressiv befundet. Ebenso wurden keine Hinweise auf suizidale Einengung gesehen. Da er sich auch klar von Selbstmordgedanken distanziert hat, sah die Psychotherapeutin eine weitere psychiatrische Begleitung nur bei Bedarf als erforderlich an.
2.3. Aus den beiden Gutachten ergeben sich keinerlei Hinweise auf ein selbst- bzw. – fremdaggressives Verhalten.
Die belangte Behörde scheint selbst davon ausgegangen zu sein, da sie unmittelbar nach der Bescheiderlassung dem Bf die Waffen samt Munition am 27. Dezember 2014 ausgefolgt hat.
Wie bereits oben dargestellt, bedarf es für die behördliche Vorgangsweise keiner Tatsachen sondern lediglich Anhaltspunkte für Tatsachen.
Diese Anhaltspunkte hätten sich im vorliegenden Fall darauf beziehen müssen, dass der Bf dazu neigen könnte, unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder diese leichtfertig zu verwenden.
Ein solcher Anhaltspunkt ist aber weder im Ermittlungsverfahren noch im Beschwerdeverfahren hervorgekommen. Die Selbstmorddrohung, die nachträglich auch von den beigezogenen Ärzten als nicht ernst gemeint eingestuft worden ist, bezog sich ausschließlich auf die Person des Bf und stand nicht einmal ansatzweise mit einer Waffe in Verbindung. Auch in der Vergangenheit haben sich im Zuge der absolvierten psychiatrischen Behandlungen weder Hinweise auf eine Selbst- bzw. Fremdgefährdung noch Anhaltspunkte auf einen unvorsichtigen Umgang mit oder leichtfertigen Verwendung einer Waffe ergeben.
3. Da keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Verlässlichkeit vorliegen, war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Christian Stierschneider