LVwG-700037/2/Sr/WU
Linz, 31.03.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des X, geboren am X, Staatsangehöriger von Algerien, X, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 12. Februar 2014, GZ: S 37614/13-2, wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes, zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG iVm § 45 VStG iVm § 120 Abs. 1a und § 13 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 in der Fassung des Bundesgesetzblattes BGBl. I Nr. 50/2012, wird der Beschwerde stattgegeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 12. Februar 2014, GZ: S 37614/13-2, wurde über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) gemäß § 120 Abs. 1a FPG, BGBl. 100/2005 idgF eine Geldstrafe in der Höhe von 2500,-- Euro sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Tagen verhängt.
Die belangte Behörde führt dabei folgenden Tatvorwurf aus:
Wie vom fremdenpolizeilichen Referat der LPD OÖ am 12.09.2013 anlässlich einer fremdenpolizeilichen Überprüfung festgestellt wurde, sind Sie Fremder im Sinne des § 2 Abs.4 Z1 des Fremdenpolizeigesetzes und Sie halten sich seit 01.09.2013 unrechtmäßig im Bundesgebiet von Österreich auf, da Sie weder aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz noch aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind, Sie nicht im Besitze eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, Ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz nicht zukommt, und sie nicht Inhaber einer Beschäftigungsbewilligung, Entsendebewilligung oder Anzeigebestätigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz sind.
2. Dagegen hat der Bf rechtzeitig Beschwerde eingebracht.
In der Begründung führte er wie folgt aus:
Wie ausführlich telefonisch erörtert und vereinbart erhebe ich eine Beschwerde schriftlich gegen den Straferkenntnis von 12-02-2014 und bitte Sie den Missverständnis zu bereinigen. Wie erklärt bin in Österreich Republik Gott sei Dank legal und lege als Beweis dafür eine Kopie meine Aufenthaltsbewilligung vor.
Zuletzt danke ich Sie im voraus für Ihr Verständnis und Ihre Einsicht.
Zu Beweiszwecken legte eine Kopie einer ROT-WEISS-ROT-KARTE PLUS, ausgestellt für ihn vom Magistrat Linz am 3. Februar 2014, gültig bis 2. Februar 2015 bei.
3. Mit Schreiben vom 11. März 2014 legte die belangte Behörde den Verwaltungsstrafakt vor und wies darauf hin, dass eine Beschwerdevorentscheidung nicht in Erwägung gezogen worden sei.
3.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt und das Beschwerdevorbringen. Ergänzend dazu ist eine ZMR-Abfrage und eine IZR-Anfrage vorgenommen worden.
Dabei ist hervorgekommen, dass der Bf über einen Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot Karte Plus, zu Nr. X, gültig bis 2. Februar 2015, verfügt und er seinen Wohnsitz in X hat.
Über Anfrage am 31. März 2014 teilte der Magistrat Linz mit, dass sich seit der Ausweisungsentscheidung der relevante Sachverhalt wesentlich geändert hat und aus Gründen des Art. 8 EMRK dem Bf der entsprechende Aufenthaltstitel verliehen worden ist. Abgesehen davon, dass sich der Bf seit 8 Jahren in Österreich aufhalte und unbescholten sei, habe dieser hervorragende Deutschkenntnisse (Prüfung mit Punktemaximum abgeschlossen) und einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Neben einer fixen Arbeitszusage sei der Bf in mehreren Vereinen tätig und erbringe im Laufsport gute Leistungen. Zahlreiche Empfehlungsschreiben hätten die gute Integration abgerundet.
II.
Betreffend die Beweiswürdigung ist anzuführen, dass die vom Bf vorgebrachten Aspekte des Privat- und Familienlebens völlig glaubhaft scheinen und im Übrigen auch diesen von der belangten Behörde nicht entgegengetreten wurde.
III.
1. Gemäß § 120 Abs. 1a des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2.500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu bestrafen, wer sich als Fremder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2.500 Euro bis zu 7.500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltsortes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;
2. wenn sie aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;
3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;
4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;
5. (aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009)
6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder
7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.
2.1. Im vorliegenden Fall ist zunächst völlig unbestritten, dass das Asylverfahren des Bf seit dem 5. Oktober 2012 rechtskräftig negativ abgeschlossen und die Ausweisungsentscheidung des Bundesasylamtes in Rechtskraft erwachsen ist.
2.2.1. Im vorliegenden Fall bringt der Bf erschließbar vor, dass eine Bestrafung im Hinblick auf die Zuerkennung seines humanitären Aufenthaltsrechtes nicht zulässig sei.
2.2.2. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
2.2.3. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.
Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die Rechtsnormen und auch die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Verwaltungsstrafen zu verhängen, um einen unrechtmäßigen Aufenthalt einer Person zu pönalisieren, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung eines Staates massiv zu beeinträchtigen.
2.2.4. Andererseits weist der Bf klare Elemente eines bestehenden Privat- und Familienlebens auf, die im Grunde auch schon im Strafzeitraum bestanden oder sich darin entwickelten.
Er ist seit rund 8 Jahren im Bundesgebiet aufhältig, wobei der überwiegende Teil als legal zu betrachten ist, wie auch im Übrigen der Bf nunmehr über einen Aufenthaltstitel (humanitärer Aufenthalt), eine Rot-Weiß-Rot Karte Plus verfügt, was deutlich auf eine Integrationsverfestigung schließen lässt.
Wesentlich ist jedenfalls, dass der unbescholtene Bf, der über ausgezeichnete Deutschsprachkenntnisse verfügt (Prüfung mit Punktemaximum abgeschlossen), einen großen Freundes- und Bekanntenkreis hat. Neben einer fixen Arbeitszusage ist der Bf in mehreren Vereinen tätig und erbringt im Laufsport gute Leistungen. Zahlreiche Empfehlungsschreiben runden die gute Integration ab. Bedeutsam ist im vorliegenden Fall, dass die beschriebene Integration schon im Tatzeitraum bestanden hat.
Das Privatleben erscheint somit durchaus schützenswert. Strafgerichtliche Verurteilungen liegen nach Aktenlage nicht vor.
2.2.5. Zusammengefasst ist also festzuhalten, dass der Bf ein überdurchschnittlich ausgeprägtes Privatleben im Bundesgebiet aufweist und auch schon im Tatzeitraum aufgewiesen hat.
2.3. In Anbetracht der obigen Überlegungen muss festgehalten werden, dass aufgrund des Privatlebens des Bf im Bundesgebiet der Tatbestand des § 120 Abs. 1a FPG schon in objektiver Hinsicht als nicht erfüllt angesehen werden kann.
3. Es war daher der Beschwerde stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
4.1. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Bf nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben wird.
4.2. In diesem Sinn war dem Bf kein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem LVwG aufzuerlegen.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Stierschneider