LVwG-700032/2/Sr/MAS/Jo

Linz, 17.03.2014

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des M.N., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 10. Februar 2014, Pol96-125-2013, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Oö. Polizeistrafgesetz zu Recht   e r k a n n t :

 

 

 

I.             Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben.

 

II.           Gemäß § 52 Abs. 9 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

III.         Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 10. Februar 2014, GZ.: Pol96-125-2013, wurde der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben am 20.9.2013 gegen 19:30 Uhr am Xweg H, nächst dem Anwesen H 21, 4076 St. Marienkirchen/P. gemeinsam mit Ihrem Bruder P.N. Herrn L.S. körperlich angegriffen. Sie erfassten Herrn L.S. mit beiden Händen am Kragen und versuchten ihn auf der Beifahrerseite auf dem Fahrzeug zu ziehen. Weiters drückten Sie Herrn L.S. gegen den Zaun."

 

Wegen des Verstoßes gegen § 1 Oö. Polizeistrafgesetz (Anstandsverletzung) in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung verhängte die belangte Behörde gegen den Bf eine Geldstrafe in der Höhe von 36,- Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 33 Stunden. Weiters wurde der Bf gemäß § 64 VStG zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in der Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet. Somit ergibt sich für den Bf ein zu zahlender Gesamtbetrag von 39,60 Euro.

 

Begründend führte die belangte Behörde wie folgt aus:

"Gemäß § 1 des Oö. Polizeistrafgesetzes begeht, wer den öffentlichen Anstand verletzt, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung.

Als eine derartige Anstandsverletzung ist jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

Gemäß § 10 des Oö. Polizeistrafgesetzes sind Verwaltungsübertretungen gemäß den §§ 1 und 3 von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis Euro 360,-- zu bestrafen.

 

Gemäß § 49 Abs. 2 VStG ist das ordentliche Verfahren einzuleiten, wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht wird. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des     § 40 VStG.

Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch die gesamte Strafverfügung außer Kraft, 'in dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnisses darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.'

 

Die Behörde geht vom folgenden Sachverhalt aus:

Im Abschlussbericht der Polizeiinspektion Prambachkirchen vom 08.10.2013 wurde der Staatsanwaltschaft Wels bzw. der Bezirkshauptmannschaft Eferding der Verdacht auf Körperverletzung wie folgt mitgeteilt: 'Der Jäger L.S. beobachtete die zwei Mischlingshunde der beiden Brüder M.N. und P.N., weiche kurz zuvor vom Anwesen ausgerissen waren, wie sie im Revier des L.S. frei umherliefen und offensichtlich wilderten. Um die Hunde zu vertreiben bzw. davon abzuhalten und zu erschrecken, feuerte er mit dem Jagdgewehr vom Hochstand aus (Höhe 2m) in den darunter befindlichen Acker. Die Hunde waren zu diesem Zeitpunkt ca. 200 m entfernt. Die beiden Brüder, die sich in der Zwischenzeit bereits auf die Suche nach den Hunden gemacht hatten, hörten diesen Schuss. Als M.N. den Jäger in einer Entfernung von etwa 200 m wahrnahm, schrie er diesen an und beschimpfte ihn aufs Gröbste. L.S. ging zu seinem Fahrzeug, fuhr zu den Brüdern um sie wegen der Hunde bzw. der Beschimpfungen zur Rede zu stellen. Die vorerst verbale Auseinandersetzung eskalierte. M.N. öffnete die Beifahrertür, erfasste L.S. mit beiden Händen am Kragen und versuchte ihn auf der Beifahrerseite aus dem Fahrzeug zu ziehen. L.S. versetzte ihm einen Stoß und dieser wich zurück. Gleich darauf erfasste M.N. jedoch, das vor dem Beifahrersitz abgestellte Jagdgewehr und bedrohte damit den Jäger. Im Lauf des Gewehrs befand sich lediglich die leere Patrone des Schreckschusses. Jedoch befanden sich bei der gesicherten Waffe im angesteckten Magazin noch zwei volle Patronen. L.S. kletterte über die Beifahrerseite aus dem Fahrzeug um ihm das Gewehr zu entreißen. In diesem Moment, als er das Gewehr erfassen konnte, versetzte ihm P.N. einen Stoß, sodass L.S. strauchelte und gegen den dortigen Gartenzaun taumelte. Die beiden Brüder stürzten sich auf den Jäger und drückten ihn gegen den Zaun. Dieser konnte sich losreißen, kam jedoch dadurch auf dem Xweg zu Sturz und verletzte sich an der linken Schulter. Während dessen verschwanden die beiden Brüder in der bereits eingebrochenen Dunkelheit.

Von den beiden am Tatort eingetroffenen Polizeistreifen Eferding Sektor I und II wurde, nachdem der Verbleib des Jagdgewehres ungewiss war, die Spezialeinheit EKO Cobra angefordert. Noch vor Eintreffen der Spezialeinheit kehrte M.N. zum Tatort zurück um seine, bei der Rangelei verlorene Brille und sein Kappel zu suchen. Er lies sich von der Polizei widerstandslos festnehmen. M.N. zeigte gleich danach den Beamten wo er das Gewehr hingeschmissen hatte. Dieses konnte unweit des Tatortes in einem Garten aufgefunden werden. Seinen Angaben nach hatte er das Gewehr des Jägers nur deshalb aus dem Auto genommen, um eine weitere Eskalation der Situation zu verhindern bzw. sah er in dem Gewehr ein Gefährdungspotential gegen sich und seinen Bruder. Deshalb hat er das Gewehr genommen und nach hinten in die dortige Wiese geschleudert. Nachdem das Jagdgewehr sichergestellt worden war, wurde auch P.N. im Wohnzimmer des nahegelegenen Wohnhauses der Brüder festgenommen.

Der Journalstaatsanwalt der StA Wels ordnete die Anzeigenerstattung auf freiem Fuß wie folgt an: 'M.N. ist verdächtig, am 20.09.2013 gegen 19:30 Uhr, L.S. am Xweg H, nächst dem Anwesen H 21, Gemeinde St. Marienkirchen/P., Bezirk Eferding , im Zuge einer zuerst verbalen Auseinandersetzung, körperlich Angegriffen und in weiterer Folge dessen beim Beifahrersitz abgestelltes Jagdgewehr genommen und L.S. damit bedroht zu haben. P.N. ist verdächtig, gemeinsam mit seinen Bruder M.N., L.S. körperlich Angegriffen zu haben.'

 

In der Mitteilung der Staatsanwaltschaft Wels, 6 St 254/13 x wurde bekannt, dass das Ermittlungsverfahren gegen Sie am 23.09.2013 gem. § 190 Z 2 StPO eingestellt wurde, in Wahrung der subsidiären Zuständigkeit, wurde über Sie von der Bezirkshauptmannschaft Eferding am 12.11.2013 eine Strafverfügung wegen dem Vergehen einer Anstandsverletzung verhängt.

 

Gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 12.11.2013 erhoben Sie am 19.11.2013, eingelangt am 21.11.2013, rechtzeitig Einspruch, den Sie wie folgt rechtfertigten: 'Mein Bruder und ich möchten gegen die Strafverfügung, die gegen uns verhängt wurde, Einspruch erheben. Die Aussagen dieses Herrn L.S. entsprechen nicht der Wahrheit. Nach Protokoll der Polizei griff Herr L.S. uns an. Diese Strafverfügung und andere sind für uns ungerechtfertigt! Wir bitten daher um ein ordentliches Verfahren.'

 

Die Behörde hat dazu erwogen:

Dem glaubhaften und schlüssigen Abschlussprotokoll der Polizeiinspektion Prambachkirchen vom 08.10.2013 ist zu entnehmen, dass die Hunde von Ihnen und Ihrem Bruder im Jagdrevier des L.S. wilderten, da die Hunde von ihnen nicht angeleint waren. Um die Hunde vom weiteren Wildern abzuhalten, verschreckte Herr L.S. die Hunde durch einem Schreckschuss in den Acker, in weiterer Folge kam es zu verbalen Attacken gegen S, welche in körperliche Übergriffe mündeten. Ihre verbalen bzw. körperlichen Übergriffe waren unadäquat, da weder Sie, Ihr Bruder noch die Hunde durch Herrn L.S. angegriffen wurden und der Schreckschuss in den Acker, um die Hunde vom weiteren Wildern abzuhalten, bereits längst erfolgte.

 

Zu ihrer Rechtfertigung, Herr L.S. hätte Sie angegriffen und fühlten Sie sich durch das Gewehr bedroht, wird ausgeführt, dass Sie versuchten, Herrn L.S. auf der Beifahrerseite seines Pkw's aus dem Auto zu zerren. Nach misslingen dieses Versuches schnappten Sie sich das Gewehr aus der Gewahrsame des L.S. und schleuderten es in die Wiese. Provoziert durch diese Handlung, stieg Herr L.S. aus seinem Auto aus.
Anschließend versetzten Sie L.S. einen Stoß, sodass dieser strauchelte und gegen den dortigen Gartenzaun taumelte, um ihn in weiterer Folge gegen den Zaun zu drücken. Ihr Einwand, Herr L.S. hätte Sie angegriffen, ist daher als Schutzbehauptung zu werten.

 

In tatbestandsmäßiger Hinsicht besteht kein Zweifel daran, dass ein für jeden Anrainer bzw. Spaziergänger wahrnehmbarer, verbaler und körperlicher Übergriff auf dem Xweg H in 4076 St. Marienkirchen/P, als ein Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen ist, das i. S. d. § 1 Abs, 2 OÖPolStG einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

Eine Anwendung des § 45 VStG (Absehen von der Verhängung einer Strafe) kam mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht in Betracht.

Sonstige Entlastungsgründe wurden nicht vorgebracht, weshalb von einer Übertretung des § 1 Oö. PolStG auszugehen war und die Strafe gemäß § 10 Abs. 1 lit.a Oö. PolStG zu verhängen war.

 

Zur Strafbemessung:

Die Strafbemessung erfolgte entsprechend den Bestimmungen des § 19 und 20 VStG unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Sie der unbestrittenen Schätzung der Behörde zu Folge monatlich ca. 800 Euro netto verdienen, kein Vermögen besitzen und keine Sorgepflichten haben. Ihr Verschulden und der Unrechtsgehait der Verwaltungsübertretung waren der Strafbemessung zu Grunde zu legen. Zudem liegt die Strafhöhe im untersten Bereich des Strafrahmens. Straferschwerend war kein Umstand, strafmildernd war Ihre bisherige Unbescholtenheit.

 

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet."

 

2. Gegen dieses, dem Bf am 12. Februar 2014 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die als "Einspruch" bezeichnete, binnen offener Frist erhobene Beschwerde. Darin führt der Bf aus, dass seine Aussage nicht bewertet worden sei und sich der verfahrensgegenständliche Vorfall völlig anders zugetragen habe. Daher beantrage er die Einleitung eines ordentlichen Verfahrens.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Schreiben vom 24. Februar 2014 zur Entscheidung vorgelegt.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und die Beschwerde. Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass das mit der Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

 

Aus den vorliegenden Beweismitteln ergibt sich für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich folgender Sachverhalt, der seiner Entscheidung zugrunde liegt:

 

Aufgrund einer telefonisch erstatteten Privatanzeige vom 20. September 2013 wegen eines tätlichen Angriffs und einer Drohung mit einem Jagdgewehr wurde gegen den Bf ein Ermittlungsverfahren bei der StA Wels eingeleitet. Mit Schreiben vom 11. November 2013 teilte die StA Wels der belangten Behörde mit, dass das Ermittlungsverfahren gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt wurde.

Am 20. September 2013 hat der auf dem Hochstand sitzende Privatanzeiger zwei der drei Hunde des Bf und seines Bruders im nahegelegenen Maisfeld gesehen, wobei einer der beiden Hunde offensichtlich ein Reh gejagt hat. Laut Aussage des Bruders des Bf waren die Hunde ausgekommen. Um die Hunde aus dem Feld zu vertreiben, hat der Privatanzeiger vom Hochstand aus in den etwa 10 m entfernten Acker einen Schuss abgegeben, wobei die beiden Hunde mindestens 200 m von ihm selbst entfernt gewesen sind. Nach einer kurzen verbalen Auseinandersetzung aus der Ferne ist der Privatanzeiger mit seinem PKW in Richtung des Anwesens des Bf gefahren. Auf dem Weg dort hin ist er mit dem Bf und dessen Bruder zusammengetroffen. Im Zuge einer verbalen Auseinandersetzung hat der Bf die Beifahrertür aufgerissen, das am Beifahrersitz angelehnte Jagdgewehr erfasst und mit dessen Lauf in die Richtung des Privatanzeigers gezielt. Nach dem Verlassen des Autos entwickelte sich die verbale Auseinandersetzung zu einer tätlichen, wobei der Privatanzeiger vom Bf und seinem Bruder gegen einen Zaun gedrückt wurde. An den Handgreiflichkeiten war auch der Bruder des Bf beteiligt. Der Privatanzeiger konnte sich schließlich losreißen und kam dabei zu Sturz. Der Bf hat dabei seine Mütze und Brille verloren. In der Folge hat der Bf das Gewehr über den angrenzenden Gartenzaun geworfen. Es ist in der Wiese neben der Fahrbahn zum Liegen gekommen.

 

Nach Beendigung der Tätlichkeiten haben der Bf und sein Bruder zeitversetzt den Tatort verlassen und der Privatanzeiger die Polizei verständigt. Da zu diesem Zeitpunkt der Aufbewahrungsort des Jagdgewehres ungewiss war, wurde die Spezialeinheit EKO Cobra angefordert.

 

II.

 

Das Vorbringen des Privatanzeigers ist schlüssig und nachvollziehbar. Die Aussagen des Bf und seines Bruders weisen deutliche Widersprüche auf und sind daher nur teilweise glaubhaft.

 

III.

 

In der Sache hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:

 

1.1. Gemäß § 1 Abs. 1 Oö. Polizeistrafgesetz begeht außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung eine Verwaltungsübertretung, wer den öffentlichen Anstand verletzt. Als Anstandsverletzung im Sinne des Abs. 1 ist gemäß § 1 Abs. 2 leg. cit. jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

1.2. Der gegenständliche Vorfall war bereits Gegenstand eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens. Das Verfahren wurde gemäß § 190 Z. 2 StPO eingestellt. Die Einstellung führt aber nicht zu einer Subsidiarität der möglichen Verwaltungsübertretung gemäß § 1 PolStG, da der herangezogene Deliktstypus der gefährlichen Drohung nach § 107 StGB den Unrechts- und Schuldgehalt eines des Verhaltens des Bf nicht vollständig erschöpft, so dass ein weitergehendes Strafbedürfnis entfallen würde. Auch der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass eine weitere Bestrafung nur dann nicht möglich ist, wenn die wertabwägende Auslegung der formal erfüllten zwei Tatbestände zeigt, dass durch die Unterstellung der Tat(en) unter den einen der deliktische Gesamtunwert des zu beurteilenden Sachverhaltes bereits für sich alleine abgegolten ist. Es wäre daher notwendig, dass durch die Bestrafung wegen des einen Delikts tatsächlich der gesamte Unrechtsgehalt des Täterverhaltens erfasst wird (vgl. VfGH vom 11.3.1998, G 262/97). Der Unwert des einen Deliktes wird von der Strafdrohung gegen das andere Delikt insbesondere dann nicht mitumfasst, wenn es sich um die Verletzung verschiedener Rechtsgüter handelt und die Delikte in keinem typischen Zusammenhang stehen, mit anderen Worten, wenn das eine Delikt nicht notwendig oder nicht in der Regel mit dem anderen verbunden ist (VwGH 23.9.1970, 678/68).

 

2.1. Nach der vom Verwaltungsgerichtshof zu § 44a Z 1 VStG entwickelten Judikatur ist die dem Bf angelastete Tat im Spruch des Straferkenntnisses so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den vorgeworfenen Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (vgl. VwSlg. 11.466 A/1984 verst. Sen.; 11.894 A/1985 verst. Sen.).

 

Im Spruch sind somit zum einen alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind, und zum anderen die Tathandlungen, durch die der Tatbestand verwirklicht wurde, zu beschreiben. Eine nähere Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht, ebenso wie die bloße Wiedergabe des Gesetzeswortlautes, nicht aus (vgl. VwGH 13.1.1982, 81/03/0203; VwSlg 11.069 A/1983; VwGH 15.2.1983, 81/11/0122; vgl auch Hauer/Leu kauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003] VStG §44a Anm. 2).

 

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn

a. im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b. der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003] VStG § 44a Anm. 2; VwGH 03.10.1985, 85/02/0053).

 

2.2. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses weist nicht alle wesentlichen Tatbestandselemente auf. Die belangte Behörde hat zwar eine umfassende rechtliche Beurteilung vorgenommen und in der Begründung darauf hingewiesen, dass ein für jeden Anrainer bzw. Spaziergänger wahrnehmbarer, verbaler und körperlicher Übergriff auf dem Xweg H als ein Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen sei, das i.S.d. § 1 Abs. 2 OÖ PolStG einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet, es wurden aber im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses ausschließlich verba legalia und das verhängte Strafausmaß angeführt.

Die ungebührlicherweise erfolgte Verletzung des öffentlichen Anstands ist ein Erfolgsdelikt. Zum objektiven Tatbild gehört auch eine durch das menschliche Verhalten ursächlich (kausal) herbeigeführte Folge (Erfolg). Der Eintritt des Erfolges ist Tatbestandsvoraussetzung für das Vorliegen eines vollendeten Deliktes. Dieser Erfolg, nämlich in konkretem die Verletzung des Anstandes, ist Tatbestandsmerkmal. Für die Verwaltungsstrafbehörde bedeutet dies, dass nicht nur der objektive Tatbestand, sondern auch das Verschulden nachzuweisen ist (vgl. Rangger, Oberösterreichisches Landespolizeirecht - Praxiskommentar [2009] 56 mwN).

 

Der Eintritt des Erfolges samt Verschulden wurde im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht festgestellt. Da auch in keiner früheren Verfolgungshandlung der Spruch mangelfrei – nämlich im Hinblick auf eine lückenlose Widergabe sämtlicher vorgeworfener Tatbestandsmerkmale – war auch eine Spruchverbesserung nicht zulässig.

 

4. Im Hinblick auf den Spruchmangel und die Unzulässigkeit einer Spruchverbesserung war der Beschwerde stattzugeben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

 

IV. Vor diesem Hintergrund war dem Bf gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG weder ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

 

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei:

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde/der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Stierschneider