LVwG-650069/12/MZ/HK
Linz, 04.04.2014
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Zeinhofer über die Beschwerde der X gegen den Bescheid der Bezirkshauptfrau des Bezirks Rohrbach vom 6.2.2014, GZ: 12/735763,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Mit Spruchpunkt 1. des Bescheides der Bezirkshauptfrau des Bezirks Rohrbach vom 6.2.2014, GZ: 12/735763, wurden der Beschwerdeführerin (in Folge: Bf) die ihr erteilten Lenkberechtigungen AM und B für einen Zeitraum von einem Monat, gerechnet ab dem Tag der Rechtskraft des Bescheides, entzogen.
Mit Spruchpunkt 2. wurde der Bf aufgetragen, innerhalb von vier Monaten ab Rechtskraft des Bescheides einem Verkehrscoaching, mit Spruchpunkt 3. sich vor Ablauf der Entziehungszeit einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen.
Spruchpunkt 4. gibt Auskunft darüber, dass der Entzug nicht vor Befolgung „dieser“ Anordnungen endet. Schließlich wurde der Bf mit Spruchpunkt 5. das Recht aberkannt, von einer ausländischen Lenkberechtigung Gebrauch zu machen.
Den angefochtenen Bescheid begründend führt die belangte Behörde nach Zitierung einschlägiger Rechtsvorschriften des Führerscheingesetzes auf das Wesentliche verkürzt aus, die Bf habe am 8.12.2013 um 12.50 Uhr in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt.
II. Gegen den in Rede stehenden Bescheid erhob die Bf mit bei der Behörde persönlich am 14.2.2014 abgegebenem Schriftsatz rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde.
Das Rechtsmittel begründend führt die Bf an, selbst noch niemals Suchtgift konsumiert zu haben und vom Ergebnis der analysierten Blutprobe völlig überrascht gewesen zu sein. Sie könne sich dieses nur so erklären, als ihr damaliger Freund, von dem sie sich im in Rede stehenden Zeitraum gerade trennte, ihr die Drogen heimlich in ihren Kaffee gemischt habe. Diesbezüglich habe sie auch eine Anzeige bei der Polizei gemacht und eine nach dem Vorfall bei ihrem Freund in der Jacke gefundene, in Plastik verpackte Substanz dort abgegeben. Sie erkläre sich freiwillig dazu bereit, wöchentlich eine Blutprobe beim Amtsarzt abzugeben, um zu beweisen, dass sie keine illegalen Drogen nehme.
Vor diesem Hintergrund beantragt die Bf schließlich die Aufhebung des in Rede stehenden Bescheides.
III. a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde samt Verfahrensakt mit Schreiben vom 17.2.2014 dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen.
b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, die Einholung eines Strafregisterauszuges der Bf und des Zeugen X sowie die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.3.2014.
c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:
Die laut Strafregisterauszug im Hinblick auf Suchtmitteldelikte unbescholtene Bf lenkte am 8.12.2013 um 12.50 Uhr im X in 4161 Ulrichsberg das KFZ mit dem amtlichen Kennzeichen X. Aufgrund einer telefonischen Mitteilung einer weiblichen Person, dass die Bf betrunken ein Fahrzeug lenke, erfolgte eine polizeiliche Kontrolle. Ein durchgeführter Alkomattest verlief negativ. Aufgrund einer für die Beamten offensichtlichen Beeinträchtigung erfolgte die Verbringung zum Polizeiarzt und in Folge die Abnahme einer Blutprobe; die Analyse dieser Probe ergab, dass sich die Bf Amphetamine und Methamphetamine konsumiert hat.
Im Verfahren gab die Bf durchgehend an, noch nie Suchtgift konsumiert zu haben, jedoch seit Jahren verschiedenste starke Medikamente einzunehmen. Im Vorfallszeitraum trennte sich die Bf gerade von ihrem Lebensgefährten. Ein von ihr angeblich in der Jacke des ehemaligen Lebensgefährten gefundenes, bei der Polizei abgegebenes Päckchen enthielt – laut den durchgeführten Untersuchungsergebnissen – Methamphetamin.
Ob die Bf das Suchtgift selbst konsumiert hat oder ihr ehemaliger Lebensgefährte, der strafrechtlich unbescholten ist (auch die gegen ihn im Zusammenhang mit dem ggst Vorfall eingeleiteten Verfahren wurden eingestellt) es ihr ohne ihr Wissen verabreicht hat, konnte im Verfahren nicht erwiesen werden.
d) Folgende Indizien sprechen aus Sicht des erkennenden Mitglieds des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich für die Annahme des im vorigen Punkt dargestellten Sachverhalts:
Im Allgemeinen wird einleitend festgestellt, dass die Bf während der öffentlichen mündlichen Verhandlung einen glaubwürdigen Eindruck hinterließ. Sie befand sich in sehr schlechter psychischer Verfassung, weinte teilweise und dürfte nicht in der Lage gewesen sein, einen von ihr konstruierten Sachverhalt ohne sich in Widersprüche zu verwickeln wiederzugeben.
Die Zeugin X, die X-jährige Mutter der Bf, konnte während der öffentlichen mündlichen Verhandlung keinen klaren Eindruck vermitteln. Auf gestellte Fragen konnte sie nicht zielgerichtet antworten und der Verhandlungsleiter hatte den Eindruck, dass die Zeugin nicht in der Lage war, die Fragen zu verstehen und ihre Antworten danach auszurichten. Der Aussage der Zeugin, ihre Tochter habe mit Sicherheit in ihrem ganzen Leben noch niemals Drogen konsumiert, kann daher keine Glaubwürdigkeit beigemessen werden.
Der als damaliger Lebensgefährte der Bf im Wege der Hinterlegung geladene Zeuge X blieb der Verhandlung unentschuldigt fern. In einem Gespräch mit den Vertretern der belangten Behörde nach Vertagung der öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte jedoch Übereinstimmung dahingehend erzielt werden, dass die Einvernahme des Zeugen X zur weiteren Klärung des Sachverhaltes vermutlich nichts beitragen wird.
Für die Annahme, dass die Bf das Suchtgift nicht wissentlich konsumiert hat, sprechen folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung gemachten Aussagen bzw folgende Fakten:
- Die X-jährige Bf ist bislang im Hinblick auf Suchtgift strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Zumeist ist bei einer länger dauernden Drogenkarriere ein polizeilicher Aufgriff jedoch gegeben und aktenkundig.
- Die Bf verantwortete sich von Anfang an dahingehend, noch nie illegale Substanzen konsumiert zu haben und änderte ihre Verantwortung während des gesamten Verfahrens in keinster Weise. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung verwickelte sie sich in keinerlei Widersprüche und machte auf den ihr immer wieder durch verschiedenste Fragen zusetzenden Verhandlungsleiter nicht den Eindruck, psychisch in der Lage zu sein, ein Lügenkonstrukt aufrecht zu erhalten.
- Die Bf ist seit Jahren in dauernder ärztlicher Behandlung und steht damit unter ständiger fachlicher Beobachtung. Bei einer am 6.2.2014 durchgeführten amtsärztlichen Untersuchung konnte im Harn der Bf keine Drogenmetaboliten nachgewiesen werden.
- Die Bf gab in ihrer Beschwerde wie auch in der öffentlichen mündlichen Verhandlung an, freiwillig wöchentlich beim Amtsarzt eine Blutprobe abzugeben, um zu beweisen, keine Drogen zu nehmen. Es ist aufgrund des persönlichen Eindrucks der Bf nicht davon auszugehen, dass dieser klar ist, dass rein rechtlich ein derartiges Angebot für die Behörde nicht annehmbar ist. Vor diesem Hintergrund ist freilich weiters davon auszugehen, dass das Angebot nur erfolgt ist, weil die Bf tatsächlich kein Suchtgift konsumiert.
- Die Bf befand sich zum Vorfallszeitpunkt gerade in der Trennungsphase von ihrem damaligen Lebensgefährten. Wenn auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür sprechen, dass ihr Lebensgefährte ihr das Suchtgift in den Kaffee gemischt hat, kann dies jedoch aufgrund der Farb- und Geschmacklosigkeit der Droge nicht ausgeschlossen werden.
Eine Gesamtschau der Umstände im ggst Verfahren führt daher zum Ergebnis, dass nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Bf vor Fahrtantritt am 8.12.2014 wissentlich Suchtgift konsumiert hat. Dem Grundsatz "in dubio pro reo" Rechnung tragend ist daher von dem für die Bf günstigeren, oben dargestellten, Sachverhalt auszugehen.
IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:
a) § 26 Abs 1 FSG lautet: „Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 begangen, so ist, wenn es sich nicht um einen Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse C oder D handelt und zuvor keine andere der in § 7 Abs. 3 Z 1 und 2 genannten Übertretungen begangen wurde, die Lenkberechtigung für die Dauer von einem Monat zu entziehen. […]“
Gemäß § 99 Abs 1 b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 800 Euro bis 3700 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, „wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt.“
b) Im ggst Fall ist somit zuvorderst zu klären, ob die Bf im Sinne des § 26 Abs 1 FSG beim Lenken eines KFZ „eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 begangen“ hat.
Dass die Bf am 8.12.2014 das Fahrzeug mit dem Kennzeichen X gelenkt hat und eine Analyse ihres Blutes eine Suchtgiftbeeinträchtigung ergeben hat, steht außer Streit. Eine Verwaltungsstraftat setzt jedoch nicht nur die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes voraus, sondern bedarf zudem auch der Bejahung der subjektiven Tatseite. Ein Verschulden der Bf an der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes konnte im Verfahren jedoch nicht erwiesen werden. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die Bf eine Übertretung des § 99 Abs 1b StVO 1960 begangen hat. In diesem Sinne dürfte auch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 13.12.2005, 2005/11/0186, zu verstehen sein.
Der angefochtene Bescheid ist daher ersatzlos aufzuheben.
Ausdrücklich festgehalten wird jedoch, dass eine auf genau solche Fälle wie den gegenständlichen gemünzte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – soweit ersichtlich – nicht besteht. Der Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen könnte durchaus auch so verstanden werden, dass die bloß objektive Verwirklichung des Tatbestandes des § 99 Abs 1b StVO 1960 reicht, um in Folge einen Entzug der Lenkberechtigung nach sich zu ziehen. Für diese Auslegung spricht ua, dass eine Person in einem beeinträchtigten und damit in einem die Verkehrssicherheit gefährdenden Zustand ein KFZ gelenkt hat. Gegen eine solche Auslegung spricht, dass die Person wohl vom Gesetzgeber nicht als verkehrsunzuverlässig angesehen werden wollte, wenn ihr der Grund für die Beeinträchtigung nicht klar gewesen sein konnte. Der hier nicht vertretenen Auffassung anhängend würde es bspw bedeuten, dass ein LKW-Lenker, der im Gasthaus ein alkoholfreies Bier bestellt jedoch versehentlich ein nicht alkoholfreies Bier serviert bekommt, einen Entzug der Lenkberechtigung zu gewärtigen hätte.
V. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt und eine einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – soweit ersichtlich – nicht existiert.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Markus Zeinhofer