LVwG-700181/7/MZ
Linz, 19.12.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Zeinhofer über die Beschwerde des B O, vertreten durch F Rechtsanwälte GmbH, x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 1.8.2016, GZ: Sich96-358-2015, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes
zu Recht e r k a n n t :
I. Der Beschwerde wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Der Beschwerdeführer hat keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.a) Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 1.8.2016, GZ: Sich96-358-2015, wurde über den Beschwerdeführer (in Folge: Bf) wie folgt abgesprochen:
„Die BH Vöcklabruck hat mit Verordnung vom 28.8.2015, Sich20-13112-2015, ein Platzverbot gem. § 36 Abs. 1 SPG erlassen und das Betreten sowie den Aufenthalt im Gefahrenbereich um das Stadion V in S verboten. Sie haben dieser Verordnung zuwidergehandelt, indem Sie in den Gefahrenbereich eingedrungen sind, obwohl Zuwiderhandlungen gegen diese Verordnung zu[r] Verwaltungsübertretung erklärt wurden. Sie umgingen dabei die von mehreren Beamten – aufgrund des behördlichen erlassenen Platzverbotes – abgesicherte Sperre und betraten folglich den gesperrten Bereich.
Tatort: Gemeinde S, Gemeindestraße Ortsgebiet, G. Straße 44-46 Richtung/Kreuzung: Kreisverkehr S
Tatzeit: 28.08.2015, 19:10 Uhr
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
§ 84 Abs. 1 Z 1 i.V.m § 36 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz [Hervorhebungen nicht übernommen]“
Über den Bf wurde deshalb eine Geldstrafe in der Höhe von 300,- EUR, ersatzweise eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 120 Stunden verhängt.
II. Gegen das genannte Straferkenntnis ergriff der Bf rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde, in welchem er ua eine nicht gehörige Kundmachung der Verordnung, auf die sich das Straferkenntnis stützt, geltend macht.
III.a) Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsstrafaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.
b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten Verfahrensakt, Beischaffung und Einsichtnahme in den Verordnungsakt Sich01-13112-2015 sowie einer Rundfunkmeldung. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 44 Abs 2 VwGVG abgesehen werden.
c) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht von folgendem, unstrittigen Sachverhalt aus:
Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 28.8.2015, Sich-01-13112-2015, (im Folgenden: PlatzverbotsVO) lautet:
„VERORDNUNG
Gemäß § 36 Abs 1 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) wird zur Verhinderung einer allgemeinen Gefahr für Leben oder Gesundheit mehrerer Menschen folgendes verordnet:
§ 1
Das Betreten des sowie der Aufenthalt im Gefahrenbereich um das Stadion V in S wie im beiliegenden Plan rot dargestellt sind verboten.
§ 2
Ausgenommen vom Verbot des Betretens und des Aufenthaltes sind:
Die Organe
- der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck
- der Landespolizeidirektion Oberösterreich und des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Polizei)
- der Feuerwehr,
- des Österreichischen Roten Kreuzes,
sowie andere Personen, die von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck ausdrücklich zugelassen werden.
§ 3
Wer dieser Verordnung zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist gemäß § 84 Abs 1 Z 1 SPG mit einer Geldstrafe bis zu 360 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen.
§ 4
Diese Verordnung tritt am 28.08.2015 um 18:00 Uhr in Kraft und wird durch Anschlag an den Zugängen zum Gefahrenbereich und über Rundfunk kundgemacht. Sie tritt nach Beendigung der Gefährdung, jedenfalls drei Monate nach Wirksamwerden, außer Kraft.
Vöcklabruck, am 28.08.2015
Für den Bezirkshauptmann
Dr. J B“
Am 28.8.2015 wurde um 17:30 Uhr in Radio O folgende Meldung verlesen:
„Hochspannung herrscht heute in S im Bezirk V. Am Abend findet das Fußballspiel zwischen S und I zwar auf Anordnung der Bundesliga ohne Zuschauer statt, das dürfte rivalisierende Fans jedoch nicht davon abhalten, anzureisen. Seit 17 Uhr gilt rund um das Stadion ein Platzverbot. Das Betreten des Geländes und der Aufenthalt dort sind verboten.“
IV. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:
a.1) Art 89 Abs 1 B-VG legt fest, dass die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Verordnungen, Kundmachungen über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), Gesetze und Staatsverträge, soweit in den folgenden Absätzen nicht anderes bestimmt ist, den ordentlichen Gerichten nicht zu steht. Gemäß Art 135 Abs 4 leg cit ist Art 89 auf die Verwaltungsgerichte und den Verwaltungsgerichtshof sinngemäß anzuwenden.
Dies bedeutet, dass nicht gehörig kundgemachte Verordnungen vom Landesverwaltungsgericht nicht anzuwenden sind.
§ 4 PlatzverbotsVO ordnet eine Kundmachung „durch Anschlag an den Zugängen zum Gefahrenbereich und über Rundfunk“ an. Aufgrund der kumulativen Verknüpfung der beiden Kundmachungsformen ist der Kundmachungsanordnung schon dann nicht entsprochen, wenn auch nur eine der angeordneten Kundmachungsformen mangelhaft und somit nicht gehörig erfolgte.
a.2) Der rechtsstaatliche Zweck der Gesetzespublikation besteht darin, dem Einzelnen Kenntnis von den für ihn maßgeblichen Vorschriften zu verschaffen (Thienel, in Korinek/Holoubek [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht [1. Lfg 1999], Rz 5 zu Art 48, 49 B-VG mwN). Nichts anderes vermag freilich für die Publikation von Verordnungen zu gelten. Es liegt vor diesem Hintergrund auf der Hand, dass eine ordnungsgemäße Kundmachung nur dann vorliegt, wenn den Normadressaten der gesamte Norminhalt zur Kenntnis gebracht wird. Anders gewendet: Lediglich einen Teil einer Norm zu verlautbaren bewirkt keine gehörige Kundmachung.
Im vorliegenden Fall wurde die in Rede stehende Verordnung nicht zur Gänze im Rundfunk verlesen und daher nicht originalgetreu kundgemacht; schon deshalb dürfte eine nicht gehörige Kundmachung vorliegen.
Dass Landesverwaltungsgericht übersieht nicht, dass, solange die Abweichung der Kundmachung einer Rechtsvorschrift vom Originalbeschluss solcher Art ist, dass dadurch der materielle Gehalt nicht verändert wird, der Fehler die Funktion der Kundmachung nicht beeinträchtigt. Unter diesem Aspekt schiene es nicht unbedingt unvertretbar, solche Fehler als unbeachtlich anzusehen (vgl Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht [1988] 872.). Selbst wenn man aber davon ausgehen würde, dass eine Rechtsvorschrift nicht in Form ihres konkreten Wortlautes kundzumachen ist sondern es ausreicht, wenn der vollständige Norminhalt den Normunterworfenen zur Kenntnis gebracht wird, war das in casu concreto nicht so: Der og Meldung in Radio O kann nämlich allenfalls ein Teil der in § 1 („… gilt rund um das Stadion ein Platzverbot. Das Betreten des Geländes und der Aufenthalt dort sind verboten“) und § 4 PlatzverbotsVO („[s]eit 17 Uhr“) getroffenen Anordnungen entnommen werden. Wo konkret das Platzverbot besteht, dass Ausnahmen bestehen und dass ein Verstoß mit Strafe bedroht ist, vermag der Radiomeldung nicht entnommen zu werden. Zudem besteht ein Widerspruch zum in § 4 PlatzverbotsVO angeordneten Zeitpunkt des in-Kraft-tretens (18:00 Uhr) und der Radiomeldung (17:00 Uhr). Eine gehörige Kundmachung der PlatzverbotsVO ist daher jedenfalls zu verneinen und die in Rede stehende Verordnung für das Landesverwaltungsgericht unanwendbar.
b) Entsprechend den im Strafrecht allgemein geltenden Grundsätzen "nullum crimen sine lege" und "nulla poena sine lege praevia" ist Voraussetzung für die Verhängung einer Strafe, dass die Tat zur Zeit ihrer Begehung ausdrücklich durch eine generelle Norm für strafbar erklärt war (vgl nur VwGH 10.12.2013, 2013/05/0162). Das in Rede stehende Platzverbot hat allerdings wie gezeigt rechtlich zu keiner Zeit Wirkungen entfaltet und konnte der Bf daher diesem auch nicht zuwiderhandeln. Vor diesem Hintergrund ist das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.
c) Bei diesem Ergebnis ist dem Bf gem § 52 Abs 8 VwGVG kein Beitrag zu den Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufzuerlegen.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision
Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde unzulässig, da die Entscheidung, wonach mangels Vorliegen einer entsprechenden Strafnorm im Tatzeitpunkt keine Strafe verhängt werden darf, der zitierten, einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Zeinhofer