LVwG-600110/8/Bi/KR

Linz, 19.03.2014

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Mag. Karin Bissenberger über die Beschwerde des Herrn X, X, X, vertreten durch Frau RAin Dr. X, X, vom 12. November 2013 gegen das  Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 14. Oktober 2013, VerkR96-4371-2013, wegen Übertretungen der StVO 1960 – hinsichtlich der Punkte 4) und 5) wegen Übertretungen des FSG und des KFG 1967 bezogen auf die Strafhöhe – aufgrund des Ergebnisses der am 24. Februar 2013 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht  e r k a n n t:

 

 

I. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde in den Punkten 1), 2) und 5) abgewiesen und das Straferkenntnis im Anfechtungsumfang bestätigt.

Im Punkt 3) wird der Beschwerde insofern teilweise Folge gegeben, als das Straferkenntnis im Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt wird, dass von einer tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit von 91 km/h – somit von einer Geschwindigkeits­überschreitung um 41 km/h – auszugehen ist; die Geldstrafe wird auf 180 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 42 Stunden herabgesetzt; der Beitrag zu den Verfahrenskosten der belangten Behörde ermäßigt sich auf 18 Euro.

Im Punkt 4) wird der Beschwerde insofern teilweise Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 30 Euro herabgesetzt wird.  

 

II. Gemäß § 52 Abs.2 VwGVG hat der Beschwerdeführer Beträge von 1) 12 Euro, 2) 12 Euro und 5) 10 Euro, das sind 20% der verhängten Strafe bzw mindestens jedoch 10 Euro, als Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren zu leisten.

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs.4 und Abs.6 Z1 B-VG unzulässig.

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Zu I.:

I. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 7 Abs.1 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, 2) §§ 52 lit.a Z24 iVm 19 Abs.4 letzter Satz iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960, 3) §§ 52 lit.a Z10 lit.a iVm 99 Abs.2d StVO 1960, 4) §§ 14 Abs.1 Z1 iVm 37 Abs.1 und Abs.2a FSG und 5) §§ 102 Abs.5 lit.b iVm 134 Abs.1 KFG 1967 Geldstrafen von 1) und 2) je 60 Euro (je 12 Stunden EFS), 3) 210 Euro (48 Stunden EFS), 4) 40 Euro (6 Stunden EFS) und 5) 30 Euro (6 Stunden EFS) verhängt sowie ihm gemäß § 64 Abs.1 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von   gesamt 61 Euro auferlegt.

Im Schuldspruch wurde ihm zur Last gelegt, er habe am 7. Juli 2013 als Lenker des Pkw X (D) im Gemeindegebiet Wernstein am Inn 1) um 4.18 Uhr auf der L1153 bei km 0.600 das Fahrzeug nicht so weit rechts gelenkt, wie dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich gewesen wäre, indem er den linken Fahrstreifen benutzt habe, 2) um 4.18 Uhr vor der Kreuzung der L1153 mit der L506 mit dem Vorschriftszeichen „Halt“ nicht angehalten, 3) um 4.20 Uhr auf der L506 bei km 3.900, einem Bereich der außerhalb eines Ortsgebietes liege, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kund­gemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um mindestens 47 km/h überschritten, 4) um 4.20 Uhr am Anhalteort auf der L506 Schärdinger Straße bei km 2.550 (Bushaltestelle) den Führerschein nicht mitgeführt und 5) den Zulassungsschein oder Heeres­zulassungsschein des Pkw sowie die bei der Genehmigung oder Zulassung vorgeschriebenen Beiblätter zum Zulassungsschein nicht mitgeführt.    

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Diese Berufung ist nunmehr als Beschwerde gemäß § 7 VwGVG iVm Art.130 Abs.1 Z1 B-VG anzusehen, über die gemäß Art.131 B-VG das Landes­verwaltungsgericht zu entscheiden hat. Am 24. Februar 2014 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Rechtsvertreters Dr. X, der Zeugen Meldungsleger BI X (Ml) und BI x (BI M) sowie des kfztechnischen Amtssachverständigen Dipl.HTL-Ing X (SV) durchgeführt. Der Vertreter der belangten Behörde war entschuldigt. Auf die mündliche Verkündung des Erkenntnisses wurde verzichtet.

 


 

3. Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, Geschwindigkeitsfest­stellungen durch Nachfahren seien zwar zulässig, aber es handle sich dabei um ein wenig genaues Verfahren, bei dem Fehlerquellen und Ungenauigkeiten nicht auszuschließen seien, sodass Mindestvoraussetzungen wie eine Beobachtungs­strecke von mehreren 100 m, ein konstanter Mindestabstand, die ständige Beobachtung des Fahrzeuges zulassende Straßen- und Sichtverhältnisse, eine wesentlich über der zulässigen liegende Geschwindigkeit und ein zuverlässig funktionierender Tachometer erforderlich seien. Im ggst Fall hätte bei einem Abstand von mindestens 100 m die Messstrecke mindestens 500 m betragen müssen, zudem habe Dunkelheit geherrscht, sodass ein derartiges Messsystem nicht zu verwenden sein werde. Das Messergebnis sei daher nicht verwertbar. Bei einem ungeeichten Tachometer seien nicht nur 15 sondern 20 % abzuziehen, laut VwGH wären auch 30% vertretbar. Dem Vorwurf der Missachtung des Rechtsfahrgebotes habe er sofort bei der Anhaltung widersprochen und habe dazu auch nur der Ml ausgesagt, nicht aber BI M. Seine Aussage stehe gegen die des Ml und der Hinweis auf seine berufliche Tätigkeit als Lkw-Fahrer hätte von der Behörde nicht einfach abgetan werden dürfen. Er habe sich, noch dazu bei der Dunkelheit, an das Gebot gehalten und sei im Zweifel „freizusprechen“. Zum Vorwurf des Nichtanhaltens beim Vorschriftszeichen „Halt“ habe die Behörde einen Verstoß gegen § 52a StVO angenommen, ein solcher falle aber unter § 52 Z24 StVO. Er habe auch diesen Vorwurf sofort bestritten, weil er jedenfalls ange­halten habe. Bei der Strafbemessung sei seine Unbescholtenheit nicht gewertet worden und auch § 34 Abs.1 Z13 StGB sei nicht berücksichtigt worden. Die Milderungsgründe würden die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen, sodass § 20 VStG anzuwenden gewesen wäre. Beantragt wird seine Einvernahme zu den Widersprüchen der beiden Zeugen, im übrigen Aufhebung der Punkte 1) bis 3) und Verfahrenseinstellung, in eventu Strafherabsetzung, zu den Punkten 4) und 5) Strafherabsetzung.

 

4. Das Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, bei der der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter gehört, die Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung des in Beschwerde gezogenen Straferkenntnisses berücksichtigt, die Örtlichkeiten der Schuldvorwürfe anhand des Digitalen RechtsInformationsSystems DORIS erörtert und die beiden Polizei­beamten unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 288 StGB zeugenschaftlich einvernommen wurden und dazu ein Gutachten zur Nachvollziehbarkeit der Tatvorwürfe aus technischer Sicht durch den AmtsSV eingeholt wurde.   

 


 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer am Sonntag, dem 7. Juli 2013, gegen 4.18 Uhr als Lenker des Pkw X (D) auf dem Heimweg vom Spielcasino in H war, wobei er die L1153 Steinbrunner Straße sowie die L506 Schärdinger Straße in Richtung Schärding benutzte und weder seinen Führer­schein noch den Fahrzeugschein mitführte. Unmittelbar nach dem Ortsende von Schardenberg überholte er einen gerade beschleunigenden Pkw mit noch höherer Geschwindig­keit, der sich später als Zivilstreifenfahrzeug heraus­stellte, einen VW Golf mit etwas über 100 PS, der von BI M gelenkt wurde mit dem Ml als Beifahrer. Die Beamten beschlossen, dem Pkw nachzufahren und den Lenker zu kontrollieren. Beide Pkw waren beleuchtet und es herrschte beginnende Morgendämmerung. Die Beamten trugen Dienstkleidung.

Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens schloss BI M, den der Beschwerde­führer im Beschleunigungsvorgang mit ca 80 bis 90 km/h nach dem Ortsende überholt hatte und der daraufhin beschleunigte, um eine annähernd gleiche Geschwindigkeit zu erreichen, kurz danach auf dessen Pkw auf und fuhr in einem Abstand von ca 50 m hinten nach. Der Beschwerdeführer bestätigte den Überholvorgang und auch, dass er die Nachfahrt durch eine Zivilstreife nicht bemerkte, sondern erst bei der Bushaltestelle bei km 2.550 der L506 aufgrund des hinter ihm leuchtenden roten Lichts von sich aus anhielt – die Beamten bestätigten die Verwendung einer Maglite mit rotem Licht, auf das der Beschwerdeführer reagierte.          

 

Nach den Aussagen beider Beamter geriet der Beschwerdeführer im Zuge dieser Nachfahrt mehrmals etwas auf die linke Fahrbahnhälfte, wobei sich die Anzeige darauf aber nicht bezog. In der Rechtskurve bei km 0.6 der L1153, beim alten Feuerwehrhaus in Amelreiching, fuhr er nach den Aussagen beider zur Gänze auf der linken Fahrbahnseite und schnitt die Kurve.

Bei der Kreuzung der L1153 mit der L506, das ist bei km 5.2 der L506, befindet sich das Vorschriftszeichen  „Halt“. Nach den vorgelegten, von BI M angefertigten Fotos steht dort links vor der Kreuzung ein Haus, das die Sicht nach links etwas verdeckt. Die Sicht nach rechts auf einen ev. Verkehr aus Richtung Passau ist uneingeschränkt, wobei die Straße bergab führt. Nach links geht es bergauf und die Sicht ist bis zum Haus Nr.50 uneingeschränkt. Die Beamten befanden sich nach eigenen Aussagen etwa 50 m hinter dem Pkw des Beschwerdeführers, als dieser bei der Stop-Tafel zwar die Geschwindigkeit etwas vermindert habe, aber nicht stehengeblieben sei. Das Zivilstreifenfahrzeug hielt an und setzte dann beschleunigend die Fahrt fort, wobei der Pkw des Beschwerdeführers bei km 4.8 eingeholt wurde. Im Kreuzungsbereich ist eine 50 km/h-Beschränkung, da sich dort das Feuerwehrhaus, ein Gasthaus und ein Firmenparkplatz befinden.

Zwischen ca km 4.0 und 3.8 im Ortsbereich Stöbichen befindet sich in einer leichten Linkskurve eine 50 km/h-Beschränkung. Zu dieser Zeit fuhr die Zivil­streife nach den Aussagen der Zeugen ca 50 m hinter dem Pkw des Beschwerde­führers, der die 50 km/h-Beschränkung nicht beachtete, sondern mit fast gleich­bleibender Geschwindigkeit durchfuhr. Der Lenker BI M gab an, er habe keine Zeit gehabt, auf den Tacho zu schauen, sondern sich auf einen gleichbleibenden Nachfahrabstand und den Pkw vor sich konzentriert. Der Ml hat sich nach seinen Angaben etwas im Sitz hinübergebeugt und den Tachowert mehrmals mit gleichbleibend 115 km/h abgelesen. In der Verhandlung wurde geklärt, dass der analoge Tacho des inzwischen ausgeschiedenen Zivilstreifenfahrzeuges nie auf die Richtigkeit der Tachoanzeige bzw eventuelle Abweichungen geprüft worden war. Allerdings ist der vom Ml durchgeführte Abzug von 15% vom Tachowert offenbar auf polizeiinterne Anordnung erfolgt.

Kurz vor der Fa A wurde Blaulicht auf dem Armaturenbrett platziert und dem Beschwerdeführer von hinten mit der Maglite rotes Licht gezeigt, das dieser nach eigenen Angaben nicht deuten konnte, und daher bei der Bushaltestelle bei km 2.550 von sich aus stehenblieb. Die Beanstandung erfolgte durch den Ml, der dem Beschwerdeführer diese Übertretungen vorhielt, worauf dieser unter Hinweis auf seinen Beruf als Lkw-Chauffeur bestritt, bei der Stop-Tafel nicht angehalten und die Kurve geschnitten zu haben. Die 50 km/h-Beschränkung in Stöbichen habe er übersehen. Die verlangten Papiere (Führerschein und Zulassung) konnte er nicht zur Überprüfung aushändigen.

Die Tatvorwürfe wurden mit dem SV anhand der von BI M der belangten Behörde vorgelegten, ca 10 Wochen nach dem Vorfall gemachten Fotos und anhand von DORIS-Fotos erörtert. Ob die Kurve bei km 0.6 der L1153 unübersichtlich war, bleibt dahingestellt, weil die Fotos 10 Wochen nach dem Vorfall gemacht wurden und der Bewuchs am 7. Juli 2013 im Nachhinein nicht mehr zu klären war.

Im Rahmen seines Gutachtens gelangte der SV zur Ansicht, dass zum einen bei der damals herrschenden beginnenden Morgendämmerung ein beleuchteter Verkehrsteilnehmer wahrscheinlich so rechtzeitig zu erkennen gewesen wäre, dass der Beschwerdeführer rechtzeitig wieder einen Spurwechsel auf seine rechte Fahrbahnhälfte durchführen hätte können. Beim von den Beamten angegebenen Tiefenabstand von ca 50 m ist im Zuge der Nachfahrt ein solches wie das beschriebene Kurvenschneiden sicher beurteilbar, zumal der Beschwerdeführer selbst Licht verwendet hat und die Heckleuchten in dieser Entfernung gut zu sehen sind.

Bei der Nachfahrt in Stöbichen hat der SV unter Zugrundelegung einer Tacho­voreilung entsprechend der Baurichtlinie ECE 39, eines Ablesefehlers bei einem analogen Tacho von 3 km/h und einer Halbierung des Nachfahrabstandes von 50 m auf 25 m eine Geschwindigkeit des vom Beschwerdeführer gelenkten Pkw von zumindest 91 km/h unter Berücksichtigung aller Umstände zu dessen Gunsten errechnet.  

 


 

In rechtlicher Hinsicht hat das Landesverwaltungsgericht erwogen:

Zu Punkt 1) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 7 Abs.1 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt, so weit rechts zu fahren, wie ihm dies unter Bedachtnahme auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs zumutbar und dies ohne Gefährdung, Behinderung oder Belästigung anderer Straßenbenützer, ohne eigene Gefährdung und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist.

 

Die Feststellung des Kurvenschneidens war den beiden Zeugen aus der Entfernung von ca 50 m bei den herrschenden Lichtverhältnissen und dem beleuchteten Fahrzeug des Beschwerdeführers und den örtlichen Gegebenheiten möglich, ihre Aussagen dazu sind schlüssig und glaubwürdig. Ob die auf Foto 6 der Lichtbildbeilage im Akt ersichtliche Kurve unübersichtlich war, konnte nicht mehr geklärt werden, wobei allerdings zum Tatzeitpunkt zu erwarten war, dass auch ein eventuell entgegenkommendes Fahrzeug beleuchtet ist. Damit wäre die Existenz eines tatsächlichen Gegen­verkehrs für den Beschwerdeführer erkennbar und, da die Beamten nichts zur vom Beschwerdeführer dabei einge­haltenen Geschwindigkeit gesagt haben, zu erwarten gewesen, dass ein Wechsel auf seine rechte Fahrbahnseite möglich gewesen wäre. Die Beamten haben aber ebenso deutlich ausgeführt, dass sich der Pkw des Beschwerdeführers in dieser Kurve zur Gänze auf der linken Fahrbahnseite befunden hat, während er im Zuge der Nachfahrt zumindest in weiteren zwei Fällen geringfügig nach links gekommen war, was aber nicht zur Anzeige gebracht wurde.

Der Beschwerdeführer vermochte den schlüssigen Ausführungen der Beamten diesbezüglich nichts entgegenzuhalten; sein Beruf als Lkw-Fahrer macht die Ausführungen der Beamten nicht unglaubwürdig.

 

Zu Punkt 2) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 52 lit.c Z24 StVO 1960 ordnet das Zeichen „Halt“ an, dass vor einer Kreuzung anzuhalten und gemäß § 19 Abs. 4 - „Ist vor einer Kreuzung das Vorschriftszeichen “Vorrang geben” oder “Halt” angebracht, so haben sowohl die von rechts als auch die von links kommenden Fahrzeuge den Vorrang. … Beim Vorschriftszeichen “Halt” ist überdies anzuhalten.“ – Vorrang zu geben ist.

 

Das Vorrangzeichen „Halt“ gemäß § 52 lit.c Z24 StVO 1960 auf der L1153 Steinbrunner Straße vor der Einmündung in die L506 Schärdinger Straße ist mit Verordnung des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 6. Juli 2012, VerkR10-231-2012-Hol, mit Haltelinie verordnet und auf den Bild 9 der Fotobeilage zu sehen.

 


 

Nach den glaubwürdigen Aussagen der beiden Beamten, die im Abstand von ca 50 m hinter dem Pkw des Beschwerdeführers nachfuhren, hat dieser zwar vor der Kreuzung der L1153 mit der L506, in die er bei der genannten Kreuzung nach links in Richtung Schärding einbog, die Geschwindigkeit vermindert, hat aber nicht angehalten, sondern ist durchgefahren. Hinsichtlich der technischen Möglichkeit einer derartigen Beobachtung ist auf die Ausführungen zu Punkt 1) zu verweisen. Dabei ist dem Beschwerdeführer anzurechnen, dass er unmittelbar vor der Kreuzung ausreichende Sicht in beide Richtungen hatte und keinen seine Fahrlinie kreuzenden oder berührenden Verkehr wahrnahm. Trotzdem wäre beim angeführten Vorrangzeichen definitiv anzuhalten gewesen, was der Beschwerde­führer nicht getan hat.

 

 

 

Zu Punkt 3) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 52 lit.a Z10 lit.a StVO 1960 zeigt das Vorschriftzeichen "Geschwindig­keits­beschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist.

Gemäß § 99 Abs.2d StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 km/h über­schreitet.

 

Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 von km 3.816 bis km 4.020 der L506 Schärdinger Straße ist mit Verordnung des Bezirkshauptmannes von Schärding vom 6. Juli 2012, VerkR10-231-2012-Hol, verordnet und auf den Fotos 16 und 21 der Lichtbildbeilage im Verfahrensakt dokumentiert.

 

Die Nachfahrt der von BI M gelenkten Zivilstreifenfahrzeuges hinter dem Pkw des Beschwerdeführers ist im Abstand von ca 50 m technisch ebenso möglich wie das Ablesen des auf dem analogen Tacho angezeigten Wertes durch den Beifahrer. Der mehrmals im Zuge der Nachfahrt im Ortschaftsbereich Stöbichen von diesem nach eigenen Angaben abgelesene Tachowert war 115 km/h, von dem er 15 % abzog und auf eine vorgeworfene Geschwindigkeit von 97 km/h kam. Dieser Wert ist im Nachhinein nicht mehr überprüfbar, weil das Fahrzeug nicht mehr in Verwendung steht.

 

Der SV hat diesen automatischen Abzug von 15 % von einem ungeeichten Tachowert nicht akzeptiert, sondern ist von mehreren zugunsten des Beschwerde­führers berücksichtigten Prämissen ausgegangen, nämlich der vorgeschriebenen Tachovoreilung laut ECE 39 und der Annahme, dass der nachfahrende Lenker im Zuge der Nachfahrstrecke den Tiefenabstand bei Dunkelheit um 50% verkürzt. Dabei hat der SV darauf verwiesen, dass realistischer Weise bereits eine Verkürzung um 10 m dem Lenker auffallen müsste. Ebenso begünstigend berücksichtigt wurde weiters ein Ablesefehler aufgrund des analogen Tachos, weil der Beifahrer beim Hinüberbeugen einen geringeren Wert abliest, wenn man den Abstand zwischen Zeiger und Zifferblatt berücksichtigt. Auf diese Weise ist der SV zu einer schlüssig begründbar anzunehmenden Geschwindigkeit des Beschwerdeführers von nicht 97 km/h sondern sogar 91 km/h gelangt, was aber bei erlaubten 50 km/h immer noch eine Überschreitung um jedenfalls 41 km/h bedeutet.

Den schlüssigen Ausführungen des SV vermochte der Beschwerdeführer nichts entgegenzusetzen.

 

Insgesamt war daher für das Landesverwaltungsgericht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die ihm in den Punkten 1) bis 3) zur Last gelegten Tatbestände erfüllt hat – wobei im Punkt 3) der Tatvorwurf auf eine tatsächlich eingehaltene Geschwindigkeit von 91 km/h im Spruch gemäß § 44a Abs.1 VStG zu korrigieren war – und, da ihm die Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist, sein Verhalten jeweils als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

 

Zur Strafbemessung:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG in der seit 1. Juli 2013 geltenden Fassung BGBl.I Nr.33/2013 sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß Abs.2 dieser Bestimmung sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorge­pflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Der Strafrahmen des § 99 Abs.3 lit.a StVO – betreffend die Punkte 1) und 2)  des Straferkenntnisses – reicht bis 726 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.  

Der Strafrahmen des § 99 Abs.2d StVO – betreffend Punkt 3) des Straf­erkenntnisses – reicht von 70 bis 2180 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit von 24 Stunden bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe. 

Der Strafrahmen des § 37 Abs.1 iVm Abs.2a FSG – betreffend Punkt 4) des Straf­erkenntnisses – reicht von 20 bis 2180 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe. 

Der Strafrahmen des § 134 Abs.1 KFG 1967 StVO – betreffend Punkt 5) des Straf­erkenntnisses – reicht bis 5000 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe. 

 

Seitens der belangten Behörde wurde laut Begründung des in Beschwerde gezogenen Straferkenntnisses die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers als mildernd und nichts als erschwerend gewertet; zugrundegelegt wurde ein geschätztes Einkommen von rund 1000 Euro beim Fehlen von Vermögen und Sorgepflichten.

 

Aus der Sicht des Landesverwaltungsgerichts ist dem entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Bezirk Schärding nicht verwaltungsstrafrechtlich unbe­scholten ist, sodass er diesen Milderungsgrund nicht für sich in Anspruch nehmen kann. Inwiefern es beim Versuch iSd § 34 Abs.1 Z13 StGB geblieben sein soll, ist nicht nachvollziehbar und wurde auch vom Beschwerdeführer nicht begründet. Allerdings sind die Vormerkungen vom 5.4.2013 nicht einschlägig.

Sein Einkommen als Lkw-Lenker hat er nicht bekanntgegeben, sodass auch im Beschwerdeverfahren von der Schätzung der belangten Behörde, der er nicht widersprochen hat, auszugehen war.

 

Mit Ausnahme des Punktes 3), in dem aufgrund der etwas niedrigeren Geschwindigkeit auch die Strafe geringfügig herabzusetzen war, und des Punktes 4), bei dem die Ungleichbehandlung zum Punkt 5) im Ergebnis nicht begründbar ist, vermag das Landesverwaltungsgericht nicht zu erkennen, dass die belangte Behörde den ihr bei der Strafzumessung zukommenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte.

Im Übrigen steht es dem Beschwerdeführer frei, die Geldstrafen in Teilbeträgen gemäß seinem tatsächlichen (und daher eindeutig nachzuweisenden) Einkommen zu bezahlen. Die Ersatzfreiheitsstrafen wurden im Verhältnis zu den Geldstrafen bemessen. 

 

 

Zu II.:

Die Vorschreibung eines 20%igen Kostenbeitrages zum Beschwerdeverfahren in den Punkten 1), 2) und 5) gründet sich auf § 52 Abs.1 und 2 VwGVG.

Zu III.:

In den Punkten 1) und 2) ist eine ordentliche Revision des Beschwerdeführers auf der Grundlage des § 25a Abs.4 VwGG nicht zulässig – gemäß dieser Bestimmung ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art.133 Abs.6 Z1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungs­strafsache 1. eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und 2. im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde.

Im Übrigen ist eine ordentliche Revision unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Bissenberger