LVwG-601640/2/FP
Linz, 13.12.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl über die Beschwerde von A N, M, G, vertreten durch Dr. K S, Rechtsanwalt, G, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 1. August 2016, GZ VerkR96-19385-2014, wegen einer Übertretung des KFG,
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das bekämpfte Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungs-strafverfahren gem. § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 und 9 VwGVG hat der Beschwerdeführer keine Beiträge zu den Kosten der Verfahren zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Mit Straferkenntnis vom 1. August 2016 warf die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Nachstehendes vor:
„[…] Sehr geehrter Herr N!
Sie haben als Verantwortlicher der Firma Int. Transporte F.P & Co Zwn. d. Fa. A. N in G, an der Westumfahrung 30, diese ist Zulassungsbesitzerin des angeführten KFZ, nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand des Sattelanhängers den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht. Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von T M gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass die für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung des angeführten Fahrzeuges maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch Ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigung oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Es wurde festgestellt, dass der linke hintere Reifen des Sattelanhängers am Kunststoffkotflügel streifte, sodass dieser bereits durchgescheuert war. Der Reifen wies Schleifspuren auf.
Tatort: Linz, A7, Stkm 2,6 Richtung Freistadt Tatzeit: 03.09.2014, 14:43 Uhr Fahrzeug: Zugfahrzeug Kennzeichen: x, Anhänger Kennzeichen: x
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt: § 103 Abs. 1 Zi. 1 KFG iVm § 4 Abs. 2 KFG
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von | falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
| Freiheitsstrafe von | Gemäß |
150,- Euro
| 3 Tage
| - | § 134 Abs. 1 KFG
|
Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
15,- Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
165,- Euro.
[…]
Begründung:
Aufgrund Anzeige der Landesverkehrsabteilung Oberösterreich vom 12.09.2014 wurde Ihnen die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung mittels Strafverfügung vom 12.09.2014 angelastet. Mit Fax vom 29.09.2014 erhoben Sie durch Ihre rechtsfreundliche Vertretung Einspruch und beantragen die Aktenübersendung.
Mit Schreiben vom 02.10.2014 trat die Landespolizeidirektion OÖ das Verfahren an die Bezirkshauptmannschaft Gmunden ab.
Mit Schreiben vom 10.11.2014 wurde Ihnen nochmals der im Spruch angeführte Sachverhalt angelastet und Ihnen die Gelegenheit gegeben binnen 2 Wochen ab Übernahme eine Rechtfertigung abzugeben. Sie wurden in diesem Schreiben darüber informiert, dass das Verfahren auch ohne Ihre Anhörung durchgeführt werde, wenn Sie die Aufforderung nicht befolgen. Dieses Schriftstück wurde Ihnen durch persönliche Übernahme rechtswirksam an Ihre rechtsfreundliche Vertretung am 14.11.2014 zugestellt.
Mit Schreiben vom 11.11.2014 übermittelte Ihnen die Bezirkshauptmannschaft Gmunden eine Kopie der Anzeige und übermittelte Ihnen die Lichtbilder auf Ihre ausdrückliche Anfrage per Email.
In der durch Ihre rechtsfreundliche Vertretung eingebrachten Stellungnahme vom 01.12.2014, gaben Sie sinngemäß bekannt, dass Sie bestreiten, dass Sie Ihren Verpflichtungen als Verantwortlicher für die Zulassungsbesitzerin nicht ordnungsgemäß nachgekommen seien. Der Schaden am Kotflügel sei dadurch entstanden, dass eine unbekannte Person das Senkventil des Sattelanhängers betätigt habe und es dadurch zu einem Absenken des Chassis gekommen sei. Es sei Aufgabe des Lenkers vor Antritt der Fahrt sich vom ordnungsgemäßen und betriebssicheren Zustand des Fahrzeuges zu überzeugen. Alle Lenker des gegenständlichen Betriebes seien auf diese Verpflichtung ausdrücklich hingewiesen worden. Der betroffene Lenker sei bereits bestraft worden.
Aus Ihrer Sicht sei es nicht möglich gewesen, die technischen Mängel zu erkennen oder in die Inbetriebnahme einzugreifen. Der Umstand, dass eine fremde Person am Senkventil hantiert habe, hätten Sie nicht zu vertreten.
Durch die Absenkung sei zwar ein leichter Schaden am Fahrzeug entstanden, keinesfalls aber eine der im Spruch angeführten Gefährdungen. Es wird beantragt darüber ein Gutachten eines KFZ-technischen Sachverständigen einzuholen.
Rechtlich gilt Folgendes:
Gemäß § 4 Abs. 2 KFG müssen Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen.
Nach § 103 Abs. 1 Zi. 1 KFG gilt:
Der Zulassungsbesitzer hat dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung - unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen -den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht;
§ 134 Abs. 1 KFG lautet:
Wer diesem Bundesgesetz, den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen, Bescheiden oder sonstigen Anordnungen, den Artikeln 5 bis 9 und 10 Abs. 4 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 oder den Artikeln 5 bis 8 und 10 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl. Nr. 518/1975 in der Fassung BGBl. Nr. 203/1993, zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.
Von der Behörde wurde dazu Folgendes erwogen:
Aufgrund der in der Anzeige dokumentierten Lenker- und Fahrzeugkontrolle und der Lichtbildanlage wird festgestellt, dass durch Schleifen des linken hinteren Reifens des Sattelanhängers am Kotflügel, der Reifen Schleifspuren aufwies und der Kotflügel bereits durchgescheuert war und dadurch letzterer bereits Löcher aufwies. Der Lenker hatte den LKW etwa 20 Minuten auf dem Parkplatz abgestellt und verließ diesen auch, ohne sein Fahrzeug zu besichtigen oder dass ihm der Schaden aufgefallen wäre. Diese Mängel waren ohne ein Sachverständigengutachten durch die bloße Sichtprüfung feststellbar und wären auch für den Lenker bei einer Kontrolle, vor Antritt der Fahrt und während der Pause auf dem Parkplatz jederzeit leicht zu erkennen gewesen.
Somit steht fest, dass durch diese festgestellten Mängel gegen die Vorschriften des § 103 Abs 1 KFG iVm § 4 Abs 1 KFG verstoßen wurde, da der Reifen und Kotflügel Ihren Zweck nicht mehr gesichert erfüllen konnten. Durch das Schleifen des Reifens am Kotflügel bestand die Gefahr, dass der Kotflügel bei Fortführen der Fahrt gänzlich bricht und der Kotflügel dadurch seine Funktion nicht mehr erfüllen kann, nämlich Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vor aufwirbelndem Wasser und Schmutz, sowie, dass durch den abgeriebenen Reifens eine hinreichende Bremswirkung und Fahrsicherheit nicht mehr gegeben ist und somit andere Verkehrsteilnehmer sowie der Lenker gefährdet werden. Somit war die Verkehrs- und Betriebssicherheit des Fahrzeuges nicht mehr gegeben.
Als Geschäftsführer sind Sie der Verantwortliche der Firma und Zulassungsbesitzerin, welche dafür zu sorgen hat, dass das Fahrzeug den Bestimmungen dieses Gesetzes entspricht. Sie wären dazu verpflichtet gewesen ein wirksames Kontrollsystem zu schaffen, das bei Vorliegen von Mängeln dieser Art einen Antritt der Fahrt nicht erlaubt hätte. Ein solches System war nicht eingerichtet, da der Lenker das Fahrzeug in Betrieb genommen hat als der Mangel schon vorlag und ihm der Mangel auch nicht aufgefallen war, als er am Parkplatz hielt. Dass Sie Anführen, alle Lenker seien über die gesetzlichen Verpflichtungen belehrt worden, stellt kein hinreichendes Kontrollsystem dar.
Sie sind als Geschäftsführer der ´Int. Transporte F.P & Co Zwn. d. Fa. A. N`das nach § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ und hat somit die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht zu verantworten.
Das KFG sieht keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens vor, weshalb § 5 Abs. 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).
Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Die nicht näher erläuterte Behauptung, dass eine unbekannte Person das Ventil betätigt habe und es deswegen zur Abnutzung des Reifens und des Kotflügels gekommen sei, führt nicht ins Treffen. Nicht nur dass diese Vorbringen zu allgemein gehalten ist und zu wenig konkretisiert wurden, ändert auch ein allfälliges Hantieren fremder Personen am Fahrzeug nichts an der Verpflichtung des Fahrers sich vor Antritt der Fahrt zu vergewissern, dass sich das Fahrzeug in einem ordnungsgemäßen Zustand befindet. Gerade auch aus Gründen fremder Manipulationen am Fahrzeug muss ein Fahrzeug vor Fahrantritt überprüft werden. Wie erwähnt hätte ein Kontrollsystem von Ihnen dies sicherstellen müssen. Die Fehlerhaftigkeit, nämlich das Streifen des linken hinteren Reifens am Kotflügel des Sattelanhängers war gut erkennbar und fällt auch auf der Fotodokumentation gravierend auf. Auch hat der Fahrer während des 20-minutigen Haltens am Parkplatz keinerlei Anzeichen gezeigt, sich um die Kontrolle des ordnungsgemäßen Zustandes des Fahrzeuges zu kümmern. Ein allfälliges Kontrollsystem Ihrerseits hat versagt und Sie haben die Verwaltungsübertretung aus diesem Grund zu vertreten. Da auch das Kontrollsystem nicht ausreichend war, haben Sie auch die subjektive Tatseite erfüllt.
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Nach § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32-35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie allfällige Sorgepflichten konnten mangels Bekanntgabe nicht erhoben werden und wurden deshalb - wie im Schreiben vom 10.11.2014 angekündigt - geschätzt.
Als Milderungsgründe wurde gewertet, dass Sie keine einschlägigen Vorstrafen vorweisen sowie, dass Sie geständig waren. Erschwerungsgründe waren aus dem Akt nicht ersichtlich.
Die gegen Sie verhängte Strafe von 150,- Euro befindet sich im unteren Bereich des im Gesetz vorgesehenen Strafrahmens (bis zu 5.000,- Euro). Diese erscheint als tat- und schuldangemessen sowie geeignet, Sie in Hinkunft von gleichartigen Verwaltungsübertretungen abzuhalten. […]“
(Formatierungen nicht übernommen)
I.2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Bf am 25. August 2016 rechtzeitig Beschwerde und führte aus wie folgt:
„[...]
BESCHWERDE
gem. Art 130 Abs 1 B-VG an das Landesverwaltungsgericht für Oberösterreich.
Der eingangs bezeichnete Bescheid wird in seinem gesamten Inhalt angefochten.
Als Beschwerdegründe werden unrichtige rechtliche Beurteilung, unrichtige Tatsachenfeststellung sowie Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht.
1. Zum. Sachverhalt:
Richtig ist, dass der Beschwerdeführer Geschäftsführer bzw. Verantwortlicher der Firma Int. Transporte F.P & Co Zwn. der Firma A.N in G ist. Richtig ist des Weiteren, dass diese Zulassungsbesitzer des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges mit dem polizeilichen Kennzeichen x sowie des Anhängers (polizeiliches Kennzeichen x), mit welchen Herr M T am 03.09.2016 auf der Autobahn A 7, Fahrtrichtung Freistadt bei Straßenkilometer 2,6 unterwegs war und angehalten wurde, ist.
Mit Anzeige der Landesverkehrsabteilung Oberösterreich bzw. mit folgendem Straferkenntnis vom 12.09.2016 wurde dem Beschwerdeführer angelastet, als Verantwortlicher der Zulassungsbesitzerin des verfahrensgegenständlichen Fahrzeuges samt Anhänger nicht dafür Sorge getragen zu haben, dass sich diese im Verkehrs - und betriebssicheren Zustand entsprechend den Vorschriften des KFG befinden.
Im Detail stellte die Behörde fest, dass ´durch Schleifen des linken hinteren Reifens des Sattelanhängers am Kotflügel, der Reifen Schleifspuren aufwies und der Kotflügel bereits durchgescheuert war und dadurch letzterer bereits Löcher aufwies.‘
Daraus leitet die Behörde ab, dass eben durch dieses Schleifen des Kotflügels die Gefahr bestand, dass dieser bei Fortführung der Fahrt bricht sowie durch den abgeriebenen Reifen eine entsprechende Bremswirkung und damit Fahrtsicherheit nicht mehr gegeben war.
2. Zur rechtlichen Ausführung:
In ihren rechtlichen Ausführungen stützt sich die Behörde auf § 103 Abs 1 Z 1 KFG iVm § 4 Abs 2 KFG.
Im Zuge dessen hat die Behörde rein auf Grund der optischen Wahrnehmung der Sicherheitsorgane gehandelt und den Schluss gezogen, dass eine Gefahr des Abbrechens des Kotflügels bzw. eine Minderung der Bremswirkung durch den abgeriebenen Reifen anzunehmen ist.
Fraglich ist, inwieweit es der Behörde überhaupt möglich ist, eine derartige ´Beurteilung` selbstständig bzw. auf Basis der Wahrnehmung der Sicherheitsorgane und ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen vorzunehmen.
Es ist nämlich keinen falls gesichert bzw. objektivierbar, ob sich der Kotflügel tatsächlich gelöst hätte - noch weniger ist es der Behörde möglich objektiv festzustellen, ob die Bremswirkung des gesamten Fahrzeuges auf Grund eines (leicht) abgeriebenen Reifens maßgeblich beeinträchtigt ist.
Die von der Behörde als ausreichend bezeichnete ´Sichtprüfung` durch die Sicherheitsorgane ist keinen falls geeignet, die von ihr angeführten Feststellungen nachvollziehbar zu begründen.
Für eine dementsprechende, aussagekräftige Beurteilung bzw. Feststellungen hätte die Behörde jedenfalls ein Sachverständigengutachten einholen müssen.
Diesbezüglich liegt daher Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor und ist das Straferkenntnis sohin schon aus diesem Grund aufzuheben.
Beantragt wird an dieser Stelle nunmehr die Einholung eines kraftfahrzeugtechnischen Sachverständigengutachten zum Beweis dafür, dass keinen falls mit ah Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sich der Kotflügel hei der Weiterfahrt tatsächlich gelöst hätte bzw. der (leicht) abgeriebene Reifen keinerlei Auswirkung auf die Bremswirkung des gesamten Fahrzeuges gehabt hat.
Gem. § 4 Abs 2 KFG müssen Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein, dass ´durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen.‘
Lediglich auf Grund des aufgeriebenen Kotflügels bzw. des (leicht) abgeriebenen Reifens kann nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass eine Gefahr für den Lenker bzw. Dritte besteht bzw. bestanden hat, die Straße beschädigt oder vermeidbare Beschmutzung oder Lärm entstehen würde.
Die Behörde begründet die behauptete Gefahr lediglich damit, dass der Kotflügel ´seine Funktion nicht mehr erfüllen kann, nämlich Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vor aufwirbelnden Wasser und Schmutz [...]‘.
Eine tatsächliche Gefahr für andere Straßenbenützer oder den Lenker selbst ist nicht zu erblicken und wird von der Behörde auch nicht angeführt.
Hinsichtlich des (leicht) abgeriebenen Reifens kann - wie oben bereits ausgeführt - von der Behörde ohne entsprechende Stellungnahme eines Sachverständigen keinerlei qualifizierte Aussage getroffen werden.
Diesbezüglich unterliegt die Behörde einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung, da die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen schon in objektiver Hinsicht nicht erfüllt sind und daher das Straferkenntnis aufzuheben ist.
Wenn die Behörde nunmehr weiters feststellt, dass es der Beschwerdeführer als Verantwortlicher der eingangs genannten Zulassungsbesitzerin verabsäumt hätte, ein wirksames Kontrollsystem einzurichten, ist dem folgendes entgegen zu halten: Wie der Beschwerdeführer bereits in seiner Stellungnahme datiert vom 01.12.2014 ausgeführt hat, wurde das Senkventil des Sattelanhängers von einer unbekannten Person betätigt, wodurch es zum Absenken des Chassis und in Folge zum Streifen des Kotflügels am Reifen kam.
Zu keinem Zeitpunkt lag am Sattelanhänger bzw. am Senkventil ein technischer Mangel vor.
Das Absenken des Chassis und das damit in Folge auftretende Streifen des Kotflügels am Reifen waren für den — im Führerhaus sitzenden - Fahrer nicht ersichtlich.
Beantragt wird die zeugenschaftliche Einvernahme von Herrn T M p.A. der Firma Int. Transporte P N, W, G, zum Beweis dafür, dass der Chassis durch eine unbekannte Person abgesenkt wurde.
Des Weiteren wird beantragt die zeugenschaftliche Einvernahme von Herrn Ing. E A (Leiter Fuhrpark & Logistik), p.A. der Firma Int Transporte P N, W, G, zum Beweis dafür, dass das (durch Dritte hervorgerufene) Absenken des Chassis für den Fahrer nicht ersichtlich war sowie das am Senkventil keinerlei technischer Mangel vorgelegen hat bzw. vorliegt.
Es stellt sich nunmehr die Frage wie das von der Behörde geforderte Kontrollsystem aussehen geschweige denn im gegenständlichen Fall funktionieren hätte sollen.
Wie bereits in der bereits erwähnten Stellungnahme vom 01.12.2014 angeführt, war es dem Beschwerdeführer nicht möglich einen derartigen Mangel vorauszusehen — dies insbesondere aus dem Grund, da der Mangel durch Manipulation Dritter hervorgerufen wurde. Es entzieht sich der Kenntnis des Beschwerdeführers, durch welche Art der Kontrolle ihm möglich gewesen wäre, dies zu verhindern.
Des Weiteren erschließt sich dem Beschwerdeführer nicht, weswegen die Behörde die Feststellung trifft, der Fahrer, Herr M T, habe ´keinerlei Anzeichen gezeigt, sich um die Kontrolle des ordnungsgemäßen Zustandes des Fahrzeuges zu kümmern‘. Zum Einen ist nicht nachvollziehbar, worauf die Behörde diese Feststellungen stützt, zum Anderen war es — wie bereits ausgeführt - für den Lenker aus dem Führerhaus nicht ersichtlich, dass der Chassis abgesenkt worden war.
Auf Grund dieser Erwägungen stellt der Beschwerdeführer durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter folgende
Beschwerdeanträge:
Das Landesverwaltungsgericht für Oberösterreich möge
1. eine mündliche Verhandlung anberaumen;
2. die angebotenen Beweise aufnehmen
3. das Straferkenntnis der BH Gmunden, VerkR96-19385-2014 vom Ol. August 2016 vollinhaltlich aufheben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren einstellen.
[…]“
(Formatierungen nicht übernommen)
I.3. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2016 legte die belangte Behörde dem Landesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt zur Entscheidung vor, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu fällen.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich entscheidet durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter (§ 2 VwGVG).
II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsstrafakt. Zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist, entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung (§ 44 Abs. 2 VwGVG).
II.2. Nachstehender entscheidungswesentlicher S A C H V E R H A L T steht fest:
Der Beschwerdeführer ist Geschäftsführer der der im Firmenbuch zu FN 1036xxx des LG Wels protokollierten P-N Transport GmbH, A, G (vormals A. N Transportgesellschaft m.b.H mit Sitz in P) (idF „Gesellschaft“). (Firmenbuch)
Diese war zum Tatzeitpunkt Halterin eines Anhängers Feldbinder mit dem Kennzeichen x. (Anzeige)
Am 3. September 2014 lenkte ein Arbeitnehmer der Gesellschaft das genannte Fahrzeug in Linz auf der A7 bei Straßenkilometer 2,6 Richtung Freistadt. Er geriet in eine Verkehrskontrolle bei welcher festgestellt wurde, dass ein linker hinterer Reifen am Kunststoffkotflügel streifte. Dieser war bereits durchgescheuert und war warm. Der Reifen wies an der Außenseite Schleifspuren auf.
Der dem Bf in einer Strafverfügung der LPD Oö. vom 12. September 2014 vorgeworfene Spruch lautete:
„Sie haben als Verantwortliche(r) der Firma Int. Transporte F.P & Co. Zwn.d. Fa.A.N in G, A, diese ist Zulassungsbesitzerin des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen x, nicht dafür gesorgt, dass das Kraftfahrzeug, Kennzeichen x mit dem Anhänger, Kennzeichen x, unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder Ausnahmebewilligungen den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes 1967 und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht, weshalb bei der am 03.09.2014, um 14:43 Uhr, in Linz, A7, Str.km 2,6, Richtung Freistadt durchgeführten Fahrzeugkontrolle festgestellt wurde, dass die für die Verkehrs- und betriebssichere Verwendung des angeführten Fahrzeuges maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Es wurde festgestellt, dass der linke hintere Reifen des Sattelanhängers am Kunststoffkotflügel streift, sodass dieser bereits durchgescheuert war. Der Reifen wies Schleifspuren auf.“
(Strafverfügung)
Nach Abtretung des Aktes an die belangte Behörde forderte diese den Bf mit folgendem Vorwurf zur Rechtfertigung auf:
„Sie haben als Verantwortlicher der Firma Int. Transporte F.P & Co Zwn.d. Fa. A.N in G, a, diese ist Zulassungsbesitzerin des angeführten KFZ, nicht dafür Sorge getragen, dass der Zustand des Sattelanhängers den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht. Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von T M gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass die für die Verkehrs- und betriebssichere Verwendung des angeführten Fahrzeuges maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Es wurde festgestellt, dass der linke hintere Reifen des Sattelanhängers am Kunststoffkotflügel streift, sodass dieser bereits durchgescheuert war. Der Reifen wies Schleifspuren auf.“
(Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10. November 2014)
Der Spruch des in der Folge ergangenen Straferkenntnisses lautet, wie unter I.1. dargestellt.
(Straferkenntnis)
II.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Verfahrensakt, insbesondere den in Klammern angegebenen Beweismitteln.
Insbesondere ergibt sich aus den in Klammern genannten Behördenakten der jew. Wortlaut der dem Bf gemachten Vorwürfe, insbesondere aber, dass aus diesen nicht ableitbar ist, ob sich das dem Bf vorgeworfene Fehlverhalten (§ 103 Abs 1 Z 1 KFG) auf eine im § 4 Abs 2 KFG genannte Personengruppe (Lenker und/oder beförderte Personen und/oder Straßenbenützer) bezieht bzw. von welcher Gefährdungslage (Gefahren, Beschädigungen, Erschütterungen, Lärm, Rauch, Geruch, Luftverunreinigungen, Beschmutzungen) die belangte Behörde ausgeht. Tatsächlich erscheint es, als gehe die belangte Behörde davon aus, dass der Mangel alleine eine Bestrafung nach den herangezogenen Bestimmungen rechtfertigt. Dass der ggst. Kotflügel erhebliche Durchscheuerungen aufwies ist auf den im Akt befindlichen Fotos deutlich erkennbar. Auch lässt sich erkennen, dass sich der Rand des Kotflügels, welcher auf der Flanke des Reifens auflag, eine schwarze Spur hinterlassen hat.
III. Rechtliche Beurteilung
III.1. Wesentliche zugrundeliegende Bestimmungen:
III.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:
III.2.1. Vorwurf:
Vorliegend steht außer Zweifel und konnte dies vom Verwaltungsgericht aufgrund des Akteninhaltes, insbesondere den Fotos, bedenkenlos festgestellt werden, dass der linke hintere Kotflügel des ggst. Sattelaufliegers Durchscheuerungen aufwies und auch der hinterste äußerst links liegende Reifen (Zwillingsbereifung) eine Abzeichnung aufwies, die vom Kunststoffkotflügel herrührte.
Die Exekutive hat dabei in ihrer Anzeige lediglich die optisch wahrgenommenen Mängel festgehalten und festgestellt, dass der Kotflügel „stark temperiert“ war. Eine Gefährdungslage lässt sich der Anzeige aber nicht entnehmen.
Dies hat die belangte Behörde zum Anlass genommen, dem Bf einen auf §§ 103 Abs 1 iVm § 4 Abs 2 KFG gestützten Vorwurf zu machen.
Sie hat sich dabei des oben dargestellten Spruchs bedient, der im Wesentlichen unkonkretisiert den komplexen und viele unterschiedliche Tatbestandsvarianten enthaltenden Normtext wiedergibt. Zudem hat sie, der Anzeige der Exekutive folgend, festgestellt, dass der linke hintere Reifen am Kotflügel streifte, sodass dieser durchgescheuert war und der Reifen Schleifspuren aufwies.
Gem. § 103 Abs 1 Z 1 KFG hat der Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug den Vorschriften des KFG entspricht.
Als Vorschrift, der das KFZ zu entsprechen hat, zieht die belangte Behörde § 4 Abs 2 KFG heran, der allgemeine Ausrüstungsvorschriften zum Inhalt hat und im Ergebnis vorschreibt, dass Fahrzeuge so ausgerüstet sein müssen, dass von ihnen für in der Bestimmung genannte, bestimmte Personengruppen (Lenker, beförderte Personen, andere Straßenbenützer) und Sachen (Straße) keine in der Bestimmung dargestellte Gefahren ausgehen bzw. generell bestimmte nachteilige Umwelteinflüsse vermieden werden (Lärm, Rauch, Erschütterungen, Luftverunreinigungen etc.).
Erst bei Eintreten dieser bestimmten Gefahrenlage für Personen oder Sachen bzw. die Umwelt, kann somit ein Verstoß im Sinne der genannten Bestimmungen vorliegen. Die belangte Behörde übersieht dies zunächst und wirft dem Bf im Spruch lediglich den Umstand vor, dass sein Fahrzeug Beschädigungen aufwies. Alleine das Vorliegen von Mängeln reicht für eine Bestrafung nach der angezogenen Bestimmung jedoch nicht aus.
Es ergibt sich, dass die belangte Behörde dem Bf innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist keinen strafbaren Tatbestand vorgeworfen hat.
Der Umstand, dass ein Reifen an einem Kotflügel streift und dieser durchscheuert ist und ein Reifen Schleifspuren aufweist, mag im Rahmen der wiederkehrenden Begutachtung nach § 57a KFG von Relevanz sein, stellt aber für sich gesehen keinen nach dem Gesetz strafbaren Tatbestand dar. Vielmehr ist eine Strafbarkeit erst gegeben, wenn Umstände wie die oben genannten hinzutreten (Gefährdungslage).
Diese müssen jedoch festgestellt und dem Bf im Spruch vorgeworfen werden.
Dies hat im vorliegenden Verfahren nicht stattgefunden.
Eine (die Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG unterbrechende) Verfolgungshandlung nach § 32 Abs 2 VStG ist auf sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschriften iSd § 44a Z 2 VStG zu beziehen; (VwGH 21. Oktober 2014, Ra 2014/03/0006).
„Die Umschreibung der Tat hat – bereits im Spruch und nicht erst in der Bescheidbegründung (VwSlg 17.326 A/2007; VwGH 1.7.2010, 2008/09/0149) – so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist (zB VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 12.3.2010, 2010/17/0017; 17.4.2012, 2010/04/0057), sie muss mithin die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens erforderlich sind, ermöglichen (vgl VwGH 20.7.1988, 86/01/0258; 31.1.2000, 97/10/0139; s auch VwGH 6. 11. 2012, 2012/09/0066 [AuslBG]) und sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist (VwGH 23.4.2008, 2005/03/0243). Andererseits dürfen bei der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat auch keine Verhaltensweisen mitumfasst werden, die nicht der verletzten Verwaltungsvorschrift iSd § 44 a Z 2 unterliegen (vgl VwGH 24.4.2008, 2007/07/0124).
(vgl. Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 44 a Rz 2).“
Die Tat ist dabei so eindeutig zu umschreiben, dass kein Zweifel besteht, wofür der Täter zur Verantwortung gezogen wird. Diesen Anforderungen ist dann entsprochen, wenn die Tat dem Täter in so konkreter Umschreibung vorgeworfen wird, dass dieser in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Beschuldigte rechtlich davor geschützt ist, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (VwGH 25.02.2003, 2001/10/0257).
Im Hinblick auf einen mit dem vorliegenden vergleichbaren Sachverhalt hat der Verwaltungsgerichtshof, etwa in seiner Entscheidung vom 12. Dezember 1986, 86/18/0176 ausgesprochen, dass ein Verstoß gegen das Konkretisierungsgebot des § 44 a lit a VStG 1950 durch den Tatvorwurf vorliegt, dass „die rechte Schlussleuchte und der linke Rückstrahler des Anhängers nicht in Ordnung waren“, weil damit nicht zum Ausdruck kommt, inwiefern diese Teile des vom Beschuldigten verwendeten Anhängers nicht den einschlägigen Bestimmungen entsprochen haben sollen.
In seiner Entscheidung vom 12. Dezember 1986, 86/18/0176, hat der VwGH ausgeführt, dass die Anlastung im Spruch eines Straferkenntnisses, ein Lkw und Anhänger entsprächen insofern nicht den gesetzlichen Vorschriften, als „bei sechs Rädern insgesamt 13 Tragbolzen über die Radmuttern hinausstanden, drei Radmuttern ... fehlten“ entspricht nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44 a lit a VStG 1950, weil dadurch die Zuordnung des Tatverhaltens zur zitierten Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, nicht in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird. (Hinweis auf E VS 13.6.1984, 82/03/0265, VwSlg 11466 A/1984) Es ist nämlich nicht zu erkennen, inwiefern der Beschuldigte einen der mehreren Tatbestände des § 4 Abs 2 KFG 1967 einerseits hinsichtlich der herausragenden Tragbolzen und andererseits in Bezug auf die fehlenden Radmuttern verwirklicht haben soll.
Wesentlich für einen Verstoß gegen die genannten Bestimmungen ist, dass ein Kraftfahrzeug so gebaut und ausgerüstet sein muss, dass durch seinen sachgemäßen Betrieb weder
1. Gefahren für die im Normtext genannten Personengruppen, noch
2. Beschädigungen der Straße,
3. schädliche Erschütterungen, übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen entstehen bzw.
4. die im Normtext genannten Personengruppen bei Verkehrsunfällen möglichst geschützt sind und die Fahrzeuge
5. innen und außen keine vermeidbaren vorspringenden Teile, Kanten oder zusätzliche Vorrichtungen aufweisen, die bei Verkehrsunfällen schwere körperliche Verletzungen erwarten lassen
Nur bei Vorliegen derartiger Umstände, kann es zu einem Verstoß gem § 103 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 2 KFG kommen.
Der Vorwurf, dass ein Reifen an einem Kunststoffkotflügel streift und Scheuerspuren vorhanden sind, lässt für sich alleine keinen Verstoß im Sinne dieser Bestimmung erkennen, zumal ein solcher Mangel nur dann zu einer Bestrafung nach § 103 Abs 1 Z 1 KFG führen kann, wenn ein oder mehrere der hier dargestellten Tatbestandsmerkmale betroffen sind und im Spruch vorgeworfen werden.
Das Scheuern eines Reifens an einem Kotflügel kann daher etwa dann zu einer Bestrafung nach den genannten Bestimmungen führen, wenn die Gefahr des Platzens des Reifens droht und dadurch bspw. Gefahren für Personen (Unfallgefahr, Gefahr des Verlierens von Teilen etc.) oder Verunreinigungen hervorrufen kann.
Solche Umstände sind aber iSd obigen Ausführungen im Rahmen des Verfahrens zu ermitteln (zB.: KFZ-technischer Sachverständiger, Offensichtlichkeit einer Gefahr), festzustellen und dem Betroffenen gesetzgemäß vorzuwerfen.
Dabei kann es unterbleiben den gesamten Normtext des § 4 Abs. 2 KFG mit all seinen Varianten wiederzugeben. Es reicht jene Variante zu wählen, die für den Fall relevant ist.
Einen derartigen Vorwurf hat die belangte Behörde (und auch nicht die die Strafverfügung erlassende Behörde) dem Bf im Zuge des Verfahrens, innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist, nicht gemacht. Erst in der Begründung des Straferkenntnisses, lange nach Ablauf der Verfolgungsverjährung, führte die belangte Behörde aus, dass Reifen und Kotflügel ihren Zweck nicht mehr gesichert erfüllen konnten, durch das Schleifen des Reifens am Kotflügel die Gefahr bestand, dass der Kotflügel bei Fortführen der Fahrt gänzlich breche und der Kotflügel dadurch seine Funktion nicht mehr erfüllen könne, nämlich Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vor aufwirbelndem Wasser und Schmutz und, dass durch den abgeriebenen Reifen eine hinreichende Bremswirkung und Fahrsicherheit nicht mehr gegeben sei und somit andere Verkehrsteilnehmer sowie der Lenker gefährdet würden.
Die belangte Behörde hat zuvor in keiner Weise konkretisiert, inwieweit die Mängel Gefährdungspotential iSd § 4 Abs. 2 KFG aufgewiesen haben.
Insofern wurde dem Bf innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist kein Vorwurf gemacht, der auf einen nach § 103 Abs 1 Z 1 iVm § 4 Abs 2 KFG strafbaren Tatbestand hindeuten würde.
III.2.2. Sache des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und Korrigierbarkeit durch das LVwG:
In seinem Erkenntnis vom 31. Juli 2014, Ro 2014/02/0099, hat der Verwaltungsgerichtshof wie folgt ausgesprochen: „Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war die Berufungsbehörde in Verwaltungsstrafsachen berechtigt, die als erwiesen angenommene Tat – unter Beachtung der durch das Verbot der reformatio in peius (§ 51 Abs 6 VStG, vgl nun § 42 VwGVG) gezogenen Grenzen – einer anderen rechtlichen Subsumtion, etwa der Unterstellung unter eine andere Strafnorm, zu unterziehen (vgl das hg Erkenntnis vom 18. Oktober 2007, Zl 2006/09/0031). Im Hinblick auf die den Verwaltungsgerichten übertragene Pflicht, in Verwaltungsstrafsachen über Beschwerden meritorisch zu entscheiden (Art 130 Abs 4 erster Satz B-VG und § 50 VwGVG), kann für das Beschwerdeverfahren gegen Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden vor den Verwaltungsgerichten nichts anderes gelten.“
In seinem Erkenntnis vom 13. Oktober 2013, 2009/06/0189, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass „´Sache` des Berufungsverfahrens [...] die Angelegenheit [ist], die Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz war; die den Entscheidungsspielraum der Berufungsbehörde begrenzende Sache iSd (gemäß § 24 VStG im Strafverfahren anwendbaren) § 66 Abs. 4 AVG ist also nicht etwa jene, welche in erster Instanz in Verhandlung war, sondern ausschließlich die, die durch den (Spruch des) erstinstanzlichen Bescheid(es) begrenzt ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S 1265 unter E 111f zu § 66 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Gegenstand des Verfahrens vor der belangten Behörde war somit nur die im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides genannte Tat.“
"Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem VwG ist - ungeachtet des durch § 27 VwGVG 2014 vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (VwGH 16. November 2015, Ra 2015/12/0026).
Eine Befugnis des VwG zur Ausdehnung des Gegenstandes des Verfahrens über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG 2014 hinaus, wurde durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012 nicht geschaffen (Hinweis E vom 5. November 2014, Ra 2014/09/0018, mwN zur Rechtslage vor Schaffung der VwG; der VwGH hat darin festgehalten, es sei kein Anhaltspunkt dafür zu erkennen, dass von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH zum Berufungsverfahren in Verwaltungsstrafsachen abzugehen wäre). So würde etwa eine Ausdehnung des Tatzeitraums erst im Beschwerdeverfahren in Verwaltungsstrafsachen vor dem VwG eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs und der Sache des Beschwerdeverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG 2014 darstellen (vgl. VwGH 16. März 2016, Ro 2014/04/0072). Nichts anderes kann im Hinblick auf die Ausdehnung der Tathandlung (Tatbestandselemente) selbst gelten.
Eine Verfolgungshandlung hat sich nach § 32 Abs. 2 VStG auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, ferner auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschriften im Sinn des § 44a Z 2 VStG zu beziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 2014, Zl. 2013/08/0096, mwN). (VwGH 16. Februar 2016, Ra 2016/08/0025)
Zumal die belangte Behörde dem Bf innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist nur vorgeworfen hat, dass ein Reifen am Kotflügel gestreift hat und Kotflügel und Reifen Spuren verschiedener Art aufwiesen und sein Fahrzeug daher nicht dem KFG entsprochen habe, ihm jedoch nicht angelastet hat inwieweit dadurch in Schutzgüter des § 4 Abs. 2 KFG eingegriffen wurde, und es deshalb an der ausreichenden Tatumschreibung fehlt, würde das Verwaltungsgericht durch eine erstmalige diesbezügliche Anlastung (die aufgrund des vorliegenden Aktes ohnehin nicht denkbar ist, weil sich das erforderliche Gefahrenpotential aus dem gesamten Akt nicht ableiten lässt) den Gegenstand des Verfahrens ausdehnen (Erweiterung des Vorwurfs), gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen und seine Zuständigkeit überschreiten.
Eine Korrektur wäre nur dann denkbar, wenn die belangte Behörde im Rahmen des Verfahrens eine dem § 32 Abs. 2 VStG entsprechende, die Verfolgungsverjährung unterbrechende, Verfolgungshandlung gesetzt hätte.
Dies ist nicht geschehen.
III.3. Gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG hat die Behörde (und das Verwaltungsgericht) von einer Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn dem Beschuldigten die zur Last gelegte Tat [...] keine Verwaltungsübertretung bildet. Mangels Anlastung eines strafbaren Verhaltens durch die belangte Behörde war das ggst. Straferkenntnis deshalb aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung zu bringen.
III.4. Bei diesem Ergebnis, waren dem Bf gem § 52 Abs. 9 VwGVG keine Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.
III.5. Ergänzend darf festgehalten werden, dass § 44a Z 1 VStG es nach der Judikatur des VwGH erfordert, dass, wird ein Täter als verantwortliches Organ einer juristischen Person bestraft, im Spruch des Straferkenntnisses die Art der Organfunktion, derzufolge der Täter zur Vertretung nach Außen berufen ist, eindeutig angeführt wird (korrigierbarer Spruchmangel; vgl. VwGH 26. Jänner 2012, 2010/07/0011; 8. September 2011, 2011/03/0130).
Die belangte Behörde hätte die tatsächliche Funktion des Bf (Geschäftsführer, vgl. VwGH 22. März 2012, 2012/07/0018) in den Spruch aufzunehmen gehabt. Die Bezeichnung „als Verantwortliche(r)“ reicht insofern nicht hin.
Nur am Rande darf bemerkt werden, dass die Bezeichnung (Firma) des Unternehmens, dessen Geschäftsführer der Bf ist, lautete, wie im Sachverhalt dargestellt. Die belangte Behörde gibt in ihrem Spruch lediglich die Bezeichnung einer Zweigniederlassung verkürzt wieder.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Verwaltungsgericht hat sich auf die verfügbare Judikatur des VwGH gestützt und ist diese der rechtlichen Beurteilung zu entnehmen.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. P o h l