LVwG-550941/11/SE
Linz, 16.12.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin
Mag.a Ellmer über die Beschwerde von Herrn M W, vertreten durch
DI W W, X, K, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried i. I. vom
2. Juni 2016, GZ: N10-113-2015, betreffend den abgewiesenen Antrag auf Rodung einer Gehölzgruppe
zu Recht e r k a n n t :
I. Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried i. I. vom 2. Juni 2016, GZ: N10-113-2015, aufgehoben.
II. Es wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm §§ 5 Z 14 und 14 Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001 - Oö. NSchG 2001 dem ergänzten Antrag vom 11. November 2015 von Herrn
M W, X, P, durch die als solche gekennzeichnete Projektunterlage „Wiederbepflanzung einer Gehölzgruppe in der Ortschaft X, Marktgemeinde X“ Version 1.2/Dezember 2016, stattgegeben und die naturschutzrechtliche Bewilligung zur Rodung der auf dem Grundstück Nr. X, KG N, Marktgemeinde M, befindlichen ca. 200 m2 großen Gehölzgruppe unter Einhaltung der nachstehenden Auflagen, Bedingungen und Befristungen erteilt:
1. Für die antragsgemäß vorgesehenen Bepflanzungen dürfen ausschließlich standortgerechte heimische Gehölze ohne Esche wie Pfaffenkapperl, Bergahorn, Stieleiche, Schwarzerle, Weide für den Mäanderbereich und für den Heckenbereich strauchförmige Pflanzen wie Schwarzer Holunder, Haselnuss und Schlehdorn verwendet werden.
2. Sofern Eschen bereits nachgepflanzt wurden sind diese durch die unter Punkt 1. angeführten Gehölze aufgrund des Eschentriebsterbens zu ersetzen.
3. Die projektgemäße Umsetzung ist bis zum 30. April 2017 auszuführen.
4. Die Fertigstellung ist der Bezirkshauptmannschaft Ried i. I. unaufgefordert binnen zwei Wochen nach Abschluss aller Maßnahmen unter Vorlage einer aussagekräftigen Fotodokumentation zu melden.
III. Gemäß § 17 VwGVG iVm § 77 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) wird Herr M W, X, P, verpflichtet, nachstehende Verfahrenskosten zu tragen:
Verwaltungsabgabe gemäß §§ 1 bis 3 Oö. Verwaltungs
abgabengesetz 1974 iVm Tarifpost 95 lit. l der
Oö. Landesverwaltungsabgabenverordnung 2011
idF LGBl. Nr. 136/2015
für die Bewilligung gemäß Oö. NSchG 2001 ................. 60,00 Euro
IV. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz - VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. 1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried i. I. (kurz: belangte Behörde) vom 2. Juni 2016, GZ: N10-113-2015, wurde der Antrag vom
11. November 2015 von Herrn M W, X, P, betreffend Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung zur Rodung einer Gehölzgruppe auf Grundstück Nr. X, KG X, Marktgemeinde X, abgewiesen.
Im Wesentlichen wurde begründend ausgeführt, dass ein Verlust der Qualität sowie ein quantitativer Verlust an Randliniendichte gegeben seien. Es könne daraus keine adäquate ökologische Wirkung, die mit dem ursprünglichen Bestand vergleichbar wäre, resultieren. Es würden keine zusätzlichen für diverse Tiere nutzbare ökologische Nischen, Waldrandbereiche oder Habitate entstehen.
I. 2. Gegen diesen Bescheid hat Herr M W, vertreten durch
DI W W, X, K (in der Folge kurz: Beschwerdeführer), mit Schriftsatz vom
1. Juli 2016 Beschwerde erhoben. Der Beschwerdeführer kündigte eine Projektergänzung an und beantragte seinen Antrag zu genehmigen.
Zusammenfassend wurde vorgebracht, dass aufgrund der starken Vernässung des gegenständlichen Grundstücks eine Drainage erforderlich war. Eine Bewirtschaftung sei sonst nicht möglich. Mit der Projektergänzung würde eine Beeinträchtigung des Natur- und Landschaftsschutzes nicht mehr vorliegen.
I. 3. Die von der belangten Behörde übermittelte Beschwerde unter Anschluss des Verfahrensaktes ist am 30. August 2016 beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eingelangt. Die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung ergibt sich aus Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich entscheidet gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin.
I. 4. Am 12. Dezember 2016 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Neben den Verfahrensparteien war auch der Bezirksbeauftragte für Natur- und Landschaftsschutz der belangten Behörde anwesend.
Nach eingehender Erörterung und Diskussion ergänzte der Beschwerdeführer wie schon in seiner Beschwerde angekündigt seinen Antrag insofern, als nunmehr im östlichen Bereich des Grundstückes Nr. X, KG X, im Bereich des bestehenden Mäanders statt 80 m2 insgesamt 400 m2 zusätzlich zu den im Projekt verzeichneten Anpflanzungen im Bereich des ursprünglichen Heckenbereichs mit Gehölzen bepflanzt werden.
Der Bezirksbeauftragte für Natur- und Landschaftsschutz bewertete diese Projektergänzung, mit der eine Fläche von ca. 520 m2 mit standortgerechten Gehölzen bepflanzt wird, unter Vorschreibung der nachstehenden Auflagen, Bedingungen und Befristungen als ausreichend, die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes hinreichend zu schützen:
1. Es dürfen ausschließlich standortgerechte heimische Gehölze ohne Esche wie: Pfaffenkapperl, Bergahorn, Stieleiche, Schwarzerle, Weide für den Mäanderbereich, für den Heckenbereich strauchförmige Pflanzen wie Schwarzer Holunder, Haselnuss, Schlehdorn verwendet werden.
2. Sofern Eschen bereits nachgepflanzt wurden, sind diese durch die 1. angeführten Gehölze aufgrund des Eschentriebsterbens zu ersetzen.
3. Die Anpflanzungen sind vor Verbiss und Verfegung zu schützen und das Aufkommen ist sicher zu stellen. Ausfälle sind in der kommenden Vegetationsperiode im Frühling oder Herbst nach zu pflanzen.
4. Die Fertigstellung der Maßnahme ist bis zum 30. April 2017 zu befristen und der Bezirksverwaltungsbehörde ist umgehend unter Vorlage einer aussagekräftigen Fotodokumentation die Fertigstellung zu melden.
Die Oö. U, die belangte Behörde und der Beschwerdeführer nahmen das Verhandlungsergebnis zustimmend zur Kenntnis.
I. 5. Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2016, eingelangt am 15. Dezember 2016, legte der Beschwerdeführer die Ergänzung bzw. Adaptierung des beantragten Projekts vor.
II. 1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme in die vorgelegten Verfahrensakten und Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12. Dezember 2016.
II. 2. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens gilt folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt als erwiesen:
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des als Grünland gewidmeten Grundstückes Nr. X, KG X, Marktgemeinde X.
Mit Schriftsatz vom 11. November 2015 beantragte der Beschwerdeführer die Rodung eines Teils einer auf dem gegenständlichen Grundstück befindlichen Gehölzgruppe im Ausmaß von ca. 200 m2. Das ist ca. ein Drittel der gesamten Gehölzgruppe bzw. dieses Landschaftselements. Das beantragte Vorhaben ermöglicht eine Drainagierung und bewirkt somit die Verhinderung der Vernässung des gegenständlichen Grundstücks.
Es werden die Lücken der noch bestehenden Gehölzgruppe durch Pflanzung neuer Gehölze im Ausmaß von ca. 60 m2 verdichtet. Ferner wird die bestehende Gehölzgruppe in Richtung Süden im Ausmaß von insgesamt ca. 60 m2 verlängert und verbreitert. Im östlichen Bereich des gegenständlichen Grundstücks wird im Bereich des Mäanders eine Fläche von ca. 400 m2 mit standortgerechten Gehölzen bepflanzt.
Der Wert der gegenständlichen Gehölzgruppe hinsichtlich Naturhaushalt und Grundlagen von Lebensgemeinschaften von Pflanzen-, Pilz- und Tierarten liegt in der Funktion seiner Randlinien, insbesondere für Vögel, diverse Kleinsäuger und verschiedene Insektenarten und dient ebenso als sogenannter „Trittstein“ für diese und zahlreiche andere Arten.
Die auf den drei Teilflächen des verfahrensgegenständlichen Grundstückes beantragten Maßnahmen sind geeignet, den durch die Rodung der Gehölzgruppe vorliegenden Verlust aus ökologischer Sicht auszugleichen.
III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat über die Beschwerde erwogen:
III. 1. Maßgebliche Rechtslage:
Die im konkreten Fall maßgeblichen Bestimmungen des Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 2001 (Oö. NSchG 2001), LGBl. Nr. 129/2001 in der Fassung LGBl. Nr. 92/2014, lauten:
„§ 3
Begriffsbestimmungen
Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet: [...]
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2. | Eingriff in das Landschaftsbild: eine Maßnahme von nicht nur vorübergehender Dauer, die zufolge ihres optischen Eindruckes das Landschaftsbild maßgeblich verändert; [...] |
6. | Grünland: Grundflächen, die im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Gemeinde nicht als Bauland (§ 21 Oö. Raumordnungsgesetz 1994) oder als Verkehrsflächen (§ 29 Oö. Raumordnungsgesetz 1994) gewidmet sind; [...] |
8. | Landschaftsbild: Bild einer Landschaft von jedem möglichen Blickpunkt zu Land, zu Wasser und in der Luft; [...] |
10. | Naturhaushalt: Beziehungs- und Wirkungsgefüge der biotischen und abiotischen Faktoren der Natur; das sind Geologie, Klima, Boden, Oberflächen- und Bodenwasser, Sickerwasser, Grundwasser, Vegetation und dgl.; [...] |
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§ 5
Bewilligungspflichtige Vorhaben im Grünland
Folgende Vorhaben bedürfen im Grünland (§ 3 Z. 6) unbeschadet nach anderen Gesetzen erforderlicher behördlicher Genehmigungen - wenn nicht die §§ 9 oder 10 anzuwenden sind - zu ihrer Ausführung einer Bewilligung der Behörde:
[...]
14. die Rodung von Busch-und Gehölzgruppen, von Heckenzügen, von Auwald, von Schluchtwäldern, Moorwäldern sowie von Schneeheide-Föhrenwäldern und Geißklee-Traubeneichenwäldern; die Rodung von Busch- und Gehölzgruppen sowie von Heckenzügen in einer Entfernung von bis zu 40 m von einem Wohngebäude bedarf keiner Bewilligung;
[...]
§ 14
Bewilligungen
(1) Eine Bewilligung gemäß den §§ 5, 11 oder 12 oder die in einer auf Grund einer dieser Bestimmungen erlassenen Verordnung vorgesehen ist, ist zu erteilen,
1. wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wurde, weder den Naturhaushalt oder die Grundlagen von Lebensgemeinschaften von Pflanzen-, Pilz- und Tierarten in einer Weise schädigt noch den Erholungswert der Landschaft in einer Weise beeinträchtigt noch das Landschaftsbild in einer Weise stört, die dem öffentlichen Interesse am Natur- und Landschaftsschutz zuwiderläuft oder
2. wenn öffentliche oder private Interessen am beantragten Vorhaben das öffentliche Interesse am Natur- und Landschaftsschutz überwiegen.
Ansonsten ist eine Bewilligung zu versagen.
(2) Eine Bewilligung ist unter Bedingungen, befristet oder mit Auflagen zu erteilen, wenn dies erforderlich ist, um Schädigungen, Beeinträchtigungen bzw. Störungen der im Abs. 1 Z 1 erwähnten Art auszuschließen oder auf ein möglichst geringes Ausmaß zu beschränken. In diesem Rahmen kann auch die Vornahme von Rekultivierungsmaßnahmen vorgeschrieben werden.
[...]“
III. 2. Das beantragte Vorhaben ist ein bewilligungspflichtiger Tatbestand gemäß § 5 Z 14 Oö. NSchG 2001, weil die zu rodende Gehölzgruppe sich im Grünland befindet, unter 1.000 m2 groß ist und mehr als 40 m von einem Wohngebäude entfernt ist.
Gemäß § 14 Oö. NSchG 2001 sind die mit der Verwirklichung des Vorhabens verbundenen Auswirkungen auf die naturschutzgesetzlich geschützten Rechtsgüter - im vorliegenden Fall somit die Auswirkungen der Rodung der gegenständlichen Gehölzgruppe auf den Naturhaushalt, die Grundlage von Lebensgemeinschaften von Pflanzen-, Pilz- und Tierarten, den Erholungswert der Landschaft sowie das Landschaftsbild, zu prüfen.
Die beantragte Rodung eines Teils der am gegenständlichen Grundstück befindlichen Gehölzgruppe im Ausmaß von ca. 200 m2 bzw. eines Drittels des gesamten Landschaftselements bewirkt eine Störung des Landschaftsbildes und eine Schädigung des Naturhaushaltes sowie der Grundlagen von Lebensgemeinschaften von Pflanzen-, Pilz- und Tierarten. Das Ausmaß dieser Störung und Schädigung ist jedoch insbesondere aufgrund der projektgemäßen Neupflanzungen von standortgerechten Gehölzen auf drei Teilflächen im insgesamten Ausmaß von ca. 520 m2 nicht so erheblich bzw. so groß, dass es dem öffentlichen Interesse am Natur- und Landschaftsschutz zuwiderläuft.
Die im Spruch festgelegten Auflagen, Bedingungen und Befristungen waren vorzuschreiben, um die Schädigungen, Beeinträchtigungen bzw. Störungen des gegenständlichen Vorhabens möglichst gering zu halten.
IV. Verfahrenskosten (zu Spruchpunkt III.):
Die vom Beschwerdeführer zu tragende Verwaltungsabgabe ergibt sich aus den genannten Gesetzes- bzw. Verordnungsbestimmungen.
V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag.a Ellmer