LVwG-850688/2/Wei/BZ

Linz, 16.12.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Weiß über die Beschwerde des Herrn Dr. K E P, Rechtsanwalt in X, X, gegen den Bescheid des Plenums des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 21. Juni 2016, GZ: VH 14/0880, betreffend Festsetzung der Sondervergütung gemäß § 16 Abs 4 RAO für Leistungen als bestellter Verfahrenshilfeverteidiger im Strafverfahren zu GZ: 14 Hv 41/03w des Landesgerichtes W

zu Recht    e r k a n n t :

I.         Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Beschluss vom 17. April 2014 wurde vom Landesgericht W einem Angeklagten die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers für das Strafver­fahren zu GZ: 14 Hv 41/03w-1 bewilligt.

 

Mit Bescheid des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer wurde der Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) zum Verfahrenshelfer in der Strafsache GZ: 14 Hv 41/03w bestellt.

 

Mit Schriftsatz vom 30. Jänner 2015 beantragte der Bf die Tätigkeit zur Erstellung der Rechtsmittelschrift in Ansehung jeder vollen Woche, um die die Rechtsmittelfrist verlängert wurde, der Teilnahme an zehn Verhandlungsstunden gleichzuhalten und ihm sohin 120 Verhandlungsstunden anzurechnen, ihm als angemessene Vergütung für die bisher erbrachten Leistungen den Betrag von 58.122,72 Euro laut angeschlossener Kostennote zuzusprechen sowie ihm ge­mäß § 16 Abs 4 RAO iVm § 47 Abs 5 letztem Satz einen angemessenen Vor­schuss in der Höhe von 30.000 Euro zu gewähren und den zugesprochenen Betrag sowie den Kostenvorschuss auf ein näher bezeichnetes Konto zur Anwei­sung zu bringen.

 

Der Ausschuss der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer, Abteilung I, hat mit Bescheid vom 11. März 2015, GZ: VH 14/0880, folgenden Beschluss gefasst:

 

„1. Infolge der Verlängerung der Frist zur Ausführung des Rechtsmittels, welche mit gerichtlichem Beschluss vom 21.01.2015 um drei Monate verlängert wurde, wird unter Anwendung des § 16 Abs 4 RAO in Ansehung jeder vollen Woche, um die die Rechtsmittelfrist verlängert wurde, die Teilnahme an zehn Verhandlungsstunden als Leistung im Jahr 2015 angerechnet.

2.    Für die erbrachten Leistungen im Jahr 2014 steht mangels Überschreitung der Leis­tungsgrenzen von mehr als zehn Verhandlungstagen oder insgesamt mehr als 50 Ver­handlungsstunden innerhalb eines Jahres keine Sondervergütung gemäß § 16 Abs 4 RAO zu.

3.    Ein Kostenvorschuss wird derzeit nicht gewährt.“

 

Das gegen diesen Bescheid erhobene Rechtsmittel der Vorstellung hat das Plenum des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer mit Bescheid vom 6. Mai 2015, GZ: VH 14/0880, als unbegründet abgewiesen.

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat mit Erkenntnis vom
8. Juni 2016, GZ: LVwG-850531/6/Wei/BZ, die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

I.2. Mit Schriftsatz vom 30. März 2016 beantragte der Bf zum einen die Tätigkeit zur Erstellung der Rechtsmittelschrift in Ansehung jeder vollen Woche, um die die Rechtsmittelfrist verlängert wurde, der Teilnahme an zehn Verhandlungsstunden gleichzuhalten und ihm sohin 120 Verhandlungsstunden anzurechnen und zum anderen ihm als angemessene Vergütung für die bisher erbrachten Leistungen den Betrag von 95.204,16 Euro laut angeschlossener Kostennote zuzusprechen. Als Beilage übermittelte der Bf das Urteil des Oberlandesgerichtes L, die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes sowie seine eingebrachten Schriftsätze. Weiters enthält der Antrag auch eine aufgeschlüsselte Kostennote.

 

I.3. Mit Bescheid des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwalts­kammer, Abteilung I, vom 18. Mai 2016, GZ: VH 14/0880, wurde folgender Beschluss gefasst:

 

„1. Die Tätigkeit zur Erstellung des am 19.05.2015 überreichten Rechtsmittels wird aufgrund der mit Beschluss des LG W vom 21.01.2015 erfolgten Verlängerung der Frist zur Ausführung des Rechtsmittels um drei Monate unter Anwendung des § 16 Absatz 4 RAO in Ansehung jeder vollen Woche, um die die Rechtsmittelfrist verlängert wurde, der Teilnahme an zehn Verhandlungsstunden, insgesamt sohin an 120 Ver­hand­lungsstunden gleichgehalten.

2.    Die dem Antragsteller für die Verteidigung des G Z im Verfahren 14 Hv 41/03w des LG W beantragte angemessene Sonderpauschalvergütung wird mit € 1.862,64 (darin € 310,44 USt) festgesetzt.

3.    Der darüber hinausgehende Antrag auf Vergütung von weiteren € 93.341,52 wird abgewiesen.

4.    Die Auszahlung des zuerkannten Betrages erfolgt im Umfang von 50 % binnen 14 Tagen nach Rechtskraft des Bescheides, hinsichtlich der restlichen 50 % je nach Einlangen der Sonderpauschalvergütung durch das BMJ.“

 

Begründend wurde neben der Darstellung des Verfahrensganges Folgendes ausgeführt:

 

„[...]

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist als Beginn der in § 16 Abs 4 RAO normierten Jahresfrist aus verfassungsrechtlichen Gründen der erste vom Verfah­renshelfer geleistete Verhandlungstag anzusehen. Die erste vom Antragsteller als Verfah­renshelfer verrichtete Hauptverhandlung fand am 27.05.2014 statt, sodass das Verhand­lungsjahr im Sinne obiger Bestimmung bis einschließlich 26.05.2015 dauerte.

 

In diesem Zeitraum verrichtete der Antragsteller für den Angeklagten G Z laut Bestätigung des LG W insgesamt 43 Verhandlungsstunden.

Mit Beschluss des LG W vom 21.01.2015 wurde die Rechtsmittelfrist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde um drei Monate verlängert. Die Nichtigkeitsbeschwerde samt Berufung wurde vom Antragsteller am 19.05.2015 tatsächlich auch ausgeführt, sodass dem Antrag des Verfahrenshelfers entsprechend die Erstellung der Rechtsmittelschrift der Teilnahme an insgesamt 120 Verhandlungsstunden gleichzuhalten war und daher
120 Verhandlungsstunden anzurechnen waren.

 

Diese Fiktion ist jedoch lediglich bei der Ermittlung der Sondervergütungsgrenze, anwendbar. Bei der Festsetzung der Höhe der Entlohnung des Rechtsanwaltes kommt sie dagegen nicht zum Tragen (Feil/Wennig, Anwaltsrecht8, 194), weshalb die vom Antrag­steller verzeichneten 240/2 Verhandlungsstunden, welche als Zuschlag nach § 4 AHK bezeichnet wurden, nicht zugesprochen werden konnten. Der besonderen Schwierigkeit des Rechtsmittels, die aufgrund der Verlängerung der Rechtsmittelfrist angenommen werden kann, wurde dergestalt Rechnung getragen, dass dem Antragsteller im Sinne des § 4 AHK ein Zuschlag von 50 % für den zu vergütenden Teil des von ihm ausgeführten Rechtsmittels gewährt wurde.

 

Weiters ist zu beachten, dass bei der Ermittlung des Schwellenwertes von einem chronologischen Ablauf der erbrachten Leistungen auszugehen ist. Ein Vergütungs­anspruch besteht daher nur für jene Leistungen, welche nach Überschreiten des Schwel­lenwertes erbracht wurden. Leistungen, für welche zum Zeitpunkt ihrer Erbringung (mangels Überschreitung der Vergütungsschwelle) kein Vergütungsanspruch bestand, werden auch nicht durch das spätere Erreichen der Vergütungsschwelle honorierbar. Aus dieser Konzeption folgt auch, dass in den Fällen, in denen der Schwellenwert erst durch die tatsächliche Ausführung des Rechtsmittels, dessen Frist verlängert wurde, über­schritten wird, nur eine Honorierung jener Leistungen in Betracht kommt, die zeitlich nach der Ausführung des Rechtsmittels und der damit verbundenen Überschreitung des Schwellenwerts liegen.

 

Im vorliegenden Fall wurde der Schwellenwert erst durch die tatsächliche Ausführung des Rechtsmittels am 19.05.2015, für welches die Frist zur Ausführung mit Beschluss vom 21.01.2015 verlängert wurde, überschritten, sodass neben dem Rechtsmittel selbst nur jene Leistungen innerhalb der oben ermittelten Jahresfrist, welche nach Ausführung des Rechtsmittels erbracht wurden, vergütungsfähig sind. Aus diesem Grund konnte für die vor Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde erfolgte Gegenausführung zur Berufung der StA keine Vergütung zugesprochen werden.

 

Für das Rechtsmittel, dessen Frist verlängert wurde, ist in diesem Fall jener Teil zu honorieren, welcher nicht für das Erreichen des Schwellenwertes verbraucht wurde. Dies bedeutet im vorliegenden Fall eine Honorierung des Rechtsmittels im Ausmaß von 113/120, zumal von den 120 anzurechnenden Verhandlungsstunden sieben für das Erreichen der Vergütungsgrenze erforderlich waren, sodass eine Honorierung des Rechts­mittels nur im Ausmaß des verbleibenden Prozentsatzes zu erfolgen hat.

 

Für die in der Honorarnote verzeichnete Äußerung vom 31.08.2015 sowie die Berufungs­verhandlung vom 30.11.2015 gebührt ebenfalls keine Sonderpauschalvergütung, zumal diese außerhalb der Jahresfrist erbracht wurden.

 

Der Ersatz der Barauslagen (ERV-Kosten) ist bei Gericht zu beantragen.

 

Für die nach Erreichen der Vergütungsgrenze erbrachten Leistungen innerhalb der Jahres­frist, somit im Zeitraum vom 19.05.2015 bis zum 26.05.2015 erscheint somit vom 17.11.2015 bis einschließlich 22.12.2015, ist somit folgender Betrag als angemessen im Sinne des § 16 Abs 4 RAO:

 

 

 

 

 

Datum Art Dauer Betrag

 

19.05.2015 Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde € 976,80

50% ES € 488,40

€ 1.465,20

hiervon 113/120 € 1.379,73

Zuschlag § 4 AHK 50 % € 689,87

€ 2.069,60

abzüglich 25 % € 517,40

angemessenes Honorar € 1.552,20

zuzüglich 20 % USt € 310,44

gesamt € 1.862,64

 

Ein Abzug von 25 % vom tarifmäßigen Honorar wird nach ständiger Rechtsprechung bei der Festsetzung der Vergütung als angemessen betrachtet.

 

Der Antrag auf Zuerkennung der Sonderpauschalvergütung nach § 16 Abs 4 RAO wurde fristgerecht gestellt.“

 

I.4. Gegen diesen Bescheid erhob der Bf mit Schriftsatz vom 13. Juni 2016 das Rechtsmittel der Vorstellung und beantragte die ersatzlose Aufhebung des ange­fochtenen Bescheides und die gänzliche und vollinhaltliche Stattgabe seines Antrages.

 

Die Vorstellung wird wie folgt begründet:

 

„Die bescheiderlassende Behörde geht davon aus, dass die Fiktion der Anrechnung von (gegenständlichenfalls 120) Verhandlungsstunden lediglich auf die Ermittlung der Sonder­vergütungsgrenze anzuwenden wäre, nicht jedoch auf die Festsetzung der Höhe der Entlohnung.

 

Diese Auslegung ist weder aus dem Gesetzeswortlaut noch nach sonstigen Auslegungs­regeln vertretbar.

 

Die Bezugnahme auf die Zurechenbarkeit von anrechenbaren Verhandlungsstunden würde jeglicher praktischer Bedeutung entkleidet, da es diesfalls die Dauer der Verlän­gerung – soferne die Anrechenbarkeit von 50 Stunden – erreicht wird, völlig irrelevant wäre.

 

Dies würde nicht nur der Logik der Fiktion widersprechen, sondern auch grob gleich­heitswidrig sein.

 

Überdies kann der Ansicht nicht gefolgt werden, dass die Einjahresbemessung unge­achtet von der später eintretenden Anrechnungsfiktion unabhängig sein solle.

 

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre meinen Anträgen gänzlich und vollinhaltlich Folge zu geben gewesen.“

 

I.5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Plenums des Ausschusses der Ober­österreichischen Rechtsanwaltskammer (im Folgenden: belangte Behörde) vom 21. Juni 2016, GZ: VH 14/0880, wurde die Vorstellung des Bf gegen den Bescheid der Abteilung I der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer als unbegründet abgewiesen.

 

Nach Darstellung des unstrittigen Sachverhaltes und Gang des Verfahrens, führt die belangte Behörde zur rechtlichen Begründung ihrer Entscheidung wie folgt aus:

 

„In der gegenständlichen Rechtssache wurde laut den vorgelegten Protokollen und Bestä­tigungen an insgesamt 9 Verhandlungstagen verhandelt und dabei insgesamt 43 Ver­handlungsstunden geleistet, wobei die erste Verhandlung am 27.04.2014 stattfand. Die dabei erbrachten Verhandlungsstunden als solche gehen daher nicht über den für einen Anspruch auf eine Sonderpauschalvergütung erforder­lichen Schwellenwert von 50 Ver­hand­lungsstunden hinaus.

Mit Beschluss des LG W vom 21.01.2015 wurde die Frist zur Ausführung des Rechts­mittels gemäß § 285 Abs 2 StPO um drei Monate verlängert. Diese Verlängerung der Rechtsmittelfrist bedeutet im Hinblick auf die Verfahrenshilfe, dass dem besonderen Auf­wand, der im konkreten Fall mit der Erstellung der Rechtsmittelschrift verbunden ist, dahingehend Rechnung getragen wird, dass auf Antrag des betroffenen Rechtsanwalts für die Ermittlung der Sondervergütungsgrenze jede volle Woche, um die die Rechtsmittel­frist verlängert wurde, der Teilnahme an zehn Verhandlungsstunden gleichzuhalten ist. Entgegen der Ansicht des Vorstellungswerbers ist diese Fiktion aber lediglich bei der Ermittlung der Sondervergütungsgrenze anwend­bar, bei der Festsetzung der Höhe der Entlohnung kommt sie dagegen nicht zum Tragen.

Wenn der Vorstellungswerber vermeint, dass diese Auslegung weder aus dem Wortlaut noch nach sonstigen Auslegungsregeln vertretbar sei, übersieht er, dass aus den Erläu­terungen der Regierungsvorlage (vgl 303 BlgNr XXIII GP, 3f) zum BRÄG 2008 eben genau dies wortwörtlich hervorgeht. Die Heranziehung der Materialien stellt eine aner­kannte Auslegungsregel für unklare Gesetzesbestimmungen dar.

 

Unklar ist, was der Vorstellungswerber meint, wenn er ausführt, dass der Auffassung nicht gefolgt werden könne, wonach die Einjahresbemessung ungeachtet von der später eintretenden Anrechnungsfiktion unabhängig sein soll.

Fest steht jedoch, dass die durch das Rechtsanwalts-Berufsrechts-Änderungsgesetz 1999, BGBl I Nr. 71/1999 eingefügte Jahresfrist mit dem ersten vom Verfahrenshelfer geleiteten Verhandlungstag ausgelöst wird und auch im Zusammenhang mit der Erstat­tung von Rechtsmitteln maßgeblich ist. Das bedeutet, dass im Fall der tatsächlichen Ausführung des Rechtsmittels innerhalb dieser Frist dieses bei Überschreitung der Sondervergütungsgrenze zu honorieren ist. Diese Frist bleibt auch in den Fällen unberührt, in denen es im Strafverfahren zu einer Verlängerung der Rechtsmittelfrist kommt. Dies ergibt sich auch aus dem VwGH-Erkenntnis vom 18.05.2010,
Zl. 2009/06/0263-5, wo auf Seite 11 klargestellt wird, dass die Anrechnungsregel in § 16 Abs 4 zweiter Satz RAO „ist .... gleichzuhalten“ ausschließlich eine Berücksichtigung bei der Zahl der Verhandlungstage bzw –stunden bedeutet.

Die Anrechnung der Verhandlungsstunden bedeutet auch nicht, dass diese (teilweise) auf das neue Verhandlungsjahr anzurechnen wären. Maßgeblich dafür, in welchem Verhand­lungsjahr die Anrechnung der Verhandlungsstunden zu erfolgen hat, ist ausschließlich der Zeitpunkt der Ausführung des Rechtsmittels. Nachdem diese im ersten Verhandlungsjahr erfolgte, sind die aufgrund der Verlängerung der Rechtsmittelfrist anzurechnenden Verhandlungsstunden auf dieses Jahr anzurechnen. Die Äußerung vom 31.08.2015 sowie die Berufungsverhandlung vom 30.11.2015 wurden erst nach Ablauf der Einjahresfrist erbracht, sodass eine Honorierung dieser Leistungen am Fehlen der (neuerlichen) Über­schreitung der Sondervergütungsgrenze scheitert.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

 

I.6. Gegen diesen Bescheid des Ausschussplenums, der am 27. Juni 2016 zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom
25. Juli 2016, mit der beantragt wird, den abweislichen Teil des angefochtenen Bescheids aufzuheben und dem Antrag gänzlich und vollinhaltlich Folge zu geben, in eventu eine angemessene Sonderpauschalvergütung festzusetzen.

 

Die Beschwerde wird wie folgt begründet:

 

„Die bescheiderlassende Behörde geht davon aus, dass die Fiktion der Anrechnung von (gegenständlichenfalls 120) Verhandlungsstunden lediglich auf die Ermittlung der Sonder­vergütungsgrenze anzuwenden wäre, nicht jedoch auf die Festsetzung der Höhe der Entlohnung.

 

Die Bezugnahme auf die Zurechenbarkeit von anrechenbaren Verhandlungsstunden würde jeglicher praktischer Bedeutung entkleidet, da es diesfalls die Dauer der Verlängerung – soferne die Anrechenbarkeit von 50 Stunden – erreicht wird, völlig irrelevant wäre.

 

Dies würde nicht nur der Logik der Fiktion widersprechen, sondern auch grob gleich­heitswidrig sein.

 

Wenn die bescheiderlassende Behörde davon ausgeht, dass die Fiktion lediglich bei der Ermittlung der Sondervergütungsgrenze anwendbar wäre, nicht jedoch bei der Fest­setzung der Höhe der Entlohnung des Rechtsanwaltes, was offensichtlich aus den parla­mentarischen Materialien abgeleitet wird, übersieht sie dabei, dass dabei ausdrücklich auf einen angemessenen Zuschlag nach § 4 AHK Bedacht genommen wird.

 

Nachdem der Gesetzgeber ausdrücklich festgelegt, dass die Tätigkeit zur Erstellung der Rechtsmittelfrist in Ansehung jeder vollen Woche, um die die Rechtsmittelfrist verlängert wurde, der Teilnahme an 10 Verhandlungsstunden gleichzuhalten wäre, kann dies nur so verstanden werden, dass der Zuschlag nach den fiktiv anrechenbaren Verhandlungs­stunden zu bemessen ist.

 

Der gewährte Zuschlag nach § 4 AHK mit 50 % stellt sich jedenfalls als unangemessen dar.

 

Weiters werden die aus § 16 (3) RAO abgeleiteten Anrechnungsregeln dahingehend interpretiert, dass für das Rechtsmittel, dessen Frist verlängert wurde, nur jener Teil zu honorieren wäre, welcher nicht für das Erreichen des Schwellenwertes verbraucht worden wäre.

 

Auch diese Interpretation kann aus dem Gesetz keinesfalls abgeleitet werden.

 

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre meinen Anträgen gänzlich und vollinhaltlich Folge zu geben gewesen.“

 

 

II.1.  Mit Schreiben vom 14. September 2016, eingelangt am
21. September 2016, hat die belangte Behörde diese Beschwerde gemeinsam mit dem Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat gemäß § 2 VwGVG durch einen Einzelrichter zu entscheiden.

 

II.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat nach Einsichtnahme in die Beschwerde und den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sach­verhalt unstrittig ist. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Ver­handlung konnte schon gemäß § 24 Abs 4 VwGVG ungeachtet eines Parteien­antrages abgesehen werden, da die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und dem auch nicht Art 6 EMRK bzw Art 47 GRC (kein civil right) entgegensteht. Im Übrigen hat die belangte Behörde im Vorlageschreiben ausdrücklich auf eine mündliche Verhandlung verzichtet und auch der rechtskundige Bf hat keine mündliche Verhandlung in der Beschwerde beantragt.

 

II.3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem  S a c h v e r h a l t  aus:

 

Mit Bescheid des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer wurde der Bf in der vom Landesgericht W geführten Strafsache zu
GZ: 14 Hv 41/03w zum Verfahrenshilfeverteidiger eines Beschuldigten bestellt.

 

In dieser Strafsache hat der Bf im Jahr 2014 an insgesamt neun Verhandlungs­tagen teilgenommen und war dabei insgesamt 43 Verhandlungsstunden tätig (vgl Aufstellung in der vorgelegten Honorarnote Nr. 15/7 sowie vorgelegte Verhand­lungsprotokolle im Verfahren zu LVwG-850531). Diese Leistungen, welche das Stattfinden und die Dauer der Hauptverhandlung betreffen, wurden auch mit Schriftsatz des Landesgerichtes W vom 19. Februar 2015 bestätigt.

Der erste Verhandlungstag in der Rechtssache 14 Hv 41/03w fand am
27. Mai 2014 statt (vgl Antrag des Bf vom 30.1.2015 im Verfahren zu
LVwG-850531).

 

Mit Beschluss des Landesgerichtes W vom 21. Jänner 2015 wurde in der Strafsache GZ: 14 Hv 41/03w die Rechtsmittelfrist zur Ausführung der Nichtig­keitsbeschwerde für sämtliche Antragsteller gemäß § 285 Abs 2 StPO um 3 Monate verlängert.

 

Der Bf hat in der Strafsache GZ: 14 Hv 41/03w sodann am 19. Mai 2015 das Rechtsmittel (Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde) ausgeführt.

Weiters hat der Bf am 10. März 2015 eine Gegenausführung zur Berufung der Staatsanwaltschaft sowie eine schriftliche Äußerung, datiert mit 31. August 2015, ausgeführt und fand am 30. November 2015 eine Berufungsverhandlung statt.

 

Mit Antrag vom 30. März 2016 verlangte der Bf im Hinblick auf die gerichtliche Verlängerung der Rechtsmittelfrist, die Erstellung der Rechtsmittelschrift mit 120 Verhandlungsstunden anzurechnen und für die von ihm erbrachten und auf­gelisteten Leistungen im Rechtsmittelverfahren eine Sondervergütung in Höhe von 95.204,16 Euro zuzusprechen.

 

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich schlüssig und widerspruchsfrei aus der Aktenlage.

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat rechtlich erwogen:

 

III.1. Gemäß § 16 Abs 3 Rechtsanwaltsordnung - RAO (StF RGBl Nr. 96/1868 idF StGBl Nr. 95/1919, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 50/2016) haben für die Leis­tungen, für die die nach den §§ 45 oder 45a bestellten Rechtsanwälte zufolge verfahrensrechtlicher Vorschriften sonst keinen Entlohnungsanspruch hätten, die in der Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechts­anwälte an diese Rechtsanwaltskammer einen Anspruch darauf, dass sie jedem von ihnen aus dem ihr zugewiesenen Betrag der Pauschalvergütung einen glei­chen Anteil auf seinen Beitrag zur Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebe­nenversorgung anrechnet, soweit nicht ein Anspruch auf Vergütung nach Abs 4 besteht.

 

Gemäß § 16 Abs 4 RAO idFd BRÄG 2013, BGBl I Nr. 159/2013, hat in Verfahren, in denen der nach den §§ 45 oder 45a RAO bestellte Rechtsanwalt innerhalb eines Jahres mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als
50 Verhandlungsstunden tätig wird, er unter den Voraussetzungen des Abs 3 für alle jährlich darüber hinausgehenden Leistungen an die Rechtanwaltskammer Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Auf Antrag des Rechtsanwaltes ist bei Verfahren, in denen das Gericht unter Heranziehung von § 285 Abs 2 StPO eine Verlängerung der Frist zur Ausführung des Rechtsmittels beschließt, die Tätigkeit zur Erstellung der Rechtsmittelschrift in Ansehung jeder vollen Woche, um die die Rechtsmittelfrist verlängert wurde, der Teilnahme an zehn Verhand­lungsstunden gleichzuhalten. Der Antrag auf Vergütung ist vom Rechtsanwalt bei sonstigem Ausschluss bis spätestens zum 31. März des auf das abgelaufene Kalenderjahr, in dem der Rechtsanwalt seine Leistungen erbracht hat, folgenden Jahres bei der Rechtsanwaltskammer einzubringen. Auf diese Vergütung ist dem Rechtsanwalt auf sein Verlangen nach Maßgabe von Vorschusszahlungen nach § 47 Abs 5 letzter Satz von der Rechtsanwaltskammer ein angemessener Vorschuss zu gewähren. Über die Höhe der Vergütung sowie über die Gewährung des Vorschusses und über dessen Höhe entscheidet der Ausschuss. Im Rahmen der Festsetzung der angemessenen Vergütung sind die vom Rechtsanwalt in seinem Antrag verzeichneten Leistungen entsprechend der zeitlichen Abfolge ihrer Erbringung zu berücksichtigen und zu beurteilen. Ist die Vergütung, die der Rechtsanwalt erhält, geringer als der ihm gewährte Vorschuss, so hat der Rechtsanwalt den betreffenden Betrag dem Ausschuss der Rechtsanwaltskammer zurückzuerstatten.

 

Nach § 4 Allgemeine Honorar-Kriterien (AHK), zuletzt kundgemacht auf der Homepage des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages am 28. Mai 2015, setzen die Honoraransätze Leistungen eines Rechtsanwalts voraus. Bei der Beurteilung der Angemessenheit des Honorars ist zu berücksichtigen, ob diese Leistungen nach Art oder Umfang den Durschnitt erheblich übersteigen oder unterschreiten.

 

III.2. Die Erläuterungen der Regierungsvorlage zu dem mit dem BRÄG 2013 (BGBl I. Nr. 159/2013) zuletzt geänderten § 16 Abs 4 RAO lauten wie folgt (vgl 2378 BlgNr 24. GP, 3f):

 

„Nach § 16 Abs. 4 RAO haben die im Rahmen der Verfahrenshilfe bestellten Rechts­anwälte in Verfahren, in denen sie innerhalb eines Jahres mehr als zehn Verhand­lungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig geworden sind, für alle jährlich darüber hinausgehenden Leistungen einen Anspruch auf angemessene Vergütung gegenüber der Rechtsanwaltskammer. Übersteigen die im konkreten Verfahren pro Jahr erbrachten Verfahrenshilfeleistungen diesen Umfang nicht, so besteht kein solcher Anspruch (wobei diese Verfahrenshilfeleistungen im Rahmen der sogenannten ‚allge­meinen Pauschalvergütung‘ nach § 47 Abs. 1 RAO abgegolten werden). Was die Ermitt­lung der ‚Sondervergütungsgrenze‘ von zehn Verhandlungstagen oder 50 Verhandlungs­stunden angeht, so hat das Berufsrechts-Änderungsgesetz 2008 § 16 Abs. 4 RAO um eine zusätzliche Regelung für solche Verfahren ergänzt, in denen das Gericht gemäß
§ 285 Abs. 2 StPO eine Verlängerung der Frist zur Ausführung des Rechtsmittels verfügt. Um dem (durch die gerichtliche Verlängerung der Ausführungsfrist objektivierten) beson­deren Aufwand, der mit der Erstellung eines solchen Rechtsmittels verbunden ist, Rech­nung zu tragen, ist auf Antrag des betreffenden Rechtsanwalts im Rahmen der Ermittlung der ‚Sonderpauschalvergütung‘ nach § 16 Abs. 4 RAO die Tätigkeit zur Erstellung der Rechtsmittelschrift für jede volle Woche, um die die Rechtsmittelfrist verlängert wurde, der Teilnahme an zehn Verhandlungsstunden gleichzuhalten.

 

Diese Fiktion ist aber lediglich bei der Ermittlung der ‚Sondervergütungsgrenze‘ von zehn Verhandlungstagen oder 50 Verhandlungsstunden anwendbar. Bei der Festsetzung der Höhe der Entlohnung des Rechtsanwalts für das Rechtsmittel kommt sie dagegen nicht zum Tragen (VwGH 18.5.2010, Zl. 2009/06/0263); freilich wird nichts dagegen sprechen, dem besonderen Aufwand eines solchen Rechtsmittels, der aufgrund der gerichtlichen Verlängerung der Rechtsmittelfrist ja angenommen werden kann, auf geeignete Weise (etwa durch einen angemessenen Zuschlag nach § 4 AHK) Rechnung zu tragen. Jeden­falls bedeutet die genannte Fiktion auch keine Abkehr von dem dem § 16 Abs 4 RAO immanenten Grundsatz, dass bei der Ermittlung der Grenze von zehn Verhandlungstagen oder 50 Verhandlungsstunden die erbrachten rechtsanwaltlichen Leistungen nach dem zeitlichen Ablauf ihrer Erbringung chronologisch heranzuziehen und zu beurteilen sind (ein Umstand, auf den in der Entscheidung des VwGH vom 18.5.2010, Zl. 2009/06/0263, nicht hinreichend Bedacht genommen wird).

Fallen daher zu Beginn der Einjahresfrist des § 16 Abs. 4 erster Satz RAO Ver­hand­lungsleistungen an, die in ihrem Umfang unter der ‚Sondervergütungsgrenze‘ bleiben, so kann nicht die spätere, aber ebenfalls noch innerhalb der Jahresfrist erfolgende Ausfüh­rung eines Rechtsmittels, für das das Gericht eine Verlängerung der Ausführungsfrist beschlossen hat, dazu führen, dass für die früheren, bereits als ‚sondervergütungsfrei‘ feststehenden Verhandlungsleistungen nachträglich doch ein Anspruch auf Sonderver­gütung entsteht. Eine solche Auslegung des § 16 Abs. 4 RAO hätte in der genannten Konstellation zur Folge, dass letztlich überhaupt keine Leistungen innerhalb der Einjahres­frist mehr verblieben, die vom Verfahrenshelfer ohne Anspruch auf gesonderte Vergütung zu erbringen wären. Dies stünde sowohl im klaren Widerspruch § 16 Abs. 4 erster Satz RAO als auch überhaupt zum Gesamtkonzept der Abgeltung der Verfahrens­hilfeleistungen der Rechtsanwälte, weil insoweit im Ergebnis ein und dieselbe Leistung sowohl im Rahmen der ‚allgemeinen‘ Pauschalvergütung als auch der ‚Sonderpauschal­vergütung‘ Berücksichtigung fände. Aus diesem Grund soll in § 16 Abs. 4 RAO eine entsprechende ausdrückliche Klarstellung zum Erfordernis einer chronologischen Betrach­tung und Beurteilung der erbrachten Verfahrenshilfeleistungen sowohl bei der Ermittlung der ‚Sondervergütungsgrenze‘ als auch bei der Entscheidung, welche konkreten Leistun­gen nun in welcher Höhe abzugelten sind, aufgenommen werden.“

 

III.3. Wie bereits in der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 8. Juni 2016, GZ: LVwG-850531/6/Wei/BZ, ausgeführt worden ist, kann der Ansicht des Bf, dass die Fiktion der Anrechnung von Verhandlungsstunden auch bei der Festsetzung der Höhe der Entlohnung des Rechtsanwaltes anwendbar wäre, nicht gefolgt werden. Nach den oben zitierten Erläuterungen der Regierungsvorlage zum BRÄG 2013 (vgl 2378 BlgNR 24. GP, 3) ist die Fiktion aus der Anrechnungsregel des § 16 Abs 4 Satz 2 RAO (Umrech­nung der Fristverlängerung auf Verhandlungsstunden) im Fall der gerichtlichen Verlängerung der Ausführungsfrist für das Rechtsmittel gemäß dem § 285 Abs 2 StPO lediglich bei der Ermittlung der Sondervergütungsgrenze bzw des Schwel­lenwertes von zehn Verhandlungstagen oder 50 Verhandlungsstunden anwend­bar. Bei der Festsetzung der Höhe der Entlohnung des Rechtsanwaltes für das Rechtsmittel kommt sie nicht zum Tragen (vgl idS schon RV BRÄG 2008, 303 BlgNR 23. GP, 23).

 

Die belangte Behörde hat entgegen der Rechtsansicht des Bf zutreffend nur jenen Teil des Rechtsmittels, welcher nicht für das Erreichen des Schwellen­wertes verbraucht wurde (konkret 113 Verhandlungsstunden), berücksichtigt und ihrer Beurteilung zugrunde gelegt. Denn in Zusammenschau mit den oben zitierten Erläuterungen der Regierungsvorlage zum BRÄG 2013 hat der Gesetz­geber zum Ausdruck gebracht, dass nur die den Schwellenwert übersteigenden jährlichen Leistungen für einen Anspruch auf Sondervergütung überhaupt in Betracht kommen und dass durch die spätere, noch innerhalb der Jahresfrist erfolgende Ausführung eines gemäß § 285 Abs 2 StPO fristverlängerten Rechts­mittels nicht nachträglich für frühere sondervergütungsfreie Verhandlungsleis­tungen ein Vergütungsanspruch entstehen könne. Für vergütungsfreie Leistun­gen bis zur Sondervergütungsgrenze bzw zu dem Schwellenwert soll demnach nicht nachträglich und rückwirkend ein Anspruch auf Sondervergütung entstehen können (vgl 2378 BlgNR 24. GP, 4). Die chronologische Betrachtung und Beur­teilung der erbrachten Leistungen des Verfahrenshelfers wird nunmehr im § 16 Abs 4 Satz 6 RAO ausdrücklich klargestellt. Bei Festsetzung der angemessenen Vergütung sind die im Antrag verzeichneten Leistungen entsprechend der zeit­lichen Abfolge ihrer Erbringung zu berücksichtigen und zu beurteilen. Nach diesen Grundsätzen war auch die noch vor Erreichung des Schwellenwertes erfolgte Gegenausführung zur Berufung der Staatsanwaltschaft vom
10. März 2015 nicht zu berücksichtigen.

 

Für das Entstehen eines Anspruchs auf Sondervergütung nach § 16 Abs 4 RAO stellt das Gesetz grundsätzlich auf Verfahren ab, in denen überdurchschnittliche (den Schwellenwert übersteigende) Verhandlungsleistungen innerhalb eines Jahres erbracht werden. Die der Beurteilung von erbrachten Leistungen zugrunde liegende Jahresfrist kann demnach nur mit dem ersten vom Verfahrenshelfer geleisteten Verhandlungstag beginnen. Verfahrensgegenständlich war der erste Verhandlungstag der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht W der
27. Mai 2014, weshalb die Jahresfrist mit Ablauf des 26. Mai 2015 endete. Der belangten Behörde ist auch darin zuzustimmen, dass die Äußerung des Bf vom 31. August 2015 und die Berufungsverhandlung vom 30. November 2015 außer­halb der Jahresfrist des ersten Verhandlungsjahres liegen, weshalb diese Leistun­gen bei der Beurteilung des verfahrensgegenständlichen Anspruchs auf Sonder­vergütung nicht berücksichtigt werden konnten. Sie wurden nämlich im zweiten Verhandlungsjahr erbracht, in dem eine gesonderte Beurteilung der Leistungen zu erfolgen hat und neuerlich die Sondervergütungsgrenze überschritten werden müsste.

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass aus dem Gesetzeswortlaut des § 16
Abs 4 RAO idFd BRÄG 2013 iVm den zitierten Materialien eine zweifache Einschränkung im Rahmen einer Betrachtung in Jahresintervallen abzuleiten ist: Es besteht ein Anspruch auf angemessene Vergütung des gemäß §§ 45 oder 45a RAO bestellten Rechtsanwalts nur in solchen überlangen Verfahren, in denen innerhalb eines Jahres eine Schwellenwertüberschreitung (mehr als 10 Verhand­lungs­tage oder 50 Verhandlungsstunden) eingetreten ist und dann auch nur im Umfang der darüber hinausgehenden Leistungen im entsprechenden Verhand­lungs­jahr (arg. „jährlich“) nach dem zeitlichen Ablauf ihrer Erbringung. Es sind nämlich nach dem Willen des Gesetzgebers in jedem Jahr eines überdurch­schnittlich langen Verfahrens zehn Verhandlungstage oder 50 Verhandlungs­stunden ohne Sondervergütung vom Verfahrenshilfeverteidiger zu leisten (vgl bereits Erl der RV BGBl I Nr. 71/1999, 1638 BlgNR 20. GP, 16).

 

Davon ausgehend hat die belangte Behörde zutreffend zum einen bei der Anrechnung von Verhandlungsstunden nach der Regel des § 16 Abs 4 Satz 2 RAO auf den Zeitpunkt der Ausführung des Rechtsmittels im ersten Verhand­lungsjahr abgestellt und zum anderen für das nächste Verhandlungsjahr das neuerliche Überschreiten der Sondervergütungsgrenze verlangt. Nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers kann auch ein durch die Fiktion des § 16 Abs 4 Satz 2 RAO erzielter Überhang in einem Verhandlungsjahr nicht „mitge­nommen“ werden und zu einer Anrechnung auf den Schwellenwert im nächsten Verhandlungsjahr führen.

 

III.4. Hinsichtlich der von der belangten Behörde festgesetzten Höhe der Vergütung rügt der Bf, dass sich der gewährte Zuschlag nach § 4 AHK mit 50 % jedenfalls als unangemessen darstelle. In diesem Zusammenhang vertritt der Bf den Standpunkt, dass der Zuschlag nach den fiktiv anrechenbaren Verhandlungs­stunden aus der Anrechnungsregel des § 16 Abs 4 Satz 2 RAO zu bemessen sei. Dieser Ansicht kann unter Verweis auf die Ausführungen im Punkt III.3. nicht gefolgt werden. Sie widerspricht dem sich eindeutig aus den Materialien erge­benden Grundsatz, dass bei der Festsetzung der Höhe der Entlohnung des Rechtsanwaltes für das Rechtsmittel die fiktive Anrechnungsregel nicht heran­zuziehen ist.

 

Auf Grund der Verlängerung der Rechtsmittelfrist gemäß § 285 Abs 2 StPO und deren fiktiver Anrechnung ist gegenständlich trotz der tatsächlich unter dem Schwellenwert gebliebenen Verhandlungsstunden ein überdurchschnittliches Ver­fah­ren anzunehmen, in dem die Ausführung des Rechtsmittels einen besonderen Aufwand bedeutet hat. Dennoch kann jedoch der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie einen Zuschlag in der Höhe von 50 % für die Leistungen des Bf als Verfahrenshilfeverteidiger der Art und dem Umfang nach, insbesondere auch auf Grund der Schwierigkeit des Rechtsmittels, als angemessen erachtet hat. Der Bf hat kein fundiertes Argument dagegen vorgebracht, sondern nur behauptet, dass der gewährte Zuschlag „jedenfalls“ unangemessen sei. Der erkennende Richter kann dem auch deshalb nicht beipflichten, weil die Forderung des Bf, die Bemessung des Zuschlags nach den fiktiv anzurechnenden Verhandlungsstunden vorzunehmen, aus den bereits genann­ten Gründen verfehlt ist.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist es nicht rechtswidrig, wenn zum einen die AHR bzw nunmehr die AHK als Richtlinien für die Bemessung der Sondervergütung herangezogen werden und zum anderen in „Annäherung“ an die nach den Standesrichtlinien als angemessen anzusehende Entlohnung (vgl dazu § 47 Abs 3 Z 3 RAO zur Festsetzung der Pauschalvergütung mit V) und in Verweisung auf die allgemeine Übung von diesen Ansätzen ausgehend ein bestimmter Abschlag vorgenommen wird, der mit 25 % als angemessen betrachtet wurde (vgl ua. VwGH 04.11.2002, Zl. 2000/10/0050; VwGH 26.05.2008, Zl. 2006/06/0264; VwGH 17.12.2009, Zl. 2009/06/0144). Deshalb war auch der in dieser Höhe vorgenommene Abschlag bei Bemessung der Vergütung durch die belangte Behörde nicht zu beanstanden.

 

Im Ergebnis war die Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Wenn - wie im vorliegenden Fall seit dem BRÄG 2013 - die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen eindeutig ist, liegt selbst dann keine Rechts­frage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn dazu noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ergangen ist (vgl zB VwGH 19.05.2015, Zl. Ra 2015/05/0030).

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsge­richtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwal­tungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsan­walt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

 

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr.  W e i ß

Beachte:

Die Behandlung der Beschwerde wurde abgelehnt.

VfGH vom 27. Februar 2018, Zl.: E 370/2017-6