LVwG-800225/2/Kof/AK
Linz, 29.11.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Josef Kofler über die Beschwerde des Herrn B K, X, X, P, vertreten durch X, X, X, P gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom
3. Oktober 2016, VerkGe96-109-2016, wegen Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes
zu Recht e r k a n n t :
I.
Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das behördliche Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach
§ 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
Der Beschwerdeführer hat weder eine Geldstrafe, noch Verfahrenskosten zu bezahlen.
II.
Gemäß § 37a Abs.5 VStG ist die eingehobene Sicherheitsleistung in
der Höhe von 1.600 Euro an den Beschwerdeführer rückzuerstatten.
III.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art.133 Abs.4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die belangte Behörde hat über den nunmehrigen Beschwerdeführer (Bf) das
in der Präambel zitierte Straferkenntnis – auszugsweise – wie folgt erlassen:
PWL ..... dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht 3.500 kg nicht überstiegen hat, Lenker: Herr W. K., eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern (2 Stück Gummikompensatoren), deren Be- und Entladeort innerhalb Österreichs gelegen ist,
von W (Österreich) nach L (Österreich) durchgeführt,
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Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bf innerhalb offener Frist eine begründete Beschwerde erhoben und vorgebracht, gemäß Art.8 und Art.9 der EG-VO 1072/2009 sei der von ihm durchgeführte Transport rechtlich zulässig gewesen.
Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter (Art.135 Abs.1 1.Satz B-VG) erwogen:
Unstrittig steht fest, dass der Bf mit einem Klein-LKW, h.z.G.: 3,49 to,
im Zeitraum 31. März bis 4. April 2016 folgende Transporte durchgeführt hat:
- von Tschechien nach S (= grenzüberschreitender Transport)
- von S nach W (= Kabotage)
- von E nach St. M (= Kabotage)
Am 4. April 2016 wollte der Bf den im behördlichen Straferkenntnis angeführten Transport von W nach L (= ebenfalls Kabotage) durchführen.
Entscheidungswesentlich ist somit einzig und allein, ob dieser am 4. April 2016 durchgeführte bzw. begonnene Transport rechtlich erlaubt war oder nicht.
Die belangte Behörde vertritt – gestützt auf einen näher bezeichneten Erlass
des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie vom
21. Oktober 2015 – folgende Rechtsansicht:
„Gemäß § 1 Abs. 2 GütbefG gilt die österreichische Kabotagebestimmung des
§ 7 Abs. 2 leg.cit. auch für das sogenannte ‚Kleintransportgewerbe‘, obwohl die EG-VO 1072/2009 in Art. 1 Abs. 5 lit. c dieses explizit ausnimmt. Mit solchen Kraftfahrzeugen darf daher keine Kabotage in Österreich durchgeführt werden.“
Erlässe sind keine für die Verwaltungsgerichte verbindliche Rechtsquelle;
VwGH vom 19.06.2015, Ra 2015/03/0027, mit Vorjudikatur.
Unstrittig steht fest, dass der Bf im Niederlassungsmitgliedstaat (P) berechtigt ist, gewerblichen Güterkraftverkehr durchzuführen.
Gemäß § 7 Abs.2 GütbefG ist die gewerbsmäßige Beförderung von Gütern,
deren Be- und Entladeort innerhalb Österreichs liegt, durch Güterkraftverkehrs-unternehmen mit Sitz im Ausland (Kabotage) –
ausgenommen für die in Art.8 Abs.1, Abs.5 und Abs.6 der EG-VO 1072/2009 genannten Güterkraftverkehrsunternehmer – verboten;
dies gilt gemäß § 1 Abs.2 GütbefG auch für die gewerbsmäßige Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht bis zu 3,5 to.
Gemäß Art.8 Abs.2 EG-VO 1072/2009 sind die Güterkraftverkehrsunternehmer berechtigt, im Anschluss an eine grenzüberschreitende Beförderung aus
einem anderen Mitgliedstaat nach Auslieferung der Güter bis zu drei
Kabotagebeförderungen mit demselben Fahrzeug durchzuführen.
Bei Kabotagebeförderung erfolgt die letzte Entladung, bevor der Aufnahme-mitgliedstaat verlassen wird, innerhalb von sieben Tagen nach der letzten Entladung der in den Aufnahmemitgliedstaat eingeführten Lieferung. –
Diese Bestimmung hat der Bf exakt eingehalten, da er im Zeitraum 31. März bis 4. April 2016 zuerst einen grenzüberschreitenden Transport und anschließend drei Kabotagebeförderungen durchgeführt hat.
§ 7 Abs.2 GütbefG verweist – wie bereits dargelegt – u.a. auf Art.8 Abs.5 der EG-VO 1072/09, dieser wiederum auf Art.1 Abs.5 lit.c der EG-VO 1072/09.
Betreffend Fahrzeuge mit einem höchst zulässigen Gesamtgewicht von bis
zu 3,5 to ist gemäß Art.8 Abs.5 iVm Art.1 Abs.5 lit.c der EG-VO 1072/2009 jeder Verkehrsunternehmer – der im Niederlassungsstaat (hier: P) berechtigt ist,
den gewerblichen Güterkraftverkehr durchzuführen – berechtigt, die Kabotage
(hier: in Österreich) der gleichen Art bzw. die Kabotage mit Fahrzeugen der gleichen Kategorie durchzuführen.
Der Bf war somit berechtigt, den im behördlichen Straferkenntnis angeführten (Kabotage-)Transport durchzuführen.
Unabhängig davon ist zum Erlass des BmfVIT vom 21.10.2015 noch auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts bzw. des Gemeinschaftsrechts zu verweisen;
siehe die umfangreiche Rechtsprechung der Höchstgerichte,
z.B. VfGH vom 30.06.2012, B1101/10; VwGH vom 16.03.2016, 2015/04/0004;
betreffend das GütbefG – VwGH vom 15.11.2007, 2007/03/0127.
Es war daher
· der Beschwerde stattzugeben,
· das behördliche Straferkenntnis aufzuheben,
· das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen und
· gemäß § 37a Abs.5 VStG auszusprechen, dass dem Bf
die eingehobene Sicherheitsleistung (1.600 Euro) rückzuerstatten ist.
Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des
Art.133 Abs.4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer dieser
anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des VwGH ergangen ist; VwGH vom 02.09.2015, Ra 2015/19/0194, mit Vorjudikatur.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag
der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) und/oder einer außerordentlichen Revision
beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH).
Eine Beschwerde an den VfGH ist unmittelbar bei diesem einzubringen,
eine Revision an den VwGH beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.
Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision
müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung
einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim VwGH einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Kofler