LVwG-650736/2/WP

Linz, 14.12.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Peterseil über die Beschwerde des C S, U, S, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 5. Oktober 2016, GZ: BHSDVerk-2016-350449/7-Mos, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen AM, B und BE sowie Aufforderung zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding ersatzlos behoben.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.             Bisheriges Verwaltungsgeschehen:

 

1.1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schärding (in der Folge kurz: belangte Behörde) vom 5. Oktober 2016 wurde dem Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf) die Lenkberechtigung für die Klassen AM, B und BE für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, entzogen (Spruchpunkt I.). Er wurde verpflichtet, den Führerschein unverzüglich nach Rechtskraft bei der belangten Behörde oder der zuständigen Polizeiinspektion abzuliefern (Spruchpunkt II.). Weiters wurde ihm das Recht aberkannt, von einer ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen (Spruchpunkt III.). Zudem wurde dem Bf angeordnet, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten über seine gesundheitliche Eignung im Sinne des § 8 FSG beizubringen (Spruchpunkt IV.).

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde im Hinblick auf die Spruchpunkte I. bis III. nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensganges sowie der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen aus, der Sachverhalt ergebe sich schlüssig und widerspruchsfrei aus dem Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 14. Juli 2016. Demnach sei der Bf wegen §§ 28a Abs 1 1. Fall und 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer Freiheitsstrafe von acht (8) Monaten verurteilt worden, wobei die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Diese Verurteilung stelle eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs 3 Z 11 FSG dar und sei daher die Verkehrs­zuverlässigkeit zu überprüfen gewesen. Im Hinblick auf die bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe wird von der belangten Behörde festgehalten, dass dies im gegebenen Zusammenhang keine entscheidende Rolle spiele. Auch der Umstand, dass bei der Begehung der strafbaren Handlungen kein Kraftfahrzeug verwendet wurde, spiele keine Rolle, da „das Inverkehrbringen von Suchtmitteln typischerweise durch die Verwendung von Kfz wesentlich erleichtert wird“. Zugunsten des Bf wertet die belangte Behörde das vom Bf abgelegte Geständnis. Als erschwerend wertet die belangte Behörde demgegenüber das Zusammentreffen strafbarer Handlungen und drei einschlägige Vorstrafen. Zudem sei im Rahmen der Wertung des strafbaren Verhaltens des Bf zu berücksichtigen, dass Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz wegen der damit verbundenen Gefahr für die Gesundheit von Menschen verwerflich seien.

 

1.3. Zu Spruchpunkt IV. (Anordnung zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens) führt die belangte Behörde begründend aus, der Bf habe am 23. Mai 2016 anlässlich seiner polizeilichen Einvernahme angegeben, seit ca drei Jahren Cannabiskraut mittels Joints konsumiert zu haben. Er rauche durchschnittlich jeden Tag ein bis zwei Gramm Cannabiskraut in fünf bis sechs Joints. Demnach lägen begründete Bedenken iSd § 24 Abs 4 FSG vor, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen noch gegeben seien.

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Begründend führt der Bf aus, er sei zwar vom Landesgericht Ried wegen Drogenbesitzes verurteilt worden, sei jedoch nie unter Drogenkonsum mit dem Auto gefahren. Zudem werde er seit August 2016 von der Bewährungshilfe betreut und setze er sich im Rahmen dieser Betreuung mit seinem Delikt auseinander und konsumiere er schon über einen längeren Zeitraum keine Drogen mehr. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Bf weder ausdrücklich noch konkludent beantragt.

 

3. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2016, beim Landesverwaltungsgericht Ober­österreich am 18. Oktober 2016 eingelangt, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor. Auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung werde verzichtet.

 

 

Festgestellter Sachverhalt und Beweiswürdigung:

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt. Aus diesem ergab sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze. Die öffentliche mündliche Verhandlung konnte gem § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

2. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

2.1. Dem Bf wurde von der belangten Behörde die Lenkberechtigung für die Klassen AM, B und BE mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, entzogen.

 

2.2. Mit Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 14. Juli 2016, GZ: 9 Hv 44/16x-12, wurde der Bf rechtskräftig bestraft. Demnach hat er in St. Florian am Inn und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift

 

A) in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge erzeugt, indem er in der Zeit von etwa Herbst 2013 bis zum 23. Mai 2016 in vier Angriffen jeweils etwa 5 – 6 Stück Cannabispflanzen anbaute, diese bis zur Erntereife aufzog und hieraus insgesamt etwa 1.600 bis 2.000 Gramm Cannabiskraut mit einem notorischen Reinheitsgehalt von zumindest etwa 8 % erzeugte;

 

B) nämlich Cannabiskraut, in der Zeit von etwa Mai 2013 bis zumindest 23. Mai 2016 in wiederholten Angriffen erworben und besessen;

 

Der Bf hat hierdurch

zu A): die Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 1. Fall SMG;

zu B): die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 1. und 2. Fall SMG;

begangen.

 

Über den Bf wurde daher eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 (acht) Monaten verhängt. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wurde der Vollzug der Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei (3) Jahren zur Gänze bedingt nachgesehen. Strafmildernd wurde das Geständnis berücksichtigt. Erschwerend wurden drei einschlägige Vorstrafen und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen gewertet.

 

2.3. Der Bf verfügt – jedenfalls seit dem Zeitpunkt der letzten Tatbegehung (23. Mai 2016) – über eine aufrechte Lenkberechtigung. In dieser Zeit ist der Bf verwaltungsstrafrechtlich respektive verkehrsrechtlich einmal auffällig geworden.

 

2.4. Der Bf ist sowohl strafrechtlich als auch verwaltungsstrafrechtlich vorbestraft.

 

 

II.            Rechtslage:

 

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Führerscheingesetzes (FSG) lauten auszugsweise wie folgt:

 

Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

1. […],

2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),

3. […]

Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

1. […]

11. eine strafbare Handlung gemäß § 28a oder § 31a Abs. 2 bis 4 Suchtmittelgesetz – SMG, BGBl. I Nr. 112/1997 in Fassung BGBl. I Nr. 111/2010 begangen hat;

12. […]

(4) Für die Wertung der in Abs. 1 genannten und in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei bei den in Abs. 3 Z 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen ist.

 

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder […]

(2) […]

(4) Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

Dauer der Entziehung

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. Endet die Gültigkeit der Lenkberechtigung vor dem Ende der von der Behörde prognostizierten Entziehungsdauer, so hat die Behörde auch auszusprechen, für welche Zeit nach Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf.

(2) […]

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen. […]

 

Die im Beschwerdefall maßgebliche Bestimmung des Strafgesetzbuches (StGB) lautet auszugsweise wie folgt:

 

Bedingte Strafnachsicht

§ 43. (1) Wird ein Rechtsbrecher zu einer zwei Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe verurteilt, so hat ihm das Gericht die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von mindestens einem und höchstens drei Jahren bedingt nachzusehen, wenn anzunehmen ist, daß die bloße Androhung der Vollziehung allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, und es nicht der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Dabei sind insbesondere die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen.

(2) Wird die Nachsicht nicht widerrufen, so ist die Strafe endgültig nachzusehen. Fristen, deren Lauf beginnt, sobald die Strafe vollstreckt ist, sind in einem solchen Fall ab Rechtskraft des Urteils zu berechnen.

 

 

III.           Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG) hat gem Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter im Rahmen des § 27 VwGVG über die zulässige und rechtzeitige Beschwerde erwogen:

 

Zu den Spruchpunkten I. bis III.:

 

1. Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landesgerichts Ried im Innkreis steht – auch für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich – bindend fest, dass der Bf strafbare Handlungen gemäß den §§ 27 und 28a SMG begangen hat. Er hat damit eine bestimmte Tatsache iSd § 7 Abs 3 Z 11 FSG verwirklicht, weshalb die belangte Behörde zu Recht seine Verkehrszuver­lässigkeit überprüft hat. Gemäß § 7 Abs 4 FSG ist diese bestimmte Tatsache einer Wertung zu unterziehen, wofür insbesondere die Verwerflichkeit der strafbaren Handlungen, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten in dieser Zeit maßgebend sind.

 

2. Dem Bf wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid die Lenk­berechtigung für die Dauer von drei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides entzogen. Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 6. Oktober 2016. Rechtskraft wäre demnach – wovon die belangte Behörde (ebenfalls) ausgeht – am 27. Oktober 2016 eingetreten. Die Verkehrsunzuverlässigkeit ist ab dem Tag der Tat – im gegenständlichen Fall also ab dem 23. Mai 2016 – zu beurteilen; die belangte Behörde geht daher offensichtlich insgesamt von einer Dauer der Verkehrsunzuverlässigkeit des Bf von etwa acht Monaten aus.

 

3. Für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs 1 Z 2 FSG genügt der stRsp des Verwaltungsgerichtshofes nach jedoch nicht schon das Vorliegen einer bestimmten Tatsache, sondern es muss auf Grund der gemäß § 7 Abs 4 FSG vorzunehmenden Wertung anzunehmen sein, der Betreffende werde sich wegen seiner Sinnesart weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden (VwGH 14.5.2009, 2009/11/0048 sowie VwSlg 15.059 A/1998).

 

4. Die belangte Behörde führt zu Recht die stRsp des Verwaltungsgerichtshofes an, wonach eine bedingte Strafnachsicht gem § 43 Abs 1 StGB zwar für sich allein nicht zwingend dazu führt, dass der Betreffende als verkehrszuverlässig anzusehen ist, weil sich die bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit zu berücksichtigenden Gesichtspunkte nicht gänzlich mit jenen decken, die für das Strafgericht für die bedingte Strafnachsicht von Bedeutung sind, dass aber nach der einschlägigen Bestimmungen des StGB die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen sind und es sich dabei im Einzelfall durchwegs um Umstände handeln kann, welche für die in § 7 Abs 4 FSG genannten Wertungskriterien von Bedeutung sind (vgl VwGH 21.8.2014, Ra 2014/11/0007; 25.11.2003, 2002/11/0124; 21.11.2006, 2005/11/0168; 23.11.2011, 2009/11/0263).

 

Die Prognose nach § 7 Abs 4 FSG, ob ausreichende Gründe für die Annahme bestehen, jemand werde sich wegen seiner Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen, ist zwar nicht identisch mit der des Strafgerichts, in beiden Fällen geht es aber um das Vorliegen oder Nichtvorliegen hinreichender Gründe für eine Annahme, die zu beurteilende Person werde sich (weiterer) schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen. Die vom Strafgericht angestellten Überlegungen werden aus diesen Erwägungen insbesondere dann von besonderer Bedeutung für die Vollziehung des FSG sein, wenn die gerichtliche Entscheidung über die bedingte Strafnachsicht im Zeitpunkt der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit noch nicht länger zurückliegt, weil dann die vom Strafgericht verwertbaren Umstände des Einzelfalles im Wesentlichen auch noch den nach dem FSG zu beurteilenden Fall kennzeichnen werden.

 

5. Zieht man im vorliegenden Fall erstens die Annahme des Strafgerichts (am 14. Juli 2016, also rund 12 Wochen vor Erlassung des angefochtenen Bescheides) vor dem Hintergrund des § 43 Abs 1 StGB in Betracht, die bloße Androhung der Vollziehung der Freiheitsstrafe werde genügen, um den Bf von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Und schenkt man zweitens dem Umstand Beachtung, dass der Bf seit der (letztmaligen) Begehung der Straftat von der ihm nicht entzogenen Lenkberechtigung Gebrauch machen konnte, so hätte es schon der Feststellung besonderer Umstände durch die belangte Behörde bedurft, um eine Verkehrsun­zuverlässigkeitsprognose zu rechtfertigen, wonach der Bf ab (theoretischer) Rechtskraft des angefochtenen Bescheides (also rund fünf Monate nach Tatende) und danach noch für mindestens drei weitere Monate als verkehrsunzuverlässig anzusehen wäre.

 

Im Ergebnis wäre – nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes in einem ähnlich gelagerten Fall (VwGH 14.5.2009, 2009/11/0048 mwN) – dafür die begründete Prognose notwendig gewesen, der Bf werde sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbaren Handlungen schuldig machen (§ 7 Abs 1 Z 2 FSG). Im Hinblick auf die gegenteilige Auffassung des Strafgerichtes hätte es dazu eben gerade der Feststellung besonderer Umstände bedurft. Solche lagen der Aktenlage nach aber nicht vor.

 

6. Vor dem Hintergrund der dargestellten einschlägigen Rsp des Verwaltungsgerichtshofes kann die Annahme der belangten Behörde, der Bf sei wegen der Delikte gem §§ 27 und 28a SMG für etwa acht Monate verkehrsunzuverlässig, nicht geteilt werden. Im Hinblick auf die Erwägungen des Strafgerichts und der besonderen Umstände des Einzelfalles ist das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der Auffassung, dass zum derzeitigen Zeitpunkt nicht mehr von einer mindestens dreimonatigen Verkehrsunzu­verlässigkeit ausgegangen werden kann, weshalb der angefochtene Bescheid – wie vom Bf beantragt – im Hinblick auf die Spruchpunkte I. bis III. ersatzlos zu beheben war.

 

Zu Spruchpunkt IV.:

 

1. In ständiger Judikatur vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs 4 FSG seien begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hiebei gehe es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssten aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Im Zusammenhang mit einem Suchtmittelkonsum des Inhabers einer Lenkberechtigung wäre ein Aufforderungsbescheid rechtens, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestünden, dem Betreffenden fehle infolge Suchtmittelabhängigkeit (oder wegen Fehlens der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung) die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (VwGH 30.9.2011, 2010/11/0248 uHa 25.5.2004, 2003/11/0310, mwN, 13.12.2005, 2005/11/0191, 27.9.2007, 2006/11/0143, 24.5.2011, 2011/11/0026, mwN).

 

2. Ebenfalls in ständiger Judikatur vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, wie sich aus § 14 FSG-GV ergebe, berühre ein geringfügiger Suchtmittelgenuss die gesundheitliche Eignung (noch) nicht. Erst dann, wenn der Konsum zu einer Abhängigkeit zu führen geeignet sei oder wenn die Gefahr bestehe, dass die betreffende Person nicht in der Lage sein könnte, den Konsum so weit einzuschränken, dass ihre Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht (mehr) beeinträchtigt sei, läge ein Grund vor, unter dem Aspekt eines festgestellten – wenn auch verbotenen – Suchtmittelkonsums die gesundheitliche Eignung begründeterweise in Zweifel zu ziehen (VwGH 30.9.2011, 2010/11/0248 mwN).

 

3. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass ein Aufforderungsbescheid nur dann zulässig sei, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung von Seiten der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken bestehen (nochmals VwGH 30.9.2011, 2010/11/0248, sowie 21.9.2010, 2010/11/0105).

 

4. Vor dem Hintergrund der oben wiedergegeben höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist zunächst festzuhalten, dass der Bf seinen Cannabiskonsum am 23. Mai 2016 einstellte und seither – soweit aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ersichtlich – keinerlei Cannabis konsumiert hat. Die belangte Behörde hat keinerlei Ermittlungen dahingehend unternommen, ob zum Zeitpunkt der Erlassung des Aufforderungsbescheides – also rund fünf Monate nach dem letzten vom Bf zugestandenen Suchtmittelkonsum – nach wie vor Bedenken an der gesundheitlichen Eignung des Bf bestanden (zu einer vergleichbaren Konstellation vgl VwGH 26.2.2015, Ra 2014/11/0098). Mit seinem Vorbringen, „schon über einen längeren Zeitraum keine Drogen mehr“ zu nehmen, ist der Bf im Ergebnis im Recht. Der Bescheid war daher auch im Hinblick auf Spruchpunkt IV. ersatzlos zu beheben.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 


 

IV.          Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Beurteilung der Verkehrsunzuverlässigkeit sowie die Frage, ob noch aktuelle Bedenken im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen vorliegen, erfolgte anhand der – in der Entscheidung zitierten – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Peterseil