LVwG-601528/9/FP
Linz, 13.12.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl über die Beschwerde von A M, geb. x, S, L, vertreten durch N Rechtsanwalt GmbH, S, S, gegen die Punkte 1 und 2 des Straferkenntnisses der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 21. Juli 2016, GZ: VStV/915301619661/2015, wegen Übertretungen des KFG und der StVO, nach sofortiger Verkündung,
A. den
B E S C H L U S S
gefasst
I. Im Hinblick auf Punkt 2. des bekämpften Straferkenntnisses wird das Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 28 iVm § 31 VwGVG eingestellt.
B. und zu Recht E R K A N N T
II. Im Hinblick auf Punkt 1. des bekämpften Straferkenntnisses wird der Beschwerde gemäß § 50 VwGVG Folge gegeben, das bekämpfte Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gem. § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
III. Gemäß § 52 Abs 9 VwGVG hat der Beschwerdeführer keine Beiträge zu den Kosten des Verfahrens zu leisten.
IV. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. In Punkt 1 des Straferkenntnisses vom 21. Juli 2016 warf die belangte Behörde dem Beschwerdeführer (Bf) vor, er habe als Lenker ein bestimmtes Kraftfahrzeug in Betrieb genommen, ohne sich zuvor – obwohl ihm dies zumutbar gewesen wäre – überzeugt zu haben, dass das Fahrzeug den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspreche, weshalb bei einer Verkehrskontrolle festgestellt worden sei, dass die für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung des Fahrzeuges maßgebende Teile nicht den Vorschriften des KFG entsprochen hätten, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen.
Es sei festgestellt worden, dass die Verriegelung der Hebebühne und der rechte Rampenspiegel gefehlt habe. Die Schale sei gebrochen und scharfkantig gewesen.
Die belangte Behörde stützte ihren Spruch auf § 102 Abs 1 KFG iVm § 4 Abs 2 KFG, verhängte eine Geldstrafe von 100 Euro (20 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) und sprach aus, dass der Bf 10 Euro als Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu bezahlen habe.
Sie begründete durch Verweis auf die verletzte Rechtsvorschrift und damit, dass der zugrundeliegende Sachverhalt durch eigene dienstliche Wahrnehmung eines Organs der Straßenaufsicht und das behördliche Ermittlungsverfahren zweifelsfrei erwiesen sei.
I.2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Bf mit Schriftsatz vom 23. August 2016 rechtzeitig Beschwerde, in der er lediglich Verfahrensmängel geltend macht.
I.3. Mit Schreiben vom 29. August 2016 legte die belangte Behörde dem Landesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt zur Entscheidung vor, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu fällen.
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich entscheidet durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter (§ 2 VwGVG).
II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsstrafakt und öffentliche mündliche Verhandlung in der der Bf zur Mangelhaftigkeit des Tatvorwurfs im Hinblick auf Punkt 1 des Straferkenntnisses vorbrachte.
II.2. Nachstehender entscheidungswesentlicher S A C H V E R H A L T steht fest:
Der Beschwerdeführer zog seine Beschwerde hinsichtlich Punkt 2 des ggst. Straferkenntnisses in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2016 zurück.
Spruchpunkt 1 des bekämpften Straferkenntnisses lautet:
„Sie haben als Lenker des Lastkraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen x dieses Kraftfahrzeug in Betrieb genommen, ohne sich vorher – obwohl Ihnen dies zumutbar gewesen wäre – überzeugt zu haben, dass das von Ihnen zu lenkende Kraftfahrzeug den hierfür in Betracht kommenden Vorschriften entspricht, weshalb bei der am 25.02.2015 um 13:15 Uhr in Wels, A 25 Str.km 16,7, Fahrtrichtung Suben, durchgeführten Fahrzeugkontrolle festgestellt wurde, dass die für die verkehrs- und betriebssichere Verwendung des Lastkraftwagens maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen.
a) Es wurde festgestellt, dass die Verriegelung der Hebebühne fehlt.
b) Es wurde festgestellt, dass der rechte Rampenspiegel fehlte. Die Schale war gebrochen und scharfkantig.“
Die Vorwürfe in der im Rahmen des Verfahrens erlassenen Strafverfügung und in der Aufforderung zur Rechtfertigung gleichen diesem. (Straferkenntnis, Strafverfügung, Aufforderung zur Rechtfertigung)
Der technische Zustand des Fahrzeuges stellte keine Gefährdung der Verkehrssicherheit dar. (Anzeige)
II.3. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem vorliegenden Verfahrensakt, insbesondere den in Klammern angegebenen Beweismitteln.
Insbesondere ergeben sich aus den genannten Behördenakten der Wortlaut der dem Bf gemachten Vorwürfe. Aus den Anzeigen der Polizei ergibt sich, dass keine Gefährdung der Verkehrssicherheit vorlag.
III. Rechtliche Beurteilung
III.1. Wesentliche zugrundeliegende Bestimmungen:
III.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:
III.2.1. Vorwurf:
Aus den im Akt befindlichen Fotos ergibt sich, dass das Fahrzeug des Bf Defekte an einem Rückspiegel und an der Verriegelung der Ladebordwand aufwies.
Dies hat die belangte Behörde zum Anlass genommen, dem Bf einen auf §§ 102 Abs 1 iVm § 4 Abs 2 KFG gestützten Vorwurf zu machen.
Sie hat sich dabei des oben dargestellten Spruchs bedient, der unkonkretisiert Teile des Normtexts des § 4 Abs 2 KFG wiedergibt und feststellt, dass die Verriegelung der Hebebühne und der rechte Rampenspiegel fehlten. Die Schale sei gebrochen und scharfkantig gewesen.
Gem. § 102 Abs 1 KFG darf der Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, dass das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspricht.
Als Vorschrift, der das KFZ zu entsprechen hat, zieht die belangte Behörde § 4 Abs 2 KFG heran, die allgemeine Ausrüstungsvorschriften zum Inhalt hat und im Ergebnis vorschreibt, dass Fahrzeuge so ausgerüstet sein müssen, dass von ihnen für in der Bestimmung genannte, bestimmte Personengruppen (Lenker, beförderte Personen, andere Straßenbenützer) und Sachen (Straße) keine in der Bestimmung dargestellte Gefahren ausgehen bzw. generell bestimmte nachteilige Umwelteinflüsse vermieden werden (Lärm, Rauch, Erschütterungen, Luftverunreinigungen etc.).
Erst bei Eintreten dieser bestimmten Gefahrenlage für Personen oder Sachen bzw. die Umwelt kann somit ein Verstoß im Sinne der genannten Bestimmungen vorliegen. Die belangte Behörde wirft dem Bf lediglich vor, dass die Verriegelung der Hebebühne und der rechte Rampenspiegel fehlten und die Schale gebrochen und scharfkantig gewesen sei. Die belangte Behörde geht offenbar davon aus, dass alleine das Vorliegen eines Mangels für einen Verstoß nach den genannten Bestimmungen ausreicht. Dies ist nicht der Fall. So lässt sich etwa aus § 1a Abs 1 KDV ableiten, dass als vorspringende Teile, Kanten und zusätzliche Vorrichtungen, die bei Verkehrsunfällen schwere körperliche Verletzungen erwarten lassen, solche gelten, durch die die Gefahr schwerer Verletzungen oder der Grad von schweren Verletzungen erhöht wird.
Es ergibt sich, dass die belangte Behörde dem Bf keinen strafbaren Tatbestand vorgeworfen hat.
Der Umstand, dass eine Spiegelschale scharfkantig gebrochen ist bzw. ein undefinierter Defekt an der Ladebordwand vorliegt, alleine, stellt keinen nach dem Gesetz strafbaren Tatbestand dar. Vielmehr kann ein solcher nur unter der Voraussetzung vorliegen, dass Umstände wie die oben genannten Gefährdungssituationen hinzutreten. Sie müssen festgestellt und dem Bf im Spruch vorgeworfen werden.
Dies hat im vorliegenden Verfahren nicht stattgefunden und ergeben sich aus dem Akt diesbezüglich keine Hinweise.
Eine (die Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG unterbrechende) Verfolgungshandlung nach § 32 Abs 2 VStG ist auf sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschriften iSd § 44a Z 2 VStG zu beziehen; (VwGH 21. Oktober 2014, Ra 2014/03/0006).
„Die Umschreibung der Tat hat – bereits im Spruch und nicht erst in der Bescheidbegründung (VwSlg 17.326 A/2007; VwGH 1. 7. 2010, 2008/09/0149) – so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist (zB VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 12. 3. 2010, 2010/17/0017; 17. 4. 2012, 2010/04/0057), sie muss mithin die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens erforderlich sind, ermöglichen (vgl VwGH 20. 7. 1988, 86/01/0258; 31. 1. 2000, 97/10/0139; s auch VwGH 6. 11. 2012, 2012/09/0066 [AuslBG]) und sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist (VwGH 23. 4. 2008, 2005/03/0243). Andererseits dürfen bei der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat auch keine Verhaltensweisen mitumfasst werden, die nicht der verletzten Verwaltungsvorschrift iSd § 44 a Z 2 unterliegen (vgl VwGH 24. 4. 2008, 2007/07/0124).
(vgl. Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG § 44 a Rz 2).“
Die Tat ist dabei so eindeutig zu umschreiben, dass kein Zweifel besteht, wofür der Täter zur Verantwortung gezogen wird. Diesen Anforderungen ist dann entsprochen, wenn die Tat dem Täter in so konkreter Umschreibung vorgeworfen wird, dass dieser in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Beschuldigte rechtlich davor geschützt ist, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (VwGH 25.02.2003, 2001/10/0257).
Im Hinblick auf einen mit dem vorliegenden vergleichbaren Sachverhalt hat der Verwaltungsgerichtshof, etwa in seiner Entscheidung vom 12. Dezember 1986, 86/18/0176 ausgesprochen, dass ein Verstoß gegen das Konkretisierungsgebot des § 44a lit a VStG 1950 durch den Tatvorwurf vorliegt, dass "die rechte Schlussleuchte und der linke Rückstrahler des Anhängers nicht in Ordnung waren", weil damit nicht zum Ausdruck kommt, inwiefern diese Teile des vom Beschuldigten verwendeten Anhängers nicht den einschlägigen Bestimmungen entsprochen haben sollen.
In seiner Entscheidung vom 12. Dezember 1986, 86/18/0176, hat der VwGH ausgeführt, dass die Anlastung im Spruch eines Straferkenntnisses, ein Lkw und Anhänger entsprächen insofern nicht den gesetzlichen Vorschriften, als "bei sechs Rädern insgesamt 13 Tragbolzen über die Radmuttern hinausstanden, drei Radmuttern ... fehlten" entspricht nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a lit a VStG 1950, weil dadurch die Zuordnung des Tatverhaltens zur zitierten Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, nicht in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird. (Hinweis auf E VS 13.6.1984, 82/03/0265, VwSlg 11466 A/1984) Es ist nämlich nicht zu erkennen, inwiefern der Beschuldigte einen der mehreren Tatbestände des § 4 Abs 2 KFG 1967 einerseits hinsichtlich der herausragenden Tragbolzen und andererseits in Bezug auf die fehlenden Radmuttern verwirklicht haben soll.
Wesentlich für einen Verstoß gegen die genannten Bestimmungen ist, dass ein Kraftfahrzeug so gebaut und ausgerüstet sein muss, dass durch seinen sachgemäßen Betrieb weder
1. Gefahren für die im Normtext genannten Personengruppen, noch
2. Beschädigungen der Straße,
3. schädliche Erschütterungen, übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen entstehen bzw.
4. die im Normtext genannten Personengruppen bei Verkehrsunfällen möglichst geschützt sind und die Fahrzeuge
5. innen und außen keine vermeidbaren vorspringenden Teile, Kanten oder zusätzliche Vorrichtungen aufweisen, die bei Verkehrsunfällen schwere körperliche Verletzungen erwarten lassen.
Nur bei Vorliegen derartiger Umstände, kann es zu einem Verstoß gem § 103 Abs 1 iVm § 4 Abs 2 KFG kommen.
Der ggst. Vorwurf lässt für sich alleine keinen Verstoß im Sinne dieser Bestimmung erkennen, zumal eine die vorliegenden Defekte nur dann zu einer Bestrafung nach § 102 Abs 1 KFG führen kann, wenn ein oder mehrere der hier dargestellten Tatbestandsmerkmale betroffen sind und im Spruch vorgeworfen werden.
Ein scharfkantiges Teil kann dann etwa zu einer Bestrafung nach den genannten Bestimmungen führen, wenn bei Verkehrsunfällen schwere körperliche Verletzungen zu erwarten sind, also die Gefahr schwerer Verletzungen oder der Grad von schweren Verletzungen erhöht wird (vgl. § 1a Z1 KDV).
Solche Umstände sind aber iSd obigen Ausführungen festzustellen und dem Betroffenen vorzuwerfen.
Einen derartigen Vorwurf hat die belangte Behörde dem Bf im Zuge des Verfahrens nicht gemacht. Auch die Begründung des Straferkenntnisses lässt nicht auf einen solchen schließen.
Die belangte Behörde hat in keiner Weise konkretisiert inwieweit die Mängel Gefährdungspotential iSd § 4 Abs 2 KFG haben. Dem gesamten Akt lässt sich kein Hinweis darauf entnehmen, dass ein Gefährdungspotential iSd § 4 Abs 2 KFG vorliegt. Im Gegenteil ist aufgrund der Anzeige des Meldungslegers, aus der hervorgeht, dass keine Gefahr für die Verkehrssicherheit bestand, eine Anwendbarkeit der genannten Bestimmungen nicht gegeben.
Insofern wurde dem Bf bislang kein Vorwurf gemacht, der auf einen nach § 102 Abs 1 Z1 iVm § 4 Abs 2 KFG strafbaren Tatbestand hindeuten würde.
III.2.2. Sache des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und Korrigierbarkeit durch das LVwG:
In seinem Erkenntnis vom 31. Juli 2014, Ro 2014/02/0099, hat der Verwaltungsgerichtshof wie folgt ausgesprochen: „Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war die Berufungsbehörde in Verwaltungsstrafsachen berechtigt, die als erwiesen angenommene Tat – unter Beachtung der durch das Verbot der reformatio in peius (§ 51 Abs 6 VStG, vgl nun § 42 VwGVG) gezogenen Grenzen – einer anderen rechtlichen Subsumtion, etwa der Unterstellung unter eine andere Strafnorm, zu unterziehen (vgl das hg Erkenntnis vom 18. Oktober 2007, Zl 2006/09/0031). Im Hinblick auf die den Verwaltungsgerichten übertragene Pflicht, in Verwaltungsstrafsachen über Beschwerden meritorisch zu entscheiden (Art 130 Abs 4 erster Satz B-VG und § 50 VwGVG), kann für das Beschwerdeverfahren gegen Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden vor den Verwaltungsgerichten nichts anderes gelten.“
In seinem Erkenntnis vom 13. Oktober 2013, 2009/06/0189, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass "‘Sache‘ des Berufungsverfahrens [...] die Angelegenheit [ist], die Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz war; die den Entscheidungsspielraum der Berufungsbehörde begrenzende Sache iSd (gemäß § 24 VStG im Strafverfahren anwendbaren) § 66 Abs. 4 AVG ist also nicht etwa jene, welche in erster Instanz in Verhandlung war, sondern ausschließlich die, die durch den (Spruch des) erstinstanzlichen Bescheid(es) begrenzt ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S 1265 unter E 111f zu § 66 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Gegenstand des Verfahrens vor der belangten Behörde war somit nur die im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides genannte Tat.“
"Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem VwG ist - ungeachtet des durch § 27 VwGVG 2014 vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (VwGH v. 16. November 2015, Ra 2015/12/0026).
Eine Befugnis des VwG zur Ausdehnung des Gegenstandes des Verfahrens über die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG 2014 hinaus, wurde durch die Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012 nicht geschaffen (Hinweis E vom 5. November 2014, Ra 2014/09/0018, mwN zur Rechtslage vor Schaffung der VwG; der VwGH hat darin festgehalten, es sei kein Anhaltspunkt dafür zu erkennen, dass von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH zum Berufungsverfahren in Verwaltungsstrafsachen abzugehen wäre). So würde etwa eine Ausdehnung des Tatzeitraums erst im Beschwerdeverfahren in Verwaltungsstrafsachen vor dem VwG eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs und der Sache des Beschwerdeverfahrens im Sinn des § 50 VwGVG 2014 darstellen (vgl. VwGH v. 16. März 2016, Ro 2014/04/0072). Nichts anderes kann im Hinblick auf die Ausdehnung der Tathandlung (Tatbestandselemente) selbst gelten.
Eine Verfolgungshandlung hat sich nach § 32 Abs 2 VStG auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, ferner auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschriften im Sinn des § 44a Z 2 VStG zu beziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 2014, Zl. 2013/08/0096, mwN). (VwGH 16. Februar 2016; Ra 2016/08/0025)
Zumal die belangte Behörde dem Bf bislang nur vorgeworfen hat, dass sein Fahrzeug Mängel aufgewiesen hat und er dieses deshalb nicht in Betrieb nehmen durfte, ihm jedoch nicht angelastet hat inwieweit dadurch in Schutzgüter des § 4 Abs 2 KFG eingegriffen wurde, und es deshalb an der ausreichenden Tatumschreibung fehlt, würde das Verwaltungsgericht durch eine erstmalige diesbezügliche Anlastung (die aufgrund des vorliegenden Aktes ohnehin nicht denkbar ist, weil sich das erforderliche Gefahrenpotential aus dem gesamten Akt nicht ableiten lässt) den Gegenstand des Verfahrens ausdehnen (Erweiterung des Vorwurfs), gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen und seine Zuständigkeit überschreiten.
Eine Korrektur wäre nur dann denkbar, wenn die belangte Behörde im Rahmen des Verfahrens eine dem § 32 Abs 2 VStG entsprechende, die Verfolgungsverjährung unterbrechende, Verfolgungshandlung gesetzt hätte.
Dies ist nicht geschehen.
Eine Korrektur des Spruchs ist im Übrigen bereits aufgrund der eingetretenen Verfolgungsverjährung ausgeschlossen.
III.3. Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG hat die Behörde (und das Verwaltungsgericht) von einer Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn dem Beschuldigten die zur Last gelegte Tat [...] keine Verwaltungsübertretung bildet. Mangels Anlastung eines strafbaren Verhaltens durch die belangte Behörde war das ggst. Straferkenntnis (Punkt 1.) deshalb aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung zu bringen.
III.4. Zur Zurückziehung der Beschwerde im Hinblick auf Spruchpunkt 2 des bekämpften Straferkenntnisses:
Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, durch Beschluss.
Gemäß § 13 Abs 7 AVG iVm § 17 VwGVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Dies gilt auch für Beschwerdeanträge.
Wird eine beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich anhängige Beschwerde zurückgezogen, ist das Verfahren einzustellen.
Die Beschwerde zu Punkt 2. des bekämpften Straferkenntnisses wurde am 6. Dezember 2016 zurückgezogen und bewirkt die Beendigung des Verfahrens. Sie ist damit gegenstandslos.
Gemäß §§ 28 Abs 1 iVm 31 VwGVG ist daher das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzustellen.
Einem Beschluss über die Beendigung des Verfahrens - hier: wegen Zurückziehung der Beschwerde - kommt nur deklarative Bedeutung zu (VwGH vom 21. Oktober 2005, 2002/12/0294).
III.5. Bei diesem Ergebnis, waren dem Bf gem § 52 Abs 9 VwGVG keine Verfahrenskostenbeiträge aufzuerlegen.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Das Verwaltungsgericht hat sich auf die verfügbare Judikatur des VwGH gestützt und ist diese der rechtlichen Beurteilung zu entnehmen.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
H i n w e i s e
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. P o h l