LVwG-601521/7/Zo/JW
Linz, 15.12.2016
I M N A M E N D E R R E P U B L I K
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Zöbl über die Beschwerde des Herrn L D, geb. x, vertreten durch G K L Rechtsanwälte OG, L, vom 18.8.2016 gegen das Straferkenntnis des Landespolizeidirektors von Oberösterreich vom 29.6.2016, Zl. VStV/916300509609/2016, wegen zwei Übertretungen des KFG nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 24.11.2016
zu Recht e r k a n n t :
I. Der Beschwerde wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Gegen diese Entscheidung ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.1. Die LPD Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass er sich, wie am 7.11.2015 um 12.25 Uhr in Traun, O x, öffentlicher Parkplatz, festgestellt worden sei, als Lenker des PKW Mercedes Benz 500 SL mit dem Kennzeichen x, obwohl es ihm zumutbar gewesen wäre, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt hätte, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrzeuges entspricht, da
1. dieses Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr verwendet wurde, obwohl an diesem das zugewiesene behördliche Kennzeichen nicht geführt wurde, sondern das Kennzeichen x (D) angebracht gewesen sei;
2. festgestellt wurde, dass am PKW keine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette angebracht gewesen sei. Das Kraftfahrzeug sei auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr verwendet worden und es sei die Gültigkeit der Plakette VUN06xx mit der Lochung 01/2013 abgelaufen.
Der Beschwerdeführer habe dadurch zu 1. eine Verwaltungsübertretung nach § 36 lit. b KFG und zu 2. eine solche nach § 102 Abs. 1 iVm § 36 lit. e und § 57a Abs. 5 KFG begangen, weshalb über ihn zu 1. eine Geldstrafe in Höhe von 110 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 22 Stunden) sowie zu 2. eine solche in Höhe von 80 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 16 Stunden), jeweils gemäß § 134 Abs. 1 KFG verhängt wurde. Der Beschwerdeführer wurde weiters zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 19 Euro verpflichtet.
Dieses Straferkenntnis wurde von der Behörde zusammengefasst damit begründet, dass es sich bei jenem Platz, auf dem der PKW abgestellt war, um eine Straße mit öffentlichem Verkehr gehandelt habe. Der PKW sei mit dem österreichischen Kennzeichen x zum Verkehr zugelassen gewesen, weshalb die Anbringung der deutschen Kennzeichen unzulässig gewesen sei. Da auch die Begutachtungsplakette abgelaufen gewesen sei, habe der Beschwerdeführer die beiden ihm vorgeworfenen Übertretungen zu verantworten.
2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde machte der Beschwerdeführer zusammengefasst geltend, dass das deutsche Kennzeichen x diesem Fahrzeug zugewiesen gewesen sei. Daran ändere das Schreiben der deutschen Behörde nichts, das Kennzeichen sei erst mit der gegenständlichen Amtshandlung am 7.11.2015 abgenommen und die Landkreisplakette entstempelt worden. Bis zu dieser Abnahme der Kennzeichen sei noch keine Zwangsentziehung durchgeführt gewesen, weshalb das Kennzeichen zum Zeitpunkt der Amtshandlung seinem Fahrzeug noch zugeordnet gewesen sei.
Zum Tatzeitpunkt sei das Fahrzeug mit dem deutschen Kennzeichen x zugelassen gewesen, weshalb es irrelevant sei, ob an diesem Fahrzeug eine österreichische Prüfplakette angebracht gewesen sei bzw. ob diese abgelaufen gewesen sei. Ein in Deutschland zugelassenes Kraftfahrzeug müsse die Voraussetzungen des § 57a Abs. 5 KFG nicht erfüllen.
Beim angeblichen Tatort handle es sich nicht um eine Straße mit öffentlichem Verkehr. Er habe sein Fahrzeug auf dem Grundstück O x in Traun vor einer Laderampe seines eigenen Speditionsbetriebes abgestellt gehabt. Die Lagerhalle sei 24 Stunden am Tag in Betrieb und es werde rund um die Uhr Gefriergut be- und entladen. Es sei für die Allgemeinheit deutlich erkennbar, dass es sich dabei um ein Privatgrundstück (ausgewiesenes Firmenareal) handle. Aufgrund des natürlichen Straßenverlaufes würde man nicht auf die Manipulationsfläche vor der Rampe gelangen. Eine Absperrung mit einer Kette oder einem Schranken sei aufgrund der Länge der Manipulationsfläche entlang der Rampe nicht möglich und es würde dadurch der Fließverkehr gestört, wenn die Lkw-Fahrer auf der öffentlichen Straße stehen bleiben müssten, um die Schranken zu öffnen oder die Ketten zu entfernen.
Aus dem vorgelegten Lageplan sei erkennbar, dass es sich um ein Privatgrundstück/ausgewiesenes Firmenareal handle, welches entgegen der Ansicht der Behörde auch mit einem Schild entsprechend gekennzeichnet sei.
3. Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes ohne Beschwerdevorentscheidung dem Landesverwaltungs-gericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung, welches durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter entscheidet.
4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle am 24.11.2016. An dieser haben der Beschwerdeführer und sein Rechtsvertreter teilgenommen, die belangte Behörde war entschuldigt. Der Zeuge Bezirksinspektor Rieder wurde zum Sachverhalt befragt.
4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer hatte den im Spruch angeführten PKW am 7.11.2015 um 12.25 Uhr in Traun, vor dem Objekt O x auf einem Parkplatz unmittelbar vor der Laderampe abgestellt. An diesem PKW waren die deutschen Kennzeichen x angebracht, gleichzeitig eine österreichische Begutachtungsplakette mit dem Kennzeichen x, welche bereits im Jänner 2013 abgelaufen war. Der Landkreis sächsische Schweiz – Osterzgebirge – hatte ein Rechtshilfeersuchen am 14.10.2015 an die LPD Oberösterreich zur Zwangseinziehung oder Zwangsentstempelung dieser Kennzeichen gesendet. Aus dem Text dieses Rechtshilfeersuchens ergibt sich, dass unter anderem der gegenständliche PKW mit dem Kennzeichen x auf die Firma L D, Fahrzeugverleih und Kfz-Handel, Z Straße x in A, zugelassen war, das Gewerbe aber bereits seit 31.3.2013 abgemeldet war. Das Fahrzeug war in Österreich bereits mit Wechselkennzeichen x zugelassen, weshalb der Landkreis sächsische Schweiz – Osterzgebirge – ersuchte, die amtlichen Kennzeichen einzuziehen oder die Landkreisplaketten zu entstempeln. Aufgrund dieses Rechtshilfeersuchens wurden vom Zeugen Bezirksinspektor R, welcher das Fahrzeug am Abstellort wahrgenommen hatte, die deutschen Kennzeichentafeln abgenommen und die diesem Verfahren zugrundeliegende Anzeige erstattet.
Der Beschwerdeführer führte zum Sachverhalt an, dass er diesen PKW bereits im Jahr 1992 in Deutschland auf seine dortige Handelsfirma angemeldet hatte. Aufgrund einer Anfrage des Finanzamtes wegen der Normverbrauchsabgabe habe er das Fahrzeug dann in Österreich auf Wechselkennzeichen im Jahr 2012 angemeldet. Er habe das Fahrzeug mit den österreichischen Kennzeichen aber nicht verwendet, er sei mit diesem Fahrzeug nur ganz selten gefahren, es sei immer auf dem Firmenparkplatz abgestellt gewesen.
Die örtlichen Verhältnisse stellen sich wie folgt dar:
Beim Objekt O Nr. x sowie beim daran im Süden anschließendem langgestrecktem Gebäude handelt es sich um Lagerräume des Speditions-unternehmens des Beschwerdeführers. Über die gesamte Länge dieser Gebäude befindet sich auf jener Seite, auf welcher der PKW abgestellt war, eine Laderampe. Auf diesen Gebäuden im Nahebereich des abgestellten PKW sind folgende drei Schilder angebracht: „Privatgrund Betreten verboten“, „Betriebsgelände Betreten auf eigene Gefahr“, „Zufahrt nur für Kunden und Lieferanten“. Die Fläche vor den Laderampen ist genauso wie die angrenzende Obereggerstraße asphaltiert, ein Unterschied zwischen dem Straßenverlauf und der Flächen vor den Lagergebäuden besteht lediglich in der Farbe des Asphaltes, dieser ist auf der Fahrbahn etwas dunkler. Teilweise sind zwischen dem Straßenverlauf und der angrenzenden ebenfalls asphaltierten Fläche auch Randsteine vorhanden, welche allerdings niveaugleich mit dem Asphalt ausgeführt sind. Eine Absperrung bzw. Abschrankung der Manipulationsfläche zur Fahrbahn ist nicht vorhanden.
5. Darüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:
5.1. Gemäß § 1 Abs. 1 KFG sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, sofern im Abs. 2 nichts anderes festgesetzt ist, auf Kraftfahrzeuge und Anhänger, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr (§ 1 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960) verwendet werden und auf den Verkehr mit diesen Fahrzeugen auf solchen Straßen anzuwenden.
Gemäß § 1 Abs. 1 StVO 1960 gilt dieses Bundesgesetz für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.
5.2. Die belangte Behörde hat grundsätzlich zutreffend darauf verwiesen, dass es für die Beurteilung, ob eine Landfläche als Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne der StVO anzusehen ist, nicht darauf ankommt, in wessen Eigentum diese steht. Der Umstand, dass sich die Manipulationsfläche vor den Laderampen im Eigentum des Beschwerdeführers befindet, ist daher für die Beurteilung, ob die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung und des KFG anzuwenden sind, nicht relevant. Nach der von der belangten Behörde ebenfalls zutreffend angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es darauf an, ob die betreffende Landfläche von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden kann. Eine Straße kann dann von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benutzung für den Fahrzeug- bzw. Fußgängerverkehr freisteht. Auch ein LKW-Abstellplatz kann eine Straße mit öffentlichem Verkehr darstellen (VwGH 8.4.1987, 85/03/0173). Nach der Entscheidung des VwGH ist dann von einer Straße mit öffentlichem Verkehr auszugehen, wenn sie weder abgeschrankt noch als Privatstraße gekennzeichnet ist noch auf dieser auf die Beschränkung des öffentlichen Verkehrs hinweisende Tafeln aufgestellt sind (VwGH 14.12.1972, 11/72).
Im gegenständlichen Fall ist die Manipulationsfläche vor den Laderampen, auf welcher der gegenständlichen PKW abgestellt war, nicht durch Schranken von der O abgetrennt und auch nicht eingezäunt. Dies spricht auf den ersten Blick – so wie es auch die belangte Behörde gemacht hat – dafür, diese Flächen als Straße mit öffentlichem Verkehr zu qualifizieren. Die räumliche Abgrenzung zur O ist durch die unterschiedliche Farbe des Asphaltes und die teilweise vorhandenen Randsteine erkennbar. Wesentlich ist, dass insgesamt drei Schilder vorhanden sind, mit welchen der Eigentümer der Manipulationsfläche deutlich zum Ausdruck bringt, dass er die Benützung dieser Manipulationsfläche durch die Allgemeinheit ausschließen will: es gibt einen Hinweis auf ein Betriebsgelände sowie auf Privatgrund, dessen Betreten verboten ist und außerdem den Hinweis, dass das Zufahren nur für Kunden und Lieferanten erlaubt ist. Damit ist – insbesondere im Zusammenhang mit dem Umstand, dass entlang der gesamten Gebäudelänge eine Laderampe vorhanden ist – nach hs. Ansicht für jedermann klar erkennbar, dass diese Fläche nur von Kunden und Lieferanten befahren bzw. betreten werden darf. Aus der Kombination dieser Schilder und der vorhandenen Laderampe ist für jeden einsichtigen Verkehrsteilnehmer erkennbar, dass entlang der Laderampe Fahrzeuge grundsätzlich nur zum Be- und Entladen im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der gegenständlichen Spedition abgestellt werden dürfen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Parkplätzen vor einem Gasthaus bzw. einem Kaufhaus, welche mit Schildern „Parken nur für Gäste“ bzw. „Parkplatz für Kunden“ gekennzeichnet waren, ausgesprochen, dass es sich dabei um Straßen mit öffentlichem Verkehr handelt, weil der zur Benützung der Verkehrsfläche berechtigte Personenkreis von Vornherein unbestimmt ist, insbesondere weil jedermann die Möglichkeit hat, Gast bzw. Kunde zu werden (VwGH 3.10.1990, 90/02/0094.
Auch die gegenständliche Manipulationsfläche ist mit einem Schild „Zufahrt nur für Kunden und Lieferanten“ gekennzeichnet. Der nach hs. Ansicht wesentliche Unterschied zu dem Parkplatz eines Gasthauses bzw. eines Kaufhauses besteht jedoch nach darin, dass es sich hier um Kunden bzw. Lieferanten eines Speditionsunternehmens handelt. Nur diese sollen nach dem deutlich sichtbaren Hinweis des Grundeigentümers die entsprechende Verkehrsfläche betreten bzw. befahren dürfen. Im Gegensatz zu einem Gasthaus- bzw. Kaufhausparkplatz kann jedoch gerade nicht davon ausgegangen werden, dass jedermann Kunde eines Speditionsunternehmens wird. Die An- und Ablieferung von Waren zu einem Speditionsunternehmen erfolgt typischerweise nur durch einen sehr eingeschränkten Personenkreis, weshalb nach hs. Ansicht bei Abwägung der gesamten Verhältnisse für jedermann ersichtlich ist, dass diese Manipulationsfläche nicht zur allgemeinen Benützung freisteht. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Ansicht der Behörde, dass es sich um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handle, aufgrund der fehlenden baulichen Abgrenzung ebenfalls vertretbar erscheint. Es handelt sich bei der Beurteilung, ob diese Fläche eine Straße mit öffentlichem Verkehr darstellt, nach hs. Ansicht um einen Grenzfall, wobei jedoch die Argumente, welche gegen eine allgemeine Benützbarkeit sprechen, überwiegen.
Da für den Abstellplatz des im Spruch angeführten PKW die Bestimmungen des KFG gemäß § 1 Abs. 1 KFG nicht anzuwenden sind, können dem Beschwerdeführer auch keine Übertretungen des KFG vorgeworfen werden. Seiner Beschwerde war daher stattzugeben und das Verfahren einzustellen.
II. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist zulässig, weil die Frage, ob eine nicht abgeschrankte, in der Natur jedoch erkennbare, Manipulationsfläche eines Speditionsunternehmens, welche mit den Schildern „Privatgrund Betreten verboten“ sowie „Zufahrt nur für Kunden und Lieferanten“ als Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO zu werten ist, soweit ersichtlich, in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht eindeutig geklärt ist.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Zöbl
Beachte:
Vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben.
VwGH vom 13. April 2017, Zl.: Ro 2017/02/0015-4