LVwG-550899/9/FP - 550900/2

Linz, 01.12.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Pohl aus Anlass der Beschwerde von 1. M G-A und 2. S G-A, X, X, vertreten durch
Mag. M K, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Bezirks­hauptmannschaft Rohrbach vom 26. April 2016, GZ: N10-180-2014, wegen eines Alternativauftrags nach § 58 Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung an Ort und Stelle,

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die von der belangten Behörde im Hinblick auf Punkt I.1. des bekämpften Bescheides (Antragstel­lung) gesetzte Frist auf 8 Wochen ab Zustellung des gegenständ­lichen Erkenntnisses abgeändert und im Hinblick auf Punkt I.2. des bekämpften Bescheides (Wiederherstellung) eine Frist von 5 Mona­ten ab Zustellung dieses Erkenntnisses gesetzt wird.

 

 

II.      Gemäß § 17 VwGVG iVm § 77 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsver­fahrensgesetz 1991 (AVG) iVm §§ 1 und 3 Abs. 1 der Oö. Landes-Kommissionsgebührenverordnung 2013 - Oö. LKommGebV 2013 haben Herr M G-A und Frau S G-A, beide X, X, binnen 2 Wochen ab Rechtskraft dieses Erkenntnisses, bei sonstiger Exe­kution, zur ungeteilten Hand, einen Betrag von 122,40 Euro zu entrichten.

 

 

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.1. Mit Bescheid vom 26. April 2016 trug die belangte Behörde den Beschwerdeführern (Bf) auf, hinsichtlich eines von diesen konsenslos errichteten Forstweges auf dem Grundstück Nr. X, KG S, binnen einer Frist von 8 Wochen die naturschutzrechtliche Bewilligung zu beantragen, oder den vorigen Zustand unter bestimmten Anordnungen wiederherzustellen.

 

Der Bescheid lautete wie folgt:

 

„[…] Sie sind grundbücherliche Eigentümer des Grundstückes X, KG S. Nach den Erhebungen des Bezirksförsters haben Sie auf diesem Grundstück, ausgehend von der bestehenden Forststraße des Xstiftes S, in Richtung Nordosten einen Forstweg mit einer Breite von 3 m (im Bereich der Einmündung in die X-Forststraße ist er ca. 5 m breit), mit einer Fahrbahn­längs­neigung bis zu 29 %, auf einer Gesamtlänge von ca. 160 m, errichtet. Nach den Angaben des Bezirksförsters sind die bestehenden Rückewege zur Erschließung ausreichend, wobei ein Rückeweg an der westlichen Grundgrenze und einer etwa 20 m westlich der östlichen Grenze verläuft.

 

Der illegal hergestellte Forstweg liegt zur Gänze im Europaschutzgebiet ‚B und M‘. Die Angelegenheit wurde der Landesnaturschutzbehörde zur Prüfung vorge­legt, ob die bereits getätigten Maßnahmen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzweckes im Europaschutzgebiet führen können. Dies wurde bejaht. Das Vorhaben unterliegt somit der Bewilligungspflicht nach § 24 Abs. 3 Oö. Natur- und Landschafts­schutzgesetz 2001 durch die Landesnaturschutzbehörde.

 

Da es sich um ein konsensloses Vorhaben handelt, ist nach § 58 Abs. 1 Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001 vorzugehen.

 

Von der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach als Organ der Oö. Landesverwaltung ergeht folgender

 

I. Spruch

 

Es wird Ihnen aufgetragen, bezüglich des oben beschriebenen, auf dem Grundstück X, KG S, Markgemeinde X, konsenslos errichteten Forstweges, mit einer Länge von ca.
160 m und einer durchschnittlichen Breite von ca. 3 m, binnen 8 Wochen nach Zustellung dieses Bescheides

1. unter Beischluss eines 2-fachen Projektes um die nachträgliche naturschutzrechtliche Bewilligung anzusuchen oder

auf ihre Kosten den vorigen Zustand wieder herzu­stellen und folgende Anordnungen zu befolgen:

 

a) Bekanntgabe der Rückbauarbeiten mindestens 1 Woche vorher zur Ermöglichung

der Bauaufsicht durch den ha. Forstdienst. Den Anordnungen der Bauaufsicht ist Folge zu leisten.

b) Das als Tragschicht aufgebrachte Fremdmaterial (Flins) ist zu entfernen.

2. c) Zur Fahrbahnerrichtung ausgehobenes und seitlich abgelagertes Bodenmaterial
  ist wieder in die Trasse rückzubringen.

d) Die zahlreichen seitlich abgelagerten Felsblöcke sind wieder in den Trassenbe-reich einzubringen.

e) Aus dem bergseitigen Graben der Forststraße des Stiftes S ist das eingebaute Durchlassrohr zu entfernen.

f) Der ordnungsgemäße Abschluss der Arbeiten ist der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach unaufgefordert mitzuteilen.

 

Rechtsgrundlage

§ 58 in Verbindung mit § 24 des Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetzes 2001
(Oö. NSchG. 2001)

 

II. Kosten

 

Sie haben binnen zwei Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides auf das Konto der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach bei der Sparkasse X, IBAN: X, BIC: X, zu entrichten:

 

Kommissionsgebühren

 

für 1 Amtsorgan, 2 begonnene halbe Stunden zu 20,40 Euro für eine Forstbegehung am 17.6.2015

40,80 Euro

 

Rechtsgrundlage

§ 77 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) in Verbindung mit § 3 Abs. 1 der Landes-Kommissionsgebührenverordnung 2013.

 

Begründung

 

Sie sind grundbücherliche Eigentümer des Grundstückes X, KG S. Nach den Erhebungen des Bezirksförsters haben Sie auf diesem Grundstück, ausgehend von der bestehenden Forststraße des Xstiftes S, in Richtung Nordosten einen Forstweg mit einer Breite von
3 m (im Bereich der Einmündung in die X-Forststraße ist er ca. 5 m breit), mit einer Fahrbahnlängsneigung bis zu 29 %, auf einer Gesamtlänge von ca. 160 m, errichtet. Nach den Angaben des Bezirksförsters sind die bestehenden Rückewege zur Erschließung ausreichend, wobei ein Rückeweg an der westlichen Grundgrenze und einer etwa 20 m westlich der östlichen Grenze verläuft.

 

Der illegal hergestellte Forstweg liegt zur Gänze im Europaschutzgebiet ‚B und M‘.

 

Nach § 24 Abs. 3 bedürfen Maßnahmen, die einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzweckes eines Europaschutzgebietes führen können, vor ihrer Ausführung der Bewilligung der Landes­regierung. Auf Antrag des Projektwerbers hat die Behörde innerhalb von acht Wochen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Bewilligungspflicht gemäß dem ersten Satz besteht.

 

Die Angelegenheit wurde der Landesnaturschutzbehörde zur Prüfung vorgelegt, ob die bereits getätigten Maßnahmen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutz­zweckes im Europaschutzgebiet nach § 24 Abs. 3 Oö.NSchG. 2001 führen können. Dies wurde bejaht und mitgeteilt, dass im vorliegenden Fall eine bewilligungspflichtige Maß­nahme nach § 24 vorliegt. Begründet wurde die getroffene Feststellung im beigelegten
4-seitigen Gutachten des Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz.

 

Da es sich nunmehr um ein konsensloses Vorhaben im Sinn des § 24 Abs. 3 handelt, ist nach § 58 Abs. 1 Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001 vorzugehen.

 

§ 58 Abs. 1 lautet:

Wenn ein bewilligungs-, feststellungs- oder anzeigepflichtiges Vorhaben ohne eine nach diesem Landesgesetz erforderliche Bewilligung, Feststellung oder Anzeige verwirklicht oder wesentlich geändert wurde, ist der Person, die das Vorhaben ausgeführt hat oder ausführen hat lassen oder allenfalls subsidiär die verfügungsberechtigte Person, von der Behörde unabhängig von einer allfälligen Bestrafung aufzutragen, entweder

1.    innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist um die nachträgliche Erteilung der Bewilligung anzusuchen oder

2.    innerhalb einer weiters festzusetzenden angemessenen Frist, welche nach Wochen oder Monaten zu bestimmen ist, auf ihre Kosten den vorigen bzw. den bescheid­mäßigen Zustand wieder herzustellen oder, wenn dies tatsächlich nicht möglich ist, den geschaffenen Zustand in einer Weise abzuändern, dass Natur und Landschaft möglichst wenig beeinträchtigt werden.

Die Möglichkeit nach Z 1 ist nicht einzuräumen, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Bewilligung nicht erteilt werden kann. In jedem Fall kann auch die unverzügliche Einstellung der weiteren Ausführung des Vorhabens bis zum Zeitpunkt der Erteilung einer allfälligen Bewilligung verfügt werden.

 

Auf Grund der eindeutigen Rechtslage war der im Gesetz vorgesehene Alternativauftrag zu erlassen und die Möglichkeit der nachträglichen Antragstellung zu gewähren bzw. der Rückbau bescheidmäßig aufzutragen.

Die genaue Festlegung der Rückbaumaßnahmen erfolgte auf der Grundlage der forstfach­lichen Stellungnahme vom 6.7.2015. Der Gutachter hat einschlägige naturschutzfachliche Kenntnisse. Er ist Gebietsbetreuer des Europaschutzgebietes ‚B und M‘. Darüberhinaus konnten seine bautechnischen Kenntnisse aus der Forststraßen­planung in die Sachverhaltsermittlung einfließen.

 

Die für die Rückbaumaßnahmen festgelegte Frist erscheint angemessen.

Es ist spruchgemäß zu entscheiden. Auf die zitierten Gesetzesstellen und die vorlie­genden Sachverständigengutachten wird verwiesen.

[Hervorhebungen nicht übernommen]

 

I.2. Gegen diesen Bescheid erhoben die Bf mit Schriftsatz vom 25. Mai 2015 rechtzeitig Beschwerde:

 

Diese lautet wie folgt:

 


 

1. Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer sind grundbücherliche Eigentümer des Grundstückes X, KG X S. Die Beschwerdeführer haben auf diesem Grundstück ausgehend von der bestehenden Forststraße S in Richtung Nordosten eine Rückegasse errichtet.

 

Nach Ansicht der belangten Behörde wurde dieser Forstweg illegal hergestellt und liegt zur Gänze im Europaschutzgebiet ‚B und M‘. Nach einem Prüfungs­ersuchen an die Landesnaturschutzbehörde kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die Errichtung des Weges durch die Beschwerdeführer zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzweckes im Europaschutzgebiet nach § 24 Abs 3 Oö. NSchG 2001 führen könnte.

 

Die belangte Behörde legte den Beschwerdeführern deshalb mit dem angefochtenen Bescheid auf, den errichteten Weg zu beseitigen oder nachträglich um Genehmigung anzusuchen. Dabei verweist die belangte Behörde zur Bescheidbegründung nur auf das Gutachten des Amtssachverständigen für Naturschutz. Die belangte Behörde hat die Beschwerdeführer nach Einholung der Stellungnahme des Amtssachverständigen für Naturschutz nicht mehr gehört und ihnen keine Stellungnahmemöglichkeit zum Gutach­ten des Amtssachverständigen eingeräumt, sondern den angefochtenen Bescheid erst mit 26.04.2016 erlassen, obwohl sich die Stellungnahme des Amtssachverständigen für Naturschutz seit Herbst 2015 im Verwaltungsakt befand.

 

2. Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit der Bescheidbeschwerde:

Gegen diesen Bescheid ist die Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht zulässig und statthaft. Die Beschwerde wird innerhalb offener Frist erhoben. Der angefochtene Bescheid wurde den Beschwerdeführern am 29.04.2016 zugestellt.

 

3. Beschwerdebehauptung und Beschwerdegründe:

Der Bescheid der belangten Behörde vom 26.04.2016, GZ: N10-180-2014 verletzt die Beschwerdeführer in ihren subjektiven Rechten auf

a.) Nichtvorschreibung der Beseitigung des errichteten Weges und

b.) Errichtung des Weges ohne um behördliche bzw. naturschutzrechtliche Bewilligung ansuchen zu müssen und

c.) Einräumung des Parteiengehörs.

 

Diese Rechtsverletzungen ergeben sich aus folgenden Gründen:

 

Verletzung des Parteiengehörs:

Die Beschwerdeführer wurden nicht von der Begehung und Begutachtung durch den Naturschutzsachverständigen informiert. Ebenso wenig hat die belangte Behörde den Beschwerdeführern die Möglichkeit eingeräumt, zum diesbezüglichen Gutachten des Amtssachverständigen Stellung zu nehmen. Diese Verletzung des Parteiengehörs wiegt umso schwerer, als die Beschwerdeführer gegenüber der belangten Behörde sogar ausdrücklich um Beiziehung zur weiteren Begutachtung ersucht haben (siehe forst­fachliche Stellungnahme BOFÖ F vom 06.07.2015) und ausreichend Zeit gewesen wäre, um den Beschwerdeführern das Gutachten des Amtssachverständigen für Naturschutz zur Kenntnis zu bringen, zumal sich dessen Gutachten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits mehrere Monate im Verwaltungsakt befand.

 

Die Beschwerdeführer wurden durch dieses Vorgehen der belangten Behörde in ihrem Recht auf Einräumung des Parteiengehörs verletzt. Hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführern entsprechendes Gehör eingeräumt, so hätten sie ausführlich darlegen können, dass aus naturschutzrechtlicher Sicht keine hinreichenden Gründe vorliegen, den gegenständlichen Weg zu entfernen bzw. nachträglich behördlich bewilligen zu müssen. Die Beschwerdeführer hätten ihre nachstehenden Ausführungen zur naturschutzrecht­lichen Situation bei Einräumung des Parteiengehörs bereits im Verwaltungsverfahren
I. Instanz vorbringen können, wodurch die belangte Behörde jedenfalls zu einem anderen Bescheid gekommen wäre. Die belangte Behörde hat dadurch auch den Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit verletzt und ihrem Bescheid ein unvollständiges und einseitiges Tatsachensubstrat, basierend auf unvollständigen Ausführungen des Amtssachverständigen, zu Grunde gelegt. Dieser Verfahrensmangel ist damit wesentlich, sodass der Bescheid aufzuheben ist.

 

Verstoß gegen naturschutzrechtliche Bestimmungen:

Die belangte Behörde hätte bei ihrer rechtlichen Beurteilung auch die Verordnung der OÖ. Landesregierung, mit der das Gebiet ‚B und M‘ als Europa­schutz­gebiet bezeichnet wird, beachten müssen. Mit deren hier maßgeblichen Bestimmungen hat sich die belangte Behörde jedoch nicht auseinander gesetzt, so dass der ange­fochtene Bescheid auch aus diesen Gründen rechtswidrig ist. Konkret wird hierzu ausgeführt:

 

§ 4 Abs 2 der Verordnung Europaschutzgebiet ‚B und M‘ zählt demonstrativ einige Maßnahmen auf, die keinesfalls zu einer wesentlichen Beeinträch­tigung des Schutzzweckes des Europaschutzgebietes im Sinne des § 24 Abs 3. NSchG 2001 führen, wenn diese Maßnahmen außerhalb eines Naturschutzgebiets nach § 2 Abs 2 der Verordnung Europaschutzgebiet ‚B und M‘ gesetzt werden.

 

Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass sich der vom Bescheid der belangten Behörde betroffene Weg bzw. das betroffene Grundstück der Beschwerdeführer nicht in einem nach § 2 Abs 2 der Verordnung Europaschutzgebiet ‚B und M‘ festgelegten Gebiet befinden. Dies hätte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ebenso wie der Amtssachverständige für Naturschutz berücksichtigen müssen, um zu einer rechtsrichtigen Beurteilung zu kommen. Die belangte Behörde hat es aber verabsäumt die Bestimmungen des § 4 Abs 2 iVm § 2 Abs 2 leg cit der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen, sondern hat diese Bestimmungen übergangen.

 

Nach diesen von der Behörde nicht geprüften Bestimmungen führen insbesondere die Maßnahmen nach § 4 Abs 2 Z 2.7. und Abs 2. Z 2.8. leg cit zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzwecks des Europaschutzgebietes.

 

Zunächst ist auf den § 4 Abs 2 Z 2 Punkt 7 der Verordnung Europaschutzgebiet ‚B und M‘ der einzugehen:

Bei der verfahrensgegenständlichen Fläche handelt es sich um einen Fichtenforst, der ca. 60 Jahre alt ist und somit um keine Lebensräume nach Tabelle 1 und Tabelle 2 der Verordnung Europaschutzgebiet ‚B und M‘.

 

Die belangte Behörde hätte dementsprechend nur prüfen müssen, ob das gegen­ständliche Grundstück im Bereich des betroffenen Weges einen wichtigen Lebensraum für die Luchsaufzucht darstellt und ob dieser Lebensraum beeinträchtigt wird. Dies hat die belangte Behörde - wie ausgeführt - nicht geprüft, sondern stützt sich in der Bescheidbegründung lediglich auf das Gutachten des Amtssachverständigen
Mag. G.

 

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass das Gutachten des Amtssachverständigen in sich widersprüchlich ist. Zunächst führt der Sachverständige aus, dass eine Fläche, die sich als Bereich für eine Reproduktion bzw. die Jungenaufzucht von Luchsen eignet ‚störungsarm, schwer zugänglich, strukturreich, in Südexposition‘ gelegen sein muss und ‚eine deckungsreiche und reichlich strukturierte offene Kulturlandschaft in der Nähe aufweist‘ und ebenso ‚Waldwiesen und Waldrandlagen im Umfeld von Vorteil sind‘.

 

In diesem Zusammenhang hält der Sachverständige auf Seite 2 Abs 3 Satz 1 fest, dass die gegenständliche Fläche strukturreich wäre. In Absatz 3 widerspricht sich der Sachverständige aber, indem er meint, dass ‚liegendes Totholz, Wurzelteller, Felsburgen und ähnliche Sonderstrukturen nur in einem untergeordneten Ausmaß an der gegen­ständlichen Fläche vorhanden sind und der Bereich nicht überdurchschnittlich aufge­wertet wird‘. Somit bleibt aufgrund dieses Widerspruchs offen, ob die gegenständliche Fläche strukturreich ist oder eben nicht, was eine der Grundvoraussetzungen für eine besondere Wertigkeit für die Luchsjungenaufzucht darstellt.

 

Außerdem berücksichtigt der Sachverständige in seinem Gutachten nicht den gegebenen Lebensraum und seine Qualität sowie bereits vorhandene Vorbelastungen, die der besonderen Wertigkeit der Fläche entgegenstehen. Ebenfalls wird vom Sachverständigen nicht darauf eingegangen, ob durch das gegenständliche Projekt zusätzliche Störungen des Luchses über die bereits vorhandenen hinaus auftreten werden.

 

In diesem Zusammenhang hätte der Sachverständige jedenfalls zusätzlich nachstehende Erwägungen in seinem Gutachten berücksichtigen müssen:

a. Der Luchs hat sich im Bereich des Xwaldes bereits positiv entwickelt. Die bisherige forstwirtschaftliche Nutzung mit einem derzeitigen Bestand von mehr als
100 km (!) Forststraßen und Rückewege steht dieser positiven Bestandsentwicklung des Luchses nicht entgegen. Die Bewilligungsfreistellungen nach § 4 Abs 2 der Verordnung Europaschutzgebiet ‚B und M‘ haben dementsprechend bereits eine sachliche Rechtfertigung im Sinne der Gedanken des Gesetzgebers erfahren. Der Amtssachverständige setzt sich allerdings mit dieser positiven Bestandsentwicklung ‚trotz‘ der umfangreichen forstwirtschaftlichen Nutzung nicht auseinander.

 

b. Neueste Forschungen und Entwicklungen zeigen, dass der Luchs durch mensch­liche Tätigkeiten großräumig nicht so stark beeinträchtigt wird, wie in der älteren Literatur und auch offensichtlich vom Amtssachverständigen angenommen. Selbst in Bereichen mit Siedlungen und laufender landwirtschaftlicher Nutzung findet man Luchse, was immer wieder den Medien entnommen werden kann (vgl. beiliegender Bericht in den X vom 19.08.2015; Beilage ./A).

 

c. Die unmittelbar an den gegenständlichen Weg angrenzende Forststraße ‚S‘ ist Teil des Xwaldrundweges. Dieser Weg ist beschildert und in Wander­karten ausgewiesen und wird häufig touristisch genutzt. Darauf geht der Amts­sachverständige sogar in seinem Gutachten kurz ein, unterlässt es jedoch, die Besucherfrequenzen und die jahreszeitlichen Auslastungen des Xwaldrundweges (Seite 2, Abs 4, vorletzter Satz des Sachverständigengutachtens) zu erheben, um zu einem vollständigen und richtigen Gutachten zu kommen. Hätte der Sachverständige diese Überlegungen angestellt, hätte er zum Ergebnis kommen müssen, dass der unmittelbar an den gegenständlichen Weg angrenzende Bereich der Forststraße ‚S‘ häufig von Erholungssuchenden genutzt wird, sodass die gegenständliche Fläche des Weges nicht als störungsfrei eingestuft werden kann und damit fachlich als nicht geeignet für die Luchsjungenaufzucht angesehen werden müsste.

Beispielsweise benutzen Touristen und/oder Erholungssuchende den Bereich des gegen­ständlichen Wegs sehr häufig. Oftmals werden sogar Hunde mit sich geführt, wobei es durch diese Hunde zwangsläufig immer wieder zu ‚Markierungen‘ im Bereich der Forststraße ‚S‘ und auch im Bereich des gegenständlichen Weges kommt. Die häufige touristische Frequenz sowie das ‚Markieren‘ von Hunden schreckt Luchse natur­gemäß ab, wodurch alleine aus diesen Umständen eine Luchsjungenaufzucht im gegen­ständlichen Bereich ausgeschlossen ist.

 

d. Die angrenzenden Waldbestände sind bereits mit einem dichten Forststraßen-, Rückegassen- bzw. Wegenetz durchzogen (siehe beiliegende Lageplanskizze). Bei diesen Wegen handelt es sich - im Vergleich zum gegenständlichen Weg - vielfach um wesent­lich breitere und weniger boden- bzw. bestandsschonend angelegte Fahrtrassen (siehe Fotobeilage; Beilage ./B) für eine bereits bestehende, intensive und anhaltende Wald­bewirt­schaftung, die sogar von großen Fahrzeugen wie einem Harvester genutzt werden. Aufgrund dieses dichten Wegenetzes und der intensiven Forstnutzung in den angren­zenden Gebieten kann keinesfalls von einem störungsarmen Gebiet gesprochen werden, das für die Luchsaufzucht geeignet ist.

 

Ebenso ist zu berücksichtigen, dass sich neben der gegenständlichen Forststraße im Abstand von 50 m zwei weitere Rückegassen befinden. Wenn sich - so wie der Amts­sachverständige das ausführt - Rückewege in diesem Bereich tatsächlich negativ auf den Luchsbestand bzw. die Luchsjungenaufzucht auswirken, dann ist die dazwischenliegende Fläche, auf der sich der gegenständlichen Weg befindet, als ein Aufzuchthabitat für Luchsjungen zu klein und ungeeignet. Somit kann mangels Existenz eines geeigneten Aufzuchthabitats keine Störung eines Aufzuchtgebietes vorhanden sein kann und eine Störung jedenfalls ausgeschlossen werden.

 

e. Die Zunahme von Störungen durch die Nutzung des Weges (zB als Abkürzung) durch Freizeitsuchende kann beim gegenständlichen ‚S‘ mit einer Länge von
140 m, der eine Sackgasse darstellt, ausgeschlossen werden.

 

f. Nach Ansicht der Beschwerdeführer würden durch den gegenständlichen Weg etwaige Störungen des Luchses (wenn überhaupt!) ab- statt zunehmen, da die Wald­arbeiten durch den neu geschaffenen Weg und den nunmehr möglichen Maschineneinsatz in kürzerer Zeit erledigt werden können und der nächste ‚Eingriff‘ durch das effektivere Arbeiten später stattfindet.

 

Zur Anwendbarkeit von § 7 Abs 2 Z 2 Punkt 8 Verordnung Europaschutzgebiet ‚B und M‘:

Moorwälder sind im Bereich des gegenständlichen Weges nicht vorhanden, wobei das im Bescheid und im Gutachten des Amtssachverständigen bestätigt wird. Es ist daher nur zu prüfen, ob die gegenständliche Rückegasse rechtmäßig angelegt wurde.

 

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die verfahrensgegenständliche Fläche entgegen der Ansicht von BOFÖ Ing. F keine durchgehende Fahrspurlängsneigung von bis zu 29 % aufweist.

 

Überwiegend weist die Trasse eine Längsneigung von 15 % auf. Die Neigung von 29 % besteht nur im Einmündungsbereich auf die bestehende Forststraße auf wenigen Metern. Die Beschwerdeführer haben außerdem keine Planierungsmaßnahmen des gewachsenen Bodens durchgeführt, sodass der natürlich vorhandenen Geländeneigung entsprochen wurde.

 

Die Beschwerdeführer haben bei Errichtung beinahe ausschließlich nur einzelne Steine entfernt und die Unebenheiten mit in der Region vorkommendem Flinzmaterial verfüllt, um ein Befahren der Fläche und damit eine Nutzung als Rückegasse zu ermöglichen.

 

In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass die Länge des Weges entgegen der bescheidmäßigen Feststellung nur 140 m statt 160 m aufweist.

 

Die gegenständliche Wegerrichtung ist aus diesem Gründen eine zulässige und konsens­freie Maßnahme, sodass die Behörde schon nach § 4 Abs 2 Z 2 Punkt 8 der Verordnung Europaschutzgebiet ‚B und M‘ keine Beseitigung bzw. keine nach­trägliche naturschutzrechtliche Bewilligung auferlegen hätte dürfen.

 

Der angefochtene Bescheid ist aus all diesen Gründen rechtswidrig, zumal die gesetzliche Beurteilungsgrundlage von der belangten Behörde unrichtig angewandt wurde und sich die belangte Behörde nur auf die unrichtigen, unvollständigen und unschlüssigen Ausführungen des Amtssachverständigen gestützt hat.

 

Insofern liegt auch ein wesentlicher Verfahrensfehler vor (siehe oben), da die Beschwerdeführer all diese Erwägungen bereits ins Treffen geführt hätten, wenn ihnen die belangte Behörde das gesetzlich gebotene Parteiengehör gewährt hätte. Bei Berücksichtigung dieser Ausführungen der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren, wäre die belangte Behörde jedenfalls nicht zu einem bescheidmäßigen Beseitigungs­auftrag bzw. der Vorschreibung der nachträglichen Bewilligungspflicht gekommen.

 

Beweisanbot für das Beschwerdevorbringen:

 

Einvernahme der Beschwerdeführer;

einzuholendes naturschutzfachliches Gutachten;

Artikel X vom 19.08.2015 (Beilage ./A);

Plan über bestehende Forststraßen (Beilage ./B);

Fotodokumentation die gegenständliche Rückegasse (Beilage ./C);

Ortsaugenschein;

die Beilagen liegen der Beschwerde auf dem Postweg bei.

 


 

4. Beschwerdeerklärung und Anträge:

Die Beschwerdeführer erheben daher gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 26.04.2016, GZ: N10-180-2014, innerhalb offener Frist durch ihren ausgewiesenen Vertreter gemäß Artikel 130 Abs 1 Z 1 B-VG

 

BESCHEIDBESCHWERDE

 

an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich und stellen die

ANTRÄGE,

 

das Verwaltungsgericht möge

1. eine mündliche Verhandlung durchführen;

2. den angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 26.04.2016, GZ: N10-180-2014, ersatzlos aufheben;

in eventu

3. den angefochtenen Bescheid vom 26.04.2016, GZ: N10-180-2014, aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides nach Verfahrensergänzung an die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach zurückverweisen.

[Hervorhebungen nicht übernommen]

 

I.3. Die belangte Behörde legte dem Verwaltungsgericht die Beschwerde samt dem gegenständlichen Verfahrensakt mit Schreiben vom 31. Mai 2016 zur Entscheidung vor und ergänzte wie folgt:

 

Herr und Frau M und S G-A, X, X, haben gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 26.4.2016, N10-180-2014, rechtzeitig Beschwerde erhoben.

 

In der Beilage wird die eingebrachte Beschwerde und der gegenständliche Akt unter Anschluss eines Aktenverzeichnisses mit dem Ersuchen um Entscheidung vorgelegt.

 

Das Beschwerdevorbringen - es handle sich um keine nach § 24 Abs. 3 Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001 bewilligungspflichtige Maßnahme - geht nach Ansicht der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach ins Leere, aus folgenden Gründen:

 

Eine Bewilligungsfreiheit nach § 4 Abs. 2 Z. 2 Pkt. 7 der Verordnung ‚Europaschutzgebiet B und M‘ in Verbindung mit § 24 Abs. 3 Oö.NSchG. 2001 ist nicht gegeben, weil die ggst. Forstwegtrasse nicht in einer Fläche des Lebensraumtyps ‚9110 Hainsimsen-Buchenwald‘ liegt und daher dieser Ausnahmetatbestand gar nicht zum Tragen kommt. Der Forstweg liegt zwar in der Europaschutzgebietsfläche, jedoch nicht in einem eigens ausgewiesenen Lebensraumtyp (sh. ESG-Karte und Feststellung des Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz im Gutachten vom 2.9.2015 - S 1, 2. Absatz). Von den Beschwerdeführern konnte kein Beweis auf gleicher fachlicher Ebene erbracht werden, weshalb es sich - entgegen den Ausführungen des Amtssach­verständigen - bei den konsenslos hergestellten Maßnahmen nicht um solche handelt, die zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Europaschutzgebietes führen können. Dass eine solche wesentliche Beeinträchtigung möglich ist, hat die Landesnaturschutzbehörde in ihrer Prüfung festgestellt, zum Beweis das zitierte Gutachten beigelegt und die Feststellung getroffen, dass die bereits umgesetzte Maßnahme vor ihrer Ausführung einer naturschutzrechtlichen Bewilligung nach § 24 Abs. 3 Oö.NSchG. 2001 bedurft hätte (sh. Schreiben der Landesnaturschutzbehörde vom 30.9.2015, N-10669/1-2015-Fr). Auf dieser Grundlage wurde dann der Alternativauftrag nach § 58 Oö.NSchG. 2001 erlassen. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach ist im übrigen unzuständige Behörde für die Prü­fung der Frage der Bewilligungspflicht nach § 24 Abs. 3 Oö.NSchG. 2001 und hatte das schlüssige und nachvollziehbare Beweisergebnis sowie die daraus abgeleitete rechtliche Würdigung zur Kenntnis zu nehmen und dem weiteren Verfahren zu Grunde zu legen.

 

Was den Vorwurf des nicht eingeräumten Parteiengehörs betrifft, so erscheint dieser Mangel im folgenden Beschwerdeverfahren sanierbar. Ein solcher Verfahrensmangel, der die beschwerdeführende Partei hindert, ihrem subjektiven materiellen Recht (eine genehmigungsfreie Anlage errichtet zu haben) zum Durchbruch zu verhelfen, liegt nach Ansicht der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach nicht vor, weil - wie oben dargelegt - die getätigten Maßnahmen vor ihrer Ausführung jedenfalls einer Bewilligung nach § 24
Abs. 3 Oö.NSchG. 2001 bedurft hätten.

Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass eine Bewilligungspflicht nach § 24 Abs. 3 Oö.NSchG. 2001 nicht gegeben ist, so würde es sich beim errichteten Forstweg zumindestens um eine nach § 5 Z. 2 bewilligungspflichtige Forststraße handeln (sh. forstfachliche Stellungnahmen des Bezirksförsters vom 6.7.2015 und vom 23.11.2015, wonach eine Forststraße errichtet wurde, für die eine Planung durch befugte Fachkräfte erforderlich ist).

 

Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen, zumal damit voraussichtlich die Angelegenheit nicht zur Zufriedenheit aller Parteien erledigt werden könnte bzw. trotzdem mit einem Vorlageantrag zu rechnen wäre.

 

I.4. In einem Schreiben an das Verwaltungsgericht vom 7. November 2016 ergänzte die belangte Behörde wie folgt:

 

[…] Dem Ergebnis der Vorprüfung der Landesnaturschutzbehörde hinsichtlich des Vorliegens einer bewilligungspflichtigen Maßnahme nach § 24 Oö.NSchG. 2001 war auch im Sinn einer verbindlichen Mitteilung als eine dem Verfahren zu Grunde zu legende Vorfrage zu folgen. Die diesbezügliche fachliche Darlegung des ASV für NLS und die daraus gefolgerte rechtlichen Feststellung der Landesnaturschutzbehörde waren für die belangte Behörde nachvollziehbar und schlüssig und der Entscheidung zu Grunde zu legen. In der grundsätzlichen Aussage war aus Sicht der BH Rohrbach jedenfalls kein Widerspruch gegeben.

Die Beschwerdeführer übersehen, dass die Feststellung der Landesnaturschutzbehörde (zutreffendenfalls) nur beinhalten hat, dass die konsenslos hergestellten Maßnahmen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzweckes des ESG B und M führen können, nicht auch zwangsläufig dazu führen müssen. Über den tatsächlichen Einwirkungsgrad ist dann eben in einem gesonderten Verfahren nach § 24 Abs. 3 erster Satz, abzusprechen. Sämtliche Einwendungen der Beschwerdeführer sind solche, die erst in einem solchen Verfahren zu berücksichtigen sind.

Die Projektwerber hätten nach § 24 Abs. 3 leg.cit. ohnehin die Möglichkeit, über eigenen Antrag an die Landesnaturschutzbehörde ein solches Verfahren auf den Weg zu bringen und zu einer mit Rechtsmittel bekämpfbaren Entscheidung nur in dieser Frage (Bewilligungspflicht nach § 24: ja oder nein) zu gelangen. Wenn ein solcher Antrag nicht gestellt wird, so möge die Beschwerde abgewiesen werden, weil die vorgebrachten Einwendungen bereits inhaltliche für ein Verfahren nach § 24 Abs. 3 erster bzw. zweiter Satz sind und diese nur von der zuständigen Behörde (Landesnaturschutzbehörde) in einem gesonderten Verfahren zu berücksichtigen sind, nicht jedoch bei einer im Ergebnis bereits vorliegenden Vorfrage zu einem Verfahren nach § 58. […]“

 

 

II.1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt, Einholung eines Amtssach­verständigengutachtens aus dem Fachbereich Natur- und Landschaftsschutz und öffentliche mündliche Verhandlung an Ort und Stelle. 

 

II.2. Nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt steht fest:

 

Der gegenständliche Forstweg mit einer Länge von etwa 160 m befindet sich zur Gänze auf dem etwa 2 ha großen Grundstück Nr. X, KG S, und verläuft in SW-NO-Richtung hangaufwärts. An seinem südlichen Ausgangspunkt zweigt der gegenständliche Forstweg von einer rechtmäßig bestehenden Forst­straße in steiler Auffahrt ab, welche eine Längsneigung von bis zu etwa 29% aufweist. Der Weg wurde auf einem stark blockigen Waldboden durch seitliche Verlagerung der sich ehemals im Trassenbereich befindlichen Felsblöcke errich­tet. Sowohl westlich als auch östlich des gegenständlichen Weges zweigen Rückewege von der Forststraße ab und verlaufen annähernd parallel zum annähernd mittig gelegenen, gegenständlichen Forstweg. Die Abzweigung des gegenständlichen Forstweges befindet sich etwa im Mittelteil der südwestlichen Grenze des Grundstücks Nr. X, KG S. Es handelt sich um einen Fichten-dominierten Wirtschaftswald-Abschnitt auf grobblockigem Untergrund, welcher in der Schutzgutkarte des Europaschutzgebietes „B und M“ hinsichtlich der Vegetationsgesellschaften nicht als Schutzgutfläche ausgewiesen ist, jedoch unmittelbar von Waldflächen, die dem Lebensraumtyp (Code: 9110) Hainsimsen-Buchenwald zugeordnet sind, umgeben ist. Der Eingriffs­ort befindet sich innerhalb einer geschlossenen Waldfläche auf einer Seehöhe zwischen etwa
825 m und 850 m ü.A., wobei sich der Abzweigungs­punkt des gegenständlichen Forstweges von der bestehenden Forststraße etwa 642 m Luftlinie vom nächstgelegenen westlichen Waldrand entfernt befindet. Die nächstgelegenen Gebäude befinden sich unweit dieses Waldrandes und in einer Distanz (Luftlinie) von etwa 860 m zum Forstweg. Aufgrund des Gehölzbestandes besteht keine direkte Sichtverbindung. Der Hauptort X liegt etwa 3,37 km Luftlinie vom Eingriffsort entfernt in westlicher Richtung, der nächst­gelegene Ort ist S in einer Distanz von etwa 1,9 km in südlicher Rich­tung.

Der gesamte nördlich und nordöstlich gelegene Geländebereich bis hin zur Staats­grenze zur Republik T ist abgesehen von kleineren Lichtungs­bereichen und den Schneisen infrastruktureller Einrichtungen durchgehend bewal­det und Teil des Europaschutzgebietes „B und M“. Gemäß der naturschutzfachlichen Raumgliederung von Oberösterreich befindet sich der gegenständliche Waldbereich in der Raumeinheit „B“. Hierbei handelt es sich um einen sanftwelligen Mittelgebirgsrücken in den höchsten Lagen des M mit höchsten Erhebungen von bis zu (fast) 1.400 m. Es dominiert Wirtschaftswald, welcher überwiegend von Fichten dominiert wird, jedoch treten kleinräumiger auch Buchenwälder und Ahorn-Eschenwälder in Erscheinung. Es existiert ein vergleichsweise dichtes Forststraßennetz, wodurch die forstliche Nutzung der ausgedehnten Waldflächen erleichtert wird. Über 1.100 m Seehöhe sind auch die Fichtenwälder des Gebietes zumindest teilweise noch als sehr naturnah anzusprechen, in tieferen Lagen handelt es sich vielfach jedoch um anthropogen überprägte Wirtschaftswälder mit traditioneller Förde­rung der Fichte.

Die naturschutzfachlichen Leitbilder für Oberösterreich legen für diese Raum­einheit u.a. fest (verfahrensrelevante Aspekte):

 

-      Letzte naturnahe Laub- und Nadelwälder erhalten

-      standortgerechte Baumarten begünstigen

-      kleinräumige forstliche Nutzung beibehalten

-      raumgerechte Wildtier-Vorkommen zulassen und schützen

 

Der gegenständliche Forstweg auf dem Grundstück Nr. X, KG S, befindet sich zur Gänze in einem Waldabschnitt, welcher im Managementplan des Europaschutzgebiets „B und M“ hinsichtlich der FFH-relevanten Lebensraumtypen nicht als Schutzgutfläche ausgewiesen ist. Gemäß den Angaben des Managementplanes und der dort eingearbeiteten Kartierungsdaten handelt es sich beim gegenständlichen Teilbereich um keinen Lebensraumtyp 9110 Hainsimsen-Buchenwald (Luzulo-Fagetum) und auch nicht um den Lebens­raum­typ 9130 Waldmeister-Buchenwald (Asperulo-Fagetum), wenngleich als Hain­simsen-Buchenwald kartierte Flächen im Nahbereich zum Eingriffsort unmittelbar angrenzen.

Die Schutzgut-Karte des Managementplanes für das Europaschutzgebiet „B-M“ (AT3121000) weist den gegenständlichen Waldbereich in seiner Bedeutung für das faunistische Schutzgut „1361 Luchs“ als sehr bedeutend mit dem Populationsstatus „Reproduktion nachgewiesen oder wahr­scheinlich“ aus. Die im angrenzenden Nahbereich als Lebensraumtyp 9110 Hainsimsen-Buchenwald vorliegenden Waldflächen sind sogar als „höchst bedeu­tend“ für das Schutzgut „Luchs“ ausgewiesen.

 

Zur Ausgestaltung der Trasse:

Es wird nicht nur der Waldboden zur Befahrung genutzt (mit kleineren Adaptierungen, wie die Entfernung einiger Bäume oder die Versetzung einzelner Steine), sondern sind Maßnahmen gesetzt worden, welche deutlich über die einfache Nutzung des Geländes hinausgehen. Entlang der Fahrbahn wurden die sich dort ehemals befindlichen Felsblöcke seitlich versetzt und im Bereich des Großteils der Trasse (auf einer Länge von etwa 120 m) eine Tragschicht aus Flinz aufgebracht.

 

Kartenausschnitt Europaschutzgebiet „B und M“ (Ausschnitt Anlage 2/9)

 

Im gegenständlichen Gebiet ist die Reproduktion der Art „1361 Luchs“  als „nach­gewiesen oder wahrscheinlich“ eingestuft und ist die Bedeutung für die Art als „sehr bedeutend / bedeutend“ mit der Begründung „großflächig störungsarm“ einge­stuft.

 

Aus dem Managementplan Europaschutzgebiet „B und M“, Band I - ergeben sich folgende fachliche Grundlagen, wobei die im gegen­ständlichen Beschwerdeverfahren maßgeblichen Ansprüche der Art und die daraus resultierenden Ansprüche an den Lebensraum, insbesondere in Hinblick auf ein Reproduktions- und Aufzuchtgebiet, unterstrichen sind:

 

 

Lebensräume

 

Große zusammenhängende Wälder und strukturreiche Kulturlandschaften mit ausreichend Deckung und Beutetierangebot (v.a. Rehe). Für die Jungenaufzucht sind störungsarme, strukturreiche Rückzugsgebiete (felsige Bereiche, Flächen mit liegendem und Schutz bietenden Todholz, Hohlräume unter Wurzeltellern, steile Bereiche u. dgl.) notwendig. Für Tageseinstände werden gerne südexponierte, sonnige Felsgebiete gewählt. Die Rehwilddichte sollte möglichst natürlich sein. Für ein langfristiges Überleben der Art müssen Luchslebensräume landschaftlich gut vernetzt sein. Leistungsfähige Biokorridore sind eine wesentliche Voraus­setzung zur Erhaltung der Art im Gebiet.

Die größte europäische Katze lebt und jagt hauptsächlich im Hangwaldgürtel, nächtlich jedoch durchaus auch außerhalb des Waldes, wobei Streifzüge von 10 bis 30 km unternommen werden (Cerveny et al 1994 in Müller-Kroehling 2006).

Als Einzelgänger hat der Luchs das Jagdverhalten eines Überraschungsjägers und bedingt so weite Streifgebiete (wegen der Verhaltensänderung der Rehe, wenn sie sich an den Luchs als Gefahr gewöhnt haben) die nach Cerveny et al. (1994 in Müller-Kroehling 2006) mit durchschnittlich 89 km² angegeben werden und bei Jobin (1998 in Müller-Kroehling 2006) mit 100 km². Ähnliche durchschnittliche Reviergrößen sind aus dem Bayerischen Wald bekannt (Wölfl, mündl.). Die Reviere enthalten Kernbereiche und seltener frequentierte Randbereiche (Hemmer 1993 in Müller-Kroehling 2006).

 


 

Im und um das Europaschutzgebiet B-M sind folgende Bereiche von besonderer Bedeutung:

 

·         gesamter Xwald mit Waldwiesen und Waldrandlagen

·         sonnige und südexponierte fels- und/oder totholzreiche Standorte

·         störungsarme, strukturreiche, schwer zugängliche Waldstandorte (Junge­n­aufzucht)

·         deckungsreiche und reichlich strukturierte offene Kulturlandschaft mit ausreichend Rehwild

·         deckungsreiche Bäche zwischen B und M (Vernet­zungs­effekt zwischen den Gebietsteilen)

·         deckungsreiche Bereiche der M (Vernetzungseffekt zwischen den einzelnen Gebietsteilen und nach außen)

·         an das Gebiet angrenzende deckungsreiche Fließgewässerkorridore und Waldgebiete (Vernetzungseffekt/Biokorridore); besonders: X - X - X, X, Unterlauf von Großer und Kleiner X, Wälder Richtung X, Wälder Richtung X sowie X Wald im Westen und X im Norden;

 

 

Erhaltungszustand (nach Ellmauer 2005a)

 

Indikator

 

Bewertung

Besiedelung des potenziellen Lebensraumes

Das Europaschutzgebiet liegt zur Gänze im potenziellen Luchslebensraum. Im Großteil des Gebietes ist > 1 Q2-Hinweis pro Jahr belegt - d.h. regelmäßig über viele Jahre. Auch in der umgebenden Region sind Q2 und einzelne Q1 belegt. Der Bezugsrahmen bei Ellmauer (2005a) ist aber Österreich!

A-B

Durchlässigkeit der Landschaft

Die weitgehend geschlossenen Waldgebiete im Europaschutzgebiet in einer Seehöhe von über 600 m ü. M. sind grundsätzlich gut durchlässig. Barrieren stellen hier jedoch die Landesstraßen nach H, S und O dar. Ebenso sind die Schipisten des Schigebietes H als Barrieren vor allem im Winter und somit zur Zeit der Ranz zu nennen (A-B). Richtung M und weiter nach Süden sind vermehrte Siedlungen und verkehrsreichere Hauptstraßen größere Barrieren (B-C). Richtung B, S und S besteht gute Durchlässigkeit (A). Weiter im Osten übt die X Bundesstraße (bzw. die in Bau befindliche X) eine erhebliche Barrierefunktion aus - ebenso die X im Süden (C).

A-C

Lebensfähigkeit der Population

Das Europaschutzgebiet ist zu klein für eine lebensfähige Population - statistisch ergibt sich für das Gebiet Lebensraum für einen Luchs. Das Europaschutzgebiet kann aber eine wichtige Funktion für den Luchs in der gesamten Region erfüllen – Reproduktion/Migration; Bezüglich Lebensfähigkeit der Population macht nur eine gemeinsame Betrachtung des gesamten Raumes Sinn (Xviertel, Xviertel, X, X Wald) und ergibt hier:

B-C

Gesamtbewertung

 

B


Die Problematik der Bewertung des Erhaltungszustandes für den Luchs wird bei Ellmauer (2005a) ausführlich erläutert. Die Bewertungsanleitung für den Luchs in Ellmauer (2005a) ist geeignet zur Bewertung der Art auf nationaler Basis (Bezugsrahmen ganz Österreich) und ist wenig praktikabel für die Bewertung der Art in kleinen Schutzgebieten wie dem Europaschutzgebiet B-M. Um aber zu einer Bewertung zu kommen wurden soweit als möglich die Indikatoren auf das Schutzgebiet umgelegt.

 

Erhaltungs- und Entwicklungsziele

Primäres Ziel ist die Erhaltung des Gebietes als vitalen Lebens- und Reproduktionsraum für den Luchs. Das Gebiet stellt ein wichtiges Teilgebiet der gesamten 3-Länder-Luchspopulation dar und ist gemeinsam mit den angrenzenden Gebieten in B und S Quellgebiet für eine dauerhafte Besiedelung der an das Europaschutzgebiet angrenzenden Gebiete Richtung Süden und Osten.

Die Biokorridorfunktion der deckungsreichen Ufer von Fließgewässern ist zu erhalten und, wo mangelhaft (z.B. zwischen B und dem Tal der Großen X), zu entwickeln.

 

Ziele (nach Prioritäten gereiht)

Erhalt

Entwicklung

Langfristige Sicherung des derzeitigen Bestandes und der regelmäßigen Reproduktion

P

 

für das gesamte Xviertel: 20 territoriale adulte Tiere, die ihr Streifgebiet im Xviertel haben;

 

mittel- bis langfristig

Sicherung des Lebensraums im Europaschutzgebiet und den angrenzenden Gebieten

P

 

Erhalt und Entwicklung eines Populationsdrucks Richtung Süden

P

mittelfristig

Sicherung und Entwicklung der Verbindung zu der Teilpopulation im Xwald/Novehradske hory

P

langfristig

 

Gefährdungsfaktoren

Illegale Bejagung birgt für den Luchs kurzfristig das größte Gefährdungspotenzial. Fragmentierung der Landschaft durch Verkehrswegebau, Siedlungsentwicklung und touristische Erschließung ist langfristig der größte bzw. der nachhaltigste Gefährdungsfaktor. Verkehr allgemein sowie steigendes Verkehrsaufkommen speziell (ein Todesopfer auf der Xbundesstraße bei S im Jahr 1999); im Schutzgebiet insbesondere: die Landesstraßen O, H, S (Gefährdung durch Zerschneidungseffekt), Verlust von störungsarmen, schwer zugänglichen und strukturreichen Biotopen durch bereits nahezu flächendeckende forstwirt­schaftliche Erschließung und Bewirtschaftung. Direkte Störungen und Beun­ruhigung (v.a. durch Intensivierung von Tourismus und Forstwirtschaft) insbesondere in den Rückzugsgebieten (z.B. Felsgebiete, …).

 

Managementbedarf

 

Die Maßnahmen zielen in erster Linie auf die Reduktion bzw. Geringhaltung der Störungen und der Sterblichkeit ab. Diese sind einerseits allgemeiner Natur und nicht flächengebunden (Erhöhung der Akzeptanz, Überwachung der Fang- und Tötungsverbote). Hier ist die Trennung zwischen Erhalt und Entwicklung fließend, doch sind Tötung, Fang und Störung, sofern diese absichtlich erfolgen, aufgrund des Artikel 12 der FFH-Richtlinie (Artenschutz) effektiv zu verhindern (notwendig sind u.a.: bessere Kommunikation des gesetzlichen Strafausmaßes in Jagdkreisen, welches bei einer illegalen Tötung eines Luchses zur Anwendung kommt; engagierte Aufklärung von Verdachtsfällen, …). Andererseits sollen speziell an Straßen Tötungen vermieden und die Barrierewirkung möglichst gering gehalten werden. Maßnahmen zum Erhalt zielen darauf, die Verkehrsdichte und die gefahrene Geschwindigkeit insbesondere auf den Landesstraßen nach H, S und O nicht zu erhöhen sowie ungefährdete Querungen zu ermöglichen. Entwicklungsmaßnahmen zielen in denselben Bereichen auf eine Verkehrsreduktion bzw. bauliche Verbesserung der ungefährdeten Querungsmöglichkeiten (Aufweitung von Brücken etc.) bzw. handelt es sich um Maßnahmen, welche die gesamte Region des nördlichen Xviertels betreffen (großräumige Wiederherstellung der Durchlässigkeit der Landschaft). Insbesondere bei großen Infrastrukturprojekten in der Region ist zu prüfen, ob diese eine erhebliche Verschlechterung der Durchlässigkeit der Landschaft bewirken (vgl. X zwischen F und W).

Zur Sicherung der regionalen und überregionalen Vernetzung sind die potenziell besiedelbaren Habitate südlich und östlich des Europaschutzgebietes als „Trittsteine“ zu erhalten, ebenso die Biokorridore dorthin (im Gebiet v.a. die deckungsreichen Ufer von Fließgewässern - zwischen Xwald und dem Tal der Großen X sind diese derzeit nur mangelhaft ausgeprägt). Generell gilt es, die Durchlässigkeit im Gebiet und im weiteren Umfeld zu erhalten und, wo verloren gegangen, wieder herzustellen bzw. zu entwickeln. Auch bei der Intensivierung der touristischen, jagdlichen oder forstwirtschaftlichen Nutzung der Landschaft ist zu überprüfen, ob dies in Summe zu einer erheblichen Lebensraumverschlechterung oder durch Zerschneidung zu einer wesentlichen Reduktion der Durchlässigkeit für den Luchs führt.

Eine großflächige Störungsarmut ist für den Luchs bedeutend, störungsfreie Rückzugsräume sind besonders wichtig. Felsreiche Biotope sowie schwer zugängliche Gebiete als solche zu erhalten. Dort ist die Störungsarmut zu erhalten bzw. wieder herzustellen.

Das Beutetierangebot ist für den Luchs derzeit als ausreichend zu charakterisieren (regelmäßige Hinweise auf Fortpflanzung im Gebiet). Der Rehwildbestand (Hauptbeute) ist besonders in den großen geschlossenen Waldgebieten zu erhalten. Ist für eine erfolgreiche natürliche Verjüngung der Baumbestände (z.B. Ahorn) eine Reduktion des Rehwildbestandes notwendig, so sind begleitend die Auswirkungen auf den Luchs zu beobachten, um bei ungünstigen Entwicklungen (z.B. Ausbleiben von Fortpflanzung) gegensteuern zu können[1]. Waldwiesen und reich strukturierte Waldränder sind als optimale Jagdhabitate möglichst störungsfrei zu erhalten. Sollte eine erfolgreiche Reproduktion im Gebiet nicht mehr stattfinden, ist zu prüfen, ob eine zu geringe Beuteorganismendichte oder zu große Störungen in den optimalen Jagdhabitaten dafür verantwortlich sein können.

 

Maßnahme

Erhalt

Entwicklung

Überwachung der Fang- und Tötungsverbote

P

 

Verhinderung von absichtlichen Tötungen und Störungen durch Menschen (Hintanhaltung von illegaler Bejagung)

P

mittelfristig

Erhöhung der Akzeptanz, insbesondere bei Jägern (Jungjägerausbildung)

P

kurz- bis langfristig

Erhaltung bzw. Schaffung störungsfreier Waldbereiche (Gebiete über einer Seehöhe von 1.200 m ü. M., felsreiche Biotope, Naturwaldreservate, Tod- und Altholzgebiete, …)

P

mittel- bis langfristig

Erhalt von wichtigen Strukturelementen wie Waldwiesen, Waldrändern, felsenreichen Biotopen, deckungsreichen und störungsarmen Gebieten

P

 

Entwicklung von struktureichen und störungsarmen Habitaten mit südlicher Exposition (z.B. Totholzflächen)

 

mittelfristig

Erhaltung und Verbesserung ungefährdeter Straßenquerungen zwischen B und M (z.B. durch Brückenaufweitungen)

P

mittel- bis langfristig

Biokorridore nach innen und außen erhalten und entwickeln (Beispielsweise durch extensivierte Uferrandstreifen entlang der Gr. X sowie Ufergehölze entlang der zur Gr. X entwässernden Bäche wie X Bach, Xbäche zwischen K und A, u.a.

P

mittelfristig

Reduktion der Störungen und Verunfallungsgefahr auf den Straßen in den Wäldern zwischen L und S Grenze, D und O Grenze, P und Schigebiet H (z.B. durch Verkehrsberuhigung)

 

mittelfristig

Erhalt bzw. Wiederherstellung der Durchlässigkeit der Landschaft insbesondere bei größeren Infrastrukturprojekten bzw. Sanierung von Straßenabschnitten im X- und Xviertel. Schaffung eines ungefährdeten Korridors Richtung Xwald/Novehradske hory (z.B. durch den Bau von Grünbrücken, Umsetzung wildökologischer Begleitmaßnahmen, Aufweitung von Brückendurchlässen)

P

mittel- bis langfristig

Erhalt der Beuteorganismen (v.a. Rehe). Bei im Sinne dieses Plans ausreichender Tannenverjüngung keine weitere Reduktion der Wildbestandsdichte.

P

 

Prüfung von touristischen, jagdlichen und forstwirtschaftlichen Nutzungsintensivierungen in der Region hinsichtlich einer Lebensraumverschlechterung für den Luchs

P

kurz- bis mittelfristig

 

Auswertungsmethoden (Managementplan Europaschutzgebiet B und M, Kapitel 3.5.2)

·         Arten

In einem ersten Schritt wurden auf Basis der vorhandenen Daten die signifikanten Vorkommen für das Europaschutzgebiet eruiert. Die Bewertung orientiert sich an den Vorgaben der Europäischen Kommission (1997) zum Ausfüllen von Standarddatenbögen.

Lediglich Arten des Anhangs II der FFH-Richtlinie mit signifikanten Populationen wurden auf der Einzelfläche behandelt. Dabei wurde der Status der Population in folgende Kategorien unterteilt:

 

·         Reproduktion nachgewiesen - ganzjährig anwesend

·         Reproduktion nachgewiesen - in Fortpflanzungssaison anwesend

·         Reproduktion wahrscheinlich - ganzjährig anwesend

·         Reproduktion wahrscheinlich - in Fortpflanzungssaison anwesend

·         Reproduktion möglich - ganzjährig anwesend

·         Reproduktion möglich - in Fortpflanzungssaison anwesend

·         Nahrungsgast

·         Übersommernd

·         Überwinternd

·         rastend (wandernde/ziehende Arten)

·         wandernd/ziehend (an Korridor gebunden)

·         wandernd/ziehend (nur lose an Korridor gebunden)

·         Eier/Laich

·         Larven/Jugendstadien

·         Adulte

·         Einzelnachweis (näheres unbekannt)

·         Potenzialfläche

·         Schlafplatz/Tageseinstand

 

Für Arten mit sehr großen Raumansprüchen und ohne alljährlich besetzte Quartiere ist die Unterscheidung in „Reproduktion nachgewiesen“ und „Reproduktion wahrscheinlich“ irrelevant, solange zumindest auf Gebietsebene die Reproduktion nachgewiesen wurde. Reproduktion kann bei diesen Arten jährlich wechselnd in anderen Bereichen stattfinden. Vorhersagen darüber, wo dies stattfinden wird ist auf Basis des derzeitigen Wissens nicht möglich. Dies betrifft die Schutzgüter Luchs, Fischotter und Biber.

In einem weiteren Schritt fand die Bewertung der Bedeutung der Einzelfläche für das Vorkommen im Gebiet statt. Dabei wurde zwischen „sehr bedeutenden“, „bedeutenden“ und „mäßig bedeutenden“ Flächen unterschieden.

 

Die Bewertung der Erhaltungszustände wurde auf Gebietsebene durchgeführt und folgt den Anleitungen von Ellmauer (2005a). Naturschutzfachlich begründete Kritiken dieser Einstufungen werden angeführt. Arten des Anhangs II der FFH-Richtlinie, deren Populationen auf Basis des derzeitigen Wissens als nicht signifikant einzustufen waren, wurden nur textlich behandelt. Sie gelten zumindest bis zum Vorliegen von Daten, die ein signifikantes Vorkommen nachweisen, als Arten ohne Erhaltungsverpflichtung. Arten der Anhänge IV und V der FFH-Richtlinie sowie Arten, die aufgrund ihrer nationalen Gefährdung und ihrer bedeutenden Bestände im Europaschutzgebiet „B und M“ von besonderem naturschutzfachlichem Interesse sind, werden in diesem Plan auf der Ebene der Teilgebiete behandelt. Ziele und Maßnahmen sind zwar nicht verpflichtend, jedoch aus naturschutzfachlicher Sicht sinnvoll und wünschens­wert. Daher werden spezielle Maßnahmen für diese Arten im Synthesekapitel genannt, aber nicht mit höchster Priorität belegt.

 

Bewertung, ob die gesetzte Maßnahme im Einzelnen oder im Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzweckes des Europaschutzgebietes führen kann:

Trotz der flächenmäßig geringen Ausdehnung des Eingriffes in einen Teilbereich des Lebensraumes der Art „1361 Luchs“ ist insbesondere in einen bereits als geeignetes Reproduktionsgebiet festgestellten Teillebensraum eingegriffen worden und ist dieser Teilbereich dadurch qualitativ verschlechtert worden. Dies ist in der lokalen Umgestaltung des Waldbodens und des Eingriffes in die Strukturierung des Trassenraumes durch Beseitigung der für die Art relevanten Strukturelemente (Felsblöcke mit Nischen und Höhlungen) begründet und zudem im Umstand, dass eine zusätzliche anthropogene Erschließungsachse in einem Waldgebiet errichtet worden ist, was der für ein Reproduktionsgebiet erforderlichen Naturbelassenheit widerspricht. Dadurch wird die ohnehin gegebene Fragmentierung des Waldes weiter erhöht, was jedoch dem Managementbedarf des Europaschutzgebietes in Hinblick auf das Schutzgut „1361 Luchs“ insofern widerspricht, als  festgelegt ist, dass die Störungsarmut im Gebiet zu erhalten oder gegebenenfalls wieder herzustellen ist. Generell zielen die für die Art relevanten Managementmaßnahmen „in erster Linie auf die Reduktion bzw. Geringhaltung der Störungen und der Sterblichkeit“ ab.

 

Daraus ist die Fragestellung „Können die gesetzte Maßnahme im Einzelnen oder im Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen zu einer wesentlichen Beein­trächtigung des Schutzzweckes des Europaschutzgebietes führen?“ dahingehend zu beantworten, dass zwar keine gesicherte Aussage über eine unmittelbare und aktuelle Störung des Schutzgutes „1361 Luchs“ nachzuweisen ist, da eine solche Aussage nicht an einen konkreten Standort bzw. Bereich festzumachen ist, jedoch die zur Beantwortung gestellte Möglichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung des Schutzzweckes in Hinblick auf die Art „1361 Luchs“ zu bestätigen ist, dies umso mehr, als dass es sich im gegenständlichen Bereich um einen Waldabschnitt handelt, welcher im fachlich fundierten Managementplan dieses Europaschutzgebietes als Bereich festgelegt ist, welcher für die Reproduktion als sehr bedeutend / bedeutend eingestuft ist.

 

Das konkrete Waldgebiet und sein Umland ist für den Luchs und insbesondere als Reproduktionsgebiet für diese Art als höchst bedeutend bis sehr bedeutend eingestuft und ist im gegenständlichen Bereich sowie im weiteren Umfeld die Reproduktion als nachgewiesen oder jedenfalls wahrscheinlich eingestuft.

 

Der Luchs ist ein weitziehendes Säugetier mit quadratkilometer-großen Revieren und sind die Reproduktions- und Aufzuchtgebiete nicht immer die gleichen, sondern orientieren sich nach der Qualität der hierzu notwendigen Lebens­raumvoraussetzungen.

 

Im gegenständlichen Gebiet herrschen als erforderliche Bedingungen insbesondere die sehr felsig strukturierte Waldfläche mit Hohlräumen und Wurzeltellern in einem mittelsteilen Gebiet vor. Dieses ist im Wesentlichen südexponiert. Zwar besteht durch die bestehende Forststraße eine wesentliche Vorbelastung, jedoch wurde der Forstweg in einem Teil dieses prinzipiell geeigneten Lebensraumes angelegt, wodurch es zu einer weiteren Zergliederung kommt und dadurch das potenzielle in Frage kommende Reproduktions- bzw. Jungenaufzuchtsgebiet eingeschränkt wird.

 

Da das vorliegende Gebiet in Zusammenhang mit den Gebieten in den Nachbarländern steht, ist umso mehr bedeutsam, dass Restbereiche, die geeignet für die Reproduktion und Aufzucht sind, in möglichst ungestörtem Maß erhalten bleiben.

Die gegenständliche Forststraße befindet sich in einem für die Reproduktion und Aufzucht von Jungen besonders geeigneten Gebiet. Die Erhöhung der Dichte an Forststraßen schränkt das Reproduktionsgebiet immer mehr ein und steht daher immer weniger Fläche potenziell zur Verfügung. Die Lebensraumeigenschaften bzw. die Lebensraumeignung des gegenständlichen Gebietes für die Art Luchs als Reproduktions- und Jungenaufzuchtsgebiet liegt gegenständlich prinzipiell vor und kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass es durch die Erweiterung des Forststraßennetzes im gegenständlichen Gebiet zu einer Reduktion der für diese Art wesentlichen verfügbaren Fläche als Reproduktionsgebiet kommt, dies umso mehr, als solche Flächen im gesamten Europaschutzgebiet nur Teilräume betreffen und nicht das gesamte Europaschutzgebiet als Reproduktions- und Aufzuchtsgebiet anzusehen ist.

 

(ASV-Gutachten, mündliche Verhandlung)

 

Beim vorliegenden Waldstück handelt es sich um einen reinen Fichtennutzwald, jedenfalls aber nicht um einen Hainsimsen-Buchenwald oder einen Waldmeister-Buchenwald. (ASV, OAS)

 

Der gegenständliche Forstweg ist auf mehr als einem Drittel seiner Länge mit Flinz befestigt und war am 1. Juli 2014 bereits vorhanden. (OAS, ASV, Bf, Akt)

 

Die Bf haben ohne behördlichen Konsens einen Forstweg errichtet.

(unbestrittener Sachverhalt)

 

Die erste aus dem Akt ersichtliche Handlung der Naturschutzbehörde stammt vom 30. Oktober 2014.

 

II.3. Beweiswürdigung:

 

Im vorliegenden Verfahren war primär die Frage zu klären, ob die von den Bf gesetzte Maßnahme im Einzelnen oder im Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen geeignet ist, zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Europaschutzgebietes zu führen. Als Nebenfragen war zu klären, ob es sich bei der gegenständlichen Anlage um eine Forststraße iSd Oö. NSchG 2001, also um eine forstliche Bringungsanlage iSd ForstG (in der im NSchG genannten Fassung) handelt und ob das vorliegende Waldstück ein Hainsimsen-Buchenwald oder ein Waldmeister-Buchenwald ist. Diesbezüglich stützen sich die Feststellungen primär auf das schlüssige und vollständige Gutachten Mag. B und das Gutachten G im Akt, denen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten wurde sowie auf die Wahrnehmungen des erkennenden Richters im Zuge des Ortsaugenscheines. So ergab sich aufgrund der Gutachten, und war dies auch für einen Laien deutlich erkennbar, dass keiner der beiden genannten Buchenwald-Typen vorliegt, weil sich im Bereich der Forststraße fast ausschließlich adulte Fichten finden. Dass der gegenständliche Forstweg größtenteils mit einer Flinzschicht bedeckt, also befestigt, ist, ergibt sich schon aus der forstfachlichen Stellungnahme F, dem Gutachten B und wurde dieser Umstand durch den Bf, M G-A zugestanden. Die Feststellungen im Hinblick auf das Schutzgut Luchs ergeben sich aus dem Gutachten Mag. B. Insbesondere ergibt sich aus diesem Gutachten, dass der Luchs auf Biotope wie das vorliegende, also Gebiete mit grobblockigen Felsen und Höhlen für die Jungenaufzucht, angewiesen ist und dass gerade das vorliegende Gebiet eine besondere Eignung für die Jungenaufzucht aufweist, weiters sich nicht alle Bereiche des Europaschutzgebietes für die Jungenaufzucht eignen. Aus den vom ASV zitierten Fachunterlagen (z.B. Managementplan) ergibt sich weiters, dass das vorliegende Gebiet als besonders geeignet für die Luchsjungenaufzucht ausgewiesen ist. Es liegt schon auf der Hand und ist auch der ASV zu diesem Ergebnis gelangt, dass die Errichtung einer Forststraße wie die vorliegende eine wesentliche Beeinträchtigung des Schutzzwecks „Luchs“ des Europaschutzgebietes herbeiführen kann, eine solche also denkbar ist, dies bspw. dann, wenn durch die gegenständliche Forststraße ein potenzieller Repro­duktions- oder Aufzuchtort verloren geht.

 

 

III. Rechtliche Beurteilung

 

III.1. Maßgebliche gesetzliche Bestimmungen:

 

a)   § 24 Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001 (Oö. NSchG 2001, LGBl.Nr. 129/2001) lautet in seinen maßgeblichen Teilen:

 

§ 24
Europaschutzgebiete

 

(1) Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung im Sinn des Art. 4 der FFH-Richtlinie und Vogelschutzgebiete gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 der Vogelschutz-Richtlinie sind durch Verordnung der Landesregierung als „Europaschutzgebiete“ zu bezeichnen.

(2) In einer Verordnung gemäß Abs. 1 sind die Grenzen und der Schutzzweck des Gebietes (§ 3 Z 12) genau festzulegen. Darüber hinaus sind Maßnahmen beispielsweise anzuführen, die keinesfalls zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzweckes im Sinn des Abs. 3 führen können. Bestehende Naturschutzgebiete gemäß § 25, die als Europaschutzgebiet bezeichnet werden, müssen gleichzeitig den Anforderungen des § 25 Abs. 4 zweiter Satz angepasst werden.

(3) Maßnahmen, die einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzweckes eines Europaschutzgebietes führen können, bedürfen vor ihrer Ausführung der Bewilligung der Landesregierung. Auf Antrag des Projektwerbers hat die Behörde innerhalb von acht Wochen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Bewilligungspflicht gemäß dem ersten Satz besteht.

[…]

 

b)   § 58 Oö. Natur- und Landschaftsschutzgesetz 2001 (Oö. NSchG 2001, LGBl.Nr. 129/2001 zuletzt geändert durch LGBl.Nr. 92/2014) lautet in seinen hier maßgeblichen Teilen:

 

§ 58
Herstellung des gesetzmäßigen Zustands

 

(1) Wenn ein bewilligungspflichtiges Vorhaben ohne eine nach diesem Landesgesetz erforderliche Bewilligung verwirklicht oder wesentlich geändert wurde, ist der Person, die das Vorhaben ausgeführt hat oder ausführen hat lassen oder allenfalls subsidiär die verfügungsberechtigte Person, von der Behörde unabhängig von einer allfälligen Bestrafung aufzutragen, entweder

1. innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist um die nachträgliche Erteilung der Bewilligung anzusuchen oder

2. innerhalb einer weiters festzusetzenden angemessenen Frist, welche nach Wochen oder Monaten zu bestimmen ist, auf ihre Kosten den vorigen bzw. den bescheid­mäßigen Zustand wieder herzustellen oder, wenn dies tatsächlich nicht möglich ist, den geschaffenen Zustand in einer Weise abzuändern, dass Natur und Landschaft möglichst wenig beeinträchtigt werden.

Die Möglichkeit nach Z 1 ist nicht einzuräumen, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Bewilligung nicht erteilt werden kann. In jedem Fall kann auch die unverzügliche Einstellung der weiteren Ausführung des Vorhabens bis zum Zeitpunkt der Erteilung einer allfälligen Bewilligung verfügt werden. (Anm: LGBl.Nr. 92/2014)

[…]

 

c)   Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung der Oö. Landesregierung, mit der das Gebiet „B und M“ als Europaschutzgebiet bezeichnet wird (LGBl.Nr. 89/2010), lauten:

 

§ 1 Bezeichnung

 

Das Gebiet „B und M" (offizielle Gebietskennziffer X) ist gemäß der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 22. Dezember 2009 (§ 5 Z. 2) Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung gemäß Art. 4 der „FFH-Richtlinie“ (§ 5 Z. 1) und wird als „Europaschutzgebiet B und M“ bezeichnet.

 

§ 3 Schutzzweck

 

(1) Schutzzweck des „Europaschutzgebiets B und M“ (§ 1) ist die Erhaltung oder gegebenenfalls die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands

[…]

und

2. der in der Tabelle 2 angeführten Tier- und Pflanzenarten des Anhangs II der „FFH-Richtlinie“ (§ 5 Z. 1) und deren Lebensräume

 

Tabelle 2

Codebezeichnung gemäß „FFH-Richtlinie“ (Kennzeichnung einer prioritären Art mit einem

„ * „)

Bezeichnung der Art           

Bezeichnung des Lebensraums

[…]

 

 

1361

Luchs(Lynx lynx)

Großflächige, gut strukturierte, unzerschnittene Wälder mit vielen Deckungsmöglichkeiten, stark gegliedertes Gelände und Anteil von Felspartien

[…]

 

 

 

 

§ 4 Erlaubte Maßnahmen

 

(1) Maßnahmen, die einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzwecks des Europaschutzgebiets führen können, bedürfen vor ihrer Ausführung einer Bewilligung der Landesregierung gemäß
§ 24 Abs. 3 Oö. NSchG 2001.

 

(2) Außerhalb der im § 2 Abs. 2 genannten Naturschutzgebiete führen insbesondere nachstehende Maßnahmen keinesfalls zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzwecks des Europaschutzgebiets im Sinn des § 24 Abs. 3 Oö. NSchG 2001:

 

[…]

 

2. in der Forstwirtschaft:

[…]

2.7. der rechtmäßige Bau und die Verbreiterung von

- Forststraßen und Rückewegen auf Flächen des Lebensraumtyps „9110 Hainsimsen-Buchenwald“, ausgenommen auf Flächen im Umkreis von 300 m zu Bereichen, in denen eine Jungenaufzucht der Art „1361 Luchs“ festgestellt wurde;

- Rückewegen auf Flächen des Lebensraumtyps „9130 Waldmeister-Buchenwald“;

2.8. die rechtmäßige Anlage von Rückegassen auf allen Flächen, ausgenommen auf Flächen des Lebensraumtyps „91D0* Moorwälder“;

[…]

 

III.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

 

III.2.1. Den Auslegungsmaßstab für das vorliegende Verfahren gibt die diesbezügliche Leitentscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 7. Sep­tember 2004 - Rs. C-127/02 - „Herzmuschelfischer“ vor.

 

Dort hat der Gerichtshof u.a. folgende Rechtssätze gebildet:

 

„Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie 92/43 führt ein Verfahren ein, das mit Hilfe einer vorherigen Prüfung gewährleisten soll, dass Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des betreffenden Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die dieses jedoch erheblich beeinträchtigen könnten, nur genehmigt werden, soweit sie dieses Gebiet als solches nicht beeinträchtigen. Dagegen legt Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie 92/43 eine allgemeine Schutzpflicht fest, die darin besteht, Verschlechterungen und Störungen zu vermeiden, die sich im Hinblick auf die Ziele der Richtlinie erheblich auswirken könnten; er kann nicht gleichzeitig mit Artikel 6 Absatz 3 angewandt werden.“

 

„Artikel 6 Absatz 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 ist so auszulegen, dass Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, einer Prüfung auf Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen zu unterziehen sind, wenn sich nicht anhand objektiver Umstände ausschließen lässt, dass sie dieses Gebiet einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten.“

 

„Nach Artikel 6 Absatz 3 Satz 1 der Richtlinie 92/43 steht dann fest, dass Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, dieses Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten, wenn sie drohen, die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungsziele zu gefährden. Die Beurteilung dieser Gefahr ist namentlich im Licht der besonderen Merkmale und Umweltbedingungen des von solchen Plänen oder Projekten betroffenen Gebietes vorzunehmen.“

 

„Nach Artikel 6 Absatz 3 der Richtlinie 92/43 bedeutet eine Prüfung der Pläne und Projekte auf Verträglichkeit für das betreffende Gebiet, dass vor deren Genehmigung unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse sämtliche Gesichtspunkte der Pläne oder Projekte zu ermitteln sind, die für sich oder in Verbindung mit anderen Plänen oder Projekten die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungsziele beeinträchtigen können. Die zuständigen Behörden dürfen unter Berücksichtigung der Prüfung der mechanischen Herzmuschelfischerei auf Verträglichkeit mit den für das betreffende Gebiet festgelegten Erhaltungszielen diese Tätigkeit nur dann genehmigen, wenn sie Gewissheit darüber erlangt haben, dass sie sich nicht nachteilig auf dieses Gebiet als solches auswirkt. Dies ist dann der Fall, wenn aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass es keine solchen Auswirkungen gibt.“

 

Insbesondere aus dem letzten der zitierten Rechtssätze ergibt sich der Ausle­gungsmaßstab für die der FFH-Richtlinie (RL 92/43/EWG) entliehene Formu­lierung des § 24 Abs. 3 Oö. NSchG 2001, der festlegt, dass eine Bewilli­gungspflicht durch die Landesregierung dann gegeben ist, wenn eine Maßnahme alleine oder im Zusammenwirken mit anderen zu einer wesentlichen Beein­trächtigung des Schutzzwecks des Europaschutzgebietes führen kann, also geeignet ist, eine solche Beeinträchtigung herbeizuführen. Folgt man dem strengen Auslegungsmaßstab des EuGH, kann eine Maßnahme dann zu einer wesentlichen Beeinträchtigung führen, wenn eine nachteilige Auswirkung nicht mit Gewissheit ausgeschlossen werden kann.

Konsequenterweise sieht das Oö. NSchG 2001 für diese Fälle eine Bewilli­gungspflicht, also eine Prüfung dieser Frage, vor.

 

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes steht fest, dass die Bf eine Maßnahme in einem Gebiet gesetzt haben, das sich insbesondere aufgrund der Verblockung durch Felsen, vorhandener Höhlen und Wurzelteller und aufgrund seiner Lage in besonderem Maße für die Jungenaufzucht der Art Luchs eignet, einer Art, die in besonderem Maße bedroht ist, nur mehr in Einzelexemplaren erhalten ist und besonders hohe Ansprüche an ihren Lebensraum stellt. Die im Verfahren abgegebenen Gutachten, die sich auch eingehend mit der zugrundeliegenden Literatur auseinandergesetzt haben, haben ergeben, dass eine Beeinträchtigung des Schutzgutes Luchs vorliegt und nachteilige Auswirkungen aufgrund des Baus der vorliegenden Anlage nicht ausgeschlossen werden können. Die Möglichkeit einer wesentlichen Beeinträchtigung ergibt sich aber auf der Hand liegend schon deshalb, weil der Luchs nach den vorliegenden Gutachten hohe Ansprüche an seine Reproduktionsorte stellt und gerade der vorliegende Bereich besonders geeignet für die Reproduktion ist, durch die Maßnahme durchschnitten und verändert wird, sodass die Art Luchs Rückzugsorte nicht mehr in der ursprüng­lichen Anzahl und einen anthropogen veränderten, nicht mehr im ursprünglichen Ausmaß geeigneten Lebensraum vorfindet. Angesichts der Seltenheit der Tierart, ihrer Sensibilität und des Umstandes, dass geeignete Lebensräume, wie der gegenständliche, ohnehin rar sind und deshalb schon geringfügige Lebensraum­verluste erhebliche Auswirkungen haben können, ist die von den Bf gesetzte Maßnahme eine, die zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzgutes Luchs führen kann.

Dem Grunde nach ist der Tatbestand des § 24 Abs. 3 Oö. NSchG 2001 demnach erfüllt.

 

III.2.2. Aufgrund der in der Verordnung zum Europaschutzgebiet geregelten Legalausnahmen (Erlaubte Maßnahmen) ist aber zu prüfen, ob die Maßnahme der Bf unter diese fallen.

Dies ist jedoch nicht der Fall, weil der Waldabschnitt, den die Bf für die Anlage einer Forststraße genutzt haben, nach den Feststellungen des ASV ein Fichtenforst ist und die anzuwendende Verordnung eine Ausnahme vom Verbot der Errichtung von Forststraßen und Rückewegen nur für bestimmte Buchen­waldtypen kennt.

 

Eine in fast allen Waldtypen erlaubte Rückegasse (vgl. dazu etwa VwGH
8.10.2014, 2013/10/0200), liegt angesichts des Umstandes, dass bereits aufgrund der vorhandenen weitgehenden Befestigung mit Flinz feststeht, dass die Anlage eine die forstfachliche Bauaufsicht erfordernde Forststraße iSd ForstG und damit eine iSd § 5 Oö. NschG 2001 ist, nicht vor. Dass die Anlage für die dauerhafte Beibehaltung angelegt wurde, ergibt sich bereits daraus, dass sie schon vor über einem Jahr errichtet wurde.

 

Die Anlage der Bf fällt insofern unter keine der o.a. Legalausnahmen.

 

III.2.3. Es ergibt sich eine Bewilligungspflicht iSd § 24 Abs. 3 Oö. NSchG.

 

III.3. Zumal die Bf das gegenständliche Vorhaben konsenslos verwirklicht haben, hatte die belangte Behörde aufgrund des § 58 Abs. 1 Oö. NSchG 2001 mittels Alternativauftrags vorzugehen und den Bf aufzutragen, binnen einer angemes­senen Frist um Bewilligung anzusuchen oder binnen einer weiters festzuset­zenden angemessenen Frist den vorigen Zustand wiederherzustellen.

 

III.4. Die Beschwerde der Bf war insofern, was die generelle Erteilung des vom Gesetz vorgesehenen Alternativauftrags betrifft, keine Folge zu geben.

 

Die von der belangten Behörde gesetzte Frist war jedoch, zumal die Behörde nur eine einzelne Frist für Antragstellung und Entfernung gesetzt hat und eine Frist von 4 Wochen für die Entfernung einer Forststraße kaum als angemessen angesehen werden kann, um eine solche weitere Frist zu ergänzen. Angesichts des bevorstehenden Winters und des Umstandes, dass die Bf doch deutliche Rückbaumaßnahmen vorzunehmen hätten, war die Frist für die allfällige Wieder­herstellung entsprechend großzügig zu bemessen. Die Frist für die Antragstellung war an das Ergehen des gegenständlichen Erkenntnisses anzupassen.

 

III.5. Kommissionsgebühren:

 

Nach § 17 VwGVG sind die §§ 75 ff AVG sinngemäß anzuwenden. Das bedeutet unter anderem, dass für auswärtige Amtshandlungen Kommissionsgebühren vor­geschrieben werden können. Die Verpflichtung zur Entrichtung der Kommissions­gebühren richtet sich bei auf Antrag eingeleiteten Verfahren im Allgemeinen an die Partei, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat (vgl. § 77 Abs. 1 letzter Satz iVm § 76 Abs. 1 erster Satz AVG). Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag wird der Prozessgegenstand, also die „Sache“ des jeweiligen Verfahrens bzw. „die in Verhandlung stehende Ange­legenheit“ bzw. „die Hauptfrage“ bestimmt, die gemäß § 59 Abs. 1 AVG im Spruch des Bescheides zu erledigen ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG2 2014 § 76 Rz 16). Nach der Lehre besteht kein Zweifel daran, dass damit nur der Antrag an die erstinstanzliche Behörde, nicht aber der Berufungsantrag gemeint ist (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG2 [2014]
§ 76 Rz 24). Dies hat gleichfalls für Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwal­tungsgericht zu gelten (vgl. Fister, Gebühren und Ersatz von Aufwendungen, in Holoubek/Lang [Hrsg.], Das Ver­fahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht [2014] 301 [311]). Dem Konsenswerber (= Antrag­steller im verwaltungsbehördlichen Verfahren) sind demnach entsprechend § 3 Abs. 1 Oö. LKommGebV 2013 Kommissionsgebühren vorzuschreiben. Sie betra­gen für Amtshandlungen des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich für jede angefangene halbe Stunde außerhalb der Amtsräume 20,40 Euro. Die unter Anwesenheit des erkennenden Richters sowie des ASV Mag. B am
10. November 2016 durchgeführte mündliche Verhandlung vor Ort dauerte drei halbe Stunden, weshalb von den Bf als Antragsteller eine Kommissionsgebühr in Höhe von insgesamt 122,40 Euro (= 2 x 3 x 20,40 Euro) zu entrichten ist.

 

III.6. Aufgrund der dargelegten Umstände war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, dies als die gegenständliche Rechtslage eindeutig ist und der vorliegende Sach­verhalt nicht verallgemeinerungsfähig ist. Insbesondere weicht die gegen­ständliche Entscheidung von der als einheitlich zu beurteilenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsge­richtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsge­richtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsan­walt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240,- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzu­bringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Mag. Pohl