LVwG-780027/20/MB

Linz, 26.05.2015

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde von Frau Dr. G.B., vertreten durch Mag. T.S.LL.M, Rechtsanwälte OG, x, wegen Ausübung von unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Polizeiinspektion XY am 26. September 2014 in Form des:

             sich gewaltsamen Zutrittsverschaffens zum Grundstück durch:

o   das Überklettern des Gartenzaunes und

o   das Öffnen der Schlösser durch einen Schlüsseldienst und

             Festhaltens gegen den Willen der Bf bis zum Eintreffen des Gemeindearztes Dr. R,

nach Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8. April 2015,

 

zu Recht   e r k a n n t :

I.         Gemäß § 28 Abs 1 und 6 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Kostenersatzantrag der Beschwerdeführerin wird abgewiesen. Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmannschaft XY) gemäß § 35 Abs 1 und 6 VwGVG iVm § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl II Nr 51/2013, die Kosten in Höhe von 1717 Euro (Vorlageaufwand, Schriftsatzaufwand und Verhandlungsaufwand) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

 

1. Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2014, eingelangt beim Oö. Landesverwaltungsgericht am 3. November 2014, erhob die Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf) Maßnahmenbeschwerde wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt am 26. September 2014 in Form des:

·         sich gewaltsamen Zutrittsverschaffens zum Grundstück durch:

§  das Überklettern des Gartenzaunes und

§  das Öffnen der Schlösser durch einen Schlüsseldienst und

·         Festhaltens gegen den Willen der Bf bis zum Eintreffen des Gemeindearztes Dr. R

durch dem Bezirkshauptmann des Bezirks XY (in der Folge: belangte Behörde) zurechenbare Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

 

Die Beschwerde begründet sich wie folgt:

„In umseits näher bezeichneter Rechtssache teile ich mit, dass ich die E OG Rechtsanwälte, x mit meiner rechtsfreundlichen Vertretung beauftragt und den einschreitenden Rechtsanwälten entsprechende Vollmacht erteilt habe.

 

Ich bin als Fachärztin für X tätig und betreibe mein Labor in der A-Straße in V. Dort befindet sich auch mein Hauptwohnsitz. Am 26.09.2014 hatte ich mir einen freien Tag genommen und war eine Vertretungsärztin, nämlich Frau Dr. M.B. für mich im Labor tätig.

 

Anlässlich eines Telefonates mit meiner Mutter entstand ein sehr heftiges Streitgespräch. Im Rahmen dieses Streitgespräches forderte ich meine Mutter auf sie möge mich in Ruhe lassen weil sie mich mit ihren Behauptungen verletzt und verärgert. Um meine Ruhe zu haben und weiteren Vorwürfen zu entgehen sagte ich zu ihr, sie solle mich in Ruhe lassen, sonst würde ich noch von der A.brücke springen. Dies war keinesfalls ernst gemeint sondern sollte nur dazu dienen, dass mich meine Mutter in Ruhe lässt, wobei mir selbst nicht einmal bekannt ist wo sich die A.brücke befindet.

 

Meine Mutter hat daraufhin erwidert sie würde mich anzeigen. Um zu verhindern, dass es hier zu irgendwelchen Missverständnissen kommt habe ich mich selbst mit der PI XY telefonisch in Verbindung gesetzt und dort mitgeteilt, dass es sein kann, dass meine Mutter auf den Posten kommt und Anzeige erstattet weil ich ihr mit einem Selbstmord gedroht hätte, was ich allerdings keinesfalls ernst gemeint hätte. Mir ging es bei diesem Anruf darum, klar zu stellen, dass es mir nur darum ging, dass mich meine Mutter in Ruhe lässt. Weiters habe ich den Beamten, mit dem ich telefoniert habe, darauf hingewiesen, dass mich meine Mutter mit einer Anzeige bedroht hat und hat er mich dahingehend aufgeklärt, dass dadurch der Tatbestand der gefährlichen Drohung nicht erfüllt sei. Ich habe dann das Telefonat beendet um weiter meinen freien Tag zu genießen.

 

In weiterer Folge kam es zu einem für mich völlig unerwarteten Polizeieinsatz an meinem Wohnsitz. Die Beamten begaben sich in meine Ordination, wo ihnen von meiner Vertretungsärztin, Frau Dr. B., mitgeteilt wurde, dass alles in Ordnung sei und ich nicht da wäre. Dennoch kletterten die erhebenden Beamten über meinen Gartenzaun und begannen an der Wohnungstüre zu klopfen und zu läuten, ebenso wie an der Terrassentür, was ich anfangs nicht mitbekommen habe.

 

Da ich aufgrund eines Einsatzes am 30.08.2012 bereits schlechte Erfahrungen mit der PI XY gemacht habe, habe ich jedoch nicht geöffnet, sondern den Beamten über meine Haushälterin und meinen Rechtsvertreter telefonisch ausrichten lassen das mit mir alles in Ordnung ist und es keine Probleme gibt. Auch mein Gatte, der über Ersuchen meiner Vertretungsärztin von den Beamten vor Ort telefonisch kontaktiert wurde, bestätigte dies. Dessen ungeachtet bestellten die Beamten nach Rücksprache mit dem Journaldienst auf der Bezirkshauptmannschaft XY, Herrn H., einen Schlüsseldienst, von dem zuerst die Gartentür und in weiterer Folge die Kellertüre aufgebrochen wurde.

 

Nachdem ich das wahrgenommen habe, habe ich mich über ein Fenster im Obergeschoß mit den Beamten in Verbindung gesetzt und sie gefragt was sie eigentlich machen und diese aufgefordert mein Haus und mein Grundstück zu verlassen. Nachdem diese dazu nicht bereit waren ging ich zur Haustüre und öffnete diese um den Beamten zu erklären, dass ich keine Hilfe benötigen würde.

 

In weiterer Folge wurde ich von Insp. E.G. daran gehindert, wieder ins Haus zurückzugehen, obwohl ich nur mit einem Bademantel bekleidet war. Sie hat dabei einen Fuß in die Tür gestellt, mich fest am Oberarm gepackt und aus dem Haus gezerrt und mich in weiterer Folge geschubst.

 

Nachdem mein Hauseingang von der Straße und vom Labor aus einsichtig ist und ich lediglich einen Bademantel an hatte habe ich dann ersucht, dass wir uns zumindest zum Poolhaus begeben, da ich auch auf die Toilette musste. Nachdem mich Insp. E.G. zuerst nicht auf die Toilette lassen wollte hat sie mich in weiterer Folge am Klo eingesperrt. Erst nach Ankunft des Gemeindearztes Dr. R, der kein Facharzt für Psychiatrie ist, und ein Gespräch mit diesem, haben mich die Beamten in mein Haus zurückgelassen.

 

Die Behauptung der erhebenden Beamtin im Bericht vom 26. 09. 2014, wonach ich einen etwas „schizophrenen" Eindruck gemacht habe empfinde ich als anmaßend und rufschädigend. Ich war müde und ob des Verhaltens der einschreitenden Beamten verständlicher Weise auch verängstigt. Auch mein Laborpersonal steht nach wie vor unter Schock.

 

Da mich die beschriebene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls-und Zwangsgewalt durch die der belangten Behörde zurechenbaren und oben bezeichneten Organe in meinen subjektiven Rechten verletzt erhebe ich durch meinen ausgewiesenen Rechtsvertreter gem. Art. 132 Abs. 2 BVG i.V. m. §§ 7 ff VwGVG binnen offener Frist Beschwerde und stelle die

 

Anträge

 

das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge

 

1.) gem. § 28 Abs. 6 VwGVG die angefochtenen Akte unmittelbarer verwaltungs-behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklären;

 

2.) gem. § 35 VwGVG erkennen, der Bund als zuständiger Rechtsträger der belangten Behörde ist schuldig, die mir durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren entstandenen Kosten im gesetzlichen Ausmaß zu Händen meines ausgewiesenen Rechtsvertreters binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

3.) gem. § 24 Abs. 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführen.

Die Beschwerde wurde innerhalb der sechswöchigen Frist eingebracht. Ich begründe diese damit, dass ich zum einen keine telefonische Selbstmordankündigung vorgenommen habe, sondern lediglich das Gespräch mit meiner Mutter geschildert habe und auch darauf hingewiesen habe, dass keine Gefahr eines Selbstmordes oder dergleichen besteht und die Beamten sich in weiterer Folge trotz Rücksprache mit meinem Gatten, meinem Rechtsvertreter sowie meiner Vertretungsärztin, die im Rahmen ihrer Ausbildung auch eine Ausbildung in Psychiatrie und Psychologie absolvierte, welche alle bestätigt haben, dass bei mir alles in Ordnung ist und ein Einsatz nicht benötigt wird, gewaltsam Zutritt zu meinem Grundstück verschafft haben (Überklettern des Gartenzaunes, Öffnen von Schlössern durch den Schlüsseldienst) und mich in weiterer Folge bis zum Eintreffen Dris. R. gegen meinen Willen festgehalten haben.

 

Beweis: Akt Sich01-20006-296/2014 der Bezirkshauptmannschaft XY, Telefonmitschnitt meines Anrufes via Notruf - aufgenommen von der B. XY, der beigeschafft werden möge, Einvernahme der Beschwerdeführerin.“

 

2. Mit Schreiben vom 12. November 2014 forderte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die belangte Behörde zur Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift auf. Die belangte Behörde beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde und begründet dies wie folgt:

 

„In umseits bezeichneter Maßnahmenbeschwerdesache nimmt der Bezirkshauptmann des Bezirkes XY auf das Schreiben des Oö. Landesverwaltungsgerichtes vom 12.12.2014 Bezug und erstattet zur übermittelten Kopie der Maßnahmenbeschwerde des Beschwerdeführers vom 29.10.2014 nachstehende

 

 

GEGENSCHRIFT

 

 

an das OÖ. Landesverwaltungsgericht und bringt beiliegendes Aktenkonvolut mit Aktenverzeichnis in Vorlage.

 

 

 

Eingangs wird auf die schriftlichen Berichte und Stellungnahmen des Kommandanten der Polizeiinspektion XY, Cl E.H., sowie der amtshandelnden Polizeibeamten Insp. R. und Insp. G. verwiesen.

 

Zu den einzelnen Vorwürfen:

 

1. Wie in diesen Berichten klar zum Ausdruck kommt, waren die Polizeibeamten nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, gemäß § 39 Abs 3 Z 1 SPG nach der Beschwerdeführerin zu suchen, da eine Selbstmordankündigung vorlag. Die telefonische Selbstmordankündigung wurde bei der PI XY aufgezeichnet und kann bei Bedarf vorgelegt werden (Anforderung über das Rechtsbüro der Landespolizeidirektion Oö. wegen obligatorischer Zustimmung des Rechtsschutzbeauftragten ist allerdings erforderlich).

 

Da für die Polizeibeamten ein zu diesem Zeitpunkt nicht näher verifizier- oder falsifizierbarer „Ernstfall" vorlag, wurde der diensthabende Journaldienstbeamte der Bezirkshauptmannschaft XY kontaktiert, der nach Schilderung des Falles (Suizidankündigung, kein Telefonkontakt zustande gekommen, keine Angehörigen erreichbar) ex ante vertretbar die zwangsweise Türöffnung (durch einen Schlüsseldienst) anordnete, weil aufgrund des Gespräches zwischen der Beschwerdeführerin und dem Polizeibeamten P. in der Bezirksleitstelle der Polizei, das über 15 Minuten gedauert hat, der berechtigte Schluss zu ziehen war, dass sich die Beschwerdeführerin in einem offensichtlichen Ausnahmezustand befand, der eine Selbstgefährdung indizierte und daher zu überprüfen war.

 

2. Nicht nachvollziehbar ist der Vorwurf, dass der Polizeieinsatz „völlig unerwartet war", weil die Beschwerdeführerin aufgrund des von ihr geführten Telefonates mit der Polizei davon ausgehen musste, dass mit ihr Kontakt aufgenommen werden würde. Folglich hätte sie sich nicht durch eine Mitarbeiterin verleugnen lassen, sondern gleich nach Eintreffen der Polizeibeamten mit diesen den Kontakt herstellen sollen. Durch ihr Verhalten war in Folge die zwangsweise Türöffnung erst erforderlich.

 

3. Bestritten wird auch, dass die Beschwerdeführerin gehindert wurde, in das Haus zurück zu gehen. Die Polizeibeamtin hat nur ihren Fuß in die Tür gestellt, um zu verhindern, dass die Beschwerdeführerin sich der notwendigen Amtshandlung entzieht.

 

Weiters wird bestritten, dass die Beschwerdeführerin in irgendeiner Weise „gepackt, gezerrt oder geschubst" wurde. Es wurde überhaupt kein körperlicher Zwang auf diese Weise angewendet wie dies behauptet wird und war ein solcher auch nicht notwendig.

 

Die Beschwerdeführerin wurde auch nicht in der Toilette eingesperrt, sondern es wurde gerade der Schlüssel der Toilettentür abgezogen, um zu verhindern, dass sich die Beschwerdeführerin selbst einschließt und sich dadurch erneut der Amtshandlung entzieht.

 

4. Nach erfolgter erster allgemeiner Hilfeleistungspflicht (§ 19 SPG) wurde richtiger- und notwendiger Weise die Vorführung zu einem Arzt gemäß § 46 SPG in die Wege geleitet, die aber letztlich unterbleiben konnte, weil ein Arzt zum Haus der Beschwerdeführerin gekommen ist. Hätten die Polizeibeamten keinen Arzt erreicht, hätten sie die Beschwerdeführerin wegen Gefahr im Verzug in eine psychiatrische Abteilung des Krankenhauses bringen müssen (§ 46 Abs 3 SPG iVm § 9 UbG).

 

5. Zum Vorwurf, die Polizeibeamten hätten sich im Bericht vom 26.09.2014 anmaßend und rufschädigend geäußert, weil sie über die Beschwerdeführerin schrieben, dass sie „einen etwas schizophrenen Eindruck gemacht" habe, wird angeführt, dass damit lediglich die laienhafte Wahrnehmung und das dadurch ausgelöste Empfinden der Polizeibeamten dokumentiert wurde, die zwangsläufig im Rahmen des § 46 SPG zu berücksichtigen sind. Unter „Schizophrenie" war eine Störung im Bereich der Wahrnehmung und des Denkens gemeint, ansonsten das Verhalten der Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar war. Keinesfalls war diese Bemerkung beleidigend oder rufschädigend zu verstehen.

 

Weiters wird ein weiterer Bericht der PI XY vom 02.09.2012 über einen Vorfall mit der nunmehrigen Beschwerdeführerin übermittelt, der der Sicherheitsabteilung der Bezirkshauptmannschaft XY bereits vor dem nun gegenständlichen Fall zur verwaltungsrechtlichen Beurteilung vorgelegt wurde. Dabei ging es um einen Hilfeschrei aus dem Hause der Beschwerdeführerin und um Hundegebell, weshalb im Sinne des § 19 SPG die berechtigte Annahme bestand, dass eine erste allgemeine Hilfeleistungspflicht für die Polizeibeamten bestehen würde.

 

In diesem Fall wurde gegen die jetzige Beschwerdeführerin ein Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachtes der Anstandsverletzung (§ 1 Abs 1 Oö. PolStG) gegenüber den damals erhebenden Polizeibeamten eingeleitet, später aber gemäß § 45 Abs 1 VStG eingestellt, da die Übertretungshandlung aus Gründen der inneren Tatseite nicht nachweisbar war. Insbesondere konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin über den Polizeieinsatz, der objektiv und bei Beachtung der in der Sicherheitspolizei maßgeblichen ex ante-Sicht aber vertretbar war, aus Ihrer Sicht gerechtfertigt entrüstet war. Es lagen auch keine tauglichen Beweise vor, die eine tatsächliche Alkoholisierung nachgewiesen hätte, sodass das Verfahren einzustellen war.

 

Anträge:

Aus diesen Gründen wird daher beantragt,

1. die Maßnahmenbeschwerde als unbegründet abzuweisen und

2. die Beschwerdeführerin zum Ersatz der Kosten der belangten Behörde für den Vorlage-, Schriftsatz- und - im Fall einer durchgeführten Verhandlung - den Verhandlungsaufwand im Sinn des § 79a Abs 1, 5 und 7 AVG binnen 14 Tagen an das Land Oberösterreich, pA Bezirkshauptmannschaft XY, zu verpflichten.“

 

3. Mit Schreiben vom 8. April 2015 legte die belangte Behörde das B.-Protokoll 2014 zum Notruf der Bf auf der B. vor, welche der Bf auch zur Kenntnis gebracht wurde.

 

II.

 

1. Das Landesverwaltungsgericht erhob Beweis durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Akt, die eingebrachten Schriftsätze und Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unter Ladung der handelnden Organe und weiterer Zeugen. Zudem wurde die Tonbandaufzeichnung des Notrufes von der belangten Behörde beigeschafft, einvernehmlich in der öffentlichen mündlichen Verhandlung gehört und zum Gegenstand des Aktes und der Verhandlung erhoben (Anlage ./C und Abschrift Anlage ./C.1.). Selbiges gilt für die – intervallartigen – Videoaufzeichnungen des Eingangsbereiches der Laborräumlichkeiten der Bf.

 

2. Aufgrund der sich so darstellenden Beweislage, der Aussagen des Zeugen und der Angaben der Bf in der öffentlichen mündlichen Verhandlung ist nachfolgender Sachverhalt festzustellen:

 

Am 26. September 2014 war die Bf auf Urlaub. Sie befand sich in ihrem Haus an der verfahrensgegenständlichen Adresse – die meiste Zeit im Bad mit musikalischer Untermalung. Die Angestellten der Bf wussten, dass die Bf auf Urlaub war, sie wussten aber nicht wo sie sich befand. Zum Zwecke des Urlaubes hatte die Bf auch eine Vertretungsärztin engagiert, welche denselben Wissensstand hatte. Das Labor und die weiteren Ordinationsräumlichkeiten befinden sich in unmittelbarer örtlicher Nähe zum Wohn/Privathaus der Bf. Um 8.26 Uhr des besagten Tages telefonierte die Bf mit ihrer Mutter und es fand ein Streitgespräch statt. Im Zuge dieses Gespräches könnte die Mutter zu der Auffassung gelangt sein die Bf werde sich von einer Brücke (der A.-Brücke) im Bezirk XY stürzen. Die Bf hegte daher die Befürchtung, dass die Mutter diesen möglichen – aus ihrer Sicht nicht ernstgemeinten – Suizid bei der Polizei anzeigen könne, um der Bf zu schaden. Die Bf hat daraufhin einen Notruf unter der Nr. 133 abgegeben. Dieses Notruftelefonat dauerte ca. 15 Minuten und war gekennzeichnet von einer sehr wechselnden Stimmfarbe und -emotion der Bf. Einerseits wirkt die Stimme der Bf gefasst, andererseits aggressiv, mancherorts auch etwas traurig bzw. weinerlich. Der Gesprächsverlauf selbst ist ebenfalls als sehr ungewöhnlich festzustellen. Die Bf beantwortet Fragen zu ihrer Identität und verweigert postwendend an anderer Stelle die Beantwortung der gleichlautenden Frage. Die Bf führt zudem in diesem Telefonat aus, dass sie an ihre Mutter leider eine blöde SMS geschrieben habe. An einer anderen Stelle führt die Bf wieder aus, dass sie vermeint, ihre Mutter werde sie anzeigen, weil sie sich angeblich umbringen werde. In unmittelbarem Anschluss an diese Ausführungen wird die Bf vom Mitarbeiter der B. darauf hingewiesen, dass solche Aussagen problematisch seien, da dies Folgen nach sich ziehen kann. Auf die nachfolgende Frage nach der Adresse gibt die Bf dann wieder an, dass sie ihre Adresse, welche sie auf die 3. Frage des Mitarbeiters der B. aber genannt hat, „vergessen“ habe. Gleich verhält es sich mit der wiederholten Frage nach der Identität der Bf. Auch hier gab die Bf an, dass sie das nicht sage (Bemerkungen 21. und 22.). Abschließend kommt hinzu, dass die Bf angibt, die A.-Brücke daher zu kennen, da ein Kollege vom Tennisplatz von dieser Brücke gesprungen sei. Die Bf schließt sodann mit der Anmerkung, dass sie die Brücke nicht finde. Warum sie die Brücke nun finden sollte gibt die Bf nicht mehr an. Dieser Gesprächsverlauf und die darin angedeuteten Aussagen bzw. SMS führten dazu, dass der Mitarbeiter der B. den Verdacht gehegt hat, dass Tatsachen vorliegen die die Gefährdung eines Menschenlebens als möglich erscheinen lassen. Diesen Verdacht gab der Mitarbeiter der B. an die vor Ort einschreitenden Organe weiter und zwar, in der Form als er mitteilte, dass ein SMS mit einer Suizidankündigung verschickt worden sei (die Bf werde sich von der A.-Brücke stürzen), ein außergewöhnlich langer Notruf eingelangt sei, ein außergewöhnlicher Gesprächsverlauf und ein außergewöhnliches Gesprächsverhalten der Bf vorgelegen haben und eine Beurteilung des Wahrheitsgehaltes aus der Ferne nicht möglich sei. Die beiden einschreitenden Organe haben zu diesem Informationsstand hinzutretend die Telefonnummer (Handynummer) der Bf erhalten. Während der Fahrt zum Wohnhaus der Bf wurde mehrfach erfolglos versucht die Bf zu erreichen. Vor Ort konnten die einschreitenden Organe nicht in Erfahrung bringen, wo sich die Bf genau aufhält. Eine direkte Kontaktaufnahme bzw. über ein Haustelefon bzw. die Mitarbeiter bzw. die Vertretungsärztin der Bf war nicht möglich. Im Zuge der Erkundungen beim Laborgebäude wurde festgestellt, dass ein auf die Bf zugelassenes KfZ in der Nähe des Wohnhauses abgestellt war. Hieraus in Zusammenhang mit den Angaben des Mitarbeiters der B., der mitteilte, dass die Bf gesagt habe, dass sie zu Hause in ihrem Zimmer sitze, schlossen die Organe, dass die Bf im örtlich an das Labor angrenzende Wohnhaus befindlich war. Da die Liegenschaft eingezäunt und das Gartentor abgeschlossen war, wurde der Zaun von den Organen überklettert und die Liegenschaft betreten, da seitens der Mitarbeiter kein Schlüssel oder keine Leiter zur Verfügung gestellt werden konnte und auch ein Weg über das Ordinations- bzw. Laborgebäude nicht möglich war. Nach dem Überwinden des Zaunes gingen die Organe zum Wohnhaus und klopften, läuteten bzw. schrien, um die Bf auf sie aufmerksam zu machen. Im Zuge dieser Vorgehensweise vernahmen die Organe Geräusche aus dem Inneren des Wohnhauses und fühlten sich in der Annahme der Anwesenheit der Bf bestätigt. Nachfolgend umrundeten die Organe das Gebäude mehrfach und setzten die Kontaktaufnahmeversuche fort. Nachfolgend wurde über Kontaktaufnahme ein Schlüsseldienst angefordert, welcher zunächst die Gartentüre aufsperrte und sodann begann die Kellertüre aufzumachen. Die Gartentüre wurde aus einsatztaktischen Erwägungen heraus geöffnet, um einem allfälligen Rettungseinsatz bzw. den Schlüsseldienst mit dem Einsatzwerkzeug die Zufahrt zu ermöglichen. Das Öffnen der Kellertüre erfolgte, da die Haustüre Sicherheitsschlösser aufwies und der Eingang über den Keller aus der Warte der einschreitenden Organe mit geringerem Aufwand versehen war.

 

Als der gerufene Schlüsseldienst mit der Öffnung der Kellertüre begann erfolgte im Wege der Handyübergabe durch die Vertretungsärztin der Bf eine Kontaktaufnahme mit dem Gatten der Bf. Dieser teilte den einschreitenden Organen mit, dass es seiner Gattin gut gehe und alles nur ein Missverständnis sei. Der Gatte befand sich jedoch im Zeitpunkt des Telefonats nicht bei seiner Frau. Auch hatte der Gatte zu diesem Zeitpunkt keinen direkten Kontakt mit der Bf gehabt und war dies auch den einschreitenden Organen bekannt. Der Gatte befand sich in diesem Zeitpunkt in S. Weiter ist festzustellen, dass der Gatte nach dem Telefonat der Bf mit ihrer Mutter, einmal direkten Kontakt mit der Bf hatte und die Bf ob des Telefonats mit der Mutter etwas aufgebracht war.

 

Etwa zur gleichen Zeit erreichte die einschreitenden Organe ein Anruf der Rechtsvertretung der Bf. Diese teilte mit, dass die Bf nicht direkt mit den Organen reden möchte – dies erfolgte, weil die Bf schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht hat. Zudem teilte der Rechtsvertreter mit, dass alles in Ordnung sei und die Bf keine Hilfe benötige.

 

In weiterer Folge wurde vom Schlüsseldienst die Kellertüre erfolgreich geöffnet, jedoch erkannt, dass eine zweite Tür den Eingang versperrt. In diesem Zeitpunkt öffnete die Bf ein Fenster im oberen Stock des Hauses, sah heraus und fragte, was hier gerade gemacht werde. Zur Abklärung der Situation wurde die Bf ersucht, zur Haustüre zu kommen. Die Bf kam daraufhin zur Haustüre. An der Haustüre wurde die Bf über den eingegangenen Notruf in Kenntnis gesetzt und die Verdachtslage erörtert. Das Verhalten der Bf stellte sich derart dar, dass sie einmal geschrien hat und einmal normal und einsichtig gesprochen hat. Zudem tätigte die Bf Aussagen wie: sie werde die Organe verklagen; was die Organe verdienen, verdiene Sie an einem Tag usw. Zudem stritt die Bf spontan den Notruf ab. Diesbezüglich ist der gegenteiligen Aussage der Bf kein Glauben zu schenken, da einerseits die Aussagen der beiden Zeugen übereinstimmend, schlüssig und zueinander nicht im Widerspruch standen und auch der aufgezeichnete Notruf ein derartiges Verhalten der Bf zeigt: einmal sagt sie den Namen, dann wiederum nicht; einmal sagt sie die Adresse, dann „kann“ sie sich nicht daran erinnern („...ich weiß meine Adresse nicht mehr...“). Die Verdachtslage konnte sohin nicht zerstreut werden, sondern verdichtete sich noch mehr durch das Verhalten der Bf. Insofern erklärt sich auch der von den einschreitenden Organen angenommene „schizophrene“ Eindruck. Zur weiteren Abklärung wurde – an Stelle des Amtsarztes, auf Wunsch der Bf – der Gemeindearzt Dr. R. verständigt, der sein Eintreffen in 20 Minuten ankündigte. Im Anschluss daran wurde wieder mit der Bf gesprochen und ihr erklärt, dass eine Abklärung durch den Gemeindearzt stattzufinden habe. Dies wurde der Bf auch kommuniziert („...angewiesen...“; Gedächtnisprotokoll R.). Daraufhin wollte die Bf wieder in das Innere des Hauses gehen und die Türe hinter sich zu ziehen. Ein handelndes Organ stellte sodann einen Fuß in die Tür, damit die Bf diese nicht zuziehen konnte. Dies geschah ohne Berührung der Bf. Notwendig war dies, aufgrund des Umstandes, dass die Tür an der Außenseite einen Knauf hatte und von außen nicht geöffnet werden konnte. Der Aussage der Bf war hier kein Glauben zu schenken, da einerseits übereinstimmende Aussagen der eingeschrittenen Organe vorhanden ist und andererseits die Sinnhaftigkeit des von der Bf beschriebenen vermeintlichen Verhaltens des Organes der allgemeinen Lebenserfahrung widerspricht. Wenn die Bf von der Haustür gesehen hinter der Zeugin in Richtung Garten gestanden hätte, so wäre es nicht sinnvoll gewesen den Fuß gleichzeitig mit dem Festhalten der Bf in die Tür zu stellen. Einerseits würde sich das einschreitende Organ des sicheren Standes entledigen und andererseits würde das Organ dadurch seine Möglichkeit schmälern sich der Bf in den Weg zu stellen um zu verhindern, dass sie in den Türbereich und sodann in das Hausinnere kommen kann. Außerdem hat das in die Türe Stellen des Fußes für das Verhindern des Hineinkommens der Bf in das Haus keine nachvollziehbare Wirkung. Bestätigung findet dieses Beweisergebnis dadurch, als die Bf selbst angibt, dass ihr der für diese Situation ganz wesentliche Umstand, dass das Türblatt durch eine Hand des Organs vor dem Aufgehen fixiert wurde, nicht mehr erinnerlich ist. Hinzukommt an dieser Stelle schließlich, dass die Bf selbst in der Beschwerde ausführt, dass sie vermeintlich vom einschreitenden Organ „aus dem Haus gezerrt“ wurde. Insofern geht die Bf sogar selbst davon aus, dass sie sich im Haus befunden hat. In diesem Zusammenhang ist aber festzustellen, dass kein expliziter Befehl oder die Androhung von Gewalt stattfand.

 

Im Anschluss daran wurde die Amtshandlung einvernehmlich im Poolhaus der Bf fortgesetzt. Die Bf setzte sich im Poolhaus auf die Toilette und die Beamten warteten im Vorbereich. Die Tür zur Toilette stand offen, der Schlüssel wurde von einem Organ abgezogen und bei der Kaffeemaschine platziert, um zu verhindern dass sich die Bf einsperrt. Die Bf wurde eben nicht eingesperrt und auch im Poolhaus nicht berührt. Auch an diesem Punkt ist den Angaben der Bf kein Glauben zu schenken, da es aus der Intention der Amtshandlung heraus, nach allgemeiner Lebenserfahrung keinen Sinn macht, die Bf einzusperren, wenn man eben zu verhindern versucht, dass die Bf sich aus dem Blickfeld der einschreitenden Organe entfernt. Sodann erschien der Gemeindearzt und stellte nach einem Gespräch fest, dass keine Gefährdung gegeben sei. Die Bf ging anschließend ins Haus. Eine Anordnung einen bestimmten Weg zum Haus zurück zu wählen wurde seitens der Organe nicht getroffen. Dies ergibt sich eindeutig aus den beiden Aussagen der Organe und war der Bf dahingehend nicht zu folgen.

 

 

III.

 

1. Gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit.

 

Nach Art 132 Abs. 2 B-VG kann gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:

  1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,
  2. die Bezeichnung der belangten Behörde,
  3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
  4. das Begehren und
  5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

 

Gem. § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

 

Gem. § 28 Abs. 6 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben.

 

2. Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl VwGH 29.6.2000, 96/01/0596 mwN und unter Hinweis auf die Lehre). Entscheidend ist dabei, dass es sich um einen Hoheitsakt einer Verwaltungsbehörde handelt, mit dem in die Rechte von individuellen natürlichen oder juristischen Personen eingegriffen wird, ohne dass ein Bescheid erlassen wird (vgl Köhler in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 45 f zu § 129a B-VG). Nach der Judikatur des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofs muss es sich bei einer bekämpfbaren Maßnahme um die Anwendung physischen Zwangs oder die Erteilung eines Befehls mit unverzüglichem Befolgungsanspruch handeln (vgl Eisenberger/Ennöckl/Helm, Die Maßnahmenbeschwerde, 40, uHa VfSlg 11.935/1988, VwGH 28.5.1997, Zl. 96/13/0032, VwGH 16.4.1999, Zl. 96/02/0590). Voraussetzung für die Maßnahmenqualität eines behördlichen Befehls ist nach der Rechtsprechung ein unmittelbarer Befolgungsanspruch. Das bedeutet, dass dem Betroffenen bei Nichtbefolgung des Befehls unmittelbar, dh unverzüglich und ohne weiteres Verfahren, eine physische Sanktion droht (vgl. VfSlg 10.662/1985). Liegt ein Befolgungsanspruch aus einer solchen, dem Befehlsadressaten bei Nichtbefolgung des Befehls unverzüglich drohenden physischen Sanktion (objektiv) nicht vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (vgl VwGH 29.9.2009, Zl. 2008/18/0687, VwGH 28.10.2003, Zl. 2001/11/0162).

 

3.1. Sind gem. § 19 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. Nr. 566/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 43/2014 (in der Folge: SPG) Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum von Menschen gegenwärtig gefährdet oder steht eine solche Gefährdung unmittelbar bevor, so trifft die Sicherheitsbehörden die erste allgemeine Hilfeleistungspflicht, wenn die Abwehr der Gefährdung

1.    nach den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen in die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde fällt oder

2.    zum Hilfs- und Rettungswesen oder zur Feuerpolizei gehört.

 

Sobald Grund zur Annahme einer Gefährdung gemäß § 19 Abs. 1 SPG entsteht, sind die Sicherheitsbehörden gem. § 19 Abs. 2 SPG verpflichtet festzustellen, ob tatsächlich eine solche Gefährdung vorliegt. Ist dies der Fall, so haben sie die Gefahrenquelle festzustellen und für unaufschiebbare Hilfe zu sorgen. Sobald sich ergibt, dass

1.    eine allgemeine Gefahr vorliegt, hat deren Erforschung und Abwehr im Rahmen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit (2. Hauptstück) zu erfolgen;

2.    die Abwehr der Gefahr in die Zuständigkeit anderer Behörden, der Rettung oder der Feuerwehr fällt, ist für deren Verständigung Sorge zu tragen.

 

Auch wenn die Gefährdung weiterbesteht, endet gem. § 19 Abs. 3 SPG die erste allgemeine Hilfeleistungspflicht

1.   gegenüber jedem Gefährdeten (§ 19 Abs. 1 SPG), der weitere Hilfe ablehnt;

2.   sobald sich ergibt, daß die Abwehr der Gefährdung nicht unter § 19 Abs. 1 SPG fällt.

 

Gem. § 19 Abs. 4 SPG besteht die erste allgemeine Hilfeleistungspflicht der Sicherheitsbehörden ungeachtet der Zuständigkeit einer anderen Behörde zur Abwehr der Gefahr; sie endet mit dem Einschreiten der zuständigen Behörde, der Rettung oder der Feuerwehr.

 

Soweit es zur Hilfeleistung im Sinne von § 19 SPG erforderlich ist, sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gem. § 32 Abs. 1 SPG ermächtigt, in Rechtsgüter einzugreifen, sofern der abzuwendende Schaden die Rechtsgutsverletzung offenkundig und erheblich übersteigt.

 

3.2. Gem. § 32 Abs. 2 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ferner ermächtigt, zur Hilfeleistung im Sinne von § 19 SPG in die Rechtsgüter desjenigen einzugreifen, der die Gefährdung zu verantworten hat. Lebensgefährdende Maßnahmen sind jedoch nur zur Rettung des Lebens von Menschen zulässig

 

3.3. Gem. § 39 Abs. 1 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Grundstücke, Räume sowie Luft-, Land- und Wasserfahrzeuge (Fahrzeuge) zu betreten, sofern dies zur Erfüllung der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht oder zur Abwehr eines gefährlichen Angriffs erforderlich ist.

 

Gem. § 39 Abs. 2 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes weiters ermächtigt, Grundstücke, Räume und Fahrzeuge zu betreten, sofern dadurch ein zulässiger Waffengebrauch vermieden werden kann.

 

Gem. § 39 Abs. 3 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Grundstücke, Räume und Fahrzeuge zu durchsuchen, soweit dies der Suche

1.    nach einem Menschen dient, dessen Leben oder Gesundheit unmittelbar gefährdet erscheint;

2.    nach einem Menschen dient, von dem ein gefährlicher Angriff ausgeht;

3.    nach einer Sache dient, die für einen gefährlichen Angriff bestimmt ist.

 

3.4. Gem. § 46 Abs. 1 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Menschen, von denen sie aus besonderen Gründen annehmen, dass sie an einer psychischen Krankheit leiden und im Zusammenhang damit ihr Leben oder ihre Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährden, einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt oder einem Polizeiarzt vorzuführen, sofern dies notwendig ist, um eine Untersuchung des Betroffenen durch diesen Arzt zu ermöglichen. Weiters sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, solche Menschen einer Krankenanstalt (Abteilung) für Psychiatrie vorzuführen, sofern der Arzt die Voraussetzungen für eine Unterbringung bescheinigt.

 

Gem. § 46 Abs. 3 SPG ist im Übrigen in diesen Fällen gemäß § 9 Unterbringungsgesetz vorzugehen. Die Sicherheitsbehörde ist ermächtigt, von der Vorführung in die Krankenanstalt (Abteilung) für Psychiatrie einen Angehörigen, der mit dem Betroffenen wohnt oder für ihn sorgt, sofern kein solcher bekannt ist, einen Angehörigen aus dem Kreis der Kinder, Ehegatten und Eltern von der Amtshandlung zu verständigen.

 

Gem. § 9 Abs. 1 Unterbringungsgesetz, BGBl 155/1990 idF BGBl I 18/2010 (im Folgenden: UbG) sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes berechtigt und verpflichtet, eine Person, bei der sie aus besonderen Gründen die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachten, zur Untersuchung zum Arzt (§ 8 UbG) zu bringen oder diesen beizuziehen. Bescheinigt der Arzt das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung, so haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person in eine psychiatrische Abteilung zu bringen oder dies zu veranlassen. Wird eine solche Bescheinigung nicht ausgestellt, so darf die betroffene Person nicht länger angehalten werden.

 

Gem. § 9 Abs. 3 UbG haben der Arzt und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unter möglichster Schonung der betroffenen Person vorzugehen und die notwendigen Vorkehrungen zur Abwehr von Gefahren zu treffen. Sie haben, soweit das möglich ist, mit psychiatrischen Einrichtungen außerhalb einer psychiatrischen Abteilung zusammenzuarbeiten und erforderlichenfalls den örtlichen Rettungsdienst beizuziehen.

 

4.1. Wenn die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 SPG vorliegen, trifft die Sicherheitsbehörden die erste allgemeine Hilfeleistungspflicht. Das Einreiten von Beamten zum Zweck der Abklärung oder Abwendung einer allfälligen Selbstmordgefahr dient der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht (s VwGH vom 9. Juli 2002, Zl. 2000/01/0210). Besteht Grund zur Annahme einer tatbildlichen Gefährdung, müssen die Sicherheitsbehörden und ihre Organe den Sachverhalt erforschen. Es reicht hier die ernsthafte Möglichkeit einer Gefahr (= hier: Selbstmordgefahr) aus (Hauer/Keplinger, SPG4 § 19 Anm. 10.1).

 

4.2. Gem. § 39 Abs. 3 Z 1 SPG ist die zwangsweise Durchsuchung von Grundstücken, Räumen und Fahrzeugen im Dienste der Sicherheitspolizei zulässig, soweit dies der Suche nach einem Menschen dient, dessen Leben oder Gesundheit unmittelbar gefährdet erscheint. Diesbezüglich wird nicht an den gefährlichen Angriff gem. § 16 Abs. 2 und 3 SPG angeknüpft sondern ist auch für die Fälle der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht eine derartige Befugnis vorgesehen (Hauer/Keplinger, SPG4 § 39 Anm. 13 FN 24).

 

4.3. Auf Basis der vom Mitarbeiter der B. weitergegebenen Informationen (Suizidankündigung via SMS an die Mutter, ein außergewöhnlich langer Notruf eingelangt auf 133, ein außergewöhnlicher Gesprächsverlauf und ein außergewöhnliches Gesprächsverhalten) zeigt sich, dass Tatsachen gegeben waren, die aus objektiver Sicht ex ante den Schluss zuließen, dass die Möglichkeit besteht, dass die Bf sich selbst gefährden könnte. In diesem Punkt ist zudem zu erkennen, dass die einschreitenden Organe vor Ort auf die Primäreinschätzung und Lagemitteilung des Mitarbeiters der B. angewiesen waren. Aus der Sicht der handelnden Organe ergibt sich auch kein Umstand dass diese Angaben des Mitarbeiters der B. nicht der Wahrheit entsprachen. Hinzutritt in der Situation des Überwindens des Zaunes, des Betretens des Grundstückes und im Zeitpunkt der Öffnung der Türen, dass die einschreitenden Organe vielfach erfolglos versucht haben, die Bf zu erreichen, obwohl sie selbst über Telefon den Notruf abgegeben hat. Weiters tritt hinzu, dass die einschreitenden Organe Geräusche aus dem Wohnhaus vernahmen und ein auf die Bf zugelassenes Kfz vor diesem abgestellt war. Daher war im diesen Zeitpunkten jeweils schon von einer gesteigerten Verdachtslage für eine Selbstgefährdung (s dazu mN weiter oben) auszugehen. Die Möglichkeit zur Selbstgefährdung wird zur einer Wahrscheinlichkeit zugespitzt, da zu der Grundannahme (Meldung B. an die einschreitenden Organe) jeweils Indizien (erfolglose Kontaktversuche, Auto) hinzutreten, die die Grundannahme aus objektiver Sicht ex ante bestärken.

 

Im Hinblick auf § 32 SPG ist zudem zu erkennen, dass die einschreitenden Organe die jeweiligen Schritte auch verhältnismäßig gesetzt haben, denn sowohl das Überspringen als auch das Aufschließen des Schlosses mittels Schlüsseldienst an der Kellertüre bzw. der Gartentüre stellen in der konkreten Situation die eingriffsschwächsten Handlungen dar. Alle anderen Kontaktaufnahmen waren erfolglos und das Aufschließen der Haustüre selbst wäre mit einem (finanziell) erheblicheren Schaden verbunden gewesen. Auch das Aufschließen der Gartentüre stellt sich vor dem Hintergrund der Verdachtslage (= Suizidmöglichkeit) als notwendig und verhältnismäßig dar, um die Bedrohung vom Rechtsgut Leib und Leben von der Bf wirksam abzuhalten, denn ein Rettungseinsatz stand ebenfalls im Bereich des Möglichen und auch der Schlüsseldienst musste die entsprechenden Werkzeuge etc. an den Vorfallsort bringen können.

 

Im Ergebnis ist an dieser Stelle festzuhalten, dass sowohl das Überspringen des Zaunes der Bf bzw. das Betreten des Grundstückes der Bf, als auch das Öffnen des Schlosses der Tür im UG des Hauses und der Gartentür der Bf ihre Deckung in § 39 Abs. 3 Z 1 SPG finden und daher rechtmäßig waren.

 

5.1. In einem nächsten Schritt ist sodann zu klären, ob Maßnahmen gesetzt wurden, die in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der persönlichen Freiheit der Bf eingreifen. Diesbezüglich ist klar zu erkennen, dass die Bf während der gesamten Amtshandlung von den einschreitenden Organen nicht berührt wurde. Auch wurde die Bf nicht am Arm gezwickt, gehalten oder Ähnliches. Ein Einsperren im Poolhaus (WC) erfolgte ebenso nicht. Auch wurde ein die Freiheit einschränkender Befehl von den einschreitenden Organen nicht erteilt. Vielmehr wurde sowohl an der Haustüre, als auch beim Poolhaus mit der Bf gemeinsam auf das Eintreffen des Arztes gewartet.

 

5.2. Selbst wenn man davon ausgeht, dass durch das Verhalten der Organe mittelbarer Zwang ausgeübt wurde und die Bf dadurch in ihrer Freiheit eingeschränkt wurde, ist zu erkennen, dass ein Vorgehen seitens der vor Ort einschreitenden Organe in den jeweils bekämpften Phasen der Amtshandlung als rechtmäßig zu erkennen ist. Eine allfällige Freiheitseinschränkung beginnt allenfalls in jenem Zeitpunkt, in dem die einschreitenden Organe bekannt geben, dass auf das Eintreffen des Gemeindearztes gewartet werden muss und sie nicht gänzlich frei in ihren Bewegungen war. Etwa dadurch, dass sich die Bf nicht völlig frei (etwa unter Abschluss ihrer Haustür oder Toilettentür) bewegen konnte.

 

5.2.1. § 46 SPG hat aufgrund der Einräumung der Befugnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit im Vergleich zu § 39 SPG erhöhte Anforderungen. Einerseits sind besondere Gründe zur Annahme einer psychischen Krankheit durch die handelnden Personen gefordert. Insofern ist zu erkennen, dass diese Beurteilung ex ante stattzufinden hat. Beurteilungsmensch ist wiederum ein durchschnittlich verständlicher medizinischer Laie. Nicht gefordert ist, dass Gewissheit aus sachverständiger Sicht über die psychische Krankheit besteht. Aufgrund der Formulierung (arg. „besondere Gründe“) ist es für eine Vorführung als nicht ausreichend anzusehen, wenn eine Sicherheitsgefahr bloß nicht ausgeschlossen werden kann (VfSlg 4562/1963). In einem weiteren Schritt, muss diese angenommene psychische Krankheit in ursächlichen Zusammenhang der nach § 46 Abs. 1 SPG spezifischen Gefährdung stehen. Diese im Kausalzusammenhang stehende Gefährdung muss wiederum ernstlich und erheblich sein.

 

5.3. Mit Blick auf die im Zeitpunkt des Beginnes der allfälligen Freiheitseinschränkung vorliegende Beurteilungsgrundlage ist zu erkennen, dass die einschreitenden Organe folgenden Informationsstand hatten:

·         Auf Basis der von den einschreitenden Organen als wahr zu bewertenden Meldung des Mitarbeiters der B.:

o   Suizidankündigung via SMS an die Mutter,

o   ein außergewöhnlich langer Notruf eingelangt auf 133,

o   ein außergewöhnlicher Gesprächsverlauf,

o   ein außergewöhnliches Gesprächsverhalten

 

·         Hinzutritt in der Situation des Überwindens des Zaunes, des Betretens des Grundstückes und im Zeitpunkt der Öffnung der Türen:

o   vielfach erfolglose Kontaktversuche + keinerlei verwertbare Information über die Mitarbeiter der Bf,

o   kein Telefonkontakt, obwohl die Bf selbst über Telefon den Notruf abgegeben hat,

o   Geräusche aus dem Wohnhaus

o   Vorfinden eines auf die Bf zugelassenen Kfz beim Haus.

 

·         Die Verdachtsmomente entkräftende Informationen fanden die Organe vor:

o   Anruf des Gatten der Bf, der mitteilt, dass alles in Ordnung sei – der aber nicht bei der Gattin persönlich war.

o   Anruf des Rechtsvertreters der Bf, dass alles in Ordnung sei, und keine Amtshandlung notwendig sei – der aber auch nicht bei der Bf persönlich war und mitteilte, dass die Bf nicht persönlich mit den Organen sprechen wolle.

o   keine direkte Aussage der Bf, dass sie sich selbst töten wolle.

 

·         Hinzutritt: In weiterer Folge im Zeitraum vor bzw. bei Beginn der allfälligen Freiheitsbeschränkung erlangten die einschreitenden Organe folgende Informationen:

o   die Bf befolgte die Bitte, zur Haustüre bzw. zum Poolhaus zu kommen,

o   die Bf negierte den Notruf,

o   die Bf zeigte eine auffälliges Verhalten (abwechselnd schreien, abwechselnd normal und einsichtig. Zudem tätigte die Bf Aussagen wie: sie werde die Organe verklagen; was die Organe verdienen, verdiene sie an einem Tag usw),

o   die Bf wollte ins Haus zurückgehen und die Tür hinter sich schließen,

o   die Bf wollte ins Poolhaus in die Toilette wobei wieder die Möglichkeit des Einschließens bestand.

 

Insofern zeigt sich, dass aus dem Blickwinkel objektiv ex-ante (s dazu Wiederin, Sicherheitspolizeirecht Rz 385f) im Zeitpunkt des Beginnes der allfälligen Freiheitseinschränkung besondere Umstände vorlagen, die den ursprünglich erkannten Verdacht erhärteten (Hauer/Keplinger, SPG4 § 46 Anm. 8). Durch das wechselhafte, einerseits folgsame, andererseits entfliehende Verhalten der Bf (zur Haustür kommen/wieder ins Haus verschwinden wollen), die verschiedenen verbalen Ausdrucksweisen (einsichtig/schreiend) und die jeweiligen Versuche die Polizisten einerseits „auszusperren“ und andererseits einzuladen (z.B.: Thematik: Leberkäse beim Telefonat – ex post wiederholend: Getränk bei Pool-Haus – wobei dies bei der Beurteilung des Verdachtes selbst nicht relevant ist) ergeben sich erhärtende (besondere) Umstände die aus dem Blickwinkel der einschreitenden Organe den Eindruck von nicht nachvollziehbaren, abrupt alterierenden Verknüpfungen im Gedankengebäude der Bf und sohin das Vorliegen einer psychischen Krankheit (Wortwahl der einschreitenden Organe: „schizophrene Eindruck“), welche den Anforderungen des § 46 Abs. 1 SPG genügt (Hauer/Keplinger, SPG4 § 46 Anm. 9) aus dem Blickwinkel eines durchschnittlich verständigen medizinischen Laien (VwSlg 16.688A/2005) – wiewohl sich dieser Eindruck im Nachhinein, nach einer ärztlichen Befundung, als haltlos herausstellte – genügt. Weiters liegen auch zusätzliche erhärtende Umstände vor, dass die Bf sich aufgrund dieser Annahme auch selbst im Hinblick auf ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit erheblich gefährden werde, da die Grundannahme der Suizidankündigung weiter durch das Verhalten der Bf bestätigt wurde. Die Bf versuchte nach Erklärung, dass der Gemeindearzt zur Begutachtung kommen werde, wieder in das Haus hineinzugehen und die Tür zuzuziehen. Ein mit dieser Reaktion in Einklang stehendes Verhalten zeigte die Bf dann wiederholt im Pool-Haus, indem sie sich in einem Raum zurückzog, der von Innen versperrbar war. In Zusammenhang mit dem Gesamtverhalten der Bf, der Grundannahme aufgrund der Meldung der B. und der weiteren Umstände im Zuge der Amtshandlung war der Schluss der einschreitenden Organe von Beginn der allfälligen Freiheitseinschränkung bis zu deren Beendigung, dass die Bf es ernstlich vor hatte, eine Selbstgefährdung durchzuführen aus dem Blickwinkel ex ante nachvollziehbar und naheliegend. Den jeweilig entwarnenden Telefonaten war insofern keine Relevanz zuzumessen, da beide Gesprächspartner nicht im direkten Kontakt mit der Bf standen, als sie die Information weitergegeben haben und daher die – sich stätig entwickelnde – Lage nicht „live“ und mit den jeweiligen Verästelungen des Geschehens abbilden und bewerten konnten.

 

In einem nächsten Schritt ist zu erkennen, dass der allfällige Eingriff in die Bewegungsfreiheit der Bf auch als verhältnismäßig anzusehen ist, da lediglich auf die Ankunft des Gemeindearztes mit der Bf zusammen gewartet wurde. Eine Vorführung fand nicht statt (s dazu Kopetzki, Unterbringungsrecht2 Rz 158 mN).

 

6. Gem. § 35 Abs. 1 VwGVG hat die obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterliegende Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, ist die Bf die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei. Gem. § 35 Abs. 6 VwGVG sind des Weiteren die §§ 52-54 VwGG auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG anzuwenden. Wenn demnach in einer Beschwerde mehrere faktische Amtshandlungen angefochten werden, ist dies gem. § 52 VwGG so zu behandeln, als wären mehrere Beschwerden eingebracht worden. Es ist somit die Beschwerde gegen jede faktische Amtshandlung gesondert zu vergüten. Insofern sind nach der hM der Vorlage-, Schriftsatz- und der Verhandlungsaufwand gesondert zu vergüten. (VwGH vom 26.6.2013, Zl. 2012/01/0126). Lediglich der Ersatz der Reisekosten erhält durch § 52 Abs. 2 VwGG eine Einschränkung (s dazu weiter Reisner in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte § 35 Rz 33ff). Entsprechend der Rsp des VwGH gebührt der belangten Behörde aber nur der einfache Vorlageaufwand, wenn nur ein Verwaltungsakt vorgelegt wurde, auch wenn darin mehrere Verwaltungsakte enthalten sind (VwGH 22.3.2000,Zl 97/01/0745; VwGH 9.9.2003, Zl 2002/01/0360; Hengstschläger/Leeb § 79a Rz 22f mwN). Der oben angesprochene mehrfache Schriftsatzaufwand gebührt, wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auf alle bekämpften Verwaltungsakte entsprechend Bezug nimmt (Hengstschläger/Leeb § 79a Rz 22f mwN).

 

Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach den §§ 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl II 2013/517 ein Aufwandsersatz in Höhe von insgesamt 1717 Euro (je 1 x Vorlageaufwand: 57,40 Euro + 2 x Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro + 2 x Verhandlungsaufwand: 461 Euro) zuzusprechen.

 

 

IV.

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des
Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Zudem handelt sich lediglich um eine im konkreten Sachverhalt gelegene Einzelfallentscheidung.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. Markus Brandstetter