LVwG-601573/10/JS/MSt
Linz, 09.12.2016
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter
Mag. Steinschnack über die Beschwerde der Dr. U E, geb. x 1973, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 4.9.2015, GZ: VerkR96-8974-2015, wegen Übertretung der StVO den
B E S C H L U S S
gefasst:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 4 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision der Beschwerdeführerin an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Zu Punkt I.:
1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Gmunden (in der Folge: belangte Behörde) warf der Beschwerdeführerin im angefochtenen Straferkenntnis vom 4.9.2015 vor, sie sei am 20.3.2015 um 16:30 Uhr in der Gemeinde St. Wolfgang im Bereich des Parkplatzes Nr. 30 und 31 des Parkhauses Tunnelausgang West als Lenkerin des Personenkraftwagens mit dem polizeilichen Kennzeichen x in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall gestanden und hätte nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach der Bestimmung des § 4 Abs. 5 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) begangen, weshalb über sie gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO 1960 eine Geldstrafe in Höhe von 200 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 101 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde sie zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 20 Euro verpflichtet.
1.2. Am 7.10.2015, 21:40 Uhr, sandte die Beschwerdeführerin ein E-Mail mit dem Betreff „Beschwerde GZ: VerkR96-8974-2015“ an das E-Mail-Postfach der belangten Behörde (bh-gm.post@ooe.gv.at) zu Handen des zuständigen Sachbearbeiters, in welchem die Beschwerdeführerin mitteilte, „... in der Beilage die Beschwerde (samt Beilagen) gegen das oben genannte Straferkenntnis zu übermitteln.“
1.3. Am 14.10.2015, 13:04 Uhr, übermittelte der Gatte der Beschwerdeführerin ein E-Mail an den zuständigen Sachbearbeiter der belangten Behörde, mit welchem er bezugnehmend auf ein Telefonat zwischen dem Sachbearbeiter und der Beschwerdeführerin eine Beschwerde vom 7.10.2015 gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 4.9.2015 als Anlage übermittelte. In dieser Beschwerde begehrte die Beschwerdeführerin mit ausführlicher Begründung die Aufhebung des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 4.9.2015 seinem gesamten Umfang nach wegen Rechtswidrigkeit.
1.4. Mit Schreiben vom 15.10.2015 teilte der zuständige Sachbearbeiter der belangten Behörde der Beschwerdeführerin unter anderem mit, dass ihr E-Mail vom 7.10.2015 laut Mitteilung der Abteilung IT bei der belangten Behörde nicht angekommen sei und ein Übertragungsfehler vorliege, welcher zu Lasten der Beschwerdeführerin gehe. Die belangte Behörde ersuchte um Mitteilung, ob die Beschwerdeführerin aufgrund des Umstands der verspäteten Einbringung die Beschwerde zurückziehe.
2. Die belangte Behörde hat dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am 7.10.2016 die Beschwerde ohne Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 Abs. 2 VwGVG vorgelegt. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich sowohl eine Stellungnahme der Abteilung Informationstechnologie des Amtes der Oö. Landesregierung als auch ein Auszug aus dem E-Mail-Postfach der belangten Behörde über die am 7. und 8.10.2015 bei ihr eingegangenen E-Mails beigeschafft. Der Beschwerdeführerin wurde die Möglichkeit eingeräumt, zu den von Amts wegen beigeschafften Urkunden Stellung zu nehmen.
3. Zur Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich:
Die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich ergibt sich aus Art. 130 Abs. 1 Z 1, Abs. 4 und Art. 131 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz
(B-VG) iVm § 3 Abs. 2 Z 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) und § 1 Abs. 1 Oö. Landesverwaltungsgerichtsgesetz, welches durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter gemäß § 2 VwGVG entscheidet.
4. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:
Die belangte Behörde stellte der Beschwerdeführerin das bekämpfte Straferkenntnis vom 4.9.2015 am 9.9.2015 durch Hinterlegung zu. Am 14.10.2015 wurde die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 7.10.2015 gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 4.9.2015 per E-Mail bei der belangten Behörde eingebracht.
5. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt der belangten Behörde sowie in die von Amts wegen beigeschafften Urkunden, nämlich Auskunft der Abteilung Informationstechnologie des Amtes der Oö. Landesregierung vom 7.11.2016 und Auszug aus dem E-Mail-Postfach der belangten Behörde über die am 7. und 8.10.2015 bei ihr eingegangenen E-Mails.
5.1. Aus diesen Urkunden ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt vollständig geklärt und zur Gänze zweifelsfrei: So ergab sich aus dem Auszug sämtlicher bei der belangten Behörde am 7. und 8.10.2015 eingegangenen E-Mails für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eindeutig, dass das E-Mail der Beschwerdeführerin vom 7.10.2015, 21:40 Uhr, an diesen beiden Tagen nicht von der belangten Behörde empfangen wurde. Gegenteiliges wurde im Übrigen von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet. Es fand sich auch im E-Mail ihres Gatten vom 14.10.2015 kein Nachweis, dass das gesendete E-Mail der Beschwerdeführerin vom 7.10.2015, 21:40 Uhr, tatsächlich am 7.10.2015 bei der belangten Behörde eingelangt ist. Auch die Abteilung Informationstechnologie des Amtes der Oö. Landesregierung konnte mit ihrer Stellungnahme vom 7.11.2016, wonach eine Rekonstruktion des Mailvorgangs vom 7.10.2015 für die Abteilung Informationstechnologie nicht mehr möglich sei, nichts Gegenteiliges beitragen. Es war daher beweiswürdigend davon auszugehen, dass die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 7.10.2015 gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 4.9.2015 tatsächlich erst mit E-Mail ihres Gatten vom 14.10.2015 bei der belangten Behörde einging, worauf die belangte Behörde die Beschwerdeführerin sogleich am nächsten Tag aufmerksam machte. Die Beschwerdeführerin gab weder zum Schreiben der belangten Behörde vom 15.10.2015 noch zum Schreiben des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 15.11.2016 eine Stellungnahme ab.
5.2. Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 7.10.2015 wegen Verspätung zurückzuweisen ist, konnte die Durchführung einer mündlichen öffentlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
6. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat in rechtlicher Hinsicht hierüber erwogen:
6.1. Nach der Bestimmung des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
6.2. Die Verwaltungsgerichte erkennen gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 50 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, über Beschwerden in der Sache selbst zu entscheiden. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen des Landesverwaltungsgerichtes durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Das Landesverwaltungsgericht hat dabei seine Erledigung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten (VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076; VwGH 18.02.2015, Ra 2015/04/0007; ua.).
6.3. Die Beschwerde ist zurückzuweisen, wenn sie verspätet eingebracht wurde (vgl. Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5, Rz. 1059).
6.4. Zu den maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 82/2015 (auszugsweise):
„Beschwerderecht und Beschwerdefrist
§ 7.
...
(4) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt
1. in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung,
...“
6.5. Nach der Bestimmung des § 7 Abs. 4 Z 1 VwGVG begann für die Beschwerdeführerin die Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen das bekämpfte Straferkenntnis der belangten Behörde vom 4.9.2015 mit dem Tag der Zustellung des Straferkenntnisses an die Beschwerdeführerin zu laufen, das war unstrittig der 9.9.2015. Die Beschwerdefrist von vier Wochen endete demnach am 7.10.2015.
Das am 7.10.2015, 21:40 Uhr, gesendete E-Mail der Beschwerdeführerin, mit welchem die Beschwerdeführerin (nach dessen Inhalt) eine Beschwerde gegen das bekämpfte Straferkenntnis übermittelte, ging der belangten Behörde jedoch am 7.10.2015 nicht fristwahrend zu: Um die Frist zu wahren, ist die Beschwerde vor Ablauf rechtswirksam bei der belangten Behörde einzubringen (vgl. Hengstschläger/Leeb, Verwaltungsverfahrensrecht5, Rz. 1030). Ein Rechtsmittel ist nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann rechtswirksam bei der Behörde eingebracht, wenn es bei der Behörde tatsächlich eingelangt ist, was bei einer E-Mail-Sendung dann der Fall ist, wenn es von einem Server, den die Behörde für die Empfangnahme von an sie gerichtete E-Mail-Sendungen gewählt hat, empfangen wurde und sich damit im „elektronischen Verfügungsbereich“ der Behörde befindet (vgl. VwGH 18.4.2012, 2010/10/0258; VwGH 27.3.2014, 2013/10/0244; u.a.). Das Einlangen bei der Behörde hat die Partei zu beweisen. Eine Bestätigung über die Absendung einer E-Mail-Nachricht ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich alleine nicht als Beweismittel für das tatsächliche Einlangen der Sendung bei der Behörde geeignet, kann daraus doch nach Ansicht des Höchstgerichtes nicht geschlossen werden, dass die Nachricht tatsächlich bei der Behörde eingelangt ist (vgl. VwGH 29.1.2010, 2008/10/0251;).
Die Beschwerdeführerin hat zwar am 7.10.2015 um 21:40 Uhr ein E-Mail an das E-Mail-Postfach der belangten Behörde abgesendet, jedoch reichte das bloße Absenden des E-Mails nach der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für die Beschwerdeführerin nicht aus, um damit fristwahrend eine Beschwerde gegen das bekämpfte Straferkenntnis bei der belangten Behörde einzubringen. Das E-Mail der Beschwerdeführerin (und nach dessen Inhalt auch die Beschwerde) hätte vielmehr am 7.10.2015 bei der belangten Behörde auch elektronisch eingehen müssen, damit rechtzeitig Beschwerde gegen das bekämpfte Straferkenntnis erhoben worden wäre. Tatsächlich ist die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 7.10.2015 aber erst mit E-Mail ihres Gatten vom 14.10.2015, und damit nach Ablauf der Beschwerdefrist, bei der belangten Behörde eingelangt, weshalb sich die Beschwerde als verspätet im Sinne des § 7 Abs. 4 VwGVG erwies.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Punkt II.:
Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die in dieser Entscheidung zitierte Judikatur des VwGH). Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Für die Beschwerdeführerin ist nach der Bestimmung des § 25a Abs. 4 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) keine Revision zulässig. Nach dieser Bestimmung ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache – wie gegenständlich - eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte sowie im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde (vgl. VwGH 9.2.2016, Ra 2016/02/0017, VwGH 21.9.2015, Ra 2015/02/0171; ua.)
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde und der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.
H i n w e i s
Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Mag. Steinschnack