LVwG-601517/10/WP

Linz, 30.11.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Mag. Peterseil über die Beschwerde des S S, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 19. Juli 2016, GZ: VStV/915301381108/2015, wegen einer Übertretung der StVO nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8. November 2016

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

 

I.          Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde teilweise stattgegeben und die Geldstrafe auf 60,00 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 28 Stunden herabgesetzt.

 

 

II.         Gemäß § 52 Abs 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.

 

 

III.        Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine Revision des Beschwerdeführers an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG absolut unzulässig; für die belangte Behörde und die revisionslegitimierte Formalpartei ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungs­gerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I.             Bisheriges Verwaltungsgeschehen:

 

1. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich (in der Folge kurz: belangte Behörde) wirft dem Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf) im angefochtenen Straferkenntnis vor, er habe am 14.09.2015 um 18:07 Uhr in Linz, A7 Str.km 6,5, Autobahn A7 Süd von km 6,5 bis km 6,3 (Einhausung Niedernhart bis Hohe Brücke), Süd als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen x beim Hintereinanderfahren zum nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst worden wäre. Der Bf habe dadurch § 18 Abs 1 StVO verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Bf gem § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe idHv 90,00 Euro sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von einem Tag und 17 Stunden verhängt. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskosten­beitrages idHv 10,00 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende – nach einem Verbesserungsauftrag des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich  ergänzte – Beschwerde. Begründend führt der Bf im Wesentlichen aus, ohne technische Hilfsmittel bzw ohne Videobeweis sei es den Polizeiorganen nicht möglich, eine Abstandsverletzung festzustellen, da sich zwischen dem Bf und der Polizei noch ein weiteres Fahrzeug befand. Die Amtshandlung sei daher willkürlich, da der Bf keine Abstandsverletzung begangen habe und von der Polizei aufgrund der genannten Gründe auch gar nicht festgestellt hätte werden können.

 

Der Beschwerde ist eine vom Bf angefertigte Skizze beigeschlossen. Die Skizze stellt den Straßenabschnitt zwischen der Auffahrt Chemie und dem Beginn der Einhausung Niedernhart („Tunnel“) dar und enthält die jeweiligen Positionen der Fahrzeuge (Bf und Polizei) sowie die jeweiligen Abstände zwischen dem Fahrzeug des Bf und den ihm vorausfahrenden Fahrzeugen.

 

3. Mit Schreiben vom 29. August 2016, beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich am 1. September 2016 eingelangt, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

 


 

II.            Beweiswürdigung und festgestellter Sachverhalt:

 

1. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde samt Schriftsatz des Bf sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8. November 2016, an der der Bf teilnahm; die belangte Behörde war in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten.

 

2.1. Im Hinblick auf die vom Bf der Beschwerde beigefügte Skizze ist festzuhalten, dass diese einen Streckenabschnitt betrifft, der zwar in der Anzeige des Meldungslegers enthalten ist, auf das sich das in Beschwerde gezogene Straferkenntnis örtlich allerdings nicht bezieht. Vom Strafausspruch ist lediglich das Verhalten des Bf innerhalb der Einhausung Niedernhart erfasst, während die (potentiellen) Abstandsverletzungen des im Bf im örtlich vorgelagerten (in der Anzeige des Meldungslegers enthaltenen) Streckenabschnittes nicht vom Spruch des Straferkenntnisses erfasst werden. Die beigefügte Skizze war daher nicht geeignet, als Beweis für das (rechtskonforme) Verhalten des Bf zu dienen und war bei der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts nicht zu berücksichtigen.

 

2.2. In der mündlichen Verhandlung konnte der Meldungsleger den Tathergang schlüssig und nachvollziehbar darlegen und gab an, den Abstand zwischen zwei hintereinander fahrenden Fahrzeugen anhand der Mittelstreifen (deren Länge sechs Meter beträgt) zu ermitteln. Zudem würden vom Meldungsleger beinahe täglich Abstandskontrollen vorgenommen.

 

2.3. In der mündlichen Verhandlung gab der Bf an, der Abstand zu den vor ihm fahrenden Fahrzeugen hätte ca zehn Meter betragen, wobei er den Abstand eher in Sekunden abschätze. Auf Nachfrage des Richters gab der Bf an, der Abstand habe ca fünf bis sechs Sekunden betragen. Mit diesen Angaben begibt sich der Bf mehrfach in Widerspruch. Zum einen würde ein Abstand von fünf bis sechs Sekunden bei einer – unbestritten gebliebenen – Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h einen Abstand von über 100 Meter ergeben, was der Wahrnehmung des Bf, er habe einen Abstand von ca 10 Meter eingehalten, völlig widerspricht. Zudem erscheint die Einhaltung eines Abstandes von über 100 Metern auf dem – dem erkennenden Richter persönlich bekannten – Autobahnabschnitt zu einem Zeitpunkt, auf dem dort starker Abendverkehr herrscht, völlig lebensfremd. Vor dem Hintergrund dieses Widerspruchs in den eigenen Angaben des Bf ist vielmehr von einem – vom Meldungsleger angegebenen und vom Bf bestätigten – Abstand von ca zehn Metern auszugehen.

 

3. Folgender Sachverhalt steht daher fest:

 

Der Bf fuhr am 14. September 2015 um ca 18:07 Uhr mit seinem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen x auf der A7 in Linz, Fahrtrichtung Süd, zwischen Straßenkilometer 6,50 und 6,30 (Einhausung Niedernhart bis Hohe Brücke) mit einer Geschwindigkeit von ca 80 km/h. Der Abstand zu dem ihm vorausfahrenden Fahrzeug betrug ca zehn Meter.

 

 

III.           Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG) hat gem Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG durch seinen nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter im Rahmen des § 27 VwGVG über die zulässige und rechtzeitige Beschwerde erwogen:

 

1.1. Gem § 18 Abs 1 StVO 1960 in der zur Tatzeit gültigen Fassung hat der Lenker eines Fahrzeuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten, dass ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich ist, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst wird.

 

1.2. Gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO 1960 in der hier anzuwendenden Fassung, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges, als Fußgänger, als Reiter oder als Treiber oder Führer von Vieh gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs 1, 1a, 1b, 2, 2a, 2b, 2c, 2d, 2e oder 4 zu bestrafen ist, […]

 

2.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Sicherheitsabstand iSd § 18 Abs 1 StVO 1960 der Reaktionsweg einzuhalten, der in Metern drei Zehntel der Höhe der eingehaltenen Geschwindigkeit in km/h beträgt (VwGH 18.12.1997, 96/11/0035). Bei einer Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h beträgt der Reaktionsweg daher ca 24 Meter. Da vom Bf lediglich ein Abstand von zehn Metern eingehalten wurde, hat der Bf gegen die Vorschrift des § 18 Abs 1 StVO verstoßen, weshalb er das objektive Tatbild der Strafvorschrift erfüllt hat.

 

2.2. Im Hinblick auf das Vorbringen des Bf, eine Abstandsverletzung könne nur durch technische Hilfsmittel festgestellt werden, ist auf die von der belangten Behörde bereits zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung zu verweisen, wonach den geschulten Organen der Sicherheitswache zugebilligt werden muss, Verkehrssituationen richtig zu erkennen und wiederzugeben. Zudem wurde der Sicherheitsabstand vom Bf nicht nur geringfügig, sondern eklatant (14 Meter) unterschritten, weshalb die Feststellung der Unterschreitung mittels technischer Hilfsmittel auch aus dieser Perspektive keinesfalls erforderlich erscheint.

 

3. Gem § 5 Abs 1 VStG ist Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei der Nichtbefolgung eines Gebots dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Da es sich bei der vorgeworfenen Übertretung um ein solches „Ungehorsamsdelikt“ handelt, und der Beschwerdeführer nicht dargelegt hat, dass ihn an der Verwirklichung des objektiven Tatbildes kein Verschulden treffe, ist zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen und hat der Bf daher sein tatbildliches Verhalten auch subjektiv zu verantworten.

 

4. Gemäß § 19 Abs 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die gesetzliche Höchststrafe für die gegenständliche Übertretung beträgt gemäß § 99 Abs 3 lit b StVO 1960 726 Euro. Eine Mindeststrafe ist nicht vorgesehen.

 

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung gab der Bf – entgegen der Annahme der belangten Behörde – an, sorgepflichtig für ein Kind zu sein. Von der belangten Behörde wurden keine Milderungsgründe ins Treffen geführt, wenngleich dem in Beschwerde gezogenen Straferkenntnis keinerlei Fest­stellungen über etwaige verwaltungsstrafrechtliche Vorstrafen zu entnehmen sind. Vor diesem Hintergrund erschien dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die verhängte Geldstrafe als zu hoch bemessen, weshalb diese auf 60,00 Euro herabzusetzen war.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

IV.          Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist für die belangte Behörde und die revisionsberechtigte Formalpartei unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen – in der Entscheidung wiedergegebenen – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde ist eine Eingabegebühr von 240.- Euro zu entrichten.

Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs 4 VwGG eine Revision nur wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, steht der belangten Behörde und der revisionslegitimierten Formalpartei die außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof offen, die beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich einzubringen ist.

 

 

H i n w e i s

 

Bitte erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig. Sie erhalten von der genannten Behörde einen aktualisierten Zahlschein zugesandt.

 


 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

Mag. Peterseil