LVwG-850555/2/Wei

Linz, 14.07.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seinen Richter Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des Dr. K L P, geb. x, x, L, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. E H, Dr. K H, Mag. M W, x, L, gegen den Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Oberöster­reich vom 9. Dezember 2015, GZ.: Protokoll-Nr.: VA-2015/09-042, betreffend Versagung der Altersversorgung aus der Wohlfahrtskasse

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I. Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und die Abweisung des Antrags des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der Altersversorgung ab 1. August 2015 bestätigt.

 

 

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

 

 

 

 

 

 

 

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

 

I.1. Mit Schreiben vom 28. Juli 2015 an die Ärztekammer für Oberösterreich, Verwaltungsausschuss der Wohlfahrtskasse, eingelangt am 3. August 2015, stellte der Beschwerdeführer (im Folgenden nur Bf) folgenden Antrag:

 

„...

Linz, am 28.07.2015

Antrag auf Zuerkennung der Altersversorgung

 

Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen!

 

Ich werde mit 08.09.2015 das 72. Lebensjahr vollenden. Ich erfülle damit bereits seit längerer Zeit Altersgrenze für die Altersversorgung durch die Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich.

 

Die ärztliche Tätigkeit werde ich derzeit weder unterbrechen, noch beenden. Zudem weise ich darauf hin, dass ich auch die Kassenverträge aufrecht erhalte. Die Regelung in der Satzung der Wohlfahrtskasse, die die Altersversorgung an die Zurücklegung aller Kassenverträge und Kündigung aller Dienstverträge knüpft, halte ich aufgrund des bestehenden Ärztemangels für nicht mehr zeitgemäß und für verfassungswidrig.

 

Ich beantrage daher die Zuerkennung der Altersversorgung gemäß der Satzung der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich ab 01.08.2015.

 

Mit vorzüglicher Hochachtung

(eh. Unterschrift)

Dr. K L P“

 

 

I.2. Im gegebenen Zusammenhang brachte der Bf noch ein weiteres Schreiben vom 28. Juli 2015 an die Ärztekammer für Oberösterreich/Wohlfahrtskasse, zum Gegenstand „Antrag auf Abänderung der Satzung der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich“ ein, in dem er begründend ausführt:

 

„§ 33 der Satzung der Wohlfahrtskasse sieht vor, dass die Altersversorgung nach Vollendung des 65. Lebensjahres nur unter Voraussetzung zu gewähren ist, dass mit Versorgungsstichtag alle Kassenverträge zurückgelegt und alle Dienstverträge gelöst sind. Diese Regelung stammt noch aus einer Zeit, in der ein starkes Ansteigen der Anzahl der Turnusärzte zu beobachten gewesen ist, während die Zahl der Kassenverträge jährlich nur geringfügig stieg. Diese Regelung sollte damals einer Entlastung der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer dienen als auch Jungärzten durch die Zurücklegung eines Kassenvertrages die Möglichkeit bieten, einen Vertrag zu erhalten.

 

Diese Regelung, wie Sie im Übrigen auch bei anderen Berufsgruppen nicht vorzufinden ist, entbehrt nunmehr aber jeglicher sachlicher Rechtfertigung: So ist allgemein bekannt, dass wir derzeit einen Ärztemangel haben, sodass es vielfach notwendig ist, dass auch ältere Kollegen weiterhin die ärztliche Tätigkeit nach wie vor im Rahmen von Kassen­verträgen oder von Dienstverhältnissen erbringen.

 

Ich stelle daher den Antrag an die erweiterte Vollversammlung der Ärztekammer für Oberösterreich auf Abänderung des § 33 der Satzung der Wohlfahrtskasse der Ärz­tekammer für Oberösterreich dahingehend, dass die Altersversorgung nach Vollendung des 65. Lebensjahres unabhängig davon zu gewähren ist, ob das Mitglied alle Kassen­verträge zurückgelegt hat oder die ihn betreffenden Dienstverträge gelöst sind.“

 

 

II.1. In der Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 19. Oktober 2015 wurde zu TOP VA-2015/09-042 beschlossen, den Antrag des Bf auf Altersversorgung abzulehnen und einen negativen Bescheid zu erlassen. Mit dem oben bezeich­neten Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärzte­kammer für Oberösterreich vom 9. Dezember 2015 erging über den Antrag des Beschwerdeführers (Bf) folgende Entscheidung:

 

„S p r u c h

 

Der Verwaltungsausschuss der Ärztekammer für Oberösterreich konnte Ihrem Antrag vom 28.7.2015 auf Zuerkennung einer Altersversorgung ab 1.8.2015 keine Folge geben, da nicht alle Voraussetzungen gemäß § 33 der Satzung der Wohlfahrtskasse erfüllt werden.

 

B e g r ü n d u n g

 

Gemäß § 33 Abs. 1 der Satzung der Wohlfahrtskasse müssen für die Zuerkennung der vollen Altersversorgung zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt werden. Dies betrifft einerseits die Vollendung des 65. Lebensjahres und andererseits die Zurücklegung der Kassenverträge.

Unstreitig ist die die Tatsache, dass Sie die erste Voraussetzung, die Vollendung des 65. Lebensjahres, erfüllt haben.

Die zweite Voraussetzung, die Zurücklegung der Kassenverträge, haben Sie jedoch nicht erfüllt, zumal Sie wie im Antrag angeführt nicht die Absicht haben, die Kassenverträge zu unterbrechen oder zu kündigen. Deshalb kann Ihrem Antrag satzungsgemäß nicht Folge gegeben werden. Diese Regelung in der Satzung findet die rechtliche Deckung im § 99 Ärztegesetz 1998, der im Absatz 1 wie folgt lautet:

 

„Die Altersversorgung wird mit Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt, wobei die Satzung vorsehen kann, dass die auf Grund von Kassen- oder sonstigen zivilrechtlichen Verträgen oder Dienstverhältnissen ausgeübte ärztliche oder zahnärztliche Tätigkeit eingestellt wird."

II.2. Gegen diesen Bescheid, der nach den Angaben des Bf (kein Zustellnachweis im vorgelegten Akt) am 21. Dezember 2015 zugestellt wurde, richtet sich die rechtsfreundlich eingebrachte Beschwerde vom 15. Jänner 2016, die mangels entgegenstehender Indizien als offenbar rechtzeitig (kein aktenkundiger Ein­gangsvermerk) zu betrachten ist. Die Beschwerde wurde dem Landesverwal­tungsgericht mit Schreiben der Ärztekammer für Oberösterreich/Wohlfahrtskasse am 1. März 2016 mit dem Hinweis vorgelegt, der Verwaltungsausschuss habe die Vorlage zur Entscheidung durch das Landesverwaltungsgericht ohne weitere Stellungnahme beschlossen.

 

Im Hinblick auf die Vorlage nach Ablauf der Frist für eine Beschwerdevorent­scheidung gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ergibt sich die Zuständigkeit des Landes­verwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm 131 Abs. 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art. 135 Abs. 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

 

II.3. Die in der Hauptsache eine positive Sachentscheidung anstrebende und eventualiter eine Aufhebung und Zurückverweisung beantragende Beschwerde lautet wie folgt:

 

„...

Der Beschwerdeführer erhebt gegen den Bescheid des Verwaltungsausschusses der Ärztekammer für Oberösterreich vom 09.12.2015, GZ: VA-2015/09-042, dem Beschwerdeführer zugestellt am 21.12.2015, gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG und §§ 7 ff VwGVG binnen offener Frist nachstehende

 

BESCHWERDE

 

an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

 

wegen Rechtswidrigkeit aufgrund der Anwendung gesetz- und verfassungswidriger Rechtsgrundlagen.

 

Der angefochtene Bescheid wird in vollem Umfang bekämpft.

 

I. Sachverhalt:

 

Der Beschwerdeführer beantragte beim Verwaltungsausschuss der Ärztekammer für Oberösterreich mit Schreiben vom 28.07.2015 die Zuerkennung der Altersver­sorgung ab 01.08.2015 mit der Begründung, dass er mit 08.09.2015 das 72. Lebens­jahr vollende und daher bereits seit längerer Zeit die Altersgrenze für die Altersver­sorgung durch die Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich erfülle. Der Beschwerdeführer wies darauf hin, dass er die Kassenverträge aufrecht erhalte und auch seine ärztliche Tätigkeit zur Zeit weder unterbrechen, noch beenden werde; die diesbezügliche Regelung der Satzung der Wohlfahrtskasse, die die Altersversorgung an die Zurücklegung aller Kassenverträge und Kündigung aller Dienstverträge knüpfe, sei verfassungswidrig, weshalb ihm auch ohne Einstellung seiner ärztlichen Tätigkeit die Altersversorgung gebühre.

 

Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses der Ärztekammer für Oberösterreich vom 09.12.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers unter Hinweis darauf, dass die zweite Voraussetzung, nämlich die Zurücklegung der Kassenverträge, nichterfüllt sei, abgewiesen.

 

Die dagegen erhobenen Beschwerdepunkte lassen sich auf die Gesetz- und Verfas­sungswidrigkeit der dem Bescheid zugrunde gelegten Rechtsgrundlagen beschrän­ken.

 

II. Ausgangslage:

 

1. § 99 Abs 1 Ärztegesetz 1998 vom 10.11.1998 (BGBl. I Nr. 169/1998, zuletzt geän­dert durch BGBl. I Nr. 156/2005) normiert, dass die Altersversorgung mit Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt wird und enthält eine Verordnungsermächtigung, wo­nach die Wohlfahrtskassen in ihrer Satzung vorsehen können, dass die Altersver­sorgung nur dann gewährt wird, wenn die aufgrund von Kassen- oder sonstigen zivil­rechtlichen Verträgen oder Dienstverhältnissen ausgeübte ärztliche oder zahnärzt­liche Tätigkeit eingestellt wird.

 

Die Ärztekammer für Oberösterreich hat von der in § 99 Ärztegesetz 1998 einge­räumten Möglichkeit Gebrauch gemacht und in § 33 der Satzung der Wohlfahrts­kasse der Ärztekammer für Oberösterreich geregelt, dass die Altersversorgung nach Vollendung des 65. Lebensjahres nur unter der Voraussetzung zu gewähren ist, dass mit Versorgungsstichtag a) das Mitglied alle Kassenverträge zurückgelegt hat und b) die ihn betreffenden Dienstverträge gelöst sind. Ausnahmen davon sind nicht vorgesehen.

 

Bereits vor dem geltenden Ärztegesetz 1998 gab es eine entsprechende Vorgänger­bestimmung mit gleichem Inhalt in § 65 Abs. 1 Ärztegesetz 1984 (BGBl. Nr. 373/1984, aufgehoben durch BGBl. I Nr. 169/1998). Diese Bestimmung sah auch vor, dass die Altersversorgung mit Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt wird, wobei die Satzungen der einzelnen Wohlfahrtskassen ebenfalls vorsehen konnten, dass die aufgrund von Kassen- oder sonstigen zivil- oder öffentlichen-rechtlichen Verträge ausgeübte ärztliche Tätigkeit eingestellt werden muss. Die Satzung der Wohlfahrtkasse der Ärztekammer für Oberösterreich machte bereits damals von dieser Möglichkeit Gebrauch und verlangte, dass die vertragsärztliche Tätigkeit bei den § 2-Krankenkassen, der BVA und VA niedergelegt wird und dass jene Ärzte, die nicht Vertragsarzt der § 2-Krankenkassen, der BVA und der VA sind, durch Steuer­bescheid oder andere geeignete Unterlagen nachweisen müssen, dass sich der Um­satz aus der ärztlichen Tätigkeit um mehr als die Hälfte verringert hat.

Die vorhin erwähnte Vorgängerbestimmung in § 65 Abs. 1 Ärztegesetz 1984 und die dazugehörige Fassung des § 33 der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Ober­österreich standen in einem vom Verwaltungsgerichtshof beantragten Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren schon einmal auf dem Prüfstand des Verfassungs­gerichtshofes (VfGH 28.06.1989, G144/88; V92/88). Der Verwaltungsgerichtshof hegte hinsichtlich der Verordnungsermächtigung in § 65 Abs. 1 Ärztegesetz 1984 einerseits Bedenken an der ausreichenden gesetzlichen Determinierung und anderer­seits an den Erfordernissen des Gleichheitssatzes. Zur Bestimmung in der Satzung der Wohlfahrtskasse (Verordnung) führte er aus, dass aufgrund der verfassungs­widrigen Verordnungsermächtigung auch die Bestimmung in der Satzung der Wohl­fahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich ohne Rechtsgrundlage und damit gesetzwidrig sei. Diese vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Gesetzes- und Verord­nungsprüfungsanträge wurden vom Verfassungsgerichtshof abgewiesen.

 

Diese negative Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes hindert die Prüfung der geltenden Verordnungsermächtigung in § 99 Abs 1 Ärztegesetz 1998 und der geltenden Fassung des § 33 Abs 1 der Satzung der Wohlfahrtskasse der Ärzte­kammer für Oberösterreich jedoch nicht. Die Rechtskraft setzt nämlich die Identität der zu überprüfenden Normen voraus (VfSlg 14.301/1995). Eine neu erlassene, wenn auch inhaltsgleiche Regelung kann daher Gegenstand eines neuerlichen Norm­prüfungsverfahrens sein.

 

Darüber hinaus hindert eine negative Entscheidung nicht einmal die Prüfung der­selben Norm, wenn diese im Lichte anderer Bedenken erfolgt (Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht, 10. Auflage, Rz 1015). Im vorhin genannten Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH 28.06.1989, G144/88; V92/88) wurden die vom Ver­waltungsgerichtshof geltend gemachten Gleichheitsbedenken vorwiegend auf die Ausführungen in einem anderen Verfassungsgerichtshoferkenntnis gestützt. Das weitere Vorbringen erschöpfte sich hingegen lediglich in der Behauptung, dass die bekämpfte Regelung unsachlich, weil für den im verwaltungsgerichtlichen Anlassfall beschwerdeführenden Arzt nicht zu rechtfertigen sei. Vor diesem Hintergrund steht der Geltendmachung anderer, weitergehender Gleichheitsbedenken nichts im Wege. Es sind daher sowohl die Verordnungsermächtigung in § 99 Ärztegesetz 1998 als auch die geltende Fassung des § 33 der Satzung der Wohlfahrtskasse der Ärzte­kammer für Oberösterreich einer Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof zugäng­lich.

 

III. Präjudizialität

 

Rechtsgrundlage der Voraussetzungen der Altersversorgung ist § 33 der Satzung der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich: Darin werden insbesondere auch jene Voraussetzungen aufgestellt, weshalb dem Beschwerdeführer im gegen­ständlichen Fall keine Altersversorgung zuerkannt wurde. Basis der in § 33 Abs 1 der Satzung aufgestellten Voraussetzungen ist die Verordnungsermächtigung in § 99 Abs 1 Ärztegesetz 1998. Ohne diese Verordnungsermächtigung würde es auch den in § 33 der Satzung der Wohlfahrtskasse der Oberösterreichischen Ärztekammer nor­mierten Voraussetzungen, dass das Mitglied alle Kassenverträge zurückgelegt hat und die ihn betreffenden Dienstverträge gelöst sind, an einer gesetzlichen Grundlage fehlen. Sowohl die Verordnungsermächtigung in § 99 Abs 1 Ärztegesetz 1998 als auch § 33 Abs. 1 der Satzung der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberöster­reich sind daher präjudiziell.

 

IV. Verfassungswidrigkeit des § 99 Abs 1 Ärztegesetz 1998:

 

1. § 99 Absatz 1 Ärztegesetz 1998 räumt der Wohlfahrtskasse die Möglichkeit ein, in ihrer Satzung die Altersversorgung von der Einstellung der ärztlichen oder zahn­ärztlichen Tätigkeit aufgrund von Kassen- oder sonstigen zivilrechtlichen Verträgen oder Dienstverhältnissen vorzusehen. § 99 Abs 1 Ärztegesetz 1998 vom 10.11.1998 (BGBl. I Nr. 169/1998, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 156/2005) hat folgenden Wortlaut:

 

„Die Altersversorgung wird mit Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt, wobei die Satzung vorsehen kann, dass die auf Grund von Kassen- oder sonstigen zivilrecht­lichen Verträgen oder Dienstverhältnissen ausgeübte ärztliche oder zahnärztliche Tätigkeit eingestellt wird. Unter Bedachtnahme auf § 108a Abs. 3 kann die Satzung ein niedrigeres oder höheres Anfallsalter sowie bei früherer oder späterer Inan­spruchnahme eine entsprechende Minderung oder Erhöhung der Leistung vorsehen."

 

Dabei bestehen an der Wortfolge „wobei die Satzung vorsehen kann, dass die auf Grund von Kassen- oder sonstigen zivilrechtlichen Verträgen oder Dienstverhält­nissen ausgeübte ärztliche oder zahnärztliche Tätigkeit eingestellt wird" im ersten Satz des § 99 Abs 1 Ärztegesetz 1998 folgende Bedenken:

 

2. Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 7 B-VG; Art. 2 StGG)

 

Der auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitssatz (Art. 7 B-VG; Art. 2 StGG) normiert als allgemeines Sachlichkeitsgebot, dass an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen sind und wesentlich ungleiche Tatbestände zu entsprechend unterschiedlichen Regelungen führen müssen (VfSlg 2956; 11.190: 11.641 u.v.a.). Dazu ist diese Regelung in ihrem Gesamtgefüge zu betrachten: Bei der Altersver­sorgung handelt es sich nicht etwa um eine unentgeltlich zur Verfügung gestellte Leistung, sondern diese gebührt nur dann und ausschließlich aufgrund der erfolgten Einzahlungen. Im Fall der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich wird die Altersversorgung auch nicht im Umlageverfahren, sondern durch einen Fonds, der versicherungsmathematisch geprüft wird, finanziert. Die Ärzte finanzieren damit ihre Altersversorgung (Pension) zum Großteil in der Aktivzeit vor. Dies spiegelt sich auch in der Höhe der Altersversorgung wieder, die sich in der Grundversorgung nach einem Punktesystem bemisst, deren Punkte sich nach der Beitragsleistung richten, und auch in den übrigen Versorgungskreisen wird hinsichtlich der Höhe auf die einbe­zahlte Beitragsleistung abgestellt (siehe nur § 33 Abs 1 der Satzung der Wohlfahrts­kasse der Ärztekammer für Oberösterreich).

 

Beweis: Übersicht der Beiträge zur Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberöster­reich, Beilage ./1 (abrufbar unter: http://www.aekooe.at/beitrage1/-/asset_­publisher/bjOhk3U8jSzg/content/beitraqe-zur-wohlfahrtskasse);

 

Die in § 99 Abs. 1 Ärztegesetz 1998 enthaltene Verordnungsermächtigung, die er­möglicht, die Altersversorgung von der Einstellung der ärztlichen Tätigkeit abhängig zu machen, führt dazu, dass bei gleichen Beitragsleistungen während der Aktivzeit jener Teil, der die ärztliche Tätigkeit einstellt, die Gegenleistung in Form der Alters­versorgung erhält, während dem anderen Teil der Ärzte, der die Tätigkeit weiterhin ausübt, die Altersversorgung verwehrt bleibt. Diese Differenzierung lässt jegliche damit in sachlichem Bezug stehende Rechtfertigung vermissen. Denn sie dient insbe­sondere auch nicht der Absicherung des Systems der Wohlfahrtskassen der Ärzte­kammern. Denn während jener Teil, der die ärztliche Tätigkeit einstellt, nur mehr Leistungen aus der Wohlfahrtskasse erhält, würden von jenem Teil der Ärzte, die weiterhin die ärztliche Tätigkeit ausüben, auch weiterhin Beitragsleistungen erbracht werden.

 

Und auch im Zusammenhang mit anderen Pensionssystemen stellt die Ermächtigung in § 99 Abs 1 Ärztegesetz 1998 einen Fremdkörper dar. So ist sowohl bei der Alters­pension nach ASVG als auch nach GSVG ein unbegrenzter Zuverdienst möglich, der die Pensionshöhe nicht verringert, freilich aber zu einer höheren Einkommensteuer­bemessungsgrundlage führt.

 

3. Mit der in § 99 Abs.1 Ärztegesetz 1998 enthaltenen Verordnungsermächtigung können daher nur sachfremde Ziele, wie beispielsweise arbeitsmarktpolitische Ziele, verfolgt werden. Den Ärzten wird damit mit Erreichen des zur Erlangung der Alters­versorgung notwendigen Alters letztlich ein Berufsverbot auferlegt, so sie nicht auf ihre finanziellen Ansprüche verzichten wollen. Hintergrund dafür könnte sein, durch die dadurch geförderte Einstellung der kassenärztlichen und auch sonstigen ärzt­lichen Tätigkeit einen „nachwuchsfördernden Impuls" zu setzen. Diese „Nachwuchs­förderung" mag in den 80iger Jahren, in denen es tatsächlich eine Vielzahl an jungen Ärzten gab, die auf eine Stelle warteten, zumindest nachvollziehbar gewesen sein; nunmehr lässt sich diese Differenzierung damit aber nicht rechtfertigen. Denn wie allgemein bekannt ist, fehlt es am Land an Hausärzten und kommt den Spitälern der Nachwuchs abhanden. So wurde in H die Stelle eines Hausarztes zum neunten Mal ausgeschrieben und auch in der B W stehen die Bewerber nicht gerade Schlange für die frei werdenden Hausarztstellen. Das Gesundheitssystem ist daher darauf angewiesen, dass auch Ärzte, die bereits das Alter für die Zuerkennung der Altersversorgung erreicht haben, noch weiterhin aktiv tätig bleiben. Die Alters­versorgung von der Einstellung der ärztlichen Tätigkeit abhängig zu machen, lässt sich daher sachlich nicht rechtfertigen.

 

Beweis: Kurier vom 26.05.2012 - Ärztemangel: Der Kampf um Jungmediziner be­ginnt, Beilage ./2 (abrufbar unter: http://kurier.at/chronik/oberoesterreich/ aerztemanqel-der-kampf-um-jungmediziner-beginnt/788.628); profil vom 28.04.2014 - Am Land fehlen Hausärzte, Spitälern kommt der Nachwuchs abhanden, Beilage ./3 (abrufbar unter: http://www.profil.at/oesterreich/am-land-hausaerzte-spitaelern-nachwuchs-374674); Ergebnisbericht: Ärztinnen und Ärzte: Bedarf und Ausbildungsstellen 2010 bis 2030, Beilage 74 (abrufbar unter http://www.meduni-linzooe.at/data/container/container 22/File.20/bedarfsstudie 2012.pdf);

 

4. Zur Gleichheitswidrigkeit, die Zuerkennung der Altersversorgung an die Einstellung der ärztlichen oder zahnärztlichen Tätigkeit zu knüpfen, ist auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28.06.1989, G184/87 u.a., ins Treffen zu führen. In diesem Erkenntnis ging es um die Regelung in § 40a PensionsG 1965, wonach der Ruhe- oder Versorgungsbezug eines Beamten, der gleichzeitig eine Erwerbstätigkeit ausübt oder ein Erwerbseinkommen erhält, ruht. Der VfGH hielt in diesem Erkenntnis fest, dass sich kein sachbezogener Grund dafür finden lasse, weshalb ein Ruhe­standsbeamter hinsichtlich des ihm aus einer Erwerbstätigkeit zufließenden zusätz­lichen Einkommens anders behandelt werden sollte als ein Beamter des Aktiv­standes, der in Folge einer Nebentätigkeit ein weiteres Erwerbseinkommen genießt. Aus diesem Grunde verstoße diese Rechtsvorschrift gegen den Gleichheitssatz und wurde daher vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben. Glei­chermaßen besteht auch hier, vor allem zumal sachliche Gründe dafür ausscheiden (siehe oben), kein Grund dafür, einen Arzt, der bei Erreichen der Altersgrenze weiterhin aktiv bleibt, anders zu behandeln, als jene, die die ärztliche Tätigkeit ein­stellen.

 

5. Verstoß gegen die Erwerbsfreiheit (Art. 6 StGG)

Die gegenständliche Regelung in § 99 Abs. 1 Ärztegesetz 1998 ist schließlich auch noch im Lichte der Erwerbsfreiheit nach Art. 6 StGG zu beleuchten. Der Schutz­bereich umfasst grundsätzlich jeden Beruf und jede Tätigkeit, die auf wirtschaftlichen Erwerb gerichtet ist. Darunter fallen alle selbstständigen und unselbstständigen Tätigkeiten, sohin auch die Ausübung der Tätigkeit als Arzt oder Zahnarzt. Geschützt ist sowohl der Antritt einer Tätigkeit (Berufszugang) als auch deren Ausübung. In gegenständlichem Fall wird durch die gesetzliche Regelung zwar nicht der Berufs­antritt im engeren Sinne, aber doch dem Wesen nach der Antritt beschränkt, da nicht die bloße Tätigkeit inhaltlich näher ausgestaltet, sondern die gänzliche Einstellung der beruflichen Tätigkeit verlangt wird, so man eine Altersversorgung erlangen möchte. Beschränkungen dieses Grundrechtes sind grundsätzlich nur dann zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind. Als öffentliches Interesse könnte - wie bereits oben erwähnt - lediglich das Interesse daran, jungen Ärzten den Zugang zu Kassenverträgen oder überhaupt den Berufseinstieg zu erleichtern, ins Treffen geführt werden. Dieser Eingriff ist jedoch nicht im öffentlichen Interesse ge­boten, da derzeit ein Ärztemangel besteht und daher einerseits auf junge Ärzte eine Vielzahl von Stellen warten und andererseits die Tätigkeit von Ärzten, die an sich bereits das Alter zur Erlangung der Altersversorgung erreicht hätten, notwendig ist, um die Gesundheitsversorgung aufrecht zu erhalten. Die durch § 99 Abs. 1 Ärzte­gesetz 1998 geschaffene Möglichkeit der Beschränkung der Zuerkennung der Alters­versorgung durch die damit verbundene notwendige Einstellung der ärztlichen oder zahnärztlichen Tätigkeit widerspricht daher auch dem verfassungsgesetzlich gewähr­leistendem Recht auf Freiheit der Erwerbstätigkeit.

 

6. Verstoß gegen das Determinierungsgebot (Art. 18 Abs 2 B-VG)

Die Regelung in § 99 Abs 1 Ärztegesetz 1998 enthält für die Erlassung einer Satzung (Verordnung) eine nur ungenügende gesetzliche Determination iSd Art. 18 Abs. 2 B-VG. Das Gesetz spricht darin nämlich nur davon, dass die Satzung eine derartige Bedingung vorsehen könne, ohne jedoch auszuführen, unter welchen sonstigen Erwägungen des Satzungs- und damit Verordnungsgebers eine derartige Bedingung vorgesehen werden könne.

 

Grundsätzlich bestehen zwei unterschiedliche Systeme, mit denen die Mittel der Altersversorgung aufgebraucht werden können: Zum einen das sogenannte Umlage­verfahren, in denen sich die jeweiligen jährlichen Beiträge an den jeweiligen jähr­lichen Leistungen orientieren und diese ausgeglichen sein müssen, und zum anderen durch Einzahlung in einen Fonds, der versicherungsmathematisch geprüft wird und in dem der in der Aktivzeit eingezahlte Betrag veranlagt und dann später bei Erreichen der Voraussetzungen ausbezahlt wird. Charakteristisch dafür ist, dass sich der auszu­zahlende Betrag letztlich an den getätigten Einzahlungen orientiert und daher eine Beitragskürzung zu einer Leistungskürzung führt. Im letzteren Fall handelt es sich bei den zukünftigen Leistungen aus der Altersversorgung letztlich um nichts anderes, als die bereits von den Einzahlern in der Vergangenheit geleisteten Beiträge. Hier lässt sich aber in keiner Art und Weise rechtfertigen, den Anspruch darauf davon abhängig zu machen, ob die ärztliche Tätigkeit weiterhin ausgeübt oder zurückgelegt wird. Aus diesem Grunde hätte auch die Verordnungsermächtigung in § 99 Abs. 1 Ärztege­setz 1998 zumindest determinieren müssen, unter welchem System der gewählten Aufbringung der Mittel zur Finanzierung der Altersversorgung die Beschränkung auf die Einstellung der ärztlichen oder zahnärztlichen Tätigkeit zulässig ist. § 99 a Abs. 1 Ärztegesetz 1998 ist daher im Hinblick auf Art. 18 Abs. 2 B-VG nicht hinreichend determiniert.

 

V. Gesetzwidrigkeit des § 33 Abs 1 der Satzung der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich:

 

1. Durch den Wegfall der Verordnungsermächtigung in § 99 Abs. 1 Ärztegesetz 1998 und Streichung der Wortfolge „wobei die Satzung vorsehen kann, dass die aufgrund von Kassen- oder sonstigen zivilrechtlichen Verträgen oder Dienstverhältnissen aus­geübte ärztliche oder zahnärztliche Tätigkeit eingestellt wird" entbehrt auch das Nor­mieren dieser Voraussetzungen in § 33 der Satzung der Wohlfahrtkasse der Ärzte­kammer für Oberösterreich ihrer gesetzlichen Grundlage, sodass diese unange­wendet zu bleiben hat.

 

2. Darüber hinaus ist der Verordnungsgeber mangels anders lautender gesetzlicher Determinierung bei Erlassung selbst an die verfassungsgesetzlichen Schranken ge­bunden. Auch die Vollversammlung der Ärztekammer für Oberösterreich wäre daher als Verordnungsgeber bei Erlassung der Satzung und insbesondere des § 33 Abs. 1 an die Vorgaben des Gleichheitssatzes (Art. 7 B-VG; Art. 2 StGG) als auch die Vor­gaben der Erwerbsfreiheit (Art. 6 StGG) gebunden gewesen.

 

 

In diesem Zusammenhang wird angeregt, das Landesverwaltungsgericht Oberöster­reich möge gemäß Art. 135 Abs. 4 iVm Art. 89 Abs. 2 B-VG und Art. 139 sowie Art. 140 B-VG einen Antrag auf Einleitung eines Gesetzes- und Verordnungs­prüfungsverfahrens stellen.

 

VI. Es werden sohin gestellt die

 

ANTRÄGE,

 

das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich möge

 

 

1.   gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführen,

 

2. a) gemäß § 28 Abs. 2 u. Abs. 3 1. Satz VwGVG den angefochtenen Bescheid ab­ändern und dem Beschwerdeführer die Altersversorgung ab 01.08.2015 zuer­kennen;

 

in eventu

 

b) gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG den angefochtenen Bescheid aufheben und die Angelegenheit an die belangte Behörde zurückverweisen.

 

 

L, am 15.01.2016/jm/am Dr. K L P

 

 

III. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat nach Einsichtnahme in die Beschwerde und die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, dass der Sach­verhalt zur Gänze unstrittig ist und nur Rechtsfragen zu lösen sind. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte schon gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteienantrages abgesehen werden, da die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und dem auch nicht Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 GRC entgegensteht.

 

Der Sachverhalt wird im Beschwerdeschriftsatz richtig dargestellt und ist - wie sich auch aus der Begründung des bekämpften Bescheides ergibt - völlig un­strittig. Es geht um den Antrag des 72-jährigen Bf auf Zuerkennung der Alters­versorgung aus dem Wohlfahrtsfonds ab 1. August 2015, welche der Bf ohne Rücksicht auf die weitere uneingeschränkte Ausübung seiner ärztlichen Berufs­tätigkeit bei Aufrechterhaltung aller Kassenverträge mit der Begründung bean­sprucht, dass die Satzung der Wohlfahrtskasse nicht mehr zeitgemäß und daher verfassungswidrig sei.

 

Nach der Judikatur des EGMR rechtfertigen außergewöhnliche Umstände, und zwar, wenn ein Verfahren ausschließlich rechtliche oder hochtechnische Fragen („exclusively legal or highly technical questions“) betrifft, eine dem Bedürfnis auf wirtschaftliche Vorgangsweise entsprechende Ausnahme vom grundsätzlichen Recht des Bf auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal (vgl. dazu näher mit Nachw. zur EGMR-Judikatur VwGH 01.04.2008, Zl. 2007/06/0280; VwGH 23.06.2010, Zl. 2008/06/0238; VwGH 28.11.2014, Zl. 2013/01/0012; VwGH 21.01.2015, Zl. Ro 2014/10/0117). In seinem jüngeren Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein), hat der EGMR eine Verhandlung in Verfahren, in denen keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, für nicht notwendig erach­tet, weil das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne. Dabei werden auch die Aspekte der Effizienz und Verfahrensökonomie als berücksichtigenswert angesehen. Der Verwaltungs­gerichtshof hat dieses Judikat des EGMR als weiterführend betrachtet (vgl. jüngst VwGH 22.01.2015, Zl. Ro 2014/06/0002; weiters VwGH 23.05.2014, Zl. 2013/04/0105; VwGH 12.09.2013, Zl. 2013/04/0075).

 

Somit besteht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK keine absolute Pflicht zur Verhandlung, sondern die Möglichkeit aus Gründen der Verfahrensökonomie davon Ausnahmen zu machen, wenn sich in einem Verfahren nur Rechtsfragen und keine relevanten Tatfragen stellen und eine Entscheidung auf Grund der schriftlichen Unterlagen möglich ist. Dies muss umso mehr gelten, wenn die anzuwendende Regelung inhaltlich unstrittig erscheint und in einer Beschwerde ausschließlich Norm­bedenken geltend gemacht und Normprüfungsanträge durch das Verwaltungs­gericht angeregt werden, die nur durch eine Entscheidung des Verfassungs­gerichtshofs geklärt werden können. Da die mündliche Erörterung vor dem Ver­waltungsgericht eine Klärung der dem Verfassungsgerichtshof vorbehaltenen ver­fassungsrechtlichen Fragen nicht erwarten lässt, konnte das Landesverwaltungs­gericht ungeachtet des Parteiantrags des Bf gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer öffentliche mündliche Verhandlung im Interesse der Verfahrensökonomie absehen.

 

 

VI. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat erwogen:

IV.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Antrag auf Zuerkennung einer Altersversorgung ab 1. August 2015 keine Folge gegeben, weil der Bf unbe­stritten die satzungsmäßige Voraussetzung der Zurücklegung der Kassenverträge nicht erfüllt hatte und dies auch nicht beabsichtigte. Auf die gesetzliche Deckung der Regelung des § 33 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Wohlfahrtskasse der Ärzte­kammer für Oberösterreich durch die Verordnungsermächtigung des § 99 Abs. 1 Ärztegesetz 1998 (ÄrzteG 1998) hat die belangte Behörde begründend hinge­wiesen.

 

Mit der rechtsfreundlich verfassten Beschwerde wird ausschließlich die Rechts­widrigkeit des bekämpften Bescheides auf Grund der Anwendung gesetz- und verfassungswidriger Rechtsgrundlagen geltend gemacht, wobei im Wesentlichen die Verordnungsermächtigung im § 99 Abs. 1 Satz 1 ÄrzteG 1998 zur Regelung der Altersversorgung in der Satzung des Wohlfahrtsfonds als verfassungswidrig bekämpft und dazu näher ausgeführt wird, während die geltend gemachte Gesetzwidrigkeit des § 33 Abs. 1 der Satzung der Wohlfahrtskasse der Ärzte­kammer für Oberösterreich nur auf den Fall des (künftigen) Wegfalls der gesetz­lichen Verordnungsermächtigung abstellt. Die gesetzliche Deckung der Satzungs­norm hat Beschwerde nicht in Frage gestellt.

 

Die Bedenken des Bf richten sich gegen § 99 Abs. 1 Satz 1 ÄrzteG 1998 (BGBl I Nr. 169/1998 idF BGBl I Nr. 156/2005) mit seiner Wortfolge zur Ermächtigung einer Regelung in der Satzung des Wohlfahrtsfonds. Der Satz 1 lautet wie folgt:

 

„Die Altersversorgung wird mit Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt, wobei die Satzung vorsehen kann, dass die auf Grund von Kassen- oder sonstigen zivilrechtlichen Verträgen oder Dienstverhältnissen ausgeübte ärztliche oder zahnärztliche Tätigkeit eingestellt wird.“

 

Der auf dieser Verordnungsermächtigung gründende § 33 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Wohlfahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich in der gelten­den Fassung lautet:

 

„Die Altersversorgung ist auf Antrag nach Vollendung des 65. Lebensjahres unter der Voraussetzung zu gewähren, dass mit Versorgungsstichtag

 

a)     das Mitglied alle Kassenverträge zurückgelegt hat und

b)     die ihn betreffenden Dienstverträge gelöst sind.“

 

IV.2. Mit Erkenntnis vom 28. Juni 1989, Zlen. G 144/88; V92/88 (= VfSlg 12118), hat der Verfassungsgerichtshof bereits die wortgleiche Vorläuferbestim­mung des § 65 Abs. 1 Satz 1 ÄrzteG 1984 und den § 33 Abs. 2 der Satzung der Wohlfahrtseinrichtungen der Ärztekammer für Oberösterreich in der bis 31. Dezember 1987 geltenden Fassung (mit vergleichbarem Inhalt) aus Anlass eines Normprüfungsantrages des Verwaltungsgerichtshofs geprüft. Dabei teilte der Verfassungsgerichtshof die vorgetragenen Bedenken des Verwaltungs­gerichtshofs nicht.

 

Er erachtete den § 65 Abs. 1 Satz 1 ÄrzteG 1984 im Zusammenhang mit der um­fassenden Verordnungsermächtigung des § 82 ÄrzteG 1994 (vgl. nunmehr § 116 ÄrzteG 1998) bei einer Gesamtschau der Bestimmungen über den Wohlfahrts­fonds für hinreichend bestimmt (keine formalgesetzliche Delegation) und nicht verfassungswidrig. Der Verwaltungsgerichtshof hatte weiters unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 16. März 1988, G184/87 u.a., auch Gleichheitsbedenken geltend gemacht, indem er sich vornehmlich auf die Ausführungen des Verfassungsgerichthofs (Verweis auf IV.B.2 u IV.B.4.) betreffend die Frage der Rechtfertigung einer Ruhensbestimmung im Beamten­pensionsrecht (§ 40a Pensionsgesetz 1965) zum Zwecke der Schaffung von Arbeitsplätzen stützte. Die vom Verordnungsgeber in Ausnützung des gesetz­lichen Spielraums gewählte Methode, jeden Vertragsarzt der Krankenkassen zur Auflösung seiner Verträge zu zwingen, wenn er ab dem 65. Lebensjahr Versor­gungsleistungen erlangen will, erscheine im Sinne der Ausführungen des Ver­fassungsgerichtshofs unsachlich. Diese Bedenken des Verwaltungsgerichthofs wurden nach Ansicht des Verfassungsgerichthofs nicht klar und umfassend dar­gelegt. Sie reichten nicht aus, eine Gleichheitswidrigkeit darzutun.

 

IV.3. Die in der Beschwerde vorgebrachten Normbedenken können vor dem Hintergrund der einschlägigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs den erkennenden Richter des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich nicht über­zeugen. Die Anregung, einen Antrag auf Gesetzes- und Verordnungsprüfung an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, wird aus den folgenden Gründen nicht aufgegriffen.

 

IV.3.1. § 99 Abs. 1 iVm § 116 Abs. 1 ÄrzteG 1998 enthält eine umfassende Verordnungsermächtigung zur Satzung des Wohlfahrtsfonds, in der auf Grund der §§ 96 bis 115 nähere Vorschriften u.A. über die Verwaltung der Fondsmittel und über die Höhe, die Festlegung der Voraussetzungen und das Verfahren für die Gewährung der vorgesehenen Versorgungs- und Unterstützungsleistungen zu treffen sind. Wie schon im oben zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichthofs zur Regelung im ÄrzteG 1984 dargelegt, erscheint analog dazu auch das ver­gleichbare Regime des ÄrzteG 1998 jedenfalls hinreichend determiniert.

 

Gemäß § 108a ÄrzteG 1998 werden die Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds, sein dauernder Bestand und seine Leistungsfähigkeit einerseits durch Beiträge (Abs. 1) und andererseits durch Erträgnisse (zur Veranlagung siehe § 108 ÄrzteG 1998 und § 23 Abs. 3 der Satzung) und diverse Zuwendungen (Abs. 2) sichergestellt. § 108a Abs. 3 leg.cit. verpflichtet die Finanzierung der Versor­gungsleistungen an anerkannten versicherungsmathematischen Verfahren (auf­gezählt werden bspw. Umlageverfahren, Kapitaldeckungsverfahren, Anwart­schaftsdeckungsverfahren) auszurichten. Der Wohlfahrtsfonds ist seinem Wesen nach eine standeseigene Solidareinrichtung, weshalb noch Solidaritätskomponen­ten in den Satzungen zu finden sind und eine Orientierung von Leistungen aus­schließlich am Kapitaldeckungsverfahren damit nicht vereinbar wäre (vgl. Wallner, Ärztliches Berufsrecht [2011], 238 und 244).

 

Entgegen der Beschwerde geht es nicht nur um ein bestimmtes System, sondern steht es dem Satzungsgeber auch frei, ein gemischtes System vorzusehen. Es trifft auch die pauschale Ansicht des Bf nicht zu, dass es sich bei Leistungen aus der Altersversorgung letztlich nur um die in der Vergangenheit geleisteten Bei­träge handelt, was quasi auf ein Verhältnis Leistung und Gegenleistung hinaus­liefe (vgl. auch unten IV.3.2.). Im Bereich der Pensionsleistungen sind die Wohl­fahrtsfonds weitgehend nach dem Anwartschaftsdeckungsverfahren konstruiert. Die Leistungen werden dabei nicht nur aus Beiträgen, sondern auch aus erwirt­schafteten Renditen aus der Vermögensveranlagung finanziert (vgl Wallner, Ärzt­liches Berufsrecht [2011], 253). Das Sondervermögen der Ärztekammer für Zwecke der Wohlfahrtskasse dient zur Deckung der die laufenden Beitragsein­nahmen übersteigenden Leistungserfordernisse der Wohlfahrtskasse (vgl. § 23 Abs. 1 der Satzung). Bei der Festsetzung der Versorgungsleistungen ist im § 98 Abs. 5 ÄrzteG 1998 auch eine Abweichung von versicherungsmathematischen Grundsätzen vorgesehen, soweit es zur Finanzierung bereits zuerkannter Leis­tungen notwendig ist. Das Leistungserfordernis aus der Altersversorgung kann demnach gerade nicht nur aus den Beiträgen abgedeckt werden.

 

IV.3.2. Die unter dem Gleichheitssatz und der Erwerbsfreiheit vorgebrachten Be­denken des Bf, die - zusammengefasst - bei gleichen Beitragsleistungen bis zur Pensionsaltersgrenze eine Differenzierung beim Anspruch auf „Gegenleistung in Form der Altersversorgung“, je nachdem, ob die ärztliche Tätigkeit eingestellt oder weitergeführt wird, für unsachlich halten und die in der Verordnungser­mächtigung des § 99 Abs. 1 ÄrzteG 1998 letztlich ein zugelassenes Berufsverbot zur Erlangung der Altersversorgung sehen, sind aus folgenden Gründen unzutref­fend:

 

Diesen Bedenken ist zunächst die auch für § 99 Abs. 1 Satz 1 ÄrzteG 1998 maß­gebliche Stellungnahme der Bundesregierung in VfSlg 12118/1989 entgegenzu­halten, wonach der gegebenen Verordnungsermächtigung (wortgleich im § 65 Abs. 1 Satz 1 ÄrzteG 1984) der Gedanke zugrunde liegt, nicht mehr arbeits­fähigen bzw. nach Erreichen einer Altersgrenze nicht mehr arbeitswilligen Kam­merangehörigen die Existenz zu sichern. Damit sollen aber noch arbeitsfähige, arbeitswillige und auch tatsächlich im ärztlichen Beruf arbeitende Kammer­angehörige nicht auf Kosten der Riskengemeinschaft der im Wohlfahrtsfonds ver­einigten Ärzte versorgt werden. Auch der Vergleich mit den Ausführungen im Er­kenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 16. März 1988, G184/87 u.a., zum begrenzten Ruhen von Versorgungsbezügen eines Beamten hinkt, weil es gegen­ständlich um kein Ruhen der Altersversorgung, sondern um eine Voraussetzung für ihre Gewährung geht und auch kein Eingriff in wohlerworbene Rechte vor­liegt.

 

Schließlich erscheint es nicht richtig, der Verordnungsermächtigung des § 99 Abs. 1 Satz 1 ÄrzteG 1998 die mögliche Auferlegung eines Berufsverbots durch Zwang zur Einstellung der ärztlichen Tätigkeit zu unterstellen. Denn durch diese Norm wird die Ausübung einer ärztlichen Erwerbstätigkeit nicht schlechthin aus­geschlossen. Der Bf könnte nämlich ohne Aufrechterhaltung von Kassenverträgen oder Dienstverträgen noch als Privatarzt bzw. Wahlarzt tätig sein.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat sich im einschlägigen Erkenntnis vom 30. No­vember 1996, B 798/94 (= VfSlg 14682/1996) mit dem wortgleichen § 65 Abs. 1 ÄrzteG 1984 in Verbindung mit dem § 22 Abs. 2 der Satzung des Wohlfahrts­fonds der Ärztekammer für Steiermark über ähnliche Voraussetzungen für die Gewährung der Altersversorgung auseinandergesetzt. Diese Satzungsvorschrift verlangte die Einstellung der ärztlichen Tätigkeit mit Ausnahme von Verträgen für Gesundenuntersuchungen mit der Sozialversicherung der Bauern und der privatärztlichen Tätigkeit.

 

Der Verfassungsgerichthof betrachtete die Satzungsnorm als nicht gesetzwidrig und hatte vor dem Hintergrund der gesetzlichen Zielsetzung „Erwerbsunfähigkeit infolge Alters“ auch keine Bedenken gegen die - mit § 99 Abs. 1 ÄrzteG 1998 vergleichbare - Verordnungsermächtigung des § 65 Abs. 1 ÄrzteG 1984. Es erscheine nämlich durchaus sachlich, die Möglichkeit des Ausschlusses der Gewährung der Altersversorgung für jene Fälle vorzusehen, in welchen Ärzte auf Grund der Aufrechterhaltung bestehender Verträge, seien diese nun zivil- oder öffentlich-rechtlicher Natur oder handle es sich um Kassenverträge, eine Behandlungspflicht (z.B. § 129 Abs. 1 ASVG) und damit eine Pflicht zur Aus­übung ihres Berufes weiter trifft.

 

Eine sachliche Rechtfertigung für die Verordnungsermächtigung sah der Verfas­sungsgerichtshof auch im Bestehen der freien Dispositionsmöglichkeit des Arztes, seine berufliche Tätigkeit auf vertraglicher Grundlage einzustellen und mit der Möglichkeit, auf freiwilliger Basis privatärztlich tätig zu sein, in Pension zu gehen, oder die Tätigkeit als Vertragsarzt fortzusetzen und die Altersversorgung noch nicht in Anspruch zu nehmen.

 

 

V. Da die dargestellten Überlegungen des Verfassungsgerichthofs vollinhaltlich auf den gegenständlichen Fall übertragbar sind, kann der Bf nicht durch Anwen­dung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt worden sein. Ebenso wenig kann im § 32 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Wohl­fahrtskasse der Ärztekammer für Oberösterreich eine gesetzwidrige Vorschrift gesehen werden, findet sie doch vollinhaltlich im Wortlaut des § 99 Abs. 1 Satz 1 ÄrzteG 1998 Deckung.

 

Im Ergebnis war daher den Normbedenken des Bf nicht beizutreten. Da auch keine einfachgesetzlichen Bedenken gegen die angewendete Satzungsregelung über die Voraussetzungen der Altersversorgung bestehen und der Bf schon nach seinem eigenen Vorbringen die vorausgesetzte Zurücklegung der Kassenverträge weder vorgenommen hat noch künftig vornehmen will, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und die Versagung der Altersversorgung zu bestätigen.

 

 

VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Die in der Beschwerde im Wesentlichen geltend gemachte Verfassungswidrigkeit der Verordnungsermächtigung des § 99 Abs. 1 Satz 1 ÄrzteG 1998 ist eine Rechtssache, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs gehört. Sie ist gemäß Art 133 Abs. 5 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen und kann demnach im Sinne des Art 133 Abs. 4 B-VG nicht von grundsätzlicher Bedeutung sein.

 

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

 

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichts­hof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwal­tungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwer­de bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr. W e i ß

 

Beachte:

Die Behandlung der Beschwerde wurde abgelehnt.

VfGH vom 24.11.2016, Zl.: E 2115/2016-6