LVwG-350243/2/Py/AKe

Linz, 07.11.2016

I M   N A M E N   D E R   R E P U B L I K

 

 

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr.in Andrea Panny über die Beschwerde des Herrn M R, vertreten durch Frau C R, x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 29. April 2016, GZ: BHVBSO-2016-112811/3-RH, betreffend Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs nach dem Oö. BMSG (bedarfsorientierte Mindestsicherung)

 

zu Recht   e r k a n n t :

 

I.         Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

 

 

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

 

 


 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. 1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck (in der Folge: belangte Behörde) vom 29. April 2016, GZ: BHVBSO-2016-112811/3-RH, wurde der Antrag des Beschwerdeführers (in der Folge: Bf) auf Gewährung einer Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs gemäß §§ 4, 13, 27 und 31 Oö. Mindestsicherungsgesetz (Oö. BMSG), LGBl. Nr. 74/2011 idgF iVm § 1 Oö. Mindestsicherungsverordnung (Oö. BMSV), LGBl. Nr. 75/2011 idgF abgewiesen.

 

Begründend führt die belangte Behörde unter Wiedergabe der Rechtsgrundlagen aus, dass – wie aus dem beiliegenden Berechnungsbogen hervorgehe – bei der Gegenüberstellung des für den Haushalt des Antragstellers maßgeblichen monatlichen Einkommens mit dem Mindeststandard der bedarfsorientierten Mindestsicherung eine Überschreitung dieses Mindeststandards festgestellt wurde.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde. Als Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung der belangten Behörde stützt, wird angegeben „Überschreitung des Einkommens meiner Mutter“ und zum Begehren wie folgt (wörtliche Wiedergabe):

Da ich gesellschaftlich und kulturell am Leben nicht teil haben kann fühle ich mich diskriminiert. Meine Mutter muß schon alles für mich bezahlen (Essen, Miete, Strom, Gewand, usw.) Es bleibt Ihr kein Geld mehr, das Sie mich sonst noch unterstützen könnte, und daher fühle Ich Mich gesellschaftlich ausgegrenzt.“

 

3. Mit Schreiben vom 13. Juni 2016 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Verwaltungsakt dem Oö. Landesverwaltungsgericht vor, das gemäß § 2 VwGVG zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelrichterin berufen ist.

 

4. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Akten­einsicht. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht bestritten wird und die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

 

4.1. Das Oö. Landesverwaltungsgericht geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Am 16. März 2016 stellte der Bf, vertreten durch seine Mutter, bei der belangten Behörde einen Antrag auf Mindestsicherung nach dem Oö. Mindestsicherungs­gesetz. Er ist österreichischer Staatsangehöriger, geboren xx.xx.1995, ist nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht erhöhte Familienbeihilfe. Er lebt mit seiner Mutter, die zum Antragzeitpunkt eine AMS-Leistung von monatlich 1177,11 Euro bezog, seinem Stiefvater und seinem Stiefbruder in Haushaltsgemeinschaft in F, F-Weg 29. Gegen den leiblichen Vater des Bf läuft beim zuständigen Bezirksgericht eine Unterhaltsklage. Der Bf ist Teilnehmer der „Tagesstruktur“ von P in V und erhält in der Tagesstruktur Taschengeld im Rahmen „Fähigkeitsorientierter Aktivität“ nach dem Oö. Chancengleichheitsgesetz.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und ist in dieser Form unbestritten.

 

5. Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 2 Abs.1 Oö Mindestsicherungsgesetz – Oö. BMSG, LGBL. Nr.  74/2011 idgF ist bei der Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung auf die besonderen Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen. Dazu gehören insbesondere Eigenart und Ursache der drohenden, bestehenden oder noch nicht dauerhaft überwundenen sozialen Notlage, weiters der körperliche, geistige und psychische Zustand der hilfebedürftigen Person sowie deren Fähigkeiten, Beeinträchtigungen und das Ausmaß ihrer sozialen Integration.

 

§ 4 Abs.1 Oö. BMSG lautet:

Bedarfsorientierte Mindestsicherung kann, sofern dieses Landesgesetz nicht anderes bestimmt, nur Personen geleistet werden, die

1.    ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Land Oberösterreich haben und die Voraussetzungen des § 19 oder des § 19a Meldegesetz, BGBl.Nr. 9/1992, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, erfüllen und

2.    a) österreichische Staatsbürgerinnen und -bürger oder deren Familien­ angehörige,

b) Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte,

c) EU-/EWR-Bürgerinnen oder -Bürger, Schweizer Staatsangehörige oder deren Familienangehörige, jeweils soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

d) Personen mit einem Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EG“ oder „Daueraufenthalt - Familienangehörige“ oder mit einem Niederlassungs­nachweis oder einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung,

e) Personen mit einem sonstigen dauernden Aufenthaltsrecht im Inland, soweit sie durch den Bezug dieser Leistungen nicht ihr Aufenthaltsrecht verlieren würden,

sind.

 

Gemäß § 4 Abs.2 Oö. BMSG kann bedarfsorientierte Mindestsicherung im Einzelfall – abweichend von Abs.  1 – auf der Grundlage des Privatrechts geleistet werden, soweit

1. der Lebensunterhalt nicht anderweitig gesichert ist oder gesichert werden kann und

2. dies zur Vermeidung besonderer Härten unerlässlich ist.

 

Gemäß § 5 Oö. BMSG ist Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine Person im Sinn des § 4

1. von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist

2. bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§ 7).

 

Eine soziale Notlage gemäß § 6 Abs. 1 Oö. BMSG liegt bei Personen vor, die

1. ihren eigenen Lebensunterhalt und Wohnbedarf oder

2. den Lebensunterhalt und Wohnbedarf von unterhaltsberechtigten Angehörigen, die mit ihnen in Hausgemeinschaft leben,

nicht decken können oder im Zusammenhang damit den erforderlichen Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung nicht gewährleisten können.

 

Nach § 6 Abs. 2 leg.cit. umfasst der Lebensunterhalt den Aufwand für die regelmäßig wiederkehrenden Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung und Strom sowie andere persönliche Bedürfnisse für die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe.

 

Gemäß § 6 Abs. 5 leg.cit. gelten nicht als soziale Notlage Situationen, für die bereits auf der Basis anderer gesetzlicher Grundlagen ausreichend Vorsorge getroffen wurde.

 

Gemäß § 13 Abs. 1 Oö. BMSG erfolgt die Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs durch laufende monatliche Geldleistungen (Mindeststandards), soweit keine Hilfe in Form von Sachleistungen in Betracht kommt und auch keine Bedarfsdeckung durch die Inanspruchnahme von Hilfe zur Arbeit besteht.

 

Gemäß § 13 Abs. 2 Oö. BMSG hat die Landesregierung durch Verordnung

  1. jährlich zum 1. Jänner die Höhe der Mindeststandards gemäß Abs.1 und
  2. die näheren Kriterien zur Zuordnung zu einzelnen Mindeststandardkategorien gemäß Abs.3 festzusetzen: sie hat dabei auf die Höhe der um die Beträge für die gesetzliche Krankenversicherung reduzierte Ausgleichszulage nach den pensionsversicherungsrechtlichen Bestimmungen Bedacht zu nehmen.

 

Nach § 13 Abs. 3a Oö. BMSG sind gesonderte Mindeststandards für volljährige Personen festzusetzen, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, die als Kind Unterhalt beziehen oder beziehen könnten und nicht unter § 11 Abs. 3 Z 5 fallen.

 

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 lit.a Oö. Mindestsicherungsverordnung (Oö. BMSV) LGBl. Nr. 75/2011 idgF betragen die laufenden monatlichen Geldleistungen (Mindeststandards) zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs für volljährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben, 643,90 Euro pro Person.

 

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 3 lit.c Oö. BMSV betragen die laufenden monatlichen Geldleistungen (Mindeststandards) zur Sicherung des Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs für volljährige Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben, ungeachtet der lit. a) und b) pro familienbeihilfebeziehender Person gemäß § 11 Abs.3 Z5 Oö. BMSG, wenn diese als Kind Unterhalt beziehen oder beziehen könnte und mit zumindest einem Elternteil im gemeinsamen Haushalt lebt, 210,30 Euro.

 

5.2. Den Erläuterungen zu den Bestimmungen des § 6 Oö. BMSG (vgl. AB 434/2011 BlgLT XXVII GP) ist zu entnehmen, dass Ausgangspunkt und primärer Maßstab für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung die soziale Notlage – ein Begriff, der aus § 7 Oö. Sozialhilfegesetz 1998 übernommen wurde – ist. Durch Abs.1 wird deutlich gemacht, dass soziale Notlagen jeweils auf der Ebene eines Haushalts betrachtet werden. Die nunmehr in der Oö. Mindestsicherungsverordnung auf Grundlage des Oö. BMSG festgelegten Mindeststandards stellen keine Richtgrößen sondern verbindliche Vorgaben dar, die von der Behörde als Maßstab bei der Bemessung der bedarfsorientierten Mindestsicherung heranzuziehen sind.

 

Vom Bf werden die von der belangten Behörde im Berechnungsblatt angeführten Einkommensbeträge für April und März 2016 nicht in Abrede gestellt. Für die Berechnung eines Anspruchs auf bedarfsorientierte Mindestsicherung wurde von der belangten Behörde der AMS-Bezug der unterhaltspflichtigen Mutter des Antragstellers herangezogen. Eine Gegenüberstellung der sich daraus ergebenden Einkommenssituation mit den vorgesehenen Mindeststandards – wie im Berechnungsblatt vom 29. April 2016 ersichtlich – ergibt, dass das zur Verfügung stehende Einkommen den gesetzlich festgelegten und verordneten Mindeststandard übersteigt. Da die in der Oö. BMSV festgelegten Mindeststandards – wie bereits ausgeführt - für die Praxis keine Orientierungs­größe zur Ermittlung einer sozialen Notlage darstellen, sondern als verbindliche Vorgaben zu verstehen sind, kann der Spruch des angefochtenen Bescheid, mit dem der Antrag auf Zuerkennung bedarfsorientierter Mindestsicherung an den Bf mangels Vorliegen der Voraussetzungen abgewiesen wurde, nicht als rechtswidrig erachtet werden.

 

5.3. Soweit das Vorbringen des Bf auf das Vorliegen eines besonderen Härtefalles (vgl. § 4 Abs. 1 Z 2 Oö. BMSG) abzielt, ist Nachfolgendes auszu­führen:

 

In den erläuternden Bemerkungen des Gesetzgebers zu § 4 Oö. BMSG wird für den Fall, dass Personen, die in der Aufzählung des § 4 Abs. 1 Z 2 Oö. BMSG nicht erfasst sind, die Möglichkeit der Zuerkennung von Leistungen bedarfsorientierter Mindestsicherung im Wege der Privatwirtschaftsverwaltung angeführt. Zu diesen Leistungen ist allerdings festzuhalten, dass kein Rechtsanspruch – und damit keine rechtliche Durchsetzbarkeit – für die antragstellende Person gegeben ist. Der Träger der bedarfsorientierten Mindestsicherung hat zu entscheiden, ob – und gegebenenfalls in welcher Höhe - diese aufgrund des Privatrechts geleistet wird. Die Entscheidung des Trägers der bedarfsorientierten Mindestsicherung hängt jedoch davon ab, ob der Lebensunterhalt anderweitig gesichert werden kann oder ob eine bedarfsorientierte Mindestsicherung zur Vermeidung besonderer Härten unerlässlich ist (vgl. LVwG-350169 v. 29. Mai 2015 ua.). Ferner kommt in Angelegenheiten der Privatwirtschaftsverwaltung das AVG nicht zur Anwendung (Art. II Abs. 1 EGVG; vgl. VwGH v. 22. Oktober 2006, Zl.  2006/06/0060). Daraus ergibt sich, dass derartige Leistungen auch nicht im Wege einer Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durch­setzbar sind.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

II. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

 

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Insbesondere weicht die gegenständliche Entscheidung von der als einheitlich zu beurteilen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen dieses Erkenntnis besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungs­gerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungs­gerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landes­verwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240.- Euro zu entrichten.

 

H i n w e i s

Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.

 

Landesverwaltungsgericht Oberösterreich

Dr.in Andrea Panny