LVwG-301189/4/Kl/PP
Linz, 21.10.2016
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat durch seine Richterin Dr. Ilse Klempt über die Beschwerde des R.A.B., M., vertreten durch T. Rechtsanwälte, x, W., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 21. Juni 2016, SanRB96-283-2015/Gr, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – AVRAG folgenden
B E S C H L U S S
gefasst:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG entfällt ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 21. Juni 2016, SanRB96-283-2015/Gr, wurden über den Beschwerdeführer Geldstrafen von jeweils 500 Euro (in sechs Fällen), für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je 33 Stunden (in sechs Fällen) wegen jeweils einer Verwaltungsübertretung gemäß § 7b Abs. 3 iVm § 8 Z 1 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz – AVRAG (in sechs Fällen) verhängt, weil er es als zur Vertretung nach außen berufener verantwortlicher Beauftragter
Dieser Sachverhalt wurde von Organen des Finanzamtes Linz bei einer Kontrolle am 17.11.2015 um 9.00 Uhr im oa. Baumarkt, indem die ao. Personen bei Regalaufbau- und Dekorationsarbeiten betreten wurden und durch Abfragen im Hauptverband, festgestellt.
Die verpflichtenden Meldungen wurden verspätet erst nach der Kontrolle am 17.11.2015 erstattet.
2. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es richtig sei, dass am 17.11.2015 bei der Kontrolle in L. vier d. Arbeitnehmer der V. L. GmbH & Co. KG, nämlich A.P., S.B., J.K. und S.K., sowie zwei Mitarbeiter der Firma M., nämlich M.S. und R.B., angetroffen wurden und keine Unterlagen betreffend die Anmeldung zur Sozialversicherung vorweisen konnten und auch keine eine Woche vor Arbeitsaufnahme erfolgte Meldung an die Zentrale Koordinationsstelle des Bundesministeriums für Finanzen vorlag. Die Meldung der Entsendung nach Österreich sowie die A1-Bescheinigungen wurden vom Beschwerdeführer in Folge sofort, noch am Tag der Kontrolle, nachgereicht. Für die zwei s. Arbeiter wurde die Einreichung von deren Arbeitgeber vorgenommen.
Es fehle aber die Verantwortlichkeit gemäß § 9 VStG. Im Spruch werde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, dass er ein „zur Vertretung nach außen berufener verantwortlicher Beauftragter der V. L. GmbH & Co. KG“ sei. Diese Formulierung lasse völlig unklar, ob der Beschuldigte nun als „verantwortlicher Beauftragter“ oder als „zur Vertretung nach außen berufenes Organ“ in Anspruch genommen werde. Der Beschuldigte sei weder ein zur Vertretung nach außen berufenes Organ noch ein verantwortlicher Beauftragter. Aus dem Strafantrag der Finanzpolizei vom 10.12.2015 ergebe sich, dass eine gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG iVm § 7j Abs. 1 AVRAG verantwortliche Person nicht mitgeteilt worden sei. Komplementär der V. L. GmbH & Co. KG war und ist die V. L. V.-GmbH. Der Beschuldigte sei bei der V. L. V.-GmbH nicht in Geschäftsführerfunktion und nicht als sonstiges nach außen vertretungsbefugtes Organ iSd § 9 Abs. 1 VStG tätig. Der Beschuldigte sei bei der V. L. GmbH und Co. KG lediglich als Prokurist tätig. Nach der Rechtsprechung des VwGH komme ihm als Prokurist jedoch Organstellung nicht zu, weshalb er nicht zu den zur Vertretung nach außen berufenen Personen iSd § 9 Abs. 1 VStG zählt. Die Annahme der Verantwortlichkeit des Beschuldigten nach § 9 Abs. 1 VStG sei daher aktenwidrig und ergebe sich auch aus den eingeholten Registerbescheinigungen. Auch sei der Beschuldigte nicht von den zur Vertretung nach außen berufenen Organen als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellt worden.
3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt.
Das Oö. Landesverwaltungsgericht hat das zuständige Finanzamt Linz am Verfahren beteiligt und wurde in einer Stellungnahme vom 11. August 2016 zur Verantwortlichkeit ausgeführt, dass die Strafanträge gegen den Beschuldigten aufgrund der getätigten Abfrage der internationalen Wirtschaftsdaten durchgeführt worden seien. Da aus dem vorgelegten Handelsregisterauszug hervorgehe, dass der persönlich haftende Gesellschafter die V. L. V.-GmbH ist, werde gegen die Geschäftsführer der V. L. V.-GmbH, I.B. und P.V., ein gesonderter Strafantrag gestellt.
Hinsichtlich der Meldung der Entsendung wurde ausgeführt, dass die beiden s. Staatsbürger M.S. und R.B. bei der Kontrolle gemeinsam mit den Arbeitern der Firma V. L. GmbH & Co. KG bei Ladenaufbau- bzw. Regalaufbauarbeiten angetroffen worden seien. Auch aus dem Auftrag an die Firma P. – M.J. gehe hervor, dass es sich lediglich um Montagearbeiten handle und die Firma P. – M.J. kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen des Werkbestellers abweichendes unterscheidbares und dem Werkunternehmer zurechenbares eigenes Werk herstelle. Es seien die beiden s. Staatsbürger Leiharbeiter für die Firma V. L. GmbH & Co. KG und seien diese gemeinsam mit den vier d. Arbeitern der Firma V. L. GmbH & Co. KG zur grenzüberschreitenden Arbeitsleistung nach Österreich entsandt worden. Gemäß § 7b Abs. 3 AVRAG hat der Arbeitgeber die Beschäftigung von Arbeitnehmern, die nach Österreich entsandt werden, spätestens eine Woche vor der Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle des BMF zu melden. Die Meldung der Firma V. L. GmbH & Co. KG sei erst am Kontrolltag erfolgt und nach der Amtshandlung elektronisch übermittelt worden. Die Meldung sei daher verspätet abgegeben worden. Es sei daher der Tatbestand gemäß § 7b Abs. 3 iVm § 7b Abs. 8 Z 1 AVRAG erfüllt, und sei daher die Übertretung für jede/n Arbeitnehmer/in mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5.000 Euro zu bestrafen. Die beiden s. Staatsbürger seien bei der Kontrolle gemeinsam mit den Arbeitern der Firma V. L. GmbH & Co. KG bei Ladenaufbau- bzw. Regalaufbauarbeiten angetroffen worden und handle es sich dabei um eine Arbeitskräfteüberlassung, wobei gemäß § 7b Abs. 1 AVRAG ein Beschäftiger mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union als Österreich hinsichtlich der an ihn überlassenen Arbeitskräfte, die zu einer Arbeitsleistung nach Österreich entsandt werden, als Arbeitgeber gelte. Es wurde ein Registerauszug der Stellungnahme angeschlossen.
4. Da gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine mündliche Verhandlung.
Folgender Sachverhalt wird als erwiesen zugrunde gelegt:
Bereits aus dem der Beschwerde angeschlossenen Auszug des Handelsregisters B des Amtsgerichtes M. geht hervor, dass die V. L. GmbH & Co. KG mit Sitz in M. einen persönlich haftenden Gesellschafter, nämlich die V. L. V.-GmbH, M., mit Vertretungsbefugnis für die Gesellschaft hat. Weiters ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer und Frau Y.B. als Kommanditisten eingetragen sind und ihnen Einzelprokura erteilt wurde.
Ein weiterer Auszug betreffend die V. L. V.-GmbH mit Sitz in M. weist als vertretungsbefugte Geschäftsführer Frau Y.B. und Herrn P.V. aus.
Auch das vom beteiligten Finanzamt vorgelegte Ergebnis einer Registersuche im Registerportal ergab ein gleichlautendes Ergebnis, nämlich dass für die V. L. V.-GmbH Frau Y.B. und Herr P.V. als Geschäftsführer bestellt sind. Der weitere Auszug aus dem Registerportal betreffend V. L. GmbH & Co. KG weist den Beschwerdeführer als bestellten Prokuristen aus.
In der ORBIS-Abfrage ist hinsichtlich der V. L. GmbH & Co. KG in der Rubrik „Aktuelle Geschäftsführer/Manager/Ansprechpartner“ in der Spalte „Vorstände und Ausschüsse“ sowohl der Beschwerdeführer als Y.B. auch als Gesellschafter gekennzeichnet angeführt. In der Spalte „Management und Mitarbeiter“ ist die V. L. V.-GmbH genannt. Als „Kontrollierender Gesellschafter“ scheint P.V. auf. Auch eine Personenabfrage des Beschwerdeführers ergab lediglich die Stellung als Prokurist bei der V. L. GmbH & Co. KG.
Es ist daher erwiesen, dass der Beschwerdeführer im Tatzeitraum weder für die V. L. V.-GmbH noch für die V. L. GmbH & Co. KG als Geschäftsführer bestellt war.
Im Strafantrag des Finanzamtes Linz wird klar festgehalten, dass ein gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG iVm § 7j Abs. 1 AVRAG verantwortlicher Beauftragter weder der Zentralen Koordinationsstelle im BMF noch dem zuständigen Träger der Krankenversicherung mitgeteilt wurde.
5. Hierüber hat das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erwogen:
5.1. Gemäß § 9 Verwaltungsstrafgesetz – VStG, welcher gemäß § 38 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist, ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen im Verwaltungsstrafverfahren durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des verantwortlichen Beauftragten oder auf andere Weise sichergestellt sind.
Gemäß § 7j Abs. 1 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) wird die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes erst rechtswirksam, nachdem
1. bei der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz und dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz des Bundesministeriums für Finanzen durch Arbeitgeber/innen im Sinne der §§ 7, 7a oder 7b oder Überlasser/innen mit Sitz im Ausland, oder
2. beim zuständigen Träger der Krankenversicherung durch Arbeitgeber/innen oder Beschäftiger/innen mit Sitz im Inland eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist.
5.2. Aufgrund des erwiesenen Sachverhaltes ist der Beschwerdeführer nicht als handelsrechtlicher Geschäftsführer der V. L. V.-GmbH, welche persönlich haftende Komplementärin der V. L. GmbH & Co. KG ist, bestellt und eingetragen. Er ist daher kein nach außen vertretungsbefugtes Organ und kommt ihm daher keine Verantwortlichkeit gemäß § 9 Abs. 1 VStG zu.
Weiters ist aber auch erwiesen, dass der Beschwerdeführer nicht zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG bestellt wurde und insbesondere auch keine Mitteilung gemäß § 7j AVRAG ergangen ist. Es war daher auch keine Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers im Hinblick auf § 9 Abs. 2 - 4 VStG gegeben.
Wie aber in der Beschwerde zu Recht ausgeführt wurde, ist der Beschwerdeführer lediglich als Prokurist für die V. L. GmbH & Co. KG bestellt. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist aber ein Prokurist kein nach außen vertretungsbefugtes Organ iSd § 9 Abs. 1 VStG.
Es kommt daher dem Beschwerdeführer keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit zu, sodass das angefochtene Straferkenntnis gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer einzustellen war.
6. Weil die Beschwerde Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG nicht aufzuerlegen.
7. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss besteht innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof. Eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem einzubringen, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich. Die Abfassung und die Einbringung einer Beschwerde bzw. einer Revision müssen durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw. eine bevollmächtigte Rechtsanwältin erfolgen. Für die Beschwerde bzw. Revision ist eine Eingabegebühr von je 240 Euro zu entrichten.
H i n w e i s e
1. Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision sind unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen.
2. Erachten Sie den von der belangten Behörde mit der angefochtenen Entscheidung übermittelten Zahlschein als hinfällig.
Landesverwaltungsgericht Oberösterreich
Dr. Ilse Klempt